Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FAKTEN

BUNDESTAG/3451: Heute im Bundestag Nr. 456 - 18.10.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 456
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 18. Oktober 2012 Redaktionsschluss: 15:50 Uhr

1. NSU-Affäre: Zwischen Aufklärung und Staatswohl
2. Mehr Beteiligung von Kindern auf kommunaler Ebene
3. Öffentliche Anhörung zum Geldwäschegesetz
4. SPD und Grüne fordern umfassende und frühzeitige Unterrichtung des Bundestages bei der der Unterstützung Portugals durch die Europäische Union
5. Bündnis 90/Die Grünen: Energiekosten durch Einsparungen senken
6. SPD und Grüne fordern Reformen in Russland ein
7. Im Bundestag notiert: Montenegro
8. Im Bundestag notiert: Standards der Telekommunikation
9. Im Bundestag notiert: Polizei- und Zolleinsätze im Ausland



1. NSU-Affäre: Zwischen Aufklärung und Staatswohl

2. Untersuchungsausschuss (Rechtsterrorismus)

Berlin: (hib/KOS) Die Verhinderung einer neuen Mordserie sei wichtiger als der Schutz der Klarnamen von V-Leuten, betonte am Donnerstag Sebastian Edathy als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, der Pannen und Fehlgriffe bei den Ermittlungen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Mordserie an neun türkisch- oder griechischstämmigen Kleinunternehmern sowie einer Polizistin zwischen 2000 und 2007 durchleuchten soll. Innen-Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche hingegen sagte, dem Gremium würden alle Unterlagen zur NSU-Affäre bis auf V-Mann-Klarnamen übermittelt, deren Nennung keine Vorteile für die Arbeit des Ausschusses bringe. Der CSU-Politiker, für den der Einsatz von V-Leuten in extremistischen Milieus "unverzichtbar" ist, verwies auf ein "Spannungsverhältnis" zwischen parlamentarischer Aufklärung und dem Quellenschutz aus Gründen des Staatswohls. Edathy indes unterstrich, angesichts der Mordserie sei das Aufklärungsinteresse höher zu bewerten als Vertraulichkeitszusagen an Informanten. Es genüge nicht, so der SPD-Abgeordnete, auf die Tätigkeit einiger V-Leute im Umfeld des NSU zu verweisen, "da muss mehr Butter bei die Fische". Aus Sicht Fritsches soll geprüft werden, wie der Einsatz von V-Leuten "optimiert" und die parlamentarische Kontrolle gestärkt werden könne.

Zum Auftakt der Zeugenvernehmung kritisierte Edathy, dass Fritsche 2003 als Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) die Existenz einer "braunen RAF" sehr "apodiktisch" verneint habe. Damals hatte Fritsche erläutert, es gebe keine Hinweise auf eine Gruppe in der rechtsextremistischen Szene nach dem Muster der RAF, die sich etwa über Raubüberfälle finanziert hatte. Zu den drei 1998 untergetauchten Thüringer Bombenbauern, die im Herbst 2011 als NSU-Trio aufflogen, hatte er angemerkt, sie hätten - "soweit erkennbar" - keine Gewalttaten begangen. Diese Bewertung von 2003 habe dem damaligen Kenntnisstand entsprochen, verteidigte sich der Zeuge. Auch für eine Prüfung von seinerzeit fünf ungeklärten Banküberfällen in Sachsen und Thüringen, die heute dem NSU zugerechnet werden, habe er damals keinen Anlass gesehen, "bundesweit kommt es immer wieder zu solchen Überfällen".

In einem einleitenden Referat warnte der Staatssekretär vor einem "Skandalisierungswettbewerb" bei der NSU-Affäre, mit dem "Wissen von heute" werde über die Mitarbeiter der Sicherheitsbehörden "Hohn und Spott" gegossen. Er wehre sich gegen den Vorwurf, es solle etwas "vertuscht" werden und die Regierung lasse es an Kooperationsbereitschaft gegenüber dem Ausschuss mangeln. Die Zusammenarbeit seitens der Ministerien gehe vielmehr über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. Fritsche räumte Mängel in der "Sicherheitsarchitektur" ein, doch habe das Innenressort bereits eine Reihe von Maßnahmen zur besseren Bekämpfung des Rechtsterrorismus ergriffen. Der Zeuge: "Die Sicherheitsbehörden sind weder auf dem einen noch auf dem anderen Auge blind."

Es habe ihn "fassungslos" gemacht, so Fritsche, als er im Juni dieses Jahres erfahren habe, dass wenige Tage nach der NSU-Enttarnung am 4. November 2011 im BfV am 11. November Akten vernichtet wurden. Diese Unterlagen standen im Zusammenhang mit einem Spitzeleinsatz beim rechtsextremen "Thüringer Heimatschutz". Der Zeuge: "Das Fehlverhalten eines Referatsleiters hat das BfV in Verruf gebracht." Edathy wollte wissen, warum das Innenministerium erst im Juli 2012 und nicht sofort nach dem Auffliegen des NSU einen Stopp jeder Vernichtung von Akten angeordnet habe. Fritsche entgegnete, im November 2011 habe es dafür keinen Anlass gegeben, da niemand mit einem Schreddern gerechnet habe.

Nach Fritsche wollte der Ausschuss Hans-Georg Engelke vernehmen, der als Sonderermittler die Aktenvernichtung im BfV untersucht hat. Im öffentlichen Teil des an sich geheimen Berichts heißt es, eine "etwaige Vertuschungsabsicht" als Motiv des Schredderns sei auszuschließen. Der Referatsleiter, so Engelke, habe vielmehr "Nachfragen, Wiedervorlagen und Prüfarbeiten" zu Akten vermeiden wollen, die ohnehin bereits unter Löschungsfristen gefallen wären. Engelke stieß indes auf fast 300 weitere Akten zum Rechtsextremismus, die von diversen BfV-Mitarbeitern nach dem 4. November ebenfalls vernichtet wurden. Laut Bericht liege in den meisten Fällen keine Verbindung zum NSU-Umfeld vor. Und dort, wo es solche Querbezüge gebe, existierten keine Hinweise auf eine "Verheimlichungsabsicht". Vor Engelkes Anhörung äußerten jedoch mehrere Fraktionsobleute Zweifel an der Bewertung des Sonderermittlers.

*

2. Mehr Beteiligung von Kindern auf kommunaler Ebene

Kinderkommission

Berlin: (hib/ldi) Bei der Frage nach Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen gehe es auch um die Frage der Zukunft unserer Demokratie. Das ist das Ergebnis eines nichtöffentlichen Expertengesprächs der Kinderkommission am Mittwochnachmittag. Denn Demokratie müsse erlernt werden, sagte Ulla Bundrock-Muhs vom Bundesverband Anwalt des Kindes. "Diese zu leben und weiterzugeben macht Mühe und erfordert Aufmerksamkeit", sagte die Sachverständige und forderte vor allem eine stärkere Vernetzung zwischen Schulen und Kommunen. Jugendliche könnten hier ein Rederecht bekommen und in kommunalpolitischen Entscheidungen wie Sachverständige gehört werden, schlug Bundrock-Muhs vor. "Wichtig ist aber, dass dieses Engagement eine Wirkung hat", so die Expertin. Denn ohne entsprechenden Effekt gehe die Bereitschaft der Jugendlichen schnell wieder zurück.

Auch im Bereich Jugendhilfe müsse die Teilhabe in örtlicher Ebene verankert werden, erklärte Ursula Fritschle vom Berliner Rechtshilfefonds Jugendhilfe. Deshalb regte sie an, Ombuds- und Beratungsstellen für Jugendliche einzurichten. Diese sollen speziell für Jugendliche sein, die von Jugendhilfe betroffen sind. "Diese Gruppe von Betroffenen steht oft in einem Ohnmachtsverhältnis zu anderen Hilfestellen."

Dominik Bär, Deutsches Kinderhilfswerk, sieht Kinderrechte als Bürgerrechte. "Bisher werden sie eher als lästiges Anhängsel gesehen. Sie sind aber ein zentraler Wert in unserer Gesellschaft." Er forderte transparente und informative Beteiligungsverfahren für Heranwachsende und ein stärkeres Mitspracherecht auch in der Politik. Ulla Bundrock-Muhs machte deutlich, dass es aus ihrer Sicht bereits viele gute Gesetze gebe, aber Beteiligung von Kindern und Jugendlichen auch immer eine Frage der Haltung der Erwachsenen sei.

*

3. Öffentliche Anhörung zum Geldwäschegesetz

Finanzausschuss

Berlin: (hib/HLE) Der Finanzausschuss führt am Montag, den 22. Oktober, von 13.45 Uhr bis 15.15 Uhr eine öffentliche Anhörung zum Geldwäschegesetz durch. Bei der im Sitzungssaal 2.800 des Paul-Löbe-Hauses stattfindenden Anhörung werden insgesamt 14 Sachverständige zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des Geldwäschegesetzes (17/10745) Stellung nehmen. Darin geht es vor allem darum, Online-Glückspiele in die Regelungen zur Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzubeziehen.

Zuhörer werden gebeten, sich im Sekretariat des Ausschusses mit vollständigem Namen und Geburtsdatum per E-Mail (finanzausschuss@bundestag.de) sowie der Nummer ihres Personaldokuments anzumelden.

*

4. SPD und Grüne fordern umfassende und frühzeitige Unterrichtung des Bundestages bei der der Unterstützung Portugals durch die Europäische Union

Europa/Antrag

Berlin: (hib/AS) SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben die Regierung im Zusammenhang mit dem finanziellen Beistand für Portugal durch die Europäische Union aufgefordert, künftig sicherzustellen, dass der Bundestag möglichst frühzeitig und umfassend unterrichtet wird. um eine rechtzeitige Stellungnahme als Bundestages zu ermöglichen. In einem Antrag (17/11009) verlangen sie von der Regierung, dass die innerstaatlichen Verfahrensschritte von Ratsentscheidungen künftig so gestaltet werden sollen, dass die verfassungsmäßigen und gesetzlichen Beteiligungsrechte des Bundestages gewahrt werden können. Zudem soll der Bundestag fortlaufend über die Umsetzung des Anpassungsprogramms in Portugal unterrichtet werden.

*

5. Bündnis 90/Die Grünen: Energiekosten durch Einsparungen senken

Wirtschaft und Technologie/Antrag

Berlin: (hib/HLE) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen will die Bezahlbarkeit der Energieversorgung der privaten Haushalte sicherstellen. Dies solle vor allem durch Einsparungen beim Verbrauch geschehen, heißt es in einem von der Fraktion eingebrachten Antrag (17/11030). Viele Haushalte seien wegen des starken Preisanstiegs, der seit 2005 bei Strom und Fernwärme 45 Prozent und bei Öl und Gas 30 Prozent betrage, überfordert. Nach Schätzungen von Verbraucherverbänden werde jährlich 600.000 Haushalten der Strom abgestellt, weil die Rechnungen nicht bezahlt werden könnten.

Daher fordert die Fraktion Anreize für das Energiesparen in allen Haushalten. Dazu soll die Bundesregierung einen mit drei Milliarden Euro ausgestatteten Energiesparfonds einrichten, aus dem unter anderem eine verstärkte Energieberatung finanziert werden soll. Zudem soll es eine Förderung sparsamer Geräte über Zuschüsse geben. Das Sperren der Energieversorgung für private Haushalte soll gesetzlich eingeschränkt werden. Einkommensschwache Haushalte sollen durch eine Erhöhung der Regelsätze auf ein Niveau, das eine Grundversorgung an Wärme und Strom sicherstellt, unterstützt werden. "Energiesparen ist der schnellste Weg, um den Geldbeutel von hohen Energiekosten zu entlasten", schreiben die Abgeordneten.

Zugleich weist die Fraktion Behauptungen zurück, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien der Grund für die steigenden Energiekosten sei. Zum einen seien die Preise für die fossilen Energieträger Öl und Erdgas gestiegen. Andererseits seien preisdämpfende Effekte aus dem Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) nicht an die Verbraucher weitergegeben worden. Ein weiterer Preistreiber seien die ausufernden Befreiungen der Großindustrie von den Kosten der Energiewende. Und beinahe völlig ausgeblendet werde, "dass nicht nur die Bereitstellungskosten für Energie, sondern auch und vor allem die Menge der verbrauchten Energie die Energiekosten privater Haushalte bestimmen".

*

6. SPD und Grüne fordern Reformen in Russland ein

Auswärtiges/Anträge

Berlin: (hib/BOB) Die SPD-Fraktion fordert die Bundesregierung in einem Antrag (17/11005) auf, den neugewählten russischen Präsidenten Wladimir Putin an seine Zusagen hinsichtlich der Stärkung der Meinungs- und Pressefreiheit, den Aufbau einer unabhängigen Justiz sowie der Modernisierung der Wirtschaft, der Verwaltung und des Bildungssystems zu erinnern. Russland sei "mitunter ein unbequemer", aber auch unverzichtbarer Partner bei der Bewältigung globaler Probleme. Egal, ob in der iranischen Nuklearfrage, der Überwindung des Bürgerkriegs in Syrien oder der Stabilisierung Afghanistans: Eine Lösung der genannten Konflikte ohne oder gegen Russland sei kaum vorstellbar, stellt die SPD-Fraktion fest.

Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen weist in einem Antrag (17/11002) auf die "rechtsstaatlichen Defizite" in Russland hin. Die Bundesregierung solle insbesondere die fehlende Unabhängigkeit der Justiz thematisieren und Angebote zu deren Reform vorlegen.

*

7. Im Bundestag notiert: Montenegro

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/BOB) Ob die Bundesregierung es für hinreichend hält, in den Beitrittsverhandlungen mit Montenegro die Kapitel ("Grundrechte und Justiz", "Kampf gegen organisierte Kriminalität und Korruption") als erste zu öffnen und als letzte zu schließen, um die erheblichen Probleme mit fehlenden rechtsstaatlichen Standards, Korruption, Klientelismus und organisierter Kriminalität zu bewältigen, möchte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wissen. Sie hat dazu eine Kleine Anfrage (17/10950) gestellt.

*

8. Im Bundestag notiert: Standards der Telekommunikation

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Deutsche Mitarbeit an Überwachungsstandards im Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen" lautet der Titel einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (17/10944). Wie die Fraktion darin schreibt, befasst sich das Institut seit 1988 mit der Schaffung international einheitlicher Standards der Telekommunikation. Wissen wollen die Abgeordneten unter anderem, auf welche Art und Weise die Bundesregierung seit wann an dem Institut beteiligt ist.

*

9. Im Bundestag notiert: Polizei- und Zolleinsätze im Ausland

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) "Polizei- und Zolleinsätze im Ausland" thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (17/10966). Unter anderem wollen die Abgeordneten wissen, wie die Bundesregierung die politische und militärische Gefährdungslage in den jeweiligen Einsatzgebieten beurteilt.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 456 - 18. Oktober 2012 - 15:50 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Oktober 2012