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RECHT/633: Krankenkasse muß Kosten für Teilprothese nicht übernehmen (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2008

Krankenkasse muss Kosten für Teilprothese nicht übernehmen

Gutachter sieht keine Funktionsverbesserung


Das Hessische Landessozialgericht hat entschieden, dass Kosten für ein Hilfsmittel, das eine Behinderung ausgleicht, durch die Krankenkassen dann nicht getragen werden müssen, wenn der Nutzen dabei primär den beruflichen Tätigkeitsbereich betrifft.


Der Entscheidung liegt die Klage eines Mannes zugrunde, der im kaufmännischen Bereich tätig ist und viel mit dem PC arbeitet. Er begehrt von seiner Krankenkasse die Versorgung mit einer Fingerteilprothese aus Silikon, da ein Teil des rechten Zeigefingers wegen einer Quetschung teilamputiert werden musste. Bei der Amputation blieb die Beweglichkeit im Grund- und Mittelgelenk des Fingers erhalten.

Unter Vorlage einer Verordnung von zwei Ärzten beantragte der Kläger bei der Krankenkasse eine Fingerprothese für den rechten Zeigefinger. Die Krankenkasse lehnte den Antrag nach einer Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung jedoch ab. Sie begründet dies damit, dass die Prothese medizinisch gesehen nicht notwendig sei, da keine wesentliche Minderung der Funktionsfähigkeit der Hand ersichtlich sei. Die Prothese diene vielmehr vor allem einem kosmetischen Ausgleich.

Der dagegen eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Daraufhin erhob der Mann Klage zum Sozialgericht. Ein vom Sozialgericht von Amts wegen beauftragter Gutachter kam zu dem Ergebnis, eine Fingerprothese würde dem Kläger einen Funktionsgewinn bringen, mit dieser Prothese sei ein deutlicher Vorteil zu erwarten. Er stellte weiter fest, dass es dabei nicht primär um einen kosmetischen Effekt gehe.


Grundbedürfnisse müssen gedeckt sein

Der Gutachter der Versicherung kam allerdings zu dem gegenteiligen Ergebnis. Eine Verbesserung der feinmotorischen Fähigkeiten sei durch die Prothese nicht zu erwarten.

Das Sozialgericht gab der Klage statt und verurteilte die Beklagte dazu, die Kosten für die Prothese zu übernehmen. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Prothese dem Ausgleich der Behinderung diene und damit ein notwendiges Hilfsmittel für Alltagssituationen und berufliche Tätigkeiten des Klägers sei.

Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung seitens der Krankenkasse war erfolgreich. Das Hessische Landessozialgericht begründet seine anders lautende Entscheidung damit, dass ein Anspruch auf ein Hilfsmittel lediglich dann bestehe, wenn dadurch bestimmte Grundbedürfnisse gedeckt würden, primär die ausgefallene natürliche Funktion. Folgen und Auswirkungen einer Behinderung, insbesondere solche auf beruflichen, gesellschaftlichen oder privaten Gebieten begründeten keinen Anspruch auf ein solches Hilfsmittel. Der Zweck der Gewährung von Hilfsmitteln ziele nicht auf den vollständigen Ausgleich der Behinderung. Deshalb sei auch grundsätzlich eine arbeitsspezifische Leistung für den Kläger nicht umfasst. Das Hilfsmittel müsse für die Grundbedürfnisse des Klägers erforderlich sein. Dies bedeute, dass das Hilfsmittel neben der Nutzung für die Arbeit auch mindestens für eine Nutzung zum Beispiel im privaten Rahmen erforderlich sein müsse. Dies sei hier jedoch nicht der Fall, wie der Sachverständige der Krankenkasse ausgeführt habe. Vielmehr liege der einzige wesentliche Bereich, für den die Prothese von Bedeutung sei, im Arbeitsumfeld des Klägers. Dem Kläger stehe somit kein Anspruch auf Bezahlung der Prothese durch die Beklagte zu.

Die Entscheidung des LSG Hessen
vom 19.06.2008 trägt das
Aktenzeichen L 8 KR 171/07.


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Quelle:
Selbsthilfe 4/2008. S. 22
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung
und ihren Angehörigen e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2009