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PROJEKT/574: Was macht eigentlich... Chance 24? (SF)


Schwindelfrei - Das Infomagazin der ELBE-Werkstätten GmbH
Ausgabe 38, Winter 2008/2009

Was macht eigentlich... Chance 24?
Das Qualifizierungsprojekt mit anerkanntem Abschluss hat sich dauerhaft etabliert

Von Dieter Basener


Chance 24 - das war doch das Vorzeige-Projekt der vier Hamburger Werkstätten. Geplant in den Elbe-Werkstätten, finanziert mit Mitteln der Europäischen Union und durchgeführt in vier unterschiedlichen Qualifizierungsgängen in den vier Werkstatt-Unternehmen. Was ist eigentlich daraus geworden, nachdem die Projektphase beendet war?


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Zur Erinnerung: Was dieses Projekt bundesweit so einmalig machte, war die Tatsache, dass es zum ersten Mal gelang, für einen Qualifizierungs-Gang einer Werkstatt einen anerkannten Abschluss zu bekommen. Die Teilnehmer erwarben ein Zertifikat der Handelskammer. Dafür mussten sie elf Qualifizierungs-Bausteine und eine Menge Theorie absolvieren. Angesiedelt war die Qualifizierung - und das war für die bundesweite Fach-Öffentlichkeit eine weitere Besonderheit - als Ausbildung in Betrieben des 1. Arbeitsmarktes. Im Anschluss wurden die Teilnehmer häufig vom Betrieb übernommen - in einen ausgelagerten Arbeitsplatz der Werkstatt oder in eine Festanstellung durch den Betrieb. Das Projekt wurde 2007 mit einem großen Fachkongress abgeschlossen, die erarbeiteten Materialien veröffentlicht. Sie werden heute noch über 53° NORD vertrieben und sind sehr gut nachgefragt. Was also kam nach diesem offiziellen Abschluss? War Chance 24 eines der Projekte, die wie ein Strohfeuer auflodern und dann als kalte Asche enden? Ich fragte die ehemalige Projektleiterin Gundula Hildebrandt und den Sozialpädagogen Mark Schänzer, der gemeinsam mit Anna Brouwer den Fachbereich der externen Angebote leitet.


Die Marke "Chance 24" existiert weiter

Und dies war die Auskunft von Gundula Hildebrandt - sie ist heute als Projektkoordinatorin der Elbe-Werkstätten tätig: "Chance 24 war von vornherein so angelegt, dass es in der Regel-Finanzierung weitergeführt werden konnte. Wir haben es einfach aus dem Projekt-Status in den regulären Berufsbildungsbereich verpflanzt. Es gibt auch Teilnehmer, die bereits im Arbeitsbereich sind, aber eine weitere Qualifizierung absolvieren wollen. Das ist über Chance 24 ebenfalls möglich." Die Marke "Chance 24" existiert also weiter. Gundula Hildebrandt: "Die vier Werkstätten haben sich in einem Kooperations-Vertrag verpflichtet, ihren jeweiligen Bereich weiterzuführen und dabei die Qualitäts-Standards von Chance 24 einzuhalten. Einheitlich sind auch die Verträge, die sie mit den Betrieben abschließen. Sie haben gemeinsame Flyer für die Außen-Darstellung erstellt und nutzen gemeinsam die Web-Site www.chance-24.de. Bei den 53° NORD-Veranstaltungen "Wie gelingt Integration in den Arbeitsmarkt?" sind Chance-24 Kollegen wie Thorsten Röwer, Kathrin Maak und Heike Süreth die Hauptakteure."

Allerdings sind nicht alle vier Qualifizierungsbereiche gleichmäßig gefragt. Das größte Interesse der Teilnehmer, so erfahre ich, gilt dem Einzelhandel. Hier bilden die Winterhuder Werkstätten z. Zt. 14. Teilnehmer aus und führen darüber hinaus eine Warteliste. Auch der Bereich "Gastronomie Küche", in dem die Elbe-Werkstätten qualifizieren, läuft gut. 10 Teilnehmer absolvieren z. Zt. diese Ausbildung. Weniger gefragt ist der "Gastronomie Service" in der sowie die Hotel-Ausbildung.


Neuorganisation des Externen Bereichs

"Die Elbe-Werkstätten", so erläutert mir Sozialpädagoge Mark Schänzer, "haben mittlerweile ihre externen Bereiche organisatorisch zusammengelegt." Aus dem Vorgänger-Projekt von Chance 24 mit der Bezeichnung "Helfer in der Altenpflege" ist mittlerweile der "Externe Berufbildungs-Bereich von Hauswirtschaft bis Handwerk" geworden. In aller Regel entstehen aus den Qualifizierungs-Maßnahmen nach deren Abschluss ausgelagerte Arbeitsplätze, die organisatorisch ebenfalls in diesem Bereich angesiedelt sind. Mark Schänzer: "Im externen BBB qualifizieren wir z. Z. ca. 20 Personen, an ausgelagerten Einzelarbeitsplätzen im Arbeitsbereich haben wir 40 Beschäftigte. Acht Arbeitsbegleiter kümmern sich um diese Beschäftigten. Alle sind auf Teilzeit-Basis tätig und haben eine Ausbildung zum Integrations-Berater bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Unterstützte Beschäftigung absolviert."

Mit der Zusammenlegung des Externen Bereichs gab es zudem weitergehende organisatorische Festlegungen. Die acht Fachkräfte bilden zwei Kleinteams mit je zwei Tandems, die immer gemeinsam für eine Person zuständig sind und sich wechselseitig vertreten können. Und es wurde das Prinzip der Kontinuität in der Begleitung eingeführt. Mark Schänzer: "Die Integrations-Berater behalten ihre Zuständigkeit auch nach dem Übergang in einen ausgelagerten Arbeitsplatz."


Chance 24 bleibt ein eigenständiges Angebot

Das Projekt Chance 24 ist aber nicht vollständig im externen Berufsbildungsbereich aufgegangen: Während es sich bei dem ehemaligen Altenpflegeprojekt mittlerweile nicht mehr um fachspezifische Qualifizierung handelt, zielt Chance 24 weiterhin auf das Handelskammer-Zertifikat ab und qualifiziert deshalb streng fachbezogen. Auch die Theorie-Anteile sind mit 8 Wochen doppelt so hoch wie im übrigen Bereich.

Mark Schänzer: "Die EW-Mitarbeiter von Chance 24 sind zum Teil in Restaurants tätig, etwa im Hamburger Aalspeicher oder im Restaurant Deichgraf tätig. Wir haben sie aber auch in Kantinen untergebracht, z. B. bei Hapag-Lloyd und bei der Hamburg-Mannheimer Versicherung. Und wir haben einige Plätze in Kindergarten-Küchen für sie gefunden."

Die Akquisition von Arbeitsplätzen für den gesamten externen Bereich verlief so gut, dass z. Zt. mehr Praktikumsplätze zur Verfügung stehen als Teilnehmer. Dabei verläuft die Nachfrage auch nicht gerade schleppend. "Einmal die Woche führe ich ein Vorstellungsgespräch", berichtet der Sozialpädagoge. "Unsere Mailing-Aktion bei den Schulen und Eltern trägt Früchte. Auch auf Info-Veranstaltungen stellen wir das Angebot vor. Wir beschränken die Qualifizierung übrigens nicht auf bestimmte Stadtteile sondern bieten sie Hamburg-weit an."


Unterschiede zur "Betrieblichen Berufsbildung" der Hamburger Arbeitsassistenz

Was veranlasst die Interessenten, den Zugang zum Arbeitsmarkt über die Werkstatt zu suchen und nicht über die Hamburger Arbeitsassistenz, die darauf spezialisiert ist? Mark Schänzer: "Es ist die Sicherheit, die die Werkstatt ihnen bietet. Bei uns gibt unter dem Dach der WfbM eine Durchlässigkeit zu unseren anderen Angeboten. Wer auf dem Arbeitsmarkt nicht zurechtkommt, der hat immer die Sicherheit der Werkstatt im Hintergrund. Außerdem bietet die Werkstatt eine gute sozialversicherungsrechtliche Absicherung (z. B. einer guten Renteneinzahlung). Hinzu kommen Leistungen wie Fahrgeld und Mittagessen. Auch ist das Entgelt auf Außenarbeitsplätzen i.d.R. höher als innerhalb der Werkstatt. Die Sicherheitsargumente sind für viele Eltern von großer Bedeutung."

Und auch für die Betriebe bietet der Werkstatt-Außenarbeitsplatz im Vergleich zur Festanstellung eines behinderten Mitarbeiters offensichtlich Vorteile. Sie bekommen dauerhafte Unterstützung durch das Werkstattpersonal und sind damit nicht so stark in der Verantwortung, als wenn sie einen Mitarbeiter mit einem Arbeitsvertrag ausstatten.


Wenig Nachahmer

Erstaunlicherweis hat bisher bundesweit kaum eine Werkstatt diesen externen Ausbildungsgang nachgeahmt. Sich auf externe Qualifizierung einzulassen, erfordert neue Fachkompetenzen, eine neue Ausrichtung der Fachkräfte in ihrer Tätigkeit als Arbeitsbegleiter und eine Umorganisation dieses Werkstattbereichs.

Auch in den Elbe-Werkstätten sind interner und externer Bereich nach Meinung von Mark Schänzer noch nicht optimal verzahnt. Die Fachkräfte und Arbeitsbegleiter, so lautet sein Eindruck, haben unterschiedliche Sichtweisen: "Fachkräfte haben nicht nur den Einzelnen im Auge sondern auch ihre Gruppe als Ganzes. Arbeitsbegleiter sind sehr individuell auf die Einzelperson ausgerichtet und müssen die Vorstellungen der Firmen, in denen die MitarbeiterInnen arbeiten, berücksichtigen. Hier fehlt noch ein stärkerer Austausch, die Information über den anderen Bereich und der Einblick in das Selbstverständnis für die jeweils andere Seite. Vielleicht sollte man mit Hospitationen im jeweils anderen Bereich ermöglichen."


Die Theorieblöcke

Zur externen Berufsbildung gehören zudem Theoriewochen, die für Werkstatten in der Regel ebenfalls nicht einfach zu organisieren sind. Bei den Elbe-Werkstätten übernimmt dies Marit Salvesen, die zuvor als Lehrkraft bei Chance 24 tätig war. Sie erläutert: "Die Gastronomie-Gruppe von Chance 24 bekommt die erforderliche Fachtheorie vermittelt, denn sie muss sich ja auf die Prüfungen vorbereiten. 4 mal 2 Wochen - aufs Jahr verteilt - sind die 10 Teilnehmer im Block-Unterricht. Ich teile mir die Anleitung mit den Arbeitsbegleiterinnen. Im externen Berufsbildungsbereich ist die fachliche Schulung aufgrund der Vielfalt so nicht mehr möglich. Hier legen wir Wert auf soziales Kompetenztraining und orientieren uns dabei sehr stark an den KUKUK-Materialien der Hamburger Arbeitsassistenz.


Dauerarbeitsplatz sehr wahrscheinlich

Für die Teilnehmer von Chance 24 ist eine dauerhafte Beschäftigung im Arbeitsmarkt sehr hoch. In diesem Jahr sind alle Absolventen in ihren Betrieben übernommen worden. Und auch die Unsicherheit, ob Werkstattaußenarbeitsplätze auf Dauer angelegt sein dürfen, ist mittlerweile genommen: Der Gesetzgeber hat gerade in den Bestimmungen für die neue Maßnahmeform "Unterstützte Beschäftigung" sichergestellt, dass Werkstatt-Arbeitsplätze in Betrieben des Arbeitsmarktes keiner zeitlichen Beschränkung unterliegen. Gleichwohl ist es Ansinnen der KollegInnen aus dem externen Bereich Teilnehmer und Mitarbeiter in Beschäftigungsverhältnisse auf den ersten Arbeitsmarkt zu vermitteln, was auch bereits schon gelungen ist.


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Quelle:
Schwindelfrei - Das Infomagazin der ELBE-Werkstätten GmbH
Ausgabe 38, Winter 2008/2009, S. 13-15
Redaktion: 53° NORD Agentur und Verlag GmbH,
Behringstraße 16a, 22765 Hamburg
Telefon, Fax: 040/414 37 59-87
E-Mail: basener@53grad-nord.com
Internet: www.ew-gmbh.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2009