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PROJEKT/639: Die erste reine Frauen-Wohngruppe in Eckardtsheim (Der Ring)


DER RING
Zeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel - Februar 2012

Passgenaues Wohnen für Menschen mit Lernschwierigkeiten
Die erste reine Frauen-Wohngruppe in Eckardtsheim

von Silja Harrsen


Das Unterstützte Wohnen Eckardtsheim hat seit Kurzem ein neues Angebot. Es richtet sich an Frauen mit Lernschwierigkeiten, die zwar mit anderen Menschen zusammenleben möchten, aber möglichst wenig Kontakt zu Männern haben wollen. Deshalb werden sie auf Wunsch auch nur von weiblichen Fachkräften unterstützt. Die neue Wohngruppe in einer Doppelhaushälfte befindet sich mitten in Bielefeld-Eckardtsheim. Zwei Frauen leben schon dort. Doch das Haus bietet ausreichend Platz für zwei weitere Bewohnerinnen.


"Gleich kommt eine Interessentin, die sich hier umschauen möchte", sagt Ursula Waters und öffnet die Tür zur mittleren Etage des dreistöckigen Hauses. Vier geräumige helle Zimmer stehen noch leer. "Hier können zwei Frauen einziehen. Jede hat ein eigenes Wohnzimmer mit Zugang zum Balkon, ein Schlafzimmer und einen Duschraum. Die Toilette in dieser Etage müssen sich die zukünftigen Bewohnerinnen allerdings teilen. Das dürfte unter Frauen aber kein Problem sein", ist sich Ursula Waters, Teamleiterin des Unterstützten Wohnens Eckardtsheim im Bielefelder Süden, sicher. Die gemeinsame Nutzung des Sanitärbereichs hat in gemischtgeschlechtlichen Wohngruppen schon manches Mal für Unmut gesorgt.


Schlechte Erfahrungen

Doch es gebe schwerwiegendere Gründe, um in eine reine Frauenwohngruppe zu ziehen, betont Ursula Waters. "Wir wissen von Frauen mit Lernschwierigkeiten, die schlechte Erfahrungen mit Männern gemacht haben. Sie fühlen sich unter Mitbewohnerinnen sicherer und werden auch nur von Mitarbeiterinnen unterstützt." Vor dem Hintergrund, dass einige Bewohnerinnen Hilfe beim Ankleiden oder auch bei der täglichen Pflege benötigen, sei das nur verständlich, so die Teamleiterin. "Die andere Gruppe, für die das Angebot interessant ist, sind Frauen, die wegen ihres sozio-kulturellen Hintergrunds keinen Kontakt zu fremden Männern wünschen."

In den Anfängen Bethels Ende des 19. Jahrhunderts gab es in der Ortschaft getrennte Heime für Männer und Frauen. Der Kontakt zum anderen Geschlecht war nicht erlaubt. Im Laufe der Siebzigerjahre des vorigen Jahrhunderts lockerte die Trennung schrittweise auf. Zehn Jahre später lebten die ersten Bewohnerinnen und Bewohner gemeinsam in einem Haus. Und jetzt erinnert man sich wieder der Geschlechtertrennung. "Das ist kein Rückschritt, sondern ein Ausdruck von Vielfalt. Alles ist mittlerweile möglich. Menschen mit Lernschwierigkeiten entscheiden selbst, wie sie leben möchten", so Ursula Waters. Einige heiraten und leben als Paar zusammen. Andere möchten alleine wohnen. Und ein paar Frauen haben jetzt signalisiert, dass sie lieber unter sich bleiben möchten.

Ob ambulant oder stationär, einzeln oder in Gruppen - das Unterstützte Wohnen Eckardtsheim betreut 26 Bewohnerinnen und Bewohner im Bielefelder Süden. Dass es sich auch fern der City gut leben lässt, davon ist Ursula Waters überzeugt. "Wer sagt denn, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten nur im Zentrum der Städte glücklich werden können." Im Grünen sei die Lebensqualität hoch, und die Sport- und Freizeitangebote in Eckardtsheim seien vielfältig. Zudem gebe es drei große Werkstätten des Stiftungsbereichs proWerk in der Ortschaft. "Die Arbeitsplätze liegen quasi vor der Haustür", so Ursula Waters. "Alles ist zu Fuß zu erreichen."


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Quelle:
DER RING, Februar 2012, S. 17
Monatszeitschrift der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
Herausgeber: Pastor Ulrich Pohl in Zusammenarbeit mit der
Gesamtmitarbeitervertretung der v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2012