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FRAGEN/169: Olaf Schlote - "Ich bin der Experte für meinen Körper" (dieGesellschafter.de)


dieGesellschafter.de - Oktober 2010 / Nummer 21
IN WAS FÜR EINER GESELLSCHAFT WOLLEN WIR LEBEN?
Eine Initiative der Aktion Mensch

"Ich bin der Experte für meinen Körper"
Epilepsie als Funktionsstörung und nicht als Krankheit begreifen

Interview von Ursula Porwol


Der Fotokünstler Olaf Schlote setzt sich für einen offensiven und medizinkritischen Umgang mit Epilepsie ein. Der 49-jährige Bremer lebt seit seiner Jugend mit schweren epileptischen Anfällen.


Seit Ihrem 13. Lebensjahr sind Sie epilepsiekrank. Was bedeutet das für Sie?

Zunächst einmal bezeichne ich mich nicht als krank, ich lebe mit epileptischen Anfällen und betrachte sie als eine Facette von mir, als eine partielle Funktionsstörung. Nach meinen ersten großen Anfällen ging eine richtige Odyssee los: Ich war wochenlang im Krankenhaus, bin als völlig verängstigter Mensch dort rausgekommen und wurde anschließend jahrelang mit Medikamenten vollgepumpt.

Was heißt vollgepumpt?

Ich war vor meinem ersten Anfall ein aktiver, offener Typ, davon blieb nicht mehr viel. Ich schluckte ja nicht nur die Tabletten, sondern auch die ganzen Nebenwirkungen. Ich sprach langsam, ging langsam, nahm schnell zu, fing mir eine Hepatitis ein und hatte auch noch Ausschläge. Und die Anfälle blieben.

Und dann?

Mir wurde klar, dass ich mein Leben selbst in die Hand nehmen muss - und es nicht völlig in die Verantwortung der Ärzte legen darf. Ich wollte diese Gravur "Epileptiker" auf meiner Stirn nicht mehr. Ich selbst war eigentlich nicht mehr sichtbar. Die Ärzte zum Beispiel fragen immer nur nach dem letzten Anfall, die Lebensbedingungen und aktuelle Situation interessieren sie nicht. Dabei beeinflusst das auch die Epilepsie. Mein ganzes Leben ordnete sich dem Schrecken des großen Anfalls unter, also dem Symptom.

Was stört Sie daran? Die Anfälle können doch sehr gefährlich sein?

Weil die Behandlung so nichts bringt: Epilepsie muss ganzheitlich betrachtet werden. Die psychische Seite spielt in der herkömmlichen Behandlung keine Rolle, das ist falsch. Ich gehe nur noch ganz selten zum Neurologen und nehme seit acht Jahren Tabletten in medizinisch nicht relevanter Dosis, also Placebos. Da stehen meinem Arzt die Haare zu Berge. Neurologen haben oft Schwierigkeiten, die Kompetenz des Patienten anzuerkennen, das ist meine Erfahrung. Für mich sind epileptische Anfälle Energieentladungen. Also achte ich darauf, Überenergie abzubauen: viel Sport, meditieren, wenig Alkohol und große Stressbelastungen meiden.

Sie haben sich viel mit sich und Ihrem Körper beschäftigt. Das hat Ihnen offenbar geholfen.

Die Epilepsie zeigt mir immer wieder den Weg. Ich will die Anfälle überhaupt nicht verharmlosen oder im rosafarbenen Licht erscheinen lassen. Ein Anfall kann sich in den schrecklichsten Fratzen zeigen und kann auch lebensbedrohlich sein. Trotzdem habe ich durch die Epilepsie einen sehr bewussten Umgang mit mir gefunden. Ich höre auf meinen Körper. Wenn ich das nämlich nicht tue, werden mir die Grenzen direkt brachial aufgezeigt.

Wie haben Sie das geschafft?

Das war für mich ein ungeheuer langer Weg. In der Pubertät war mein Verhältnis zu meinem Körper total gestört, eine Katastrophe. Und immer wieder diese Angst. Ein Arzt hat meinen Eltern und mir beispielsweise prophezeit, dass ich nicht älter als 40 werde. Was macht man damit als 16-Jähriger? Und später, meine Frau war schwanger, wurde uns ärztlich geraten, das Kind abzutreiben. Ich musste einen anderen Weg finden, sonst wäre ich vor die Wand gefahren. Mein Weg geht über Selbstreflexion, Eigenverantwortung und auch alternative Medizin. Ich frage mich immer wieder: Was brauche ich? Wann kommen die Anfälle? Am Anfang bin ich gegen die Schulmedizin nicht angekommen, mittlerweile habe ich das geschafft.


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Quelle:
dieGesellschafter.de - Oktober 2010 / Nummer 21, S. 7
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2011