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RECHT/642: Wohnstätten gehören in Wohngebiete (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1 - März 2009

Wohnstätten gehören in Wohngebiete

Von Norbert Schumacher


Ein Gericht hat eine erfreulich klare Entscheidung getroffen: Wohnstätten für Menschen mit geistiger Behinderung dürfen in ganz normalen Wohngebieten gebaut werden und bedeuten keine Rücksichtslosigkeit gegenüber den Nachbarn.


Der Bau einer Wohnstätte für behinderte Menschen oder auch eines Alten- und Pflegeheims in allgemeinen Wohngebieten wird leider immer wieder zum Zankapfel. Die Toleranz der Nachbarn endet oft, wenn solche Pläne vor der eigenen Haustür bekannt werden.

Eine Gemeinde in Rheinland-Pfalz weist in einem Bebauungsplan die Errichtung eines Wohnheims mit etwa 20 Plätzen für Menschen mit überwiegend geistigen Behinderungen aus. Daraufhin sprachen sich im Rahmen der Bürgerbeteiligung mehr als 500 Personen dagegen aus.

Neben der für den Bau notwendigen Rodung eines Teils der Waldfläche wurde insbesondere eine Eigentumsverletzung der unmittelbar angrenzenden Grundstücke vorgetragen. Für die benachbarte Wohnbebauung vor allem mit Einfamilienhäusern seien die Lebensäußerungen der Bewohner sowie die Gefahr des Betretens der Heimbewohner von Grundstücken und Gebäuden im Wohngebiet zu beachten.

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz hat die Anträge zurückgewiesen und die Bebauung mit einer Wohnstätte für zulässig erklärt. Da die Heimbewohner ständig durch qualifiziertes Personal betreut würden, sei nicht zu befürchten, dass Bewohner die Gärten, unter Umständen sogar die Häuser in der Nachbarschaft unaufgefordert betreten könnten. Betriebsgeräusche von größerer Intensität seien nicht zu erwarten, etwaige laute Äußerungen der Heimbewohner wären genauso wie der Lärm von spielenden Kindern als sozialadäquate Lebensäußerung hinzunehmen.

Nicht schutzwürdig sei insbesondere das Interesse, in einem Wohngebiet nicht mit dem Anblick und den Lebensäußerungen von geistig behinderten Bewohnern eines Wohnheims konfrontiert zu werden. Der Standort im Wohngebiet kombiniere die für eine Integration behinderter Menschen wichtige Nähe zur bebauten Ortslage mit ihrer Infrastruktur mit den Bedürfnissen der Heimbewohner nach Ruhe und Rückzugsmöglichkeiten.

Das Urteil (Az.X C 10611/08 OVG) ist im Rechtsdienst der Lebenshilfe 1/2009 näher erläutert.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 1/2009, 30. Jg., März 2009, S. 9
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. April 2009