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BUNDESTAG/5761: Heute im Bundestag Nr. 275 - 11.05.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 275
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 11. Mai 2016, Redaktionsschluss: 14.52 Uhr

1. Längere Frist für die Steuererklärung
2. Grüne für strikte Kontrolle der KBV
3. Kritik am Abkommen mit Niederlanden
4. Linke fordert rein zivile Katastrophenhilfe


1. Längere Frist für die Steuererklärung

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Das Besteuerungsverfahren in Deutschland wird modernisiert und soll in Zukunft weitgehend ohne schriftliche Belege auskommen. Der Finanzausschuss stimmte in seiner Sitzung am Mittwoch dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Besteuerungsverfahren (18/7457) zu, nachdem die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD zuvor 24 Änderungen an dem Entwurf vorgenommen hatten. Für den Gesetzentwurf stimmten die Koalitionsfraktionen, während sich die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen der Stimme enthielten. Wichtigste Änderungen sind, dass Bürger, die ihre Steuererklärung mit erheblicher Verspätung einreichen, einen Verspätungszuschlag zahlen sollen. Mit den Änderungsanträgen wurde aber die ursprünglich vorgesehene Höhe des Säumniszuschlags von 50 auf 25 Euro pro Monat verringert, und die Festsetzung des Versäumniszuschlags erfolgt nicht mehr in jedem Fall automatisch, wie das ursprünglich geplant war. Außerdem wird die Frist zur Abgabe der Steuererklärung (ohne Mitwirkung eines Steuerberaters) von Ende Mai auf Ende Juli des Folgejahres verlängert. Zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung sollen Steuererklärungen soweit möglich automatisiert bearbeitet werden.

Die CDU/CSU-Fraktion erklärte, es handele sich um die größte Reform der Abgabenordnung seit 1970. Das Steuer- und Abgabenrecht werde an das digitale Zeitalter angepasst. Die Fraktion würdigte, dass mit der Wirtschaftlichkeit und der Zweckmäßigkeit zwei neue Grundsätze eingeführt würden, die auch mit der Verfassung in Einklang stehen und die bisherigen Grundsätze ergänzen würden. In der öffentlichen Anhörung zu dem Gesetz hatten mehrere Sachverständige Probleme darin gesehen, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu den bisherigen Grundsätzen der Gleichmäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit der Besteuerung hinzuzufügen. Der Vertreter der Bundesregierung erklärte in der Sitzung, dass die Regierung kein verfassungsrechtliches Problem sehe.

Die SPD-Fraktion begrüßte, dass die Regelung der Verspätungszuschläge verbessert worden und die Zuschlagshöhe gesenkt worden sei. Es gebe außerdem Spielräume bei der Festsetzung der Zuschläge. Als Beispiel wurde der Fall eines Rentners angeführt, dem mehrere Jahre nicht klar gewesen sei, dass er eine Steuererklärung hätte abgeben müssen und dem nach der ursprünglichen Formulierung Verspätungszuschläge in erheblicher Höhe gedroht hätten. Jetzt habe die Finanzverwaltung einen Ermessensspielraum.

Die Linksfraktion bezeichnete den Verspätungszuschlag als immer noch zu hoch und äußerte erhebliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes. Die Einführung des Begriffs der Wirtschaftlichkeit bedeute einen Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Für die vorgesehene automatisierte Prüfung der Steuererklärungen reiche es nicht, die Erklärungen in "hinreichendem" Umfang manuell zu prüfen, sondern es müsse eine feste Quote vorgegeben werden, etwa 25 Prozent. Sonst würden Steuerausfälle drohen, weil Fehler nicht mehr auffallen würden. Ähnlich kritisch äußerte sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen: "Mit der Verfassung kann man nicht spaßen", warnte die Fraktion. Auf die Begriffe der Wirtschaftlichkeit und Effizienz könne im Gesetzestext verzichtet werden.

Zu der kritisierten automatisierten Bearbeitung von Steuererklärungen schreibt die Bundesregierung in der Begründung des Entwurfs, damit könnten personelle Ressourcen auf die wirklich prüfungsbedürftigen Fälle konzentriert werden. Es werde Risikomanagementsysteme geben. Durch die vollautomatische Fallbearbeitung auf der Basis eines Risikomanagementsystems werde neben der herkömmlichen Bearbeitung einer Steuererklärung durch Amtsträger ein zweites gesetzlich geregeltes Leitbild der Steuerfestsetzung geschaffen, nämlich das einer "ausschließlich automationsgestützten Bearbeitung mit einem ausschließlich automationsgestützt erlassenen oder korrigierten Steuerbescheid als Ergebnis".

Die heutige Pflicht zur Vorlage von Belegen beim Finanzamt soll weitgehend entfallen. Aus der Belegvorlagepflicht werde eine Belegvorhaltepflicht, heißt es im Gesetzentwurf. Die Steuerpflichtigen müssen allerdings damit rechnen, dass die von ihnen vorgehaltenen Belege von den Finanzbehörden angefordert werden können. Dies betrifft besonders Spendenquittungen. "Der Erhalt einer Zuwendungsbestätigung ist zwar nach wie vor Voraussetzung der steuerlichen Berücksichtigung der Zuwendung, die Zuwendungsbestätigung muss aber nicht mehr mit der Steuererklärung eingereicht werden", heißt es in dem Entwurf. Der Steuerpflichtige müsse die Bescheinigung erst auf Anforderung vorlegen. Mit Einwilligung des Steuerpflichtigen könne sogar ganz auf die Belegvorhaltepflicht verzichtet werden, wenn der Zuwendungsempfänger die erhaltene Zuwendung direkt an die Finanzverwaltung melde. Mit den Maßnahmen solle der Aufwand für die Erstellung der Steuererklärungen verringert, die Anwenderfreundlichkeit von ELSTER (Elektronische Steuererklärung) erhöht und die automationsgestützte Verarbeitung der Steuererklärung auf Seiten der Finanzverwaltung erleichtert werden. So sollen sich Steuerpflichtige ihren Steuerbescheid über das ELSTER-Portal herunterladen können.

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2. Grüne für strikte Kontrolle der KBV

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Im Zusammenhang mit den umstrittenen Geschäften der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) verlangt die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine bessere Kontrolle der Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. In einem Antrag (18/8394) der Fraktion heißt es, die Wertpapier- und Immobiliengeschäfte der KBV hätten zu erheblichen finanziellen Verlusten beziehungsweise Vermögensgefährdungen geführt.

Ursache dafür sei nicht nur, dass damalige KBV-Funktionäre die Kontrollstrukturen bewusst umgangen hätten, sondern auch unzureichende gesetzliche Vorgaben. Daher müssten die gesetzlichen Vorgaben und aufsichtsrechtlichen Kontrollen so gestaltet werden, dass Verluste und Veruntreuungen künftig vermieden werden könnten.

Konkret fordern die Abgeordneten, die Möglichkeiten zur Gründung, Beteiligung und Übernahme von privatrechtlichen Unternehmen für Selbstverwaltungskörperschaften des Gesundheitswesens einzuschränken. Diese Körperschaften auf Bundesebene müssten zudem dazu verpflichtet werden, ihre Haushaltspläne und Jahresrechnungen zu veröffentlichen und die Haushaltspläne der Aufsichtsbehörde vorab zur Prüfung vorzulegen. Weiter sollten die Selbstverwaltungskörperschaften dazu verpflichtet werden, eine Innenrevision einzurichten.

Die nach Paragraf 274 SGB V vorgeschriebenen Prüfungen der Geschäfts-, Rechnungs- und Betriebsführung beim Spitzenverband Bund der Krankenkassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen müssten künftig fristgerecht stattfinden. Eine Ombudsstelle solle eingerichtet werden, bei der die rechts- oder zweckwidrige Verwendung von Finanzmitteln gemeldet werden könne. Im Fall der KBV sollte gegen alle in Frage kommenden Beteiligten Strafanzeige erstattet werden. Dem Bundestag müsse schließlich bis Ende des Jahres 2016 ein schriftlicher Bericht über die Aufarbeitung sämtlicher Vorkommnisse im Zusammenhang mit der KBV vorgelegt werden.

Die KBV, die 2004 von Köln nach Berlin umzog, hatte vom Bundesgesundheitsministerium keine Genehmigung zum Bau einer Repräsentanz in der Hauptstadt bekommen. Die KBV ging daraufhin eine Kooperation mit der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank) ein, die im Auftrag der Ärzteorganisation das Bürogebäude errichten sollte, um es dann an die KBV zu vermieten. Dazu gründete die Bank die APO KG.

Später folgten in direkter Nachbarschaft weitere Bauten für den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) und ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ). Die APO KG geriet dadurch in finanzielle Schieflage. 2010 übernahm die KBV die überschuldete APO KG fast komplett, ohne die nötige Zustimmung des Bundesgesundheitsministeriums als Aufsichtsbehörde. Die KBV gewährte der Gesellschaft Mieterdarlehen in Höhe von derzeit 57,3 Millionen Euro. Die KBV hat in der Vergangenheit außerdem mit Wertpapiergeschäften erhebliche Verluste gemacht.

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3. Kritik am Abkommen mit Niederlanden

Finanzen/Ausschuss

Berlin: (hib/HLE) Die Vorlage eines neuen Doppelbesteuerungsabkommens mit den Niederlanden durch die Bundesregierung ist am Mittwoch im Finanzausschuss auf Unverständnis bei der Opposition gestoßen. Die Niederlande seien in einigen Bereichen eine Steueroase, kritisierte ein Sprecher der Fraktion Die Linke unter Hinweis auf die in dem Königreich geltenden großzügigen Steuerregelungen für internationale Konzerne wie Google. Vor diesem Hintergrund sei es unverständlich, jetzt ein Doppelbesteuerungsabkommen vorzulegen. Auch die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen warf der Bundesregierung vor, eine Chance zur Regelung dieser Steuerfragen vertan zu haben. Die SPD-Fraktion erkundigte sich nach den für die Unternehmen günstigen Steuersätze für Lizenzen (sogenannte Patentboxen) in den Niederlanden. Die Bundesregierung erklärte dazu, auf EU-Ebene werde an einer Regelung für die Besteuerung von Lizenzen gearbeitet. Die Unionsfraktion erklärte, das Abkommen betreffe nur kleinere Änderungen des bisherigen Doppelbesteuerungsabkommens.

Der Ausschuss stimmte schließlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD für den Entwurf eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 11. Januar 2016 zur Änderung des Abkommens vom 12. April 2012 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen (18/8208). Neu geregelt wird darin das Besteuerungsrecht für Vergütungen des Personals an Bord von Schiffen und Flugzeugen, das bisher dem Vertragsstaat zustand, in dem das Bordpersonal ansässig ist. In Zukunft können Vergütungen des Bordpersonals auch in dem Land besteuert werden, in dem sich die Geschäftsleitung des Unternehmens befindet, das das Schiff oder Flugzeug betreibt. Die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme.

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4. Linke fordert rein zivile Katastrophenhilfe

Menschenrechte/Antrag

Berlin: (hib/AHE) Die Fraktion Die Linke setzt sich für die Schaffung eines "Willy-Brandt-Korps für internationale Katastrophenhilfe" ein. Die Bundesregierung greife bei großen Katastrophen immer wieder auf eine Zusammenarbeit mit der Bundeswehr zurück, schreiben die Abgeordneten in einem Antrag (18/8390), der am morgigen Donnerstag auf der Tagesordnung des Bundestagsplenums steht. Die Bundeswehr habe aber explizit keinen humanitären Auftrag. "Sie verfügt zwar über große materielle und personelle Ressourcen und hält diese auf Abruf bereit, ist aber auf das Führen von Kriegen spezialisiert, nicht auf Katastrophenhilfe." Viele Staaten hätten zudem berechtigte Bedenken, ausländisches Militär in ihrem Land operieren zu lassen.

Die Fraktion fordert die Bundesregierung auf, "die internationale Verantwortung Deutschlands ausschließlich mit zivilen Mitteln wahrzunehmen". Im Sinne einer "strikten Trennung von humanitären und militärischen Instrumenten" sei dafür eine Kooperationsgesellschaft aus zivilgesellschaftlichen und öffentlichen Organisationen mit dem Namen "Willy-Brandt-Korps für internationale Katastrophenhilfe" zu schaffen. Aufgabe der Organisation solle der Aufbau und Unterhalt eines humanitären Fachkräftepools und eines Logistikzentrums sowie technischer Hilfsmittel sein, dabei sollen auch Transportflugzeuge und -hubschrauber sowie Schiffe, mobile Brücken und Krankenhäuser, Geländefahrzeuge und Lastwagen, schweres Räumgerät, mobile Unterkünfte sowie alle weiteren benötigten technischen Hilfsmittel aus dem Bestand der Bundeswehr umgerüstet werden.

Darüber hinaus machen sich die Abgeordneten dafür stark, die deutschen Beiträge für eine Reihe von UN-Hilfswerken (UNHCR, WFP, UNICEF, UNDP sowie UNRWA) im Haushalt 2017 um insgesamt 600 Millionen Euro und die Mittel für Übergangshilfe, humanitäre Hilfe und die Sonderinitiative Fluchtursachen um insgesamt eine Milliarde Euro zu erhöhen. Beim anstehenden humanitären Weltgipfel in Istanbul soll sich die Bundesregierung Ende Mai außerdem dafür stark machen, dass alle Geberländer ihren Grundbeitrag für die UN-Hilfswerke erhöhen und ihre freiwilligen Beiträge dem humanitären Bedarf anpassen.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 275 - 11. Mai 2016 - 14.52 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Mai 2016

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