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MELDUNG/222: horus aktuell 01/2012 - Sehbehinderung im Berufsleben (DVBS)


DVBS - horus aktuell 01/2012 - 13. Januar 2012

Sehbehinderung im Berufsleben


Liebe Leserinnen und Leser!

"Nicht sehend, nicht blind" heißt ein jährlich stattfindendes Seminar der DVBS-Fachgruppe "Sehbehinderte. Vom 23.2. bis 26.2.2012 trifft man sich in Herrenberg, Nähe Stuttgart. In Workshops beschäftigt man sich u.a. mit der Bewältigung von Sehbehinderung im Berufsleben. Sie können noch dabei sein.
http://www.dvbs-online.de/seminar498.htm


Die Wichtigkeit von Beratung bei der beruflichen Eingliederung Blinder und Sehbehinderter

Dr. Heinz Willi Bach ist der Arbeitsmarktexperte im DVBS-Vorstand. Der sehbehinderte Volkswirt war bis 2011 als Hochschuldozent tätig. Zuvor arbeitete er als Studien- und Berufsberater. In den letzten Jahren erstellte der 61-jährige eine empirische Studie zur Berufsberatung Blinder und Sehbehinderter.

Die Studie ist jetzt erschienen und "horus aktuell" sprach mit dem Autor:

ha: Herr Dr. Bach, wie lautet der genaue Titel Ihrer Studie und wo ist sie zu welchem Preis und womöglich sogar barrierefrei erhältlich?

Dr. Bach: Der Titel der Studie lautet: Berufliche Partizipation blinder, sehbehinderter und mehrfach behinderter Hochschulabsolventen in Deutschland - der Einfluss von Beratung. Man kann sie als pdf-file von meiner Homepage herunterladen.
http://drbach.wordpress.com
Ich möchte an dieser Stelle den mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern an der Studie danken. Sie haben die Studie erst möglich gemacht, da sie einen Fragebogen mit mehr als 100 Fragen bearbeitet haben und zu einem Telefoninterview zur Verfügung standen.

ha: Was haben Sie in dieser Studie auf welche Weise untersucht?

Dr. Bach: Ich habe entsprechend der Behindertenrechtskonvention konsequent die Perspektive der Betroffenen behandelt, nicht, wie bisher üblich, das medizinische Paradigma oder die betriebswirtschaftliche Sichtweise. Das Forschungsprojekt hat eine große Anzahl von Dimensionen: Wir haben untersucht:

- den allgemeinbildenden und berufsbildenden Werdegang der Teilnehmenden

- Art und Intensität von Beeinträchtigungen durch Behinderung

- Status und Prognose der Beeinträchtigungen

- Situation und Entwicklung der jüngsten oder der aktuellen Stellensuche

- Aktivitätsbeschränkungen und Nachteile im Teilhabebereich Arbeit und Beruf

- Nutzung von Medien und Hilfsmitteln vor allem im beruflichen und Studienkontext.

- Situation der Betroffenen auf dem Arbeitsmarkt - Erwerbs- und Beschäftigungsquote, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung sowie Fortbildungsaktivitäten,

- Wahrnehmung von Beratungsqualität und -erfolg durch die Beratenen, differenziert nach den verschiedenen Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsvermittlung in Deutschland

- den beruflichen Werdegang, Licht und Schatten, Chancen und Gefährdungen

- und nicht zuletzt: Was die Befragten anderen Menschen raten, wenn diese sich in der Situation der Stellensuche befinden.

ha: Wie lauten die drei wichtigsten Thesen, die durch Ihre Untersuchung zu Hypothesen wurden?

Dr. Bach: Wir müssen ständig kämpfen, um im wirtschaftlichen und technologischen Strukturwandel nicht den beruflichen Anschluss zu verlieren, sondern vielmehr neue, vielfältige und hochwertige Arbeitsmöglichkeiten zu erschließen.

Die Studie zeigt u.a., dass hochgradig sehbehinderte Befragte in mancher Hinsicht größere Probleme beschreiben als blinde. Kompliment an unsere blinden Befragten: Sie sind gut organisiert. Wir sollten also z.B. im Bildungsbereich den hochgradig sehbehinderten Menschen noch mehr Aufmerksamkeit widmen. Sie brauchen mehr Empowerment

Angesichts des Strukturwandels müssen wir die Fort- und Weiterbildung behinderungsspezifisch forcieren. Studium und Fortbildung müssen im Reha-Kontext geöffnet bzw. gestärkt werden.

ha: Von zentraler Bedeutung für blinde und sehbehinderte Akademiker ist die ZAV. Es gibt sie wieder, der DVBS hat dafür gekämpft, aber es scheint merkwürdig ruhig um sie geworden zu sein. Liegt das an ihrer gegenüber früher etwas veränderten Aufgabenstellung oder an der zunehmenden Zersplitterung der kommunalen Arbeitsverwaltung?

Dr. Bach: Die Vermittlungsstelle für schwerbehinderte Akademiker in der ZAV in Bonn macht wieder gute Arbeit, so weit ich informiert bin. Sie ist allerdings auf die Kooperation mit den örtlichen Einrichtungen angewiesen, also Arbeitsagenturen oder Einrichtungen der "Grundsicherung für Arbeitsuchende", auch Jobcenter oder "Hartz IV-Behörden" genannt. Wer nicht durch Beiträge zur BA einen Anspruch auf Arbeitslosengeld erworben hat, kann nur die Jobcenter in Anspruch nehmen, ob er oder sie will oder nicht. Das ist eine der "Segnungen" der Agenda 2010. Unter diesen Einrichtungen ist jede vierte eine sog. Optionskommune. Diese sehen die Einrichtungen der BA, also auch die ZAV als Konkurrenz an und arbeiten aus eigener Initiative zumeist auch nicht mit der Vermittlungsstelle für schwerbehinderte Akademiker zusammen. Die Frage, was hier zu tun ist, würde hier den Rahmen sprengen.

ha: Wenn eine "weise" Fee käme und Ihnen sagte, Sie haben drei Wünsche frei, um die Eingliederungschancen Blinder und Sehbehinderter in das Berufsleben zu verbessern, welche Wünsche wären das...?

Dr. Bach: ... Dass blinde und sehbehinderte Bewerber so gesehen werden, wie sie sind und nicht Klischees und Stereotypien "vom Blinden" unterworfen werden. - ... Dass unsere Bewerber Berater finden, die Ihnen mittels Coaching und Empowerment zu den Arbeitsplätzen verhelfen, auf denen sie ihre Talente voll ausschöpfen können, somit eine hohe Produktivität und eine ebenso hohe Zufriedenheit erleben. - Mein weitestgehender Wunsch geht dahin, ... Dass die Festlegungen und Anforderungen des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Menschenrechte behinderter Menschen - insbesondere die des Artikels 27 in unserem Deutschland verwirklicht sind.


In diesem Sinne bis zum Nächsten Mal

Ihr
Michael Herbst
DVBS Öffentlichkeitsarbeit


Der Newsletter "horus aktuell" ist ein gemeinsamer Informationsdienst des Deutschen Vereins der Blinden und Sehbehinderten in Studium und Beruf e.V. (DVBS) und der Deutschen Blindenstudienanstalt e.V. (Blista).

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Redaktion:
Michael Herbst (V.i.S.d.P.), DVBS
Rudi Ullrich, Blista
Susanne Schmidt, DVBS
Wilhelm Gerike, DVBS
Irmgard Behrens, Blista


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Quelle:
Newsletter "horus aktuell" 01/2012 vom 13.01.2012
http://www.dvbs-online.de/nl482.htm
DVBS - Deutscher Verein der Blinden und Sehbehinderten
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2012