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BUNDESTAG/3218: Heute im Bundestag Nr. 223 - 07.05.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 223
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 7. Mai 2012 Redaktionsschluss: 16:15 Uhr

1.‍ ‍Sachverständige über Fiskalpakt und ESM uneinig
2.‍ ‍Den Ressourcenverbrauch spürbar senken
3.‍ ‍Mehr Bürokratie durch Finanzmarktregulierung
4.‍ ‍Im Bundestag notiert: Frontex-Operationen
5.‍ ‍Im Bundestag notiert: Politisch motivierte Straftaten
6.‍ ‍Im Bundestag notiert: Aktivitäten in den baltischen Ländern



1. Sachverständige über Fiskalpakt und ESM uneinig

Haushaltsausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/MIK) Über den Europäischen Fiskalpakt und den permanenten Euro-Rettungsschirm ESM sind die Experten unterschiedlicher Meinung. So geht für viele Sachverständige der ESM noch nicht weit genug. Dies wurde am Montag bei einer öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses deutlich. Dabei ging um insgesamt vier Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP zu dem Vertrag vom 2. März 2012 über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion (17/9046), zum Gesetzentwurf zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM (17/9045), zur finanziellen Beteiligung am ESM (17/9048) und zur Änderung des Bundesschuldenwesengesetzes (17/9049). Weiter ging es zudem um die Ausgestaltung der Parlamentsbeteiligung.

Für den Leiter des derzeitigen Euro-Rettungsschirmes EFSF, Klaus Regling, ist sowohl der Fiskalpakt als auch der ESM entscheidend für die Zukunft der Wirtschafts- und Währungsunion. Es sei wichtig, dass der ESM "pünktlich kommt". Vorgesehen ist bisher der 1. Juli 2012. "Jede Verzögerung würde sicherlich negativ auf die Märkte wirken", sagte er.

Regling betonte, dass der ESM gegenüber dem aktuellen Rettungsschirm EFSF Vorteile habe. Damit werde die Währungsunion besser funktionieren als vor der Krise. Die weltweite Finanz- und Schuldenkrise habe die strukturellen Schwächen der Währungsunion "schonungslos" offengelegt. Die Eurozone habe darauf mit einem Dreiklang aus nationalen Reformen, europäischen Maßnahmen und der Einrichtung eines Krisenbewältigungsmechanismus "entschlossen" reagiert.

Für Professor Peter Bofinger, Universität Würzburg, ist der ESM "besser als nichts". Allerdings hielt er das Volumen für nicht ausreichend, um die Risiken umfassend einzudämmen. Eine deutlich bessere Lösung sei der Schuldentilgungspakt, der von dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung vorgeschlagen wurde, zu dem Bofinger ebenfalls gehört.

Bofinger kritisierte in seiner schriftlichen Stellungnahme, dass die von der Bundesregierung gewählte Therapie zur Bewältigung der Krise nicht nur unzureichend, sondern vielmehr kontraproduktiv gewesen sei. Diese habe zu einer immer größeren Verunsicherung der Märkte und einer immer ungünstigeren wirtschaftlichen Verfassung der Problemländer geführt.

Thomas Mayer, Chef-Volkswirt der Deutschen Bank, betonte, dass der ESM "im Notfall" Zugang zu Krediten der EZB haben müsse. Angesichts der begrenzten Mittel der ESM sei nämlich zu befürchten, dass große Liquiditätskrisen damit nicht bewältigt werden könnten. Im schlimmsten Falle hätte dann auch die ESM keinen Zugang zum Kapitalmarkt mehr, so dass die EZB erneut eingreifen müsse.

Für Karsten Wendorff von der Deutschen Bundesbank gehören beide Instrumente (Fiskalpakt, ESM) zusammen. Der ESM könne dazu beitragen, Gefahren für die Finanzstabilität im Euro-Raum zu begrenzen. Allerdings würde dadurch der grundsätzlich in der EWU geltende Haftungsausschluss geschwächt.

Silke Tober vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung hält den Fiskalpakt und den ESM-Vertrag zur Überwindung der Krise für nicht zielführend. Bisher sei nur Zeit gekauft worden. Sie kritisierte, dass die im Fiskalpakt implizit festgeschriebene langfristige Schuldenstandsquote von rund 30 Prozent keine ökonomischen Rechtfertigung habe. Auch sei der ESM nicht in der Lage, Vertrauen wiederherzustellen: Er sei vom Volumen her zu gering und einzelne Regelungen würden das Vertrauen der Märkte untergraben. Künftige Krisen würden beide Vertragswerke nicht verhindern können, da sie zu eng auf die Verschuldung des Staates gerichtet seien, betonte sie.

Für Professor Claudia M. Buch von der Universität Tübingen hat die Krise auch gezeigt, dass solide Staatsfinanzen allein nicht ausreichen würden. Vielmehr müssten zusätzlich die Verschuldungsanreize des privaten Sektor begrenzt werden.

Die Koalitionsfraktionen legten unter anderem einen Änderungsantrag zum ESM-Finanzierungsgesetz vor, in dem die Parlamentsbeteiligung (Plenum, Haushaltsausschuss, Sondergremium) präzisiert wird. Er lehnt sich im wesentlichen an das Gesetz zum EFSF an. Die Sachverständigen äußerten sich unterschiedlich, inwieweit die Gesetzentwürfe zum Fiskalpakt und zum ESM einer wahrscheinlichen verfassungsgerichtlichen Prüfung stand halten werden.

Die Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen hatten vor der Sitzung erfolglos beantragt, die Anhörung zu verschieben, da notwendige Informationen zum Fiskalpakt noch nicht vorgelegt worden seien.

Nach den weiteren Beratungen im Haushaltsausschuss in der kommenden Sitzungswoche will der Bundestag am 25. Mai abschließend über die Gesetzentwürfe beraten.

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2. Den Ressourcenverbrauch spürbar senken

Enquete-Kommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität"

Berlin: (hib/KOS) Zu einer drastischen Reduzierung des Rohstoffverbrauchs rief am Montagnachmittag der Abgeordnete Hermann Ott vor der unter dem Vorsitz von Daniela Kolbe (SPD) tagenden Enquetekommission "Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität" auf. Eine Entkoppelung des Ressourcenkonsums von der Erhöhung der Wirtschaftsleistung in dem Sinne, dass der Verbrauch von Rohstoffen weniger stark steigt als das Wachstum, reiche nicht aus, so der Grünen-Politiker. Als Leiter einer Projektgruppe, die sich mit Ressourcenpolitik befasst, erklärte Ott bei der Vorstellung eines Zwischenberichts dieses Teams, die Gesellschaft müsse Grenzen für die Nutzung der durch das Wirtschaften bedrohten Umwelt setzen, "bevor die Natur zuschlägt". Schon heute seien manche Ökosysteme überfordert, was sich besonders im Klimawandel, im Artenschwund und in der Belastung natürlicher Kreisläufe durch zu viel Stickstoff zeige.

Die Kommission soll das rein ökonomisch und quantitativ ausgerichtete Bruttosozialprodukt als traditionelle Messgröße für gesellschaftliches Wohlergehen weiterentwickeln und um ökologische, soziale und kulturelle Kriterien ergänzen. Auf diesem Weg sollen die 17 Parlamentarier und 17 Wissenschaftler Leitlinien entwerfen, die den Weg zu einem qualitativen Wachstum weisen. Dazu gehört auch die Verminderung des Ressourcenverbrauchs, um dessen negative Auswirkungen auf die Umwelt zu vermindern.

Ott wies darauf hin, dass eine solche Strategie mit Hindernissen zu kämpfen habe, was besonders für den "Rebound-Effekt" gelte. Dieser Begriff beschreibt den Umstand, dass Effizienzgewinne durch neue Technologien wie etwa sparsame Motortechniken samt der damit verbundenen Reduzierung des Rohstoff- und Energiekonsums durch Mehrverbrauch "wieder aufgefressen werden", warnte der Abgeordnete. Dies trifft etwa dann zu, wenn eine Verminderung des Benzinbedarfs bei Autos zu mehr Fahrkilometern führt, so ein in der wissenschaftlichen Debatte häufig zitiertes Beispiel. Ott mahnte, auch die Verwendung von ökologisch weniger bedenklichem Agrosprit könne letztlich den Kohlendioxidausstoß sogar erhöhen, wenn durch den Anbau von Pflanzen zur Herstellung dieses Treibstoffs gewachsene Ökosysteme vernichtet würden, die ihrerseits die Atmosphäre von Treibhausgasen entlasten. Ott und andere Kommissionsmitglieder riefen dazu auf, neben technischen Innovationen zur Verbesserung der Ressourceneffizienz auch die nicht einfache Entwicklung von Konzepten zur Eindämmung des "Rebound-Effekts" voranzubringen.

Die Debatte über den Zwischenbericht war auch von Kontroversen geprägt. Für Marc Oliver Bettzüge leitet sich die Beschränkung des Rohstoffkonsums nicht aus der oft behaupteten Knappheit von Ressourcen ab, dieses Problem stelle sich weithin nicht. Vielmehr müsse der Rohstoffeinsatz begrenzt werden, um die ökologischen Kapazitäten nicht zu überfordern, meinte der von der Union benannte Wissenschaftler. Der Sachverständige Michael Müller konterte, er wende sich "strikt gegen die These, dass die Ressourcenknappheit kein wesentliches Problem darstellt". Wenn die Ölvorkommen nur noch 45 Jahre reichen, so der ehemalige SPD-Abgeordnete, dann habe allein dies "dramatische" Konsequenzen für die Umstellung der Wirtschaft in einem kurzen Zeitraum.

Müller betonte überdies, es sei falsch, davon auszugehen, "dass man auf nationaler Ebene nichts tun kann" zur Durchsetzung einer ökologisch verträglichen Rohstoffpolitik. Damit übte er "energische Kritik" an der von mehreren Gremiumsmitgliedern wie etwa der FDP-Parlamentarierin Judith Skudelny vertretenen Auffassung, man müsse die Probleme auf globaler Ebene lösen. Bettzüge warnte vor einer "simplen und plumpen Vorreiterpolitik" im nationalen Rahmen. Man müsse eine solche Vorreiterolle vielmehr "differenziert" handhaben, um entsprechende internationale Vereinbarungen auf den Weg zu bringen. Auch der Wissenschaftler Uwe Schneidewind, der im Auftrag der Grünen in der Kommission sitzt, bezeichnete es als "Kernproblem", eine "intelligente Vorreiterpolitik" zu entwerfen. Im Zwischenbericht heißt es, neben den Industriestaaten müssten auch große Schwellenländer als "gewichtige Verursacher globaler Umweltprobleme" stärker eingebunden werden. Der Dritten Welt solle über finanzielle und technische Unterstützung eine "nachhaltige Entwicklung" ermöglicht werden.

Aus Sicht des von der Linken benannten Sachverständigen Ulrich Brand muss geprüft werden, ob im Interesse einer ökologischen Ressourcenpolitik eine Neuorientierung der internationalen Handelspolitik nötig sei. Er zeigte sich zudem überzeugt, "dass wir auch unsere eigenen Produktions- und Lebensweisen ändern müssen".

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3. Mehr Bürokratie durch Finanzmarktregulierung

Wirtschaft und Technologie/Unterrichtung

Berlin: (hib/HLE) Die Bürokratiekosten für die Wirtschaft haben sich im vergangenen Jahr deutlich erhöht. "Zehn der im Berichtszeitraum beschlossenen Regelungsvorhaben verursachen bei der Wirtschaft einen Erfüllungsaufwand von insgesamt 136 Millionen Euro im Jahr", heißt es in dem von der Bundesregierung als Unterrichtung (17/9378) vorgelegten Bericht nach § 7 des Gesetzes zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates. Diese neuen Belastungen hätten durch entlastende Maßnahmen mit einem Volumen von lediglich 2,3 Millionen Euro "nur zu einem geringen Teil kompensiert werden" können. Der Zuwachs beim Erfüllungsaufwand sei im Wesentlichen (121 Millionen Euro) auf die im Rahmen der Finanzmarktregulierung verabschiedete Änderung des Versicherungsaufsichtsgesetzes zurückzuführen. Dadurch habe es auch einen erheblich größeren Erfüllungsaufwand für die Verwaltung gegeben, dessen Gesamtanstieg in dem Bericht mit 13 Millionen Euro angegeben wird.

Bezogen auf einen längeren Zeitraum sind die Bürokratiekosten in Deutschland jedoch zurückgegangen. So hätten die Bürokratiekosten aus Informationspflichten am 30. September 2006 49,32 Milliarden Euro betragen und seien inzwischen um 12,33 Milliarden Euro reduziert worden.

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4. Im Bundestag notiert: Frontex-Operationen

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Die Linke möchte wissen, mit welchen Staaten "oder multilateralen Netzwerken oder sonstigen Akteuren" die EU-Grenzschutzagentur Frontex Kooperationsabkommen geschlossen hat. In einer Kleinen Anfrage (17/9455) erkundigt sie sich zudem danach, welche Drittstaaten bislang durch bilaterale Vereinbarungen mit einem der EU-Staaten in Frontex-Operationen einbezogen waren und um welche Operationen es sich dabei handelte. Ferner fragt sie unter anderem, welche Operationen nach Kenntnis der Bundesregierung in Planung sind, "bei denen vorgesehen ist, Drittstaaten über bestehende Kooperationen mit einem EU-Mitgliedstaat einzubeziehen".

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5. Im Bundestag notiert: Politisch motivierte Straftaten

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Politisch motivierte Straftaten in Deutschland im März 2012" sind Thema einer Kleinen Anfrage der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion (17/9361). Darin erkundigen sich die Koalitionsfraktionen unter anderem danach, wie viele solcher Straftaten vom März dieses Jahres insgesamt der Bundesregierung bislang bekannt geworden sind.

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6. Im Bundestag notiert: Aktivitäten in den baltischen Ländern

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/BOB) Die Fraktion Die Linke will mehr wissen über "faschistische und ultranationalistische Aktivitäten in den baltischen Ländern". Sie hat dazu eine Kleine Anfrage (17/9384) vorgelegt. Unter anderem möchte sie erfahren, wie die Bundesregierung das Phänomen ultranationalistischer, antisemitischer und teilweise profaschistischer Aktivitäten in den genannten Ländern einschätzt.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 223 - 7. Mai 2012 - 16:15 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Mai 2012