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RECHT/667: Gerichte stärken Eltern als Betreuer (LHZ)


Lebenshilfe Zeitung, Nr. 3 - September 2010

Gerichte stärken Eltern als Betreuer

Von Ulrich Hellmann


Mit dem 18. Geburtstag des Kindes endet das Sorgerecht der Eltern. Für Väter und Mütter geistig behinderter Kinder stellt sich dann häufig die Frage, ob sie anschließend die rechtliche Betreuung für ihre volljährigen Söhne und Töchter übernehmen sollen. Erforderlich ist dies nur, wenn das erwachsene Kind anstehende rechtliche Entscheidungen nicht selbst treffen kann. Festgestellt wird dies vom örtlichen Betreuungsgericht, einer Abteilung des Amtsgerichts.


Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung einer rechtlichen Betreuung vor, sind bei der Auswahl des Betreuers vorrangig die Wünsche des betreuten Menschen zu beachten. Ansonsten hat das Betreuungsgericht bei der Auswahl auf die verwandtschaftlichen Beziehungen Rücksicht zu nehmen. Sehr oft haben Eltern den Wunsch, die rechtliche Betreuung gemeinsam zu führen. Obwohl es eine gesetzliche Grundlage gibt, die dies ermöglicht, kommt es immer wieder vor, dass Betreuungsgerichte die gemeinsame Betreuerbestellung ablehnen. In einem solchen Fall hilft nur das Rechtsmittel der Beschwerde bei der nächst höheren Instanz, dem Landgericht (LG). In der Regel führt dies zum Erfolg, wie ein Beschluss des Landgerichts Hannover vom 4. Februar 2010 zeigt, den: die LHZ von Rechtsanwalt Rüdiger Zemlin, dem langjährigen Vorsitzenden der Lebenshilfe Hameln, zur Verfügung gestellt bekam.


Mutter und Vater können gleichzeitig Betreuung ausüben

In dem Fall hatte das Betreuungsgericht Hameln entgegen dem Antrag der bis zum 10 November 2009 sorgeberechtigten Eltern lediglich die Mutter zur Betreuerin des gemeinsamen Sohnes bestellt. Auf die Beschwerde verwies das LG Hannover auf die Gesetzesbegründung zum Betreuungsrecht, in der es ausdrücklich heißt, dass das Gericht mehrere Betreuer bestellen kann, wenn die Angelegenheiten des Betreuten hierdurch besser besorgt werden können. Diese Voraussetzungen seien in aller Regel in folgendem Fall erfüllt: "Sind beide Elternteile geeignet und bereit, die Betreuung gemeinsam zu führen, und steht dem auch kein anders lautender Vorschlag des Betroffenen entgegen, so soll kein Elternteil gezwungen werden, zurückzutreten und dem anderen Teil die Führung der Betreuung zu überlassen. Eine gemeinsame Betreuung durch die Eltern an Stelle einer Betreuung durch einen Elternteil wird vielfach auch im Interesse des Betreuten sinnvoll sein, insbesondere wenn sie sich bei Eintritt der Volljährigkeit eines geistig behinderten Kindes an die bisherige gemeinsame elterliche Sorge anschließt."

Auf dieser Grundlage hob das LG Hannover die anders lautende Entscheidung des Betreuungsgerichts Hameln auf und stellte fest, dass die Voraussetzungen zur Bestellung beider Eltern erfüllt sind.

Ist dies geklärt, stellt sich für Eltern, die gemeinsam zu Betreuern ihres volljährigen Kindes bestellt sind, häufig ein weiteres Problem. Nach Paragraf 1835 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat jeder Betreuer einen Anspruch auf Ersatz der von ihm im Rahmen der Führung der Betreuung erbrachten Aufwendungen. Um diese nicht im Einzelnen nachweisen zu müssen, kann nach Paragraf 1835 a BGB auch die Zahlung einer Pauschale von 323 Euro pro Betreuungsjahr verlangt werden. Diesen Aufwendungsersatz muss grundsätzlich der betreute Mensch aus seinem Einkommen und Vermögen bezahlen. Reicht dies nicht aus, erhalten ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer die Aufwandspauschale aus der Justizkasse. Immer wieder kommt es vor, dass Betreuungsgerichte die Pauschale nur einer Person zahlen, obwohl mehrere Betreuer bestellt sind. Auch bei diesem Sachverhalt haben Eltern regelmäßig mit ihrer Beschwerde bei den Landgerichten Erfolg.


Beide Elternteile haben Anspruch auf Kostenpauschale

So hat am 26. April 2010 auch das LG Koblenz entschieden. Das Betreuungsgericht hatte nur eine Pauschale bewilligt und vertrat die Auffassung, dem Paragraf 1835 BGB sei eindeutig zu entnehmen, dass nur entstandene Aufwendungen erstattet werden sollen. Die Vorschrift des Paragraf 1835 a solle diese Vorschrift nur ergänzen und spreche von dem Anspruch "des Betreuers", nicht von "mehreren Betreuern". Weiter sei im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass beide Betreuer in einer gemeinsamen Wohnung leben.

Das LG Koblenz stellte dem gegenüber klar, dass jeder Betreuer selbst einen Anspruch auf Ersatz der von ihm im Rahmen der Führung der Betreuung erbrachten Aufwendungen habe. Dem könne auch nicht entgegengehalten werden, dass beide Betreuer denselben Wohnsitz haben und es daher "unglaubhaft" sei, dass ihnen separate Aufwendungen entstanden sein könnten. Die Vorschrift über die Pauschalierung solle es den Betreuern gerade möglich machen, eine Pauschale ohne konkrete Darlegung oder Glaubhaftmachung der ihnen selbst entstandenen Aufwendungen geltend zu machen.


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Quelle:
Lebenshilfe Zeitung, Nr. 3/2010, 31. Jg., September 2010, S. 10
Herausgeber: Bundesvereinigung Lebenshilfe
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2010