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POLITIK/472: Katalog für besondere Bedarfe (HARTZ IV) diskriminiert! (Silvia Schmidt, SPD)


Silvia Schmidt, MdB - 26.02.2010
Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion

Note Sechs, setzen!

Der Katalog der Regierung für besondere Bedarfe (HARTZ IV) diskriminiert und wird in der Praxis wieder zu Ungerechtigkeiten führen.


"Viele Hausaufgaben hat die Regierung vom Bundesverfassungsgericht mitbekommen. Das Ergebnis ist eine Schande und eine Frechheit gegenüber den Betroffenen! Gerade Menschen mit Behinderung und chronisch kranke Menschen haben vielfältige individuelle Bedarfe, die auch bei Arbeitslosigkeit anfallen. Wie zynisch ist es da, gerade mal für Rollstuhlfahrer eine Haushaltshilfe anzukündigen, die auch nur im absoluten Einzelfall gewährt wird, und die vielen Menschen mit anderen Behinderungen auszugrenzen. Brillen und Sehhilfen, orthopädische Schuhe und Zahnersatz sind nach der aktuellen Geschäftsanweisung der Bundesagentur für Arbeit kein Bedarf, der durch zusätzliche Leistungen gedeckt werden sollte, dafür gäbe es ja schließlich Darlehen! Menschen, die übergroße oder besonders kleine Kleidung brauchen existieren für die Regierung ebenso nicht, wie psychisch kranke Menschen. Für mich ist schon jetzt absehbar, dass es neue Ungerechtigkeiten geben wird, weil die Praxis vor Ort äußerst restriktiv und streng nach Vorschrift vorgeht", so Silvia Schmidt, Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion heute in Berlin.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 die pauschale Schätzung von Bedarfen "ins Blaue hinein" kritisiert, das bedarfsgerechte menschenwürdige Existenzminimum hervorgehoben und betreffende Regelungen des Sozialgesetzbuch II für verfassungswidrig erklärt. Es hat festgestellt, dass laufende, unabweisbare, und besondere Bedarfe zu erstatten sind. Die Regierung redet dem gegenüber von "Härtefällen" - da gibt es deutlichen Klärungsbedarf, meint die Abgeordnete Schmidt. Schmidt dazu: "Es ist für die Betroffenen völlig unklar, wie sich die neuen Leistungen zu den bisherigen Mehrbedarfen nach Paragraf 21 SGB II verhalten und warum krankheitsbedingter Ernährungsaufwand rundweg mit Verweis auf die Empfehlungen des Deutschen Vereins abgelehnt wird. Schließlich hält dieser nur solche zusätzlichen krankheitsbedingten Ernährungsaufwendungen für nicht medizinisch begründbar, bei denen auch eine Umstellung auf Vollwertkost ausreichend wäre. Andere medizinisch begründete Bedarfe werden aber schon eingeräumt: z.B. bei Nierenerkrankungen oder HIV. Die Geschäftsanweisung wird dahingehend falsch verstanden und auf alle ernährungsbedingten Krankheitskosten bezogen werden. Wie auch schon bei Entscheidungen über Mehrbedarfe nach Paragraf 21 SGB II wird es zu weiteren Ungerechtigkeiten kommen, weil man sich im Auftrag der Sparsamkeit auch die Mühe spart, auf die behinderungsbedingten Bedarfe einzugehen. Eine glatte Fehlleistung, liebe Bundesregierung!"


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Quelle:
Pressemitteilung: 26.02.2010
Silvia Schmidt, MdB
Behindertenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion
Deutscher Bundestag, Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Tel. (030) 227 73109, Fax (030) 227 76627
E-Mail: silvia.schmidt@bundestag.de
Internet: www.silviaschmidt.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. März 2010