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BUNDESTAG/4613: Heute im Bundestag Nr. 478 - 26.09.2014


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 478
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 26. September 2014, Redaktionsschluss: 10.10 Uhr

1. Oettinger: Brauchen digitalen Binnenmarkt
2. Opposition fordert Ende der EPA-Abkommen
3. Regierung warnt vor Legal Highs



1. Oettinger: Brauchen digitalen Binnenmarkt

Europaausschuss

Berlin: (hib/JOH) Der designierte EU-Kommissar für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger (CDU), sieht in der Vollendung des digitalen Binnenmarktes ein zentrales Ziel seiner Amtszeit. Es gebe in der Europäischen Union einen "nahezu perfekten Binnenmarkt" für Autos, Weine oder Hüte, sagte der bisherige Energiekommissar in einer Sondersitzung des Europaausschusses am Donnerstagabend. Jedoch unterliege die digitale Agenda noch immer "ziellos" der nationalen Regulation. Dabei kenne Digitalität keine nationalen Gebietsgrenzen. Auch Daten könne man nur gemeinsam in Europa schützen.

Für jeden Bürger in der EU müsse gelten: gleicher Datenschutz, gleiche Kosten, gleiche Angebote, betonte Oettinger. Er kündigte zudem an, den Ausbau der digitalen Infrastruktur in der EU beschleunigen zu wollen. "Wir brauchen in allen Mitgliedsländern eine einigermaßen gleiche Ausbaugeschwindigkeit für die digitalen Netze", so der Kommissar.

Die zunehmende Digitalisierung der Alltagswelt werfe außerdem wichtige Fragen auf. Was passiere etwa, wenn Google irgendwann Autos baue und die Deutschen nur noch das Aluminium oder die Polster beisteuern?, fragte Oettinger. "Die digitale Entwicklung zielt auf unsere Wertschöpfung, auf den Kern unserer Realwirtschaft", warnte er. Hier wolle er sich als zuständiger Kommissar für den Standort Deutschland stark machen.

Der CDU-Abgeordnete Matern von Marschall fragte, ob die Kreativwirtschaft, darunter Buch- oder Musikverlage, in Zukunft überhaupt noch nachhaltige wirtschaftliche Erträge erzielen könne. Die europäische, sehr viel kleinteiligere Wirtschaft sei durch Firmen wie Google oder Amazon "dramatischen Risiken" ausgesetzt, urteilte er. Es drohe eine Aushöhlung des Urheberrechts und der Strukturen der europäischen Verlagswirtschaft.

Auch Oettinger bezeichnete das Urheberrecht, das in seinen künftigen Aufgabenbereich fällt, als eines seiner schwierigsten Arbeitsfelder. Es gehe darum, eine Balance zu finden zwischen dem Interesse der Verbraucher, möglichst freien Zugang zu Inhalten zu haben, und der Notwendigkeit, dass Schriftsteller, Drehbuchautoren oder Musiker ihre Produkte vermarkten und von ihnen leben können. Oettinger kündigte an, einen Mittelweg vorschlagen zu wollen und bis Mitte des kommenden Jahres einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorzulegen.

Die Probleme der Verlagswirtschaft beobachtet Oettinger ebenfalls "mit großer Sorge". Zwar werde es auch in Zukunft noch Bücher geben, aber angesichts des Aufkommens von E-Books nicht mehr in ihrer gewohnten Form. Mit Blick auf Büchereien, Buchhändler, Stadtbibliotheken oder die Buchpreisbindung stehe die Politik vor schwierigen Aufgaben.

Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) fragte den Kommissar, inwieweit er in Brüssel nicht nur die Interessen der deutschen digitalen Wirtschaft, sondern auch die der Verbraucher vertreten wolle und ob er die Europäische Datenschutzgrundverordnung voranbringen werde, für die sich das Europäische Parlament stark engagiere.

Oettinger sicherte zu, dass er "so viele Verbraucherrechte wie möglich wahren wolle", etwa beim Roaming oder im Bereich Netzneutralität. Die Globalisierung der Telekommunikation sei jedoch in vollem Gange, betonte er. Europäische Firmen müssten im Wettbewerb mit den "Giganten" aus Asien und den USA mithalten können, gab der Kommissar zu Bedenken.

Er verwies darauf, dass die Europäische Datenschutzgrundverordnung dem Europäischen Rat bereits seit zwei Jahren vorliege. Das Europäische Parlament habe sein Votum bereits abgegeben. Der Rat dürfe dieses Thema nun nicht länger vertagen. "Wir müssen alles tun, damit die nationalen Regierungen zur Europäisierung des Datenschutzrechts bereit sind", betonte Oettinger, der auch die Bundesregierung für ihre "bisher eher zaghafte Haltung" kritisierte. Eine Entscheidung über die Verordnung solle in etwa einem halben Jahr fallen, sicherte der Kommissar zu.

Auf die Frage des SPD-Abgeordneten Axel Schäfer, inwieweit Oettinger in der neuen EU-Kommission die Gemeinschaftsmethode voranbringen wolle, antwortete dieser, die Gemeinschaftsmethode müsse die Regel in der europäischen Arbeit werden, so wie dies in Deutschland der Fall sei. "Die EU-Kommission muss letztendlich die europäische Regierung werden, der Rat der europäische Bundesrat und das Europäische Parlament der Deutsche Bundestag." Die EU sei auf dem Weg dahin, zeigte sich Oettinger zuversichtlich.

Die neue EU-Kommission unter Führung von Jean-Claude Juncker soll am 1. November ihre Arbeit aufnehmen. Vorher muss jedoch das Europäische Parlament der Kommission als Ganzes zustimmen. Dann wird die Kommission vom Europäischen Rat mit qualifizierter Mehrheit ernannt.

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2. Opposition fordert Ende der EPA-Abkommen

Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen machen sich für einen Verhandlungsstopp bei den EU-Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) stark. Mit dem Abschluss dieser Abkommen sollen sich die Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks (AKP) "zum Abbau von Importzöllen, zum Verbot von Exportsteuern und zur Liberalisierung ihrer öffentlichen Dienstleistungsmärkte verpflichten", schreiben die Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag (18/2603), der heute auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. "Damit würden wichtige entwicklungspolitische Steuerungsinstrumente der AKP-Regierungen zugunsten eines freien Marktzugangs für europäische Unternehmen preisgegeben." Trotz Zugeständnissen der EU in den Verhandlungen stehe zu befürchten, dass die EPAs teils "zu massiven Verschlechterungen für Kleinproduzenten im Agrar- und Industriebereich führen, die nun nicht mehr durch Importbeschränkungen vor der übermächtigen Konkurrenz durch europäische Agrarunternehmen geschützt werden können".

Die Abgeordneten fordern die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene für einen Stopp der EPA-Verhandlungen einzusetzen und auf eine Ratifizierung zu verzichten. Die Handelspolitik der EU solle vielmehr an dem Ziel ausgerichtet werden, "die selbstbestimmte Entwicklung, industrielle Wertschöpfung, Ernährungssouveränität und regionale Integration in den Ländern des Südens zu unterstützen". Unter diesen Prämissen soll ein neues Verhandlungsmandat formuliert werden, das einen Mechanismus enthält, der die Auswirkungen der Abkommen auf die Achtung von Menschenrechten sowie ökologische und soziale Auswirkungen kontrolliert.

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3. Regierung warnt vor Legal Highs

Gesundheit/Antwort

Berlin: (hib/PK) Die Bundesregierung warnt nachdrücklich vor dem Konsum sogenannter Neuer Psychoaktiver Substanzen (NPS), auch "Legal Highs" genannt. Solche Suchtstoffe würden bisweilen auch als Kräutermischungen, Badesalze, Dünger oder Raumlufterfrischer in den Verkehr gebracht, schreibt die Regierung in ihrer Antwort (18/2550) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (18/2439). Der Konsum dieser psychotropen Substanzen sei mit "unkalkulierbaren gesundheitlichen Gefahren" verbunden.

Nicht alle "Legal Highs" fallen unter die Verbotsbestimmungen des Betäubungsmittelgesetzes, können aber schwere, bisweilen tödliche Nebenwirkungen entfalten. Nach Ansicht der Bundesregierung ist die Bezeichnung der Stoffe irreführend, weil damit suggeriert werde, es handele sich um Produkte von geprüfter Qualität. Auch aus rechtlicher Sicht sei die Benennung "Legal" nicht gerechtfertigt.

Bei den NPS werden den Angaben zufolge bekannte chemische Grundstrukturen von Cannabinoiden, Cathinonen, Phenethylaminen, Tryptaminen und Piperazinen synthetisch abgewandelt, wobei in allen Fällen eine starke Wirkung auf die Psyche erhalten bleibt. Besonders riskant ist der Mischkonsum verschiedener Stoffe.

Seit 2010 sind nach Angaben der Regierung 503 Intoxikationen (Vergiftungen) und 20 Todesfälle im Zusammenhang mit dem Konsum von NPS bekannt geworden. Typische negative Begleiterscheinungen beim Konsum solcher Stoffe seien Herzrasen, Unruhe, Bewusstlosigkeit und Halluzinationen. Eine nicht repräsentative online-Umfrage habe 2011 ergeben, dass auffallend viele NPS-Konsumenten jung, männlich und vergleichsweise gut gebildet seien. Als Motivation gaben Konsumenten Rausch, Neugier und die Legalität der Stoffe an.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 478 - 26. September 2014 - 10.10 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2014