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RECHT/654: Rechtliche Betreuung geht vor Elternrecht (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 4 - Dezember 2009

Rechtliche Betreuung geht vor Elternrecht

Von Ulrich Hellmann


Mit dem 18. Geburtstag wird man in Deutschland volljährig und grundsätzlich für sich selbst verantwortlich. Bei erwachsenen Menschen mit geistiger Behinderung ist es nicht anders. Falls erforderlich, bestimmt das Gericht für sie einen rechtlichen Betreuer. Der soll helfen, die richtigen Entscheidungen zu treffen.


Das Betreuungsrecht schreibt vor, bei der Auswahl der geeigneten Betreuungsperson vorrangig die Wünsche des betreuungsbedürftigen Menschen zu berücksichtigen. Werden solche nicht ausdrücklich geäußert, wählt das Betreuungsgericht eine geeignete Person unter Berücksichtigung der familiären Verhältnisse aus. Sind die Eltern oder andere Angehörige nicht bereit oder in der Lage, die Betreuung zu übernehmen, sucht das Betreuungsgericht mit Hilfe der örtlichen Betreuungsbehörde oder von Betreuungsvereinen einen sonstigen ehrenamtlichen oder beruflichen Betreuer aus.

Nicht auszuschließen ist, dass es bei der Regelung von rechtlichen Angelegenheiten zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Angehörigen und einem familienfremden rechtlichen Betreuer darüber kommen kann, welche Entscheidungen dem Wohl des betreuten Menschen unter Berücksichtigung von dessen eigenen Wünschen am besten dienen. Dabei kann es um Fragen von erheblicher Bedeutung gehen: Ist das gemeinsame Wohnen im Familienhaushalt oder der Umzug in eine betreute Wohnform angemessen? Welche medizinischen Maßnahmen sollten durchgeführt werden und von wem? Wie viel Unterstützung benötigt der behinderte Mensch bei der Regelung seiner finanziellen Angelegenheiten?

Das Oberlandesgericht (OLG) München stellte jetzt klar, dass die Entscheidung über eine bestimmte heilpädagogische Behandlung und die Auswahl der dafür einzusetzenden Fachkraft Sache des rechtlichen Betreuers sei (Az: 33 Wx 005/09). Im Rahmen seiner Aufsicht könne das Gericht nur gegen Pflichtwidrigkeiten des Betreuers in Form von Verstößen gegen konkrete, sich aus dem Gesetz oder einer Anordnung des Gerichts ergebenden Handlungspflichten einschreiten. Ansonsten führe der Betreuer sein Amt selbstständig und in eigener Verantwortung. Das Gericht dürfe sich in Zweckmäßigkeitsfragen nicht an die Stelle der Betreuer setzen.

Deshalb stehe Eltern gegen die Ablehnung einer gerichtlichen Weisung an den rechtlichen Betreuer auch kein eigenes Beschwerderecht zu. Daran ändere auch die von der klagenden Mutter geltend gemachte Berufung auf ihr durch Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz (GG) geschütztes Elternrecht nichts.

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht die starke Rechtsposition rechtlicher Betreuerinnen und Betreuer in den ihnen vom, Gericht zugewiesenen Aufgabenkreisen. Umso wichtiger ist es, für die rechtliche Betreuung von volljährigen Menschen mit einer geistigen Behinderung eine sorgfältige Auswahl zu treffen, wenn Eltern oder andere nahe Angehörige nicht zur Verfügung stehen. Dies war auch ein wesentlicher Grund dafür, dass viele Lebenshilfe-Vereinigungen Betreuungsvereine gegründet haben. Eine Liste ist unter www.lebenshilfe.de (Rubrik "Aus fachlicher Sicht/Recht und Sozialpolitik/Betreuungsrecht") abrufbar.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 4/2009, 30. Jg., Dezember 2009, S. 14
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
für Menschen mit geistiger Behinderung
Bundesgeschäftsstelle, Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Telefon: 030/20 64 11-0, Fax: 030/20 64 11-204
E-Mail: LHZ-Redaktion@Lebenshilfe.de
Internet: www.lebenshilfe.de

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jährlich viermal (März, Juni, September, Dezember).


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Dezember 2009