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BUNDESTAG/3489: Heute im Bundestag Nr. 494 - 05.11.2012


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 494
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 5. November 2012 Redaktionsschluss: 16:45 Uhr

1. Luftfahrtbranche klagt über Last der Ticketabgabe
2. Sachverständige streiten über Transparenz bei Rüstungsexporten



1. Luftfahrtbranche klagt über Last der Ticketabgabe

Finanzausschuss (Anhörung)

Berlin: (hib/HLE) Die deutsche Luftfahrtbranche hat dringend die Senkung der Ticketabgabe verlangt. "Die Luftverkehrsteuer führt zu einer Verzerrung des internationalen Wettbewerbs", erklärte der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag Nachmittag. Die Steuer exportiere Wachstum und Arbeitsplätze ins Ausland. Sie schade den deutschen Fluggesellschaften und Flughäfen sowie dem Wirtschaftsstandort als Ganzes, argumentierte die Luftverkehrswirtschaft.

Grundlage der Anhörung war ein Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP zu dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Änderung des Energiesteuer- und des Stromsteuergesetzes (17/10744, 17/10797). In dem Änderungsantrag geht es um "Anpassungen des Luftverkehrsteuergesetzes aufgrund europarechtlicher Vorgaben sowie Entwicklungen aufgrund der Einbeziehung des Luftverkehrs in den Handel mit Treibhausgasemissionszertifikaten". Damit sollen die bereits durch die Luftverkehrsteuer-Absenkungsverordnung für 2012 vorgenommenen Absenkungen der Steuerbeträge um 6,27 Prozent auch 2013 gelten. Somit soll es 2013 bei einer Steuer von 7,50 Euro (statt acht Euro 2011) für Flüge mit einem Ziel im Inland oder Europa bleiben. Bei einer Distanz bis zu 6.000 Kilometer würden weiter 22,43 statt früher 25 Euro fällig und darüber hinaus 42,18 statt 45 Euro.

Nach Ansicht der Luftverkehrswirtschaft ist der Änderungsantrag "nicht geeignet, die Nachteile aus der Luftverkehrsteuer in hinreichender Art und Weise zu beheben". Es sollte auf jeden Fall eine stärkere Absenkung der Ticketabgabe als im Änderungsantrag vorgesehen erfolgen. Wie der Branchenverband erläuterte, trugen im vergangenen Jahr sechs deutsche Fluggesellschaften mit 565 Millionen Euro einen überproportional hohen Anteil an der Luftverkehrsteuer. Die übrige Steuerschuld (396 Millionen Euro) habe sich auf über 100 ausländische Fluggesellschaften verteilt. Ausländische Fluggesellschaften könnten diese Kosten besser kompensieren, während die deutschen Gesellschaften zunehmend in die roten Zahlen getrieben würden. "Ausländische Fluggesellschaften nutzen ihren Wettbewerbsvorteil aus der Luftverkehrsteuer und gewinnen Passagiere aus Deutschland für Flüge über ihre Drehkreuze im Ausland statt über Frankfurt und München", argumentierte der Branchenverband.

Gestützt wurde diese Argumentation von der Fluggesellschaft Air Berlin, die nach eigenen Angaben mit 165 Millionen Euro Luftverkehrsteuer belastet wurde. Die Belastung habe wegen des wettbewerbsintensiven Marktes nicht an die Kunden weitergegeben werden können. Das Konzernergebnis habe sich im ersten Jahr der Erhebung der Steuer von minus 106,3 Millionen Euro (2010) auf minus 271,8 Millionen Euro verschlechtert. Die Belastung mit der Steuer sei "nicht die alleinige Ursache der Probleme, trägt aber ganz wesentlich zum negativen Unternehmensergebnis bei", so das Unternehmen. Auch der Vertreter der Lufthansa erklärte, ein wesentlicher Beitrag zu den Verlusten im Passagierbereich sei die Luftverkehrsteuer.

Dagegen konnte Professor Friedrich Thießen (Technische Universität Chemnitz) "keine Belege für nennenswerte negative Wirkungen der Luftverkehrsteuer wie eine Abwanderung von Fluggästen oder für einen dadurch bedingten Nachfragerückgang finden". In Berechnungen der Luftverkehrswirtschaft, in denen von einem Verlust von fünf Millionen Passagieren die Rede gewesen sei, seien Fehler enthalten. Am Beispiel Ägypten-Tourismus belegte Thießen, "dass die Passagierzahlen 2011 trotz Steuer bis zum Ausbruch der Unruhen hoch blieben. Erst mit dem Tag des Ausbruchs der Unruhen brachen die Passagierzahlen ein. Das zeigt, dass es nicht die Steuer ist, die den Ägyptenverkehr beeinflusst hat". Auch seien keine negativen volkswirtschaftlichen Effekte am Arbeitsmarkt und im Wirtschaftswachstum nachzuweisen.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) begrüßte, dass die Koalition grundsätzlich an der Luftverkehrsteuer festhalten wolle. die Steuer habe sich "als Instrument des Abbaus umweltschädlicher Subventionen bewährt, gerade in Zeiten eines dringend notwendigen Schuldenabbaus". Die Umweltorganisation WWF argumentierte, im Luftverkehr würden bisher kaum klimapolitische Instrumente wirken. Dabei seien die Kohlendioxid-Emissionen in diesem Bereich rasant angestiegen.

Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erinnerte an die Subventionierung der Luftfahrtbranche durch den Verzicht auf die Besteuerung von Kerosin und auf die Mehrwertsteuererhebung auf Auslandsflüge. Das führe zu einem Steuerprivileg von 11,5 Milliarden Euro im Jahr. Die Luftverkehrsteuer sei "ein erster wichtiger Schritt auf dem Weg, diese Wettbewerbsverzerrung zu beseitigen". Daher bestehe kein Grund, die Steuersätze zu senken. Auch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft lehnte die Steuersenkung ab und nannte die Luftverkehrsteuer den "ersten sinnvollen Schritt, um den bestehenden milliardenschweren Steuervergünstigungen und Infrastruktursubventionen zu begegnen".

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2. Sachverständige streiten über Transparenz bei Rüstungsexporten

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie (Anhörung)

Berlin: (hib/HLE) Forderungen nach mehr Transparenz bei Rüstungsexportentscheidungen sind bei Juristen auf völlig unterschiedliche Reaktionen gestoßen. In einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie am Montag lehnte Professor Hans-Michael Wolffgang (Universität Münster) in seiner Stellungnahme die von der Opposition geforderten Unterrichtungen des Bundestages über bevorstehende Genehmigungsentscheidungen ab: "Die geforderten Unterrichtungsrechte des Deutschen Bundestages würden in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Bundesregierung eindringen. Es läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung vor."

Laut Wolffgang würde auch die Abschaffung der Geheimhaltung von Entscheidungen über Rüstungsexporte und die Bekanntgabe erteilter Genehmigungen mit Begründung "in den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung eindringen und damit gegen das Gewaltenteilungsprinzip verstoßen". Ganz anders argumentierte Sebastian Roßner von der Universität Düsseldorf, der die Herstellung von Transparenz im Bereich der Rüstungsexporte als dringend notwendig bezeichnete: "Insbesondere muss die seit Jahrzehnten andauernde Unwissenheit des Bundestages in diesen Fragen beendet werden. Die Rüstungsexportpolitik braucht aus Gründen der Demokratie das Licht und die frische Luft einer politischen, möglichst breit zu führenden Diskussion." Es gebe auch keine Geheimhaltungsbedürftigkeit von Regierungshandeln gegenüber dem Bundestag, argumentierte Roßner.

Grundlage der Anhörung waren zwei Anträge der Opposition. So fordert die SPD-Fraktion (17/9188), die Bundesregierung solle sich künftig streng an die eigenen Rüstungsexportrichtlinien, das Außenwirtschaftsgesetz, die Außenwirtschaftsverordnung und das Kriegswaffenkontrollgesetz halten und dementsprechend eine restriktive Genehmigungspraxis anwenden. Außerdem fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung auf, den Rüstungsexportbericht in Zukunft spätestens drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres zu veröffentlichen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9412) verlangt von der Regierung die Vorlage eines Gesetzentwurfs, um Rüstungsexporte besser kontrollieren zu können. Außerdem müsse der Bundestag bei besonders "sensiblen Exporten" vor deren Genehmigung unterrichtet werden und eine Möglichkeit zur Stellungnahme erhalten.

Für die militärische Luftfahrt erklärte die Organisation "AeroSpace and Defence", viele Rüstungsgüter würden in Kooperation mit Nachbarländern hergestellt, die keine Einschaltung des Parlaments kennen würden. Würden Rüstungsentscheidungen in Deutschland kontroversen öffentlichen Diskussionen unterworfen, dann würden die Partnerländer versuchen, Deutschland in die Rolle des Zulieferers abzudrängen, "um zu verhindern, dass potenzielle Empfängerländer sich durch die kontroverse öffentliche Diskussion diskriminiert fühlen". Die Bundesregierung hätte dann keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die Exportentscheidung: "Der angestrebte parlamentarische Einfluss führt zur Einflusslosigkeit der Bundesregierung, vom Parlamentseinfluss ganz zu schweigen." Wie die militärische Luftfahrtbranche empfahl auch der Bundesverband der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, keine Änderungen an den "strengen deutschen Exportbestimmungen" vorzunehmen.

Das Internationale Konversionszentrum (BICC Bonn) beklagte die Abwesenheit einer öffentlichen Diskussion über das Für und Wider deutscher Rüstungsexporte: "Eine öffentliche Auseinandersetzung wird bislang insbesondere durch die sehr späte Veröffentlichung der jährlichen Rüstungsexportberichte der Bundesregierung sowie den geheim tagenden Bundessicherheitsrat erschwert."

Bernhard Moltmann (Hessische Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung) kritisierte, "mit dem Nebeneinander von Regelwerken, der Konkurrenz institutioneller Kompetenzen und der Verschränkung von einzelstaatlichen wie internationalen Mechanismen vernebeln sich Verantwortlichkeiten. Das stützt die Forderung nach Kohärenz und parlamentarischer Kontrolle." Da Rüstungsgüter besonders langlebig seien, forderte Moltmann eine "wirksame Endverbleibskontrolle". Als großes Problem bezeichnete er auch die Vergabe von Lizenzen zur Rüstungsproduktion im Ausland. Das Lizenzproblem sei nur zu lösen, indem keine Lizenzen mehr vergeben würden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 494 - 5. November 2012 - 16:45 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. November 2012