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BUNDESTAG/3923: Heute im Bundestag Nr. 323 - 12.06.2013


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 323
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 12. Juni 2013 Redaktionsschluss: 13:55 Uhr

1. Fluthilfe: Fraktionen und Minister Rösler ziehen an einem Strang
2. Ganztagsschulen sollen ausgebaut werden
3. Opposition kritisiert Aus für schärfere Bekämpfung von Korruption in Parlamenten



1. Fluthilfe: Fraktionen und Minister Rösler ziehen an einem Strang

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie

Berlin: (hib/PST) Der "Solidarität der Menschen, die man nur bewundern kann", müsse jetzt die Solidarität der Politik zur Seite zu stehen. Darüber sei man sich fraktionsübergreifend einig, stellte die Sprecherin der Fraktion "Die Linke" fest und traf damit die Stimmung im Wirtschaftsausschuss. Der Ausschussvorsitzende Ernst Hinsken (CSU) hatte kurzfristig den Punkt "Auswirkungen der Flutkatastrophe, Flutopferhilfe" auf die Tagesordnung der nichtöffentlichen Sitzung am Mittwoch gesetzt und Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) dazu gebeten.

Rösler erläuterte zunächst, dass sich das Ausmaß der Flutschäden erst ermessen ließe, wenn das Wasser überall abgeflossen sei. Schon jetzt sei aber festzustellen, dass vor allem Klein- und Kleinstbetriebe betroffen seien. Derzeit gehe die Versicherungswirtschaft von eher höheren Schäden als bei der Flut 2002 aus. Dagegen erwarten die Industrie- und Handelskammern sowie Handwerkskammern niedrigere Schäden bei ihren Mitgliedsbetrieben, berichtete Rösler. Nach Angaben der Kammern seien diesmal mehr Vorsorgemaßnahmen getroffen worden und die Vorwarnzeiten seien länger geblieben. Allerdings klagten in den betroffenen Regionen Tourismusbetriebe auch abseits der Überschwemmungsgebiete über fehlende Anmeldungen.

Rösler berichtete, dass die Hilfen der staatlichen KfW-Bank für Flutopfer bereits liefen. Die Versicherungswirtschaft habe ihm zugesagt, möglichst unbürokratisch Hilfe zu leisten, vor allem in Form von Abschlagszahlungen. Am morgigen Donnerstag werde die Ministerpräsidentenkonferenz der Länder mit der Bundesregierung über die Fluthilfe beraten. Er hoffe, dass es dann schon zu ersten Unterschriften unter Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern komme. Der Wirtschaftsminister kündigte zudem an, dass ein Nachtragshaushalt erforderlich werden könnte, wenn "alle Zahlen auf dem Tisch" sind.

Der Sprecher der CDU/CSU-Fraktion lobte die "schnellste Reaktion, die wir bisher hatten", insbesondere durch die KfW-Bank. Allerdings bat er Rösler, am Donnerstag darauf zu drängen, dass die Länder die Soforthilfe einheitlich handhaben. Es könne nicht sein, dass Betroffene in Bayern bis zu 100 000 Euro und in Sachsen nur 15 000 Euro erhielten. Rösler verwies aber darauf, dass einzelne Länderkabinette bereits Beschlüsse gefasst hätten und sich nun daran gebunden fühlten. Aus der Fraktion Die Linke kam die Anregung, in den Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern auch über die 50-prozentige Kofinanzierung des Bundes hinauszugehen. Ihre Sprecherin erinnerte daran, dass manche Geschädigte noch Kredite abzahlten, die sie nach der Flut 2002 aufnehmen mussten. Hier müsse der Bund "ausgleichende Hilfen geben".

Eine Frage aus der SPD-Fraktion, ob es zutreffe, dass auf den Katastrophenhilfefonds der EU derzeit wegen einer fehlenden haushaltsrechtlichen Grundlage nicht zugegriffen werden kann, konnte Rösler nicht eindeutig antworten. Nach seiner Information sei dies nicht richtig, erklärte Rösler. Erste Anträge an den Fonds länge vor und man müsse nun beobachten, wie die EU damit verfährt. Der sozialdemokratische Sprecher regte zudem an, wie nach der Flut 2002 die Städte und Gemeinden von der Kofinanzierung von Einsätzen des Technischen Hilfswerks freizustellen. Derzeit zögerten viele Gemeinden aus Geldnot, das THW anzufordern.

Der Sprecher der FDP-Fraktion regte an, über Anreize für große Unternehmen wie zum Beispiel Banken nachzudenken, sich an Re-Investitionen in den Hochwassergebieten zu beteiligen. Dazu sagte Rösler, ohne sich festzulegen, dass über Sonderabschreibungen gesprochen werde. Im übrigen hätten die Finanzbehörden teilweise bereits Steuerstundungen gewährt.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fragte Rösler, was die Bundesregierung plane, um betroffene Unternehmen vor der Insolvenz zu schützen. Dieser verwies auf eine Gesetzesänderung, die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angekündigt habe. Sie wolle Fristen verlängern, damit der Straftatbestand der Insolvenzverschleppung in solchen Fällen nicht greift. Unter zustimmendem Nicken bei den anderen Fraktionen erklärte der Sprecher der Grünen die Bereitschaft, auch während der Sommerpause zusammenzukommen, falls gesetzgeberische Maßnahmen nötig seien.

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2. Ganztagsschulen sollen ausgebaut werden

Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

Berlin: (hib/ROL) Der Ausbau von Ganztagsschulen soll voran getrieben werden. Darin waren sich alle Fraktionen einig, als sie am Mittwochvormittag den Antrag der SPD "Projekt Zukunft - Deutschland 2020 - Bildungschancen mit guten Ganztagsschulen für alle verbessern" (17/13482), im Ausschuss für Bildung und Forschung im Berliner Paul-Löbe-Haus berieten.

Der Vertreter der SPD verwahrte sich in seinen Eingangsworten gegen den Vorwurf der CDU/CSU, dass die SPD mit dem Antrag zum Ausbau von Ganztagsschulen eine "kollektive Zwangsbeglückung" unternehmen wolle. "Wir wollen einen Rechtsanspruch und nicht eine Rechtverpflichtung durchsetzen", sagte der SPD-Abgeordnete. Gleichzeitig zeigte er sich erleichtert, dass die Frontstellung in der Politik beim Thema Ganztagsschulen, die es noch 2002 gegeben habe, nun überwunden sei.

Der Vertreter der Union hielt den Vorwurf der Zwangsbeglückung denn auch nicht mehr aufrecht und bekannte sich ebenfalls zu dem Ziel, Ganztagsschulen auszubauen. "In weiten Teilen liegen wir gar nicht so weit auseinander", sagte er . Doch verwahrte sich der Unionvertreter gegen den Vorschlag der SPD, dass der Bund für Ganztagsschulen Milliarden Euro bereit stellen soll. "Wenn sich der Bund finanziell beteiligt, soll er auch mitreden können." Zudem sprach er sich gegen eine Grundgesetzänderung des Artikels 104c aus. Die SPD wollte mit einer Neufassung eine Vereinbarung treffen, die eine dauerhafte Finanzierung des Bundes auch in Schulen eröffnet, so weit die Länder zustimmen.

Ähnlich argumentierte die Kollegin von der FDP, die sich zwar unumwunden zum Ausbau von Ganztagsschulen bekannte, aber ebenfalls eine Grundgesetzänderung strikt ablehnte. Die Lernerfolge an Ganztagsschulen, gerade für Kinder aus sozial schwachen Milieus, seien jedoch unbestreitbar.

Die Linke teilte viele Punkte im Antrag der SPD, empfindet aber das Konstrukt Ganztagsschule im Antrag "überfrachtet". Denn auch bei Ganztagsschulen fände eine frühe Segregation statt. Eine Vodafone-Studie habe belegt, dass nicht mal die Hälfte aller Kinder, die eine höhere Schule besuchen, dies aufgrund ihrer tatsächlichen Leistungsfähigkeit täten, sondern aufgrund ihrer sozialen Herkunft.

Der Vertreter der Grünen begrüßte den Antrag in weiten Teilen: "Gute Ganztagsschulen ergeben besser Bildungsergebnissen und können Chancengleichheit herstellen", sagte er und forderte das Kooperationsverbot bei der Bildung abzuschaffen.

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3. Opposition kritisiert Aus für schärfere Bekämpfung von Korruption in Parlamenten

Rechtsausschuss

Berlin: (hib/KOS) Nach einem harten Schlagabtausch zwischen Koalition und Opposition haben Union und FDP am Mittwoch im Rechtsausschuss zum wiederholten Male eine Vertagung der Abstimmung über Pläne von SPD, Linken und Grünen durchgesetzt, die Korruption in Parlamenten strafrechtlich schärfer bekämpfen wollen. Sprecher der Opposition kritisierten, dass es als Folge dieser Entscheidung der Koalition vor der Bundestagswahl nicht mehr zu einer Neuregelung zur Frage der Bestechlichkeit von Abgeordneten kommen werde. Seitens der SPD hieß es, man hoffe, dass dieses Thema in der nächsten Legislaturperiode "konstruktiver" angegangen werden. Die Linke sah in dem Vertagungsbeschluss die "letale Dosis" für die Gesetzesvorhaben, eine Verschärfung des Vorgehens gegen Korruption in Parlamenten habe sich damit erledigt. Der Debatte und der Abstimmung im Ausschuss unter Leitung der Vizevorsitzenden Halina Wawzyniak (Linke) lagen drei Gesetzentwürfe von SPD (17/8613), der Linken (17/1412) und der Grünen (17/5933) zugrunde.

Aus Sicht der Linken hinterlässt die jahrelang erfolglos geführte Debatte den Eindruck, dass in Deutschland Abgeordnete korrupt sein dürften. Dem widersprach die CDU energisch: Hierzulande seien Bestechung und Bestechlichkeit von Parlamentariern bereits strafbar. Die Grünen hingegen erklärten, es existiere kein Straftatbestand für Bestechlichkeit, strafbar sei nur der Stimmenkauf bei Wahlen. Die Liberalen sagten, die Koalition debattiere über dieses Thema sachlich, im Gegenzug werde man von den Kritikern "nur beschimpft". Eine Anhörung mit Sachverständigen habe die Position der Koalition gestärkt und sei nicht so ausgegangen, wie sich dies die Opposition erhofft habe.

Die Liberale kritisierten eine fraktionsübergreifende Initiative des bei dieser Sitzung nicht anwesenden Ausschussvorsitzenden Siegfried Kauder (CDU), die ebenfalls auf härtere strafrechtliche Bestimmungen zielten. Dessen Vorschlag sei viel zu weitgehend gewesen, so die FDP, und wäre wegen seiner nicht präzisen Regeln verfassungsrechtlich nicht haltbar gewesen. Gegenüber den Medien habe Kauder bei diesem Thema einen Ton angeschlagen, auf dessen Basis man nicht gut habe verhandeln können. Seitens der Grünen hieß es, die Opposition habe den im Prinzip befürworteten Vorstoß Kauders nicht weiterverfolgt, nachdem der CDU-Politiker in den eigenen Reihen blockiert worden sei.

SPD, Linke und Grüne bemängeln, dass nach geltendem Recht nur der Stimmenkauf und -verkauf bei Wahlen strafbar sei. Künftig müsse es generell als Bestechlichkeit verboten sein und auch mit Haft geahndet werden können, wenn ein Abgeordneter einen Vorteil annimmt und sich bei der Wahrnehmung seines Mandats im Interesse derer verhält, die ihm einen Vorteil gewähren. Umgekehrt sollen sich auch jene strafbar machen, die Volksvertreter bestechen. Nach dem Willen der SPD würden jedoch "parlamentarische Gepflogenheiten" nicht strafbar sein, wozu etwa die Bewirtung bei kulturellen, sportlichen und Festveranstaltungen oder die Übernahme von Übernachtungskosten bei Tagungen gehören sollen.

Union und FDP haben bei den bisherigen Debatten im Plenum des Bundestags und im Ausschuss verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Gesetzentwürfe geltend gemacht. Man müsse unterscheiden zwischen Amtsträgern und dem freien Abgeordnetenmandat. Ein Volksvertreter könne auch völlig einseitige Interessen vertreten, so könnten etwa einem Parlamentarier Stimmen bei den nächsten Wahlen in Aussicht gestellt werden, falls er sich für bestimmte Projekte einsetze. Generell stünden Abgeordnete in der Öffentlichkeit unter strenger kritischer Beobachtung, ein Mandatsverlust wegen Fehlverhaltens könne gravierender sein als eine Verurteilung vor Gericht. Aus Sicht der Koalition ist die Bestechung von Volksvertretern rechtlich schwer zu fassen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 323 - 12. Juni 2013 - 13:55 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juni 2013