Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

AUSSEN/1562: Georgien - Präsident Saakaschwili zu Kooperation mit der neuen Regierung drängen


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 6. April 2013

Georgien: Präsident Saakaschwili zu Kooperation mit der neuen Regierung drängen

Am Ende ihrer einwöchigen Georgienreise erklärt Viola von Cramon, Sprecherin für EU-Außenbeziehungen:



In Georgien herrscht seit den Parlamentswahlen am 1. Oktober 2012 eine erfreuliche Aufbruchsstimmung. Die neue Regierung unter Ministerpräsident Ivanischwili hat ihre Prioritäten bei der Entwicklung des Rechtssystems und einer neuen Sozialpolitik gesetzt und macht deutliche Fortschritte hin zu einer freieren Gesellschaft. Meinungs-, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit sind wiederhergestellt. Der politische Druck aus vielen öffentlichen Einrichtungen wurde herausgenommen. Kompromisse mit der Opposition werden gesucht und in vielen Fragen auch gefunden.

Eine riesige Herausforderung stellt die große Anzahl an Strafanzeigen und Beschwerden gegen offensichtliches Unrecht unter der Vorgängerregierung dar. Betroffene, zum Beispiel von Misshandlungen in Polizeistationen oder von rechtswidrigen Landenteignungen, setzen seit dem Antritt der neuen Regierung große Hoffnungen in eine politische Unabhängigkeit der Justiz. Die Anzahl der Klagen beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ging dagegen stark zurück. Zudem lud die Regierung internationale Prozessbeobachter der OSZE zu den im März eröffneten Prozessen gegen ehemalige Regierungsmitglieder ein, um für maximale Transparenz zu sorgen.

Präsident Saakaschwili verweigert sich allerdings einer pragmatischen Kohabitation mit der neuen Regierung. Er verschleppt nicht nur die Ernennung von Vize-Ministern sondern auch die Nachbesetzung wichtiger Botschafterposten. Damit beschädigt er gezielt die außenpolitische Handlungsfähigkeit seines Landes. Bei der Justizreform verweigert Saakaschwili seine Unterschrift unter einer Kompromisslösung, die nach langen substantiellen Verhandlungen mit dem gesamten Richterstab, dem Vorsitzenden des Obersten Gerichtshofes und der Venedig-Kommission des Europarats zustande kam. Auch hier stellt sich der Präsident stur gegen dringend nötige Reformmaßnahmen und missbraucht seine präsidialen Vollmachten.

Die Bundesregierung, die EU und andere Akteure der internationalen Gemeinschaft müssen sich jetzt dringend stärker engagieren, um Präsident Saakaschwili zu einer pragmatischen Kohabitation mit der neuen Regierung zu drängen. Viel zu lange wurde Saakaschwili vom Westen als demokratischer Hoffnungsträger und Garant des westlichen regionalen Einflusses unterstützt. Jetzt ist es höchste Zeit, ihn dazu zu bringen, seine Machtinstrumente nicht weiter zu missbrauchen und damit den Fortschritt seines Landes zu sabotieren.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

*

Quelle:
Pressemitteilung vom 6. April 2013, Nr. 0269/13
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Pressestelle
Telefon: 030/227-572 12, Fax: 030/227-5 69 62
E-Mail: presse@gruene-bundestag.de
Internet: www.gruene-bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. April 2013