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INNEN/2916: Katrin Göring-Eckardt zu den Themen E-Auto-Gipfel, 30 Jahre Tschernobyl...


Pressemitteilung der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 26. April 2016

Im Folgenden die Mitschrift aus dem heutigen Statement der Fraktionsvorsitzenden Katrin Göring-Eckardt zu den Themen E-Auto-Gipfel, 30 Jahre Tschernobyl, Presse-/Meinungsfreiheit Türkei, Integration und Terrorabwehr:


E-Auto-Gipfel

Herr Dobrindt will sich ins Zeug legen für die Elektromobilität. Das ist sehr spät. Die Autohersteller haben genauso wie diese Bundesregierung den Trend und damit auch die Zukunft der Automobilindustrie in Deutschland verschlafen. Was wir jetzt dringend brauchen, ist mehr Elektromobilität, und dafür braucht es auch kräftige Unterstützung. Kaufprämien sind dafür gut, aber sie sind nicht gut, wenn sie aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden, sondern wir brauchen einen Ausgleich. Wer Dreckschleudern fährt, wer mit großen Motoren unterwegs sein will, der soll mehr zahlen für die Kfz-Steuer, und daraus kann man dann auch die Kaufprämien finanzieren. Das heißt, wer sich Elektromobilität zu eigen macht, wer ein solches Auto fährt, zahlt eine geringere Kfz-Steuer und bekommt zusätzlich eine Kaufprämie. Das wäre der richtige Weg. Und das wäre auch ein eindeutiger Weg, und es wäre kein Schlingerkurs à al Dobrindt, der nach dem Motto verfahren will: Die einen sollen nicht angetastet werden und die anderen kriegen einen kleinen Bonus. So geht es nicht, wenn man wirklich umsteuern will. Das Umsteuern ist notwendig wegen des Klimaschutzes, das Umsteuern ist notwendig, damit wir in unseren Städten auch noch atmen können.

30 Jahre Tschernobyl

Wir haben heute den dreißigsten Jahrestag der Reaktorkatastrophe. Für mich persönlich war das übrigens der Moment, in dem ich politisiert worden bin. Damals noch in der DDR lebend und damit konfrontiert, dass gesagt worden ist: Na ja, über die Grenze kommt dieser Dreck nicht. Deswegen ist es mir ein besonderes Anliegen, das klar und eindeutig ist: Der Ausstieg aus der Atomkraft ist überlebenswichtig. Dieser dreißigste Jahrestag zeigt uns aber eben leider auch: Wir sind noch längst nicht ausgestiegen, nicht in Deutschland, aber vor allen Dingen in Europa. Atomkraft ist nach wie vor vor allem eines: nämlich ein Risiko. Deswegen muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass Tihange und Cattenom abgeschaltet werden. Das sind Schrottreaktoren, sie sind hochgefährlich. Deswegen muss sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass die Ukraine einen Schwenk macht in Richtung Erneuerbare Energien, und sie dabei unterstützen. Dort werden nach wie vor die alten Meiler betrieben, sie werden verlängert, und es werden auch noch alte Meiler zu Ende gebaut, die eigentlich 30 Jahre alt sind. Das ist keine Perspektive, sondern das ist hochgefährlich. Und wir wissen eben auch: hochgefährlich für uns. Was besonders absurd ist, ist, dass wir nach wie vor Forschung für die Atomkraft vollführen. Wir müssen aus dem EURATOM-Vertrag aussteigen und Forschung konzentrieren auf die Erneuerbaren Energien. Das ist mehr als angesagt. 30 Jahre danach sind immer noch nicht alle Schäden aufgearbeitet. Wir wissen, der Sarkophag ist brüchig. Deswegen ist es umso mehr Verpflichtung, dass wir die Konsequenzen auch tatsächlich ziehen.

Presse-/Meinungsfreiheit Türkei

Sie wissen, wir haben eine aktuelle Stunde angemeldet für diese Woche zu Presse- und Meinungsfreiheit in der Türkei. Dazu haben wir einen Antrag eingebracht, den § 103 zur Majestätsbeleidigung abzuschaffen. Ich bin sehr gespannt, wie die Bundesregierung darauf reagieren wird. Wir haben gehört, die SPD will heute erst mal darüber sprechen. Wir haben gehört, die Union will erst mal nicht darüber sprechen. Die Kanzlerin hat das angekündigt. Unser Antrag liegt vor, und wir werden diese Woche bereits in einer aktuellen Stunde diskutieren. Die Türkei ist in Sachen Pressefreiheit auf Platz 151 von 180. Deswegen ist es unsere Verpflichtung als Partner der Türkei, dies zu thematisieren. Angeblich gibt es jetzt schwarze Listen, auf denen Journalistinnen und Journalisten stehen, die bei der Einreise möglicherweise festgenommen werden. Solche schwarzen Listen müssen veröffentlicht werden. Auch darauf muss die Bundesregierung dringen, darauf müssen auch andere europäische Länder dringen. Denn immerhin kann es ja sein, dass deutsche Staatsbürger auf diesen Listen stehen und dass sie Gefahr laufen, sofort festgenommen zu werden, wenn sie in der Türkei landen. Erstens: Ausländische Journalistinnen und Journalisten müssen dort frei arbeiten können. Das muss selbstverständlich sein, wenn es sich um einen demokratischen Staat handelt, der auch noch für sich in Anspruch nimmt, der EU beitreten zu wollen. Und zweitens: Es muss natürlich auch klar sein, dass türkische Journalistinnen und Journalisten selbst in diesem Land frei arbeiten können. Angela Merkel hat es am Samstag verpasst, diese Frage in der Türkei anzusprechen. Ich finde das dramatisch, weil das bedeutet, dass man eben nicht auf Augenhöhe mit der Türkei spricht. Ich finde es übrigens auch deswegen dramatisch, weil wir in Deutschland mit den Vorwürfen der AfD zur Pressefreiheit eigentlich die eigenen Werte bei uns, aber eben erst recht dann auch woanders zu verteidigen haben. Der Parlamentspräsident der AKP hat jetzt vorgeschlagen, es müsse eine islamische Verfassung geben. Das würde bedeuten eine weitere Einschränkung der Religionsfreiheit und einen weiteren Rückschritt für die Demokratie.

Integration

Heute wird ja der Sachverständigenrat das Integrationsbarometer vorstellen. Darin kommt zum Ausdruck, dass immer mehr Menschen in Deutschland sich klar darüber sind und auch akzeptieren, dass der Islam zu Deutschland gehört. Ich unterstütze das sehr. Wir müssen den Islam einbürgern. Wir müssen dafür sorgen, dass Imame hier bei uns ausgebildet werden, dass Religionslehrer und -lehrerinnen hier bei uns ausgebildet werden. Wir müssen dafür sorgen, dass die Islamisten und die Salafisten keine Chance haben zur Radikalisierung, keine Chance haben, vor dem Schultor zu stehen, sondern dass der Religionsunterricht auf demokratische Art und Weise in der Schule stattfindet. Und deswegen ist dieses Integrationsbarometer ein guter Anlass und ein gutes Zeichen dafür, dass das in Zukunft möglich kann.

Terrorabwehr

Das Terrorabwehrzentrum wird ja heute (von Frau Merkel) besichtigt. Und meine Sorge ist, dass es wieder darum geht, dass man auf Technik setzt und dass man auf Überwachung setzt. Aus meiner Sicht braucht es etwas anderes. Erstens: Es braucht Prävention. Dazu gehört so etwas wie die Einbürgerung des Islam. Und zweitens: Wir brauchen statt anlassloser Totalüberwachung mehr Polizei. Mehr Polizei, die dafür sorgt, dort, wo es Anlässe gibt, nachzuschauen, auch Menschen zu überwachen. Mehr Polizei, die dafür sorgt, dass Strafverfolgung stattfinden kann, und mehr Sicherheit gewährleistet werden kann. Das wäre der richtige Weg. Einseitig auf Technik und auf Totalüberwachung zu setzen, ist absurd. Es ist falsch, und es ist einfach nicht zeitgemäß.

Copyright Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN

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Quelle:
Pressemitteilung vom 26. April 2016
Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2016

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