Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/5870: Heute im Bundestag Nr. 384 - 22.06.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 384
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 22. Juni 2016, Redaktionsschluss: 13.51 Uhr

1. Hartz-IV-Novelle in geänderter Fassung
2. Streit über Parität in der GKV geht weiter
3. Förderung von Forschungsinfrastrukturen


1. Hartz-IV-Novelle in geänderter Fassung

Arbeit und Soziales/Ausschuss

Berlin: (hib/CHE) Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat am Mittwochvormittag den Gesetzentwurf (18/8041) der Bundesregierung zu Rechtsvereinfachungen im Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Hartz IV) mit den Stimmen der Unionsfraktion und der SPD-Fraktion in geänderter Fassung angenommen. Deutliche Kritik kam von den Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen. Beide hatten eigene Anträge (18/8076; 18/8077) für Änderungen im System der Grundsicherung eingebracht, die jedoch von den Koalitionsfraktionen abgelehnt wurden.

Mit dem Gesetzentwurf sollen zahlreiche Regelungen des SGB II vereinfacht und neu strukturiert werden. Die Neuregelungen betreffen unter anderem Fragen der Einkommensanrechnung, der Berechnung der Kosten für Unterkunft und Heizung und die Beratung der Leistungsberechtigten. Zurückgenommen wurden Änderungen für Alleinerziehende, die Leistungen nach dem SGB II erhalten. Hier war ursprünglich vorgesehen, dass der Regelsatz des minderjährigen Kindes, das sich wechselweise in beiden Haushalten der getrennt lebenden Eltern aufhält, entsprechend der Anwesenheitstage im jeweiligen Haushalt aufgeteilt wird. Neu aufgenommen wurde eine Regelung bei der Zwangsverrentung von Hartz-IV-Beziehern. Es soll nun doch keine Sanktionen geben, wenn Betroffene keine Unterlagen vorlegen, die für die zwangsweise Frühverrentung nötig sind. Für alle anderen gilt jedoch, dass Leistungen entzogen werden können, wenn die Pflicht zur Vorlage von Unterlagen nicht erfüllt wurde. Geändert wurde der Entwurf auch bezogen auf die Arbeitsgelegenheiten (Ein-Euro-Jobs). Bisher dürfen diese innerhalb von fünf Jahren nicht länger als 24 Monate zugewiesen werden. Künftig wird die Förderdauer auf 36 Monate verlängert.

Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen kritisierten die Pläne scharf. Diese seien keine Vereinfachung, sondern eine Verschärfung für die Betroffenen und würden auch die Jobcenter nicht von Bürokratie entlasten. Insbesondere bei der sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft, also der Frage der alleinerziehenden Eltern im SGB-II-Bezug, forderten Grüne und Linke eine Lösung. Die SPD-Fraktion betonte daraufhin, dass die Koalition an einem "Umgangsmehrbedarf" für Kinder arbeitet, dafür aber noch Zeit brauche. Die Unionsfraktion verwies auf dadurch bedingte Kostensteigerungen von 60 bis 100 Millionen Euro.

*

2. Streit über Parität in der GKV geht weiter

Gesundheit/Ausschuss

Berlin: (hib/PK) Mit den Stimmen von Union und SPD hat der Gesundheitsausschuss zwei Anträge der Opposition zur Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der Beiträge in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) abgelehnt. Die Fraktionen von Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen verlangen in ihren Anträgen die Rückkehr zur hälftigen Beitragszahlung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie perspektivisch die Einführung einer Bürgerversicherung.

Mit dem "Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und der Qualität in der gesetzlichen Krankenversicherung" war mit Jahresbeginn 2015 ein neues System eingeführt worden. Demnach wird unterschieden in einen allgemeinen festen Beitragssatz, der bei 14,6 Prozent liegt und jeweils zur Hälfte (7,3 Prozent) von Arbeitnehmern und Arbeitgebern getragen wird.

Ergänzt wird dies durch einen kassenindividuellen Zusatzbeitrag in variabler Höhe, der ausschließlich von der Arbeitnehmerseite zu zahlen ist. Mit der Festschreibung des Arbeitgeberbeitrags auf 7,3 Prozent sollen die Lohnzusatzkosten gedeckelt werden. Inzwischen liegen die Zusatzbeiträge der Krankenkassen im Schnitt bei 1,1 Prozent.

Die Linke schreibt in ihrem Antrag (18/7237), Millionen Versicherte müssten 2016 mehr Geld für ihre Krankenversicherung ausgeben. Über den Zusatzbeitrag würden die Arbeitnehmer in diesem Jahr um mehr als 14 Milliarden Euro höher belastet als die Arbeitgeber.

Im Antrag der Grünen (18/7241) heißt es, die durchschnittliche Beitragsbelastung in der GKV sei 2016 so hoch wie nie zuvor in der Geschichte, trotz guter Konjunktur und Arbeitsmarktlage. Mit der paritätischen Finanzierung wäre auch der Anreiz für die Arbeitgeberseite, auf eine effizientere und wirtschaftlichere Versorgung hinzuwirken, wieder gestärkt.

Die SPD-Fraktion machte im Ausschuss deutlich, dass auch die Sozialdemokraten für die Rückkehr zur Parität bei den Zusatzbeiträgen sind und sich damit von ihrem Koalitionspartner Union deutlich unterscheiden. Mit der paritätischen Finanzierung wäre ein Schritt getan in Richtung der angestrebten Bürgerversicherung. Solidarische Ansprüche müssten paritätisch finanziert werden. Die Zusatzbeiträge sollten perspektivisch abgeschafft werden. Die SPD wolle bei der Union nun Überzeugungsarbeit leisten.

Die Linke wies im Ausschuss darauf hin, dass es damit im Bundestag die nötige Mehrheit für eine solche Änderung der Finanzierungsgrundlagen in der GKV gäbe. Darauf spielte auch die Grünen-Fraktion an, die in ihrem Antrag eine Brückenfunktion sieht. Nach Ansicht der Unionsfraktion stehen die Anträge der Opposition hingegen nicht für die richtige Antwort auf künftige Herausforderungen. Die Bürgerversicherung sei im Übrigen viel zu bürokratisch.

*

3. Förderung von Forschungsinfrastrukturen

Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung/Anhörung

Berlin: (hib/ROL) Experten begrüßen das Anliegen der Bundesregierung mit einem nationalen Roadmap-Prozess Forschungsinfrastrukturen weiter auszubauen. Das zeigte ein Öffentliches Fachgespräch des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung am Mittwochvormittag. Die Roadmap soll laut Bundesregierung der Vorbereitung und forschungspolitischen Priorisierung von zukünftigen und langfristigen Investitionen in nationale und internationale wissenschaftliche Infrastrukturen mit deutscher Beteiligung dienen.

Die Aufgaben von Forschungsinfrastrukturen fasste Rolf-Dieter Heuer von Deutschen Physikalischen Gesellschaft folgendermaßen zusammen: Es soll Forschung auf höchstem internationalen Niveau betrieben und Technologieentwicklung vorangetrieben werden, zudem sollen Wissenschaftler und Fachleute ausgebildet werden. Heuer betonte den Zusammenhang zwischen Forschung und Innovation, den er als einen nutzbringenden Kreislauf ("virtuous circle") bezeichnete: Grundlagenforschung treibe Innovation voran, diese wiederum die angewandte Forschung, diese fördere Innovation und Industrieanwendungen und diese wiederum Grundlagenforschung.

Manfred Prenzel vom Wissenschaftsrat betonte, dass das Roadmap-Verfahren auf Grundlage einer wissenschaftlichen Bewertung darauf abziele, Fehlinvestitionen zu minimieren, aus wissenschaftlicher Sicht den Ressourceneinsatz mit Blick auf ein leistungsstarkes Wissenschaftssystem zu optimieren und sich international zu positionieren. Für das Roadmap-Verfahren forderte er unter anderem einen transparenten Verfahrensablauf. Mindestens mit der Ausschreibung einer Phase sollte bereits der Zeitpunkt der nächsten angekündigt sein.

Gute Forschungsinfrastrukturen seien das Rückgrat für jedes moderne Hightech-Land, betonte Helmut Dosch vom Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY), einem Forschungszentrum der Helmholtz-Gemeinschaft. Es sei wichtig, die Grenzen des technisch Machbaren stets zu verschieben. Grundlagenforschung sei dafür unabdingbar, nur so könnten neues Wissen und Denkanstöße geschaffen werden.

Auch Dorothee Dzwonnek von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) betonte, dass die Forschungsinfrastrukturen eine Schlüsselfrage seien, um eine neue Forschungsarchitektur zu entwerfen. Sie forderte unter anderem, dass Forschungsinfrastrukturen ein anerkanntes wissenschaftliches und technologisches Angebot bieten müssten und der Zugang über einen transparenten Auswahlprozess auf der Basis von wissenschaftlicher Qualität und Machbarkeit des Projekts geregelt werden sollte.

Bund und Länder sollten gemeinsamen Wege finden, um vermehrt wissenschaftliche Infrastrukturen an Hochschulen oder in eine gemeinsamer Trägerschaft von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen anzusiedeln, betonte Wilfried Juling (Kommission für die Zukunft der Digitalen Information in Lehre und Forschung der Hochschulrektorenkonferenz ). Gleichzeitig bemängelte er, dass der Ausschluss der Übernahme von Betriebskosten, insbesondere Personalkosten, aus den Förderbedingungen, die Antragstellung von Hochschulen gegenüber den außeruniversitären Forschungseinrichtungen benachteilige, da letztere häufig über eine Personalstamm an Infrastrukturexperten verfügen würden, die für neue Projekte eingesetzt werden könnten.

Mit Großgeräten betreibe man Agenda-Setting, sagte Professor Karin Lochte vom Alfred-Wegener-Institut, dem Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung. Deshalb müsse man sich vorher darüber im Klaren sein, ob das Thema wirklich eine große langanhaltende gesellschaftliche und wissenschaftliche Relevanz und Perspektive habe, schließlich seien große Personal- und Finanzmittel an solch ein Projekt gebunden. Zudem betonte sie die europäische Dimension der Roadmap und sagte: "Großgeräte müssen international sein, der Zugang zu ihnen muss gewährleistet sein und nicht alle Großgeräte müssen in Deutschland stehen."

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 384 - 22. Juni 2016 - 13.51 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang