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VERBAND/669: ACHSE, die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V. (Selbsthilfe)


Selbsthilfe - 4/2010

DEUTSCHLAND BRAUCHT EINEN NATIONALPLAN:
Nationale Konferenz für Seltene Erkrankungen im Oktober 2010

Von Lisa Biehl, ACHSE


Am 13. und 14. Oktober 2010 richtete ACHSE, die Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen e.V., unterstützt durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG), eine Nationale Konferenz für Seltene Erkrankungen in Berlin aus. Knapp 200 Teilnehmer kamen zusammen, um die Empfehlungen des EU-Rats und von EUROPLAN zur Erarbeitung eines Nationalplans für Seltene Erkrankungen in Deutschland zu diskutieren.


Die Konferenz - Knotenpunkt nationaler, europäischer Initiative sowie des Engagements der Selbsthilfe der Seltenen Die Konferenz in Berlin war eine von 15 Nationalen Konferenzen, bei denen europaweit die EU-Ratsempfehlung von 2009 sowie die Schwerpunkte aus dem EUROPLAN erörtert wurden. EUROPLAN (European Project for Rare Diseases National Plans Development) ist eine Initiative der Europäischen Kommission, die die EU-Mitgliedsstaaten nachdrücklich dazu aufruft, Nationalpläne für Seltene Erkrankungen zu entwickeln und bis spätestens 2013 umzusetzen. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) ist Kooperationspartner beim EUROPLAN.

Einige europäische Länder wie Frankreich, Italien oder Spanien haben sich bereits dem Thema Seltene Erkrankungen nachhaltig angenommen, indem sie Nationalpläne erarbeitet und teilweise bereits umgesetzt haben. Damit die rund 4 Millionen Menschen in Deutschland mit Seltenen Erkrankungen eine Verbesserung ihrer Lebenssituation erfahren und die Chance auf eine gleichberechtigte Versorgung erhalten, braucht auch Deutschland einen Nationalplan!

Dies ist auch eine Empfehlung der am 20. August 2009 durch das BMG veröffentlichten Studie "Maßnahmen zur Verbesserung der gesundheitlichen Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen in Deutschland". Als erste umfassende Bestandsanalyse der Situation Seltener in Deutschland resümiert die Studie, dass es trotz internationaler Anerkennung des deutschen Gesundheitssystems im Allgemeinen, erheblichen Handlungsbedarf bei Seltenen Erkrankungen gibt. Sie greift die Empfehlung der EU Kommission bezüglich eines Nationalplans auf und rät zur Gründung eines Nationalen Aktionsbündnisses, um sich dieser Aufgabe anzunehmen. Insgesamt bestätigte die Studie in vielen der einzelnen Analysebereichen die Erfahrungen und Erkenntnisse, sowie die Arbeit des ACHSE Netzwerks der Seltenen.

Im März 2010 wurde das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) ins Leben gerufen. Hier sind neben den drei Hauptsäulen - dem Bundesgesundheitsministerium, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und ACHSE - weitere 18 Partner aus allen relevanten Bereichen des deutschen Gesundheitssystems eingebunden.

Die Ergebnisse der Konferenz werden durch ACHSE in einem Bericht zusammengefasst und in die Arbeitsgruppen und Beratungen des NAMSE eingebracht, sowie auf europäischer Ebene durch die Initiative EUROPLAN zusammengeführt.

Strategien und Maßnahmen für 4 Millionen betroffene Menschen in Deutschland

Die Konferenz brachte erstmals alle maßgeblichen Akteure zu diesem Themenfeld miteinander ins Gespräch: Betroffene, Selbsthilfeorganisationen, Ärzte und andere diagnostisch, therapeutisch und in der Pflege tätige Fachkräfte, Forscher, Politiker, Interessens- und Fachverbände, Kostenträger und Vertreter der Gesundheitsindustrie (Pharma/Hilfsmittel).

Einstimmigkeit herrschte darüber, dass Menschen mit Seltenen Erkrankungen ganz besondere Herausforderungen und Bedürfnisse haben. Wolfgang Zöller, Patientenbeauftragter der Bundesregierung, sagte auf der Konferenz: "Immer noch ist über Seltene Erkrankungen viel zu wenig bekannt, Diagnosen werden zu spät gestellt, der Weg zu innovativen Behandlungsmöglichkeiten muss vereinfacht, die Forschung vorangetrieben werden. Als Patientenbeauftragter der Bundesregierung sehe ich diese Bedürfnisse der Patienten mit Seltenen Erkrankungen und deshalb werde ich mich auch weiterhin für sie einsetzen." Um die Rechte von Menschen mit chronischen seltenen Erkrankungen zu stärken, prüft Zöller die Aufnahme eines entsprechenden Passus in das von ihm geplante Patientenrechtegesetz. Wichtig sei vor allem, dass der Zugang zu innovativen Behandlungsoptionen sichergestellt sei, damit Patienten möglichst schnell von Neuentwicklungen profitieren könnten.

Der Frage, durch welche Maßnahmen die Situation von Menschen mit Seltenen Erkrankungen konkret verbessert werden kann, näherten sich acht Vertreter des Gesundheitswesens in einer Podiumsdiskussion: Dr. Volker Grigutsch vertrat das BMG, Dr. Peter Egger (GKV Spitzenverband) die Krankenkassen, Dr. Paul Rheinberger sprach als Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Michael Brenske für die Deutsche Krankenhausgesellschaft, PD Dr. Arpad von Moers als Chefarzt der Kinderklinik der DRK Kliniken Westend, Michael Danzl von Actelion/vfa für die Pharmaforschung und Christoph Nachtigäller und Gerhard Alsmeier (ACHSE-Vorstand) für die Patienten.

Obwohl die Teilnehmer verschiedene Interessen und damit unterschiedliche Ansätze verfolgten, kristallisierten sich mehrere Hauptthemen heraus, die in einem gemeinschaftlichen Prozess erarbeitet werden sollen, u. a.: Die Schaffung und Charakterisierung von Spezialambulanzen für eine sektorenübergreifende und interdisziplinäre Versorgung der Betroffenen, die durch zumeist hoch komplexe Krankheitsbilder dieser Behandlung bedürfen, die bessere Verfügbarkeit, Qualität und Standardisierung von Informationen im Bereich Seltene Erkrankungen und ein Mehr an patientenorientierter Forschung.

In vier Workshops zu den Themen Informationen, Forschung, Versorgung und Monitoring eines Nationalplans war ein wesentliches Querschnittsthema, wie die Erfahrungen der Selbsthilfe in diesen Bereichen optimal genutzt und die Zusammenarbeit der Akteure intensiviert werden können. Auch die Frage, wie die Ressourcen der EU im Interesse aller besser vernetzt werden, spielte eine wichtige Rolle, da Seltene Erkrankungen - aufgrund der Seltenheit der jeweils einzelnen Erkrankung und der damit verbundenen regionalen Streuung von Gleichbetroffenen - internationale Zusammenarbeit erfordern!

Dr. Volker Grigutsch fasste als Vertreter des BMG zur Konferenz zusammen: "Wichtig ist vor allem, dass wir nun alle Vertreter an einen Tisch bekommen haben, um gemeinsam zu erarbeiten, wie die vorhandenen Instrumente passgenauer für die Bedürfnisse von Menschen mit Seltenen Erkrankungen genutzt werden können." Der Vorsitzende der ACHSE, Christoph Nachtigäller, folgerte im Abschlussplenum: "Für die von der ACHSE angestrebten Ziele, u. a. die Diagnose zu beschleunigen, die Versorgung zu organisieren, die Forschung voranzutreiben, wurden in konstruktiven Dialogen mögliche Strategien erarbeitet. Mit den reichhaltigen Ergebnissen ist damit der Grundstein für die Erarbeitung eines Nationalplans für Menschen mit Seltenen Erkrankungen gelegt."


ACHSE gibt den Seltenen eine Stimme

ACHSE vereint derzeit 104 Selbsthilfeorganisationen von Menschen und ihren Angehörigen, die mit einer Seltenen Erkrankung leben und nimmt sich seit 5 Jahren als Netzwerk der besonderen Probleme und Bedürfnislagen der Seltenen an. ACHSE macht kontinuierlich auf die Lebenssituation Betroffener aufmerksam, leitet aus den Bedarfslagen Handlungsfelder ab und kämpft als nationale Allianz der Seltenen dafür, den Status "Waisenkinder der Medizin" abzubauen und den des gleichberechtigten Patienten zu erreichen.



KONTAKT
c/o DRK-Kliniken Westend
Spandauer Damm 130
14050 Berlin
Tel.: (030) 330 07 08-0
www.achse-online.de
www.achse.info


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Quelle:
Selbsthilfe 4/2010, S. 28-29
Zeitschrift der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe
von Menschen mit Behinderung und chronischer Erkrankung und ihren Angehörigen e.V.
Herausgeber: BAG Selbsthilfe
Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf
Tel.: 0211/31 00 6-0, Fax: 0211/31 00 6-48
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Internet: www.bag-selbsthilfe.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2011