Schattenblick →INFOPOOL →PANNWITZBLICK → PRESSE

MEDIZIN/161: Ev. Krankenhaus Bielefeld - 50 Jahre Johannesstift (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel - September 2009

Pionierarbeit nach neuesten Erkenntnissen
Ev. Krankenhaus Bielefeld: 50 Jahre Johannesstift

Von Petra Wilkening


Das Ev. Krankenhaus Bielefeld feiert an seinem Standort Johannesstift ein besonderes Jubiläum. Vor 50 Jahren, am 29. August 1959, wurde hier das Johannes-Krankenhaus eingeweiht. Der erste Patient war schon einen Monat zuvor aufgenommen worden. Er litt unter Magengeschwüren, hatte aber angesichts der großen Bettennot in den Bielefelder Krankenhäusern keine Chance auf eine baldige Behandlung gehabt. Mit seinen 380 Plätzen trug die neue Einrichtung erheblich zur Entlastung der anderen Kliniken bei.


Das Johannes-Krankenhaus war ein gemeinsames Projekt der Stadt Bielefeld und des Ev. Johanneswerks und als solches nicht unumstritten. Die Gegner hätten argumentiert, die Stadt solle sich nicht an einem konfessionellen Krankenhaus beteiligen, weil sie keinen Einfluss auf dessen Arbeit ausüben könne, so Bärbel Thau. Die Historikerin des Ev. Johanneswerks hat zum Jubiläum eine Ausstellung zur Geschichte des Krankenhauses vorbereitet. Die Befürworter der Partnerschaft wiesen darauf hin, dass es teurer und langwieriger sei, ein weiteres städtisches Krankenhaus zu bauen - das Kostenargument überzeugte die Gegenseite letztendlich. Auf den Viehweiden und Ackerflächen des Stiftsgeländes entstanden daraufhin das Krankenhaus, aber auch Straßen und Parkplätze. Das bisher ländlich anmutende Johannesstift bekam "Großstadtflair".

Mit den vier Fachbereichen Chirurgie, Innere Medizin, Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Röntgenabteilung startete das Johannes-Krankenhaus. Außerdem gab es in dem Krankenhaus Belegbetten in den Bereichen Urologie, HNO, Neurologie und Augenkrankheiten.

Um die Patienten kümmerten sich 30 Mediziner und 80 Krankenschwestern. Ausreichend Krankenschwestern zu finden war ein großes Problem. Aus Mangel an Pflegerinnen mussten Krankenhäuser damals sogar vorübergehend schließen. "Das Johannes-Krankenhaus hätte gerne Diakonissen eingesetzt", berichtet Bärbel Thau. Daran sei jedoch nicht wirklich zu denken gewesen, da alle Mutterhäuser längst mit Nachwuchsproblemen zu kämpfen hatten. Aber auch "freie" Krankenschwestern fehlten auf dem Arbeitsmarkt.

Der Leiter des Ev. Johanneswerks Pastor Karl Pawlowski beschloss darum, eine eigene Schwesternschaft aufzubauen. Für die moderne Johannes-Schwester sollte das Prinzip der freiwilligen Armut nicht mehr gelten: Ihr wurde eine tarifliche Bezahlung und eine Zusatzversicherung angeboten. Und statt der dunklen Tracht der Diakonissen war für sie von "neuer, flotter" Kleidung die Rede. Auf dem Bielefelder Sennetreffen 1956 warb Pastor Pawlowski für seine Schwesternschaft, die in dem geplanten Krankenhaus drei Jahre später eingesetzt werden sollte. "Ihr könnt ja nicht alle Kosmetikerin werden, es geht schließlich auch ohne Farbe, und in den Büros erobern sich die Maschinen das Feld. Im Schwesternberuf aber ist eine echte Aufgabe für Frauen mit helfenden Händen und liebenden Herzen gegeben." Das Projekt musste aufgegeben werden, denn es fanden sich nicht genügend interessierte Frauen.

In den 1960er-Jahren galt das Johannes-Krankenhaus als das modernste Bielefelder Krankenhaus. "Alle Abteilungen waren darauf bedacht, den Anschluss an die neueste Entwicklung zu halten", so Bärbel Thau. Mit 96 Prozent Belegung war das Krankenhaus gut ausgelastet. Drei neue Fachabteilungen kamen hinzu: die Neurologie, Anästhesiologie und Urologie.

Der Mangel an Pflegepersonal blieb weiterhin ein Problem. Deshalb wurde auch die Ausbildung männlicher Pflegekräfte gefördert - damals eine so ungewöhnliche Maßnahme, dass sogar die Tagesschau 1963 über die "männlichen Krankenschwestern" im Johannesstift berichtete. "Mit dem Einsatz von Pflegern wollte man ein 'krisenfestes Moment' bilden gegenüber der Tendenz der Schwestern, nach der Heirat den Beruf aufzugeben", erläutert Bärbel Thau. "Und die angeblich größere technische Begabung der Männer sollte der fortschreitenden Technisierung des Krankenhauses entgegenkommen."

Trotz aller Bemühungen konnte das 1969 neu hinzugekommene Langzeitkrankenhaus für Patienten mit Alterskrankheiten oder längerfristigem Rehabilitationsbedarf wegen Personalmangels nur zur Hälfte belegt werden. Darum wurden koreanische Schwestern angeworben. Die Verträge der 24 examinierten Schwestern liefen über drei Jahre. Nur zwei von ihnen sprachen Deutsch, die anderen nahmen in den ersten Monaten nachmittags an einem Sprachunterricht teil.

Für das Langzeitkrankenhaus und zusätzliche Operationsräume war das Johannes-Krankenhaus Ende der 1960er-Jahre umfassend ausgebaut worden. Die neue "Klinik für Geriatrie und Rehabilitation" war eines von fünf Modellkrankenhäusern in Nordrhein-Westfalen.

Im Jahr 1974 wurde das Nuklearmedizinische Institut gegründet. Sein besonderer Schwerpunkt waren die Diagnostik und Therapie von Schilddrüsen-Erkrankungen. Ein Jahr später entstand nach modernsten medizinischtechnischen Erkenntnissen die Abteilung für interdisziplinäre Intensivmedizin. Schon damals gab es den Spagat zwischen dem "medizinisch Machbaren" und der Finanzierung der Maßnahmen. Bielefelds Oberbürgermeister Herbert Hinnendahl freute sich bei einem Besuch darüber, dass das Krankenhaus "modernen Ansprüchen" gerecht wurde, appellierte jedoch zugleich an die Chefärzte, es müsse alles "bezahlbar" bleiben.

Eine Neuheit war Ende der 1970er-Jahre das "Rooming-in" in der Geburtshilfe. "Mütter sollten ihre Babys von Anfang an selbst versorgen können, anstatt die Säuglingspflege in den ersten Tagen der Kinderschwester zu überlassen", so Bärbel Thau.

Damit Menschen mit psychosomatischen Erkrankungen eine Alternative zwischen dem stationären Aufenthalt im Fachkrankenhaus und der ambulanten Versorgung durch niedergelassene Mediziner hatten, richtete das Ev. Johanneswerk Anfang der 1980er-Jahre eine psychosomatische Tagesklinik ein. Sie war die erste Einrichtung dieser Art in Deutschland. Der damalige Ministerpräsident Johannes Rau betonte bei der Einweihung 1982, dass die Gesellschaft nicht nur für die Starken und Gesunden Platz haben dürfe. Und es gehe auch nicht, dass ein Gips aus dem Skiurlaub wie ein Bundesverdienstkreuz getragen werde, Depressionen aber wie ein Makel versteckt würden.

Weder die Krankenkassen noch die niedergelassenen Ärzte unterstützten das neue Konzept. Die Klinik wurde darum in eine Einrichtung mit tagesklinischen und vollstationären Plätzen umstrukturiert. Im Laufe der Jahre entwickelte sich die "Klinik für Psychotherapeutische und Psychosomatische Medizin" zu einer der führenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Traumatherapie und gilt heute als beispielhaft und richtungweisend im Bereich der Psychotraumatologie in Deutschland.

Ein besonderes Spezialgebiet wurde in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre auch die Gefäßchirurgie. Besonderes Aufsehen in der Öffentlichkeit erregte eine Operation, bei der es gelang, die zerstörte Beinarterie eines 17-Jährigen zu nähen. Sein Unterschenkel war bei einem Motorradunfall fast vollständig abgetrennt worden. Dank der Gefäßchirurgie im Johannes-Krankenhaus mussten Bielefelder Patienten mit beschädigten Blutgefäßen nicht mehr nach Münster in die dortige Uni-Klinik geflogen werden.

Im Jahr 1994 legte der damalige nordrhein-westfälische Gesundheitsminister Franz Müntefering den Grundstein für einen Erweiterungstrakt mit einem Bauvolumen von rund 26 Millionen D-Mark. "Neben diesem Groß projekt gab es Mitte der 1990er-Jahre aber noch weitere bedeutsame Veränderungen", informiert Bärbel Thau und zählt auf: Die Schmerztherapie wurde ein Schwerpunkt in der Klinik für Anästhesiologie, es entstand das Ambulante Therapiezentrum für kleinere Eingriffe, und die Neurologische Klinik eröffnete eine Schlaganfallstation."

Pionierarbeit stand wieder im Jahr 2004 an: Das Johannes-Krankenhaus richtete die erste Bielefelder Palliativstation ein. Den medizinischen Fortschritt umzusetzen und neue Wege zu gehen bleibt das erklärte Ziel auch nach der Fusion mit den Krankenanstalten Gilead zum Ev. Krankenhaus Bielefeld im Jahr 2005. Das Ev. Krankenhaus Bielefeld (EvKB) ist eine Tochtergesellschaft der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel und das größte evangelische Krankenhaus in Deutschland. Ein Jahr nach der Fusion entstand am Standort Johannesstift das erste medizinische Versorgungszentrum Bielefelds für die ambulante Therapie im Bereich Gefäßmedizin. Wiederum ein Jahr später eröffnete das Ev. Krankenhaus Bielefeld im Johannesstift das erste interdisziplinäre Kontinenzzentrum Ostwestfalens. Und im Bauchzentrum des EvKB am Standort Johannesstift wurde in diesem Jahr zum ersten Mal einer Patientin die Gallenblase ohne Bauchschnitt entfernt. Das Bauchzentrum gehört zu den ersten 15 Kliniken in Deutschland, die die transvaginale Gallenblasenentfernung durchführen.


*


Jubiläumsprogramm im Johannesstift

16. September, 19 Uhr
Kapelle Präventionsabend zum Thema Darmkrebs

17. September, 19 Uhr
Kapelle Eröffnung der Ausstellung. "50 Jahre Krankenhaus im Johannesstift"

19. September, 11-18 Uhr
Tag der offenen Tür mit Fachvorträgen, OP-Techniken zum Ausprobieren, Untersuchungen, Age Explorer, Besuchen im Krankenwagen/Rettungshubschrauber Flohmarkt und Kunstfotoaufnahmen für Schwangere


*


Quelle:
DER RING, September 2009, S. 11-13
Monatszeitschrift für Mitarbeiter, Bewohner, Freunde
und Förderer der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel
Redaktion: Quellenhofweg 25, 33617 Bielefeld
Telefon: 0521/144-35 12, Fax: 0521/144-22 74
E-Mail: presse@bethel.de
Internet: www.bethel.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2009