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BUNDESTAG/5591: Heute im Bundestag Nr. 105 - 22.02.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 105
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 22. Februar 2016, Redaktionsschluss: 16.59 Uhr

1. Kontroverse über Asylpaket II
2. Bilanzprüfungsreform im Finanzwesen
3. Änderung von Statistikgesetzen
4. Grüne fragen anch Zwangsverheiratungen
5. Prozesse um NS-Entschädigung in Italien
6. Eskalation in Israel und Palästina


1. Kontroverse über Asylpaket II

Inneres/Anhörung

Berlin: (hib/HAU) Die von der Bundesregierung geplante Einführung beschleunigter Asylverfahren für bestimmte Personengruppen in dazu eingerichteten Aufnahmeeinrichtungen trifft auf Zustimmung und Ablehnung gleichermaßen. Das wurde während einer öffentlichen Anhörung des Innenausschusses zu dem dazu von den Koalitionsfraktionen vorgelegten Gesetzentwurf (18/7538) am Montag deutlich. In dem Gesetzentwurf (Asylpaket II) ist des Weiteren geplant, "Abschiebungshindernisse aus vermeintlich gesundheitlichen Gründen" abzubauen sowie den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre auszusetzen. Zudem soll künftig das "Nichterscheinen bei der zuständigen Aufnahmeeinrichtung" zur Einstellung des Asylverfahrens führen.

Zustimmung erfuhr der Gesetzentwurf unter anderem vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Deutschen Landkreistag. Man erhoffe sich allein schon durch die bessere Erreichbarkeit der Asylbewerber eine Beschleunigung der Verfahren, sagte Ursula Gräfin Praschma vom BAMF. Bislang habe das BAMF eine Aufforderung zum Betreiben des Verfahrens an die Bewerber schicken und eine einmonatige Frist abwarten müssen. Dies sein nun nicht mehr nötig, so Gräfin Praschma. Ihrer Ansicht nach sollte das beschleunigte Verfahren bei Antragstellern aus sicheren Herkunftsländern sowie bei Folgeanträgen angewandt werden.

Der Gesetzentwurf greife viele Anregungen aus den Kommunen auf, sagte Kay Ruge vom Deutschen Landkreistag. So ist aus seiner Sicht die Regelung, wonach die Aufenthaltsgestattung erlischt, wenn ein Antragsteller seiner Verpflichtung in einer bestimmten Aufnahmeeinrichtung zu wohnen nicht nachkommt, "ein wirksames Instrument zur Durchsetzung der Residenzpflicht". Auch die Regelung, wonach lediglich lebensbedrohliche und schwerwiegende Erkrankungen ein Abschiebungshindernis darstellen, begrüßte Ruge. Zugleich sprach er sich dafür aus, die Liste der sicheren Herkunftsstaaten um die nordafrikanischen Staaten zu erweitern.

Ablehnung erfuhr der Gesetzentwurf durch den Deutschen Anwaltsverein. Dessen Vertreter Berthold Münch nannte die Vorlage integrationspolitisch verfehlt und in Teilen verfassungswidrig. Es sei auch keineswegs mit einer Beschleunigung der Verfahren zurechnen, befand er. Außerdem müsse der Beratungsanspruch bei den beschleunigten Verfahren gesetzlich festgeschrieben werden. Keine Zustimmung fand bei Münch auch die Aussetzung des Familiennachzugs. Der Schutz der Familie sei ein grundlegendes Verfassungsgut, so Münch.

Auch Petra Zwickert von der Diakonie Deutschland kritisierte die Regelungen zum Familiennachzug scharf. Zwar seien davon nur wenige betroffen, doch seien das diejenigen, die den meisten Schutz benötigten. Die geplante Kürzung der SGB II-Regelsätze nannte sie integrationspolitisch falsch und verfassungsrechtlich bedenklich. Die Kritik der Diakonie richtete sich auch in Richtung der "Beweislastumkehr" bei der Frage des Abschiebestopps aus gesundheitlichen Gründen. Die Annahme, Asylbewerber würden ihre Krankheit vortäuschen, um im Land bleiben zu können, sei falsch, sagte Zwickert.

Das Schnellverfahren sei eine Kann-Bestimmung, die die Einzelfallprüfung nicht ausschließe und daher "weniger dramatisch ist als viele denken", sagte Professor Daniel Thym von der Universität Konstanz. Was den Beratungsanspruch im beschleunigten Verfahren angeht, so vertrat er die Ansicht, dass es Beratungsangebote geben müsse, ein Anspruch darauf aber gesetzlich nicht festgeschrieben werden sollte.

Roland Bank von der UNHCR-Vertretung in Deutschland sprach sich hingegen für eine gesetzliche Verankerung der Informationspflichten aus. Derzeit seien die Asylbewerber oftmals ohne Kenntnisse über die Verfahren. Die Aussetzung des Familiennachzugs nannte Bank eine Gefahr für die Integration. Zudem sorge das dafür, dass sich Familienangehörige auf den oftmals gefährlichen Weg nach Deutschland machen würden.

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2. Bilanzprüfungsreform im Finanzwesen

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/PST) Zustimmung im Großen und Ganzen, doch Kritik im Detail gab es bei einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses zur Reform der Abschlussprüfung bei Unternehmen von öffentlichem Interesse. Dabei ging es um den Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/7219) zur Umsetzung von Rechtsvorschriften der Europäischen Union, mit denen fehlerhafte Jahresabschlussprüfungen insbesondere bei Banken und Versicherungen vermieden werden sollen. Solche Fahler waren in der Finanzkrise zutage getreten.

Bei einzelnen Bestimmungen des Gesetzentwurf gab es unter den Sachverständigen Zweifel, ob damit tatsächlich das Ziel erreicht werden kann, zu verlässlicheren Bilanzen zu kommen. Zu den umstrittenen Regelungen gehörte, dass die Abschlussprüfer häufiger als bei anderen Unternehmen gewechselt werden müssen, nämlich nach spätestens zehn Jahren. Was dem Schutz vor unrichtigen Angaben dienen soll, kann nach Einschätzung mancher Gutachter auch das Gegenteil bewirken. Joachim Hennrichs, der an der Uni Köln Bilanz- und Steuerrecht unterrichtet, wies darauf hin, dass die Prüfung von Kreditinstituten und Versicherern besonders viel Sachwissen und Erfahrung voraussetze. Jeder Prüferwechsel beeinträchtige daher die Qualität der Prüfung.

Der Würzburger Professor für Wirtschaftsprüfungs- und Beratungswesen Hansrudi Lenz wies darauf hin, dass der Markt für die Prüfung von Banken und Versicherungen von zwei bis vier Großunternehmen dominiert werde. So wie bei manchen Banken "too big to fail" gelte, gebe es hier "too big to regulate". Der vorgesehene Wechsel nach maximal zehn Jahren werde hier nur zu einer Rotation untereinander führen, nicht zu den von der EU-Kommission angestrebten besseren Chancen für kleinere Wirtschaftsprüfungsunternehmen. Diesem Ziel würde es nach Ansicht von Lenz eher dienen, wenn Gemeinschaftsprüfungen durch zwei Unternehmen vorgeschrieben würden, sogenannte "joint audits".

Der Vorstandssprecher des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland, Klaus-Peter Naumann, verlangte zumindest für in einen anderen Konzern eingebundene Finanzinstitute, beispielsweise Banken von Autoherstellern, eine Ausnahme von der Zehn-Jahres-Grenze. Andernfalls könne dies zu Schwierigkeiten bei der Bilanzierung des Gesamtkonzerns führen. Andere Sachverständige lehnten allerdings eine solche Sonderregelung ab, da Autobanken in vielen Geschäftsfeldern in direkter Konkurrenz zu anderen Banken stünden.

Hans-Jürgen Säglitz vom Gesamtverband der Deutschen Versichtungswirtschaft wies darauf hin, dass die Branche keineswegs von Großkonzernen geprägt sei. Die große Mehrheit seien kleinere und mittelgroße Gesellschaften. Diese könnten durch die Rotationspflicht in Schwierigkeiten kommen. Die Mindestforderung von Säglitz war, Versicherungen eine längere Frist einzuräumen, bevor sie erstmals den Abschlussprüfer wechseln, damit sie sich darauf vorbereiten könnten.

Dagegen warnte der Duisburger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater Richard Wittsiepe davor, den erzwungenen Prüferwechsel wieder aufzuweichen. Der Gesetzentwurf sei durchaus geeignet, den Trend umzukehren, dass sich immer mehr Wirtschaftsprüfer in Deutschland aus dem Abschlussprüfungsgeschäft zurückziehen. Diese Marktkonzentration sei ein Risiko für den Kapitalmarkt. Gewöhnlich führe ein Wechsel des Prüfers in der Regel sogar zu einer Kostenentlastung für das Unternehmen.

Der emeritierte Heidelberger Wirtschaftsjurist Peter Hommelhoff setzte sich kritisch mit einer Bestimmung zur Berichtspflicht auseinander. Bei größeren Unternehmen muss der Prüfungsausschuss den Aufsichtsrat über die Arbeit der Abschlussprüfer unterrichten. Bei kleineren Unternehmen nehme allerdings meist der Aufsichtsrat selbst die Aufgabe des Prüfungsausschusses wahr, sagte Hommelhoff. Für diesen Fall sieht der Gesetzentwurf eine Berichtspflicht des Aufsichtsrats gegenüber der Hauptversammlung vor. Dagegen wandte Hommelhoff ein, dass die Hauptversammlung weder die Aufgabe noch die Hilfsmittel habe, hier eine Überwachungsfunktion wahrzunehmen.

Diese Zweifel an der vorgesehenen Rolle der Hauptversammlung teilte der Stuttgarter Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer Matthias Schüppen. Er schlug stattdessen für Unternehmen ohne Prüfungsausschuss ein Letztentscheidung der Hauptversammlung bei der Auswahl des Wirtschaftsprüfers vor. Dazu solle sie die Wahl zwischen zwei Kandidaten bekommen.

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3. Änderung von Statistikgesetzen

Inneres/Gesetzentwurf

Berlin: (hib/STO) Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf "zur Änderung des Bundesstatistikgesetzes und anderer Statistikgesetze" (18/7561) vorgelegt, der am Donnerstag erstmals auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Wie die Regierung in der Vorlage ausführt, zielt ein Schwerpunkt der Novellierung des Bundesstatistikgesetzes auf eine weitere Entlastung von Wirtschaft und Privatpersonen. Ihr Auskunftsaufwand für statistische Erhebungen solle künftig möglichst gering gehalten werden. Stattdessen sollten vorrangig und vermehrt geeignete Daten, die bei Stellen der öffentlichen Verwaltung bereits vorliegen, bei der Statistikerstellung verwendet werden. "Ganz im Sinne einer belastungsreduzierenden Gewinnung von statistischen Informationen" werde künftig außerdem die Verknüpfung von wirtschaftsstatistischen Daten mit entsprechenden Daten aus Statistiken der Deutschen Bundesbank ermöglicht.

Ferner soll den Angaben zufolge unter anderem mit der Schaffung einer Rechtsgrundlage für ein Anschriftenregister, in dem die wesentlichen Anschriftenmerkmale gespeichert werden, die Aufgabenerfüllung des Statistischen Bundesamtes erleichtert werden, das gesetzlich mit der Aufgabe der Stichprobenplanung und deren methodischer Weiterentwicklung betraut ist..

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4. Grüne fragen anch Zwangsverheiratungen

Inneres/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/STO) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen möchte wissen, welche Erkenntnisse die Bundesregierung "über das Ausmaß von Zwangsverheiratungen und über das Ausmaß des diesbezüglichen Dunkelfeldes in Deutschland" hat. Ferner erkundigt sich die Fraktion in einer Kleinen Anfrage (18/7516) unter anderem danach, welche Erkenntnisse die Bundesregierung darüber hat, "wie häufig in Deutschland lebende Schülerinnen gegen ihren Willen aus den Ferien gar nicht oder als verheiratete Frauen zurückkehren".

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5. Prozesse um NS-Entschädigung in Italien

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AHE) Die Entschädigung für NS-Opfer in Italien steht im Mittelpunkt einer Kleinen Anfrage der Fraktion Die Linke (18/7597). Die Bundesregierung soll unter anderem Angaben machen, welche juristischen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Entschädigungsforderungen derzeit vor italienischen Gerichten gegen Deutschland anhängig sind und ob es zuträfe, dass in Italien nach wie vor Prozesse bezüglich Vollstreckungsmaßnahmen wie Zwangsvollstreckung, Hypotheken, Beschlagnahmungen gegen deutsches Staatseigentum anhängig seien oder durchgeführt würden. Die Abgeordneten wiesen darauf hin, dass das italienische Verfassungsgericht in einer Entscheidung NS-Opfern die Möglichkeit wiedereröffnet habe, Entschädigungsklagen gegen Deutschland zu führen. Ein Gesetz, das Deutschland vor solchen Klagen schützen sollte und italienischen Gerichten die Zuständigkeit für diese entzogen habe, sei demnach für verfassungswidrig erklärt worden.

"Das Urteil des italienischen Verfassungsgerichtshofes ist auch für die Opfer des SS-Massakers vom 10. Juni 1944 im griechischen Distomo relevant", heißt es in der Vorbemerkung der Kleinen Anfrage. Diese hätten seit 1997 ein rechtskräftiges Urteil aus Griechenland, das ihnen eine Entschädigung in Höhe von rund 28 Millionen Euro zusprechen würde. Bis zur Entscheidung des IGH hätten sie in Italien ebenfalls erfolgreich Vollstreckungsverfahren geführt.

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6. Eskalation in Israel und Palästina

Auswärtiges/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/AHE) Die aktuelle Situation in Israel und Palästina thematisiert die Fraktion Die Linke in einer Kleinen Anfrage (18/7576). Die Abgeordneten fragen unter anderem nach den Erkenntnissen der Bundesregierung zu den "Ursachen des jüngsten Aufstandes palästinensischer Jugendlicher", zur Stimmungslage der palästinensischen Bevölkerung in Bezug auf den Friedensprozess und die Perspektiven ihrer Eigenstaatlichkeit sowie auf "eine mögliche Verschiebung des Status quo auf dem Tempelberg/Haram ash-Sharif durch die israelische Seite".

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 105 - 22. Februar 2016 - 16.59 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Februar 2016

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