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BUNDESTAG/5903: Heute im Bundestag Nr. 417 - 06.07.2016


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 417
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Mittwoch, 06. Juli 2016, Redaktionsschluss: 14.38 Uhr

1. Umweltaspekte des CETA-Abkommens
2. Zwei Prozent Wachstum beim Handwerk
3. Etat 2017: Wieder keine neuen Schulden
4. Mehr Wettbewerb bei der Bahn
5. Antrag zu Wertstoffgesetz gescheitert
6. GAK-Gesetz im Fokus


1. Umweltaspekte des CETA-Abkommens

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Umweltaspekte des Freihandelsabkommens CETA standen am Mittwochmittag im Mittelpunkt eines öffentlichen Fachgespräches im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit. Als Sachverständige geladen waren Christian Tietje, Rechtswissenschaftler von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Thilo Bode (Foodwatch e.V.), Jürgen Maier (Forum Umwelt und Entwicklung) und Christoph Then (Testbiotech e.V.). Während Bode, Maier und Then das Abkommen zwischen Kanada und der Europäischen Union kritisierten, äußerte sich Tietje weniger skeptisch. Es handle sich um ein "ausgewogenes System von Rechtsregeln", das einerseits Protektionismus verhindere, andererseits auch klare Regelungen zu Umweltschutzvorschriften beinhalte, sagte der Rechtswissenschaftler.

Bode hingegen sagte, dass CETA der Umwelt nicht nutzen werde. Es handle sich um einen Handelsvertrag der "neuen Generation", bei dem es nicht mehr um die Verringerung von Zöllen und Subventionen gehe, sondern um den Abbau nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Dazu gehörten auch Umweltstandards, deren "Beseitigung" in internationalen Handelsverträgen angestrebt werde. Er gehe zwar nicht davon aus, dass durch CETA Umweltstandards unmittelbar abgesenkt würden. Weitere aus seiner Sicht notwendige Verbesserungen von Standards im Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzbereich würden aber durch das Abkommen "erheblich erschwert", kritisierte Bode. Das Vorsorgeprinzip, das ein "elementares Regulierungsprinzip der EU" und im Primärrecht verankert sei, werde bei CETA zudem "nicht hinreichend garantiert". Es fehle Rechtssicherheit, sagte Bode.

Maier konzentrierte sich in seinen Ausführungen vor allem auf die möglichen Auswirkungen des Abkommens auf die Landwirtschaft. CETA gehe in die "vollkommen falsche Richtung", da es zu einer Stärkung der industrialisierten, weltmarktorientierten Landwirtschaft führen werde. Dies entspräche nicht den Vorstellungen der Verbraucher, die vielmehr eine regionale, bäuerliche Landwirtschaft bevorzugten. Konkret warnte Maier davor, dass durch CETA einerseits der europäische Rindfleischmarkt "kaputt" gemacht würde, da er für Importe aus Kanada geöffnet werde, wo die Rinderzucht bereits industrialisiert sei. Anderseits seien negative Auswirkungen für den wesentlich regulierteren kanadischen Milchmarkt durch europäische Exporte zu erwarten. "Die Weltmarktorientierung führt in die Sackgasse", sagte Maier.

Then problematisierte CETA und das aktuell noch in Verhandlung stehende Abkommen TTIP in Hinblick auf Gentechnik. "Da kommen Dinge auf uns zu, die wir noch nicht gesehen haben", warnte Then. Es sei von einer "starken Einschränkung" des Vorsorgeprinzips auszugehen. Die Regulierungssysteme Nordamerikas und Europas seien "nicht kompatibel". So werde im Bereich gentechnisch veränderter Organismen in Kanada vieles nicht erfasst und es sei unklar, welche Eigenschaften die Organismen hätten. "Wenn man die Standards im Vorsorgeprinzip schützen will, kann man CETA nicht unterzeichnen", sagte Then.

Tietje verwies hingegen darauf, dass das Vorsorgeprinzip im Vertragstext explizit genannt werde. Ohnehin sei dieses auch in Europa keine "abschließende Rechtsregel", sondern eine "Leitmaxime", die in Abwägung einer konkreten Situation zu sehen sei. In Hinblick auf die in CETA vorgesehene Schiedsgerichtsbarkeit betonte Tietje, dass dabei gerade in Hinblick auf Umweltstandards und regulative Maßnahmen "große Fortschritte" erzielt worden seien. Es handle sich um eine "substantielle Fortentwicklung", sagte Tietje.

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2. Zwei Prozent Wachstum beim Handwerk

Wirtschaft und Energie/Ausschuss

Berlin: (hib/fla) Das Handwerk erwartet in diesem Jahr eine Umsatzsteigerung von "mindestens zwei Prozent". Das hat der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, am Mittwoch in einem Gespräch mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Energie erklärt. Der Start in dieses Jahr sei "so gut wie nie seit 1992" verlaufen - angesichts von niedrigen Zinsen, niedrigem Ölpreis und hoher Konsumbereitschaft. Allerdings könne "der Wind sehr schnell wieder von der anderen Seite wehen", sagte Wollseifer und verwies er auf ein "fragiles Umfeld".Der "Brexit" habe das Klima der Verunsicherung weiter verschärft. Das Handwerk sei allerdings davon "nicht so sehr unmittelbar" betroffen - gleichwohl mittelbar, weil die Betriebe größtenteils Zulieferer der Industrie seien.

Wollseifer versicherte den Abgeordneten, das Handwerk unternehme alle Anstrengungen, die Chancen der Digitalisierung zu vermitteln. Aus- und Weiterbildung seien dabei von "herausragender Bedeutung", meinte er mit Blick auf die eigenen rund 550 Bildungs- und Kompetenzzentren, die "immer auf dem neuesten Stand der Technik" gehalten würde. Er mahnte den Ausbau des Breitbandnetzes nicht nur in den Metropolen, sondern auch auf dem Land an. Die alten Kupfer-Anschlüsse "aufzupeppen", könne nur ein Zwischenschritt sein: "Wir brauchen kein Altmetall, sondern Glasfaser."

Als "Kardinalthema" stufte Wollseifer die Fachkräftesicherung an. Das Handwerk sehe sich "von zwei Seiten in der Zange". Einerseits die Demografie: 150.000 Schulabgänger weniger als noch vor zehn Jahren. Andererseits der Trend zum Studium: 58 Prozent der jungen Leute heute, 35 Prozent im Jahre 2006. Der Handwerkspräsident sprach von einer "massiven Fachkräftelücke". Zahlreiche Ausbildungsplätze hätten seit Jahren nicht besetzt werden können. Allerdings gebe es inzwischen "zumindest keine schwindenden Zahlen bei der Ausbildung".

Das Handwerk sei bemüht, seine Ausbildungsangebote "noch attraktiver" zu machen. Schließlich müssten in den kommenden zehn Jahren 200.000 Handwerksbetriebe übergeben oder andernfalls geschlossen werden. So warb Wollseifer für das in Österreich und der Schweiz erfolgreiche Modell des "Berufsabiturs" - einer Kombination von Gymnasium und Lehre mit dann zwei Abschlüssen. Damit verknüpft sei der Vorteil, dass erst vier Jahre später als jetzt die Entscheidung für den Berufsweg getroffen werden müsse.

Der Handwerkspräsident würdigte die Bemühungen der Politik um Bürokratieabbau. Freilich müsse dieser auch in die Tat umgesetzt werden. Er sprach als konkrete Maßnahme an, die Frist für die Aufbewahrung von Steuerunterlagen von zehn auf fünf Jahre zu verkürzen.

Schon beim Thema "Brexit" machte Wollseifer klar, dass in Brüssel nun "Prioritäten neu gesetzt" und "Strukturen überprüft" werden müssten. Insbesondere blicke er aber "mit Sorge" auf die Binnenmarktstrategie der EU. Er könne "nicht nachvollziehen", dass die EU bei ihren Reglementierungen einen hohen Qualifikationsstand "als Hemmnis im Visier" habe. Es könne nicht sein, "das deutsche Handwerk zu destabilisieren, um anderen auf dem deutschen Markt einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen", sagte Wollseifer. "Qualifikation kann doch kein Wettbewerbshindernis sein."

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3. Etat 2017: Wieder keine neuen Schulden

Haushalt/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Auch in den kommenden vier Jahren will der Bund keine neuen Schulden machen. Das geht aus dem Etatentwurf der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2017 und den Finanzplan des Bundes bis 2020 hervor, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) am Mittwochmittag im Haushaltsausschuss vorstellte. Das Bundeskabinett hatte die entsprechende Vorlage am Morgen verabschiedet.

Danach sollen die Ausgaben des Bundes nach 316,9 Milliarden Euro 2016 im kommenden Jahr auf 328,7 Milliarden Euro steigen. Für 2018 sind Ausgaben von 331,1 Milliarden Euro vorgesehen. Nach 343,3 Milliarden Euro im Jahr 2019 sollen die Ausgaben 2020 insgesamt 349,3 Milliarden Euro betragen. Neue Kredite sind in diesem Zeitraum nicht vorgesehen. Die Steuereinnahmen sollen von 288,1 Milliarden Euro in diesem Jahr auf 339,4 Milliarden Euro im Jahr 2020 ansteigen.

"Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bleiben günstig - trotz zahlreicher weltweiter Risiken, wie zum Beispiel den Brexit", betonte Schäuble. Eine solide Haushalts- und Finanzpolitik sei kein Selbstzweck, sondern eröffne vielmehr den Spielraum, um für die Zukunft gewappnet zu sein.

Ein Schwerpunkt der Finanzplanung sind laut Schäuble die Kosten, die für die Bewältigung der Zuwanderung und zur Bekämpfung der Fluchtursachen entstehen würden. Dafür seien im Regierungsentwurf 2017 knapp 19 Milliarden Euro eingeplant. Bis zum Jahr 2020 würden hierfür insgesamt rund 77,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.

Nach dem Entwurf werden für die innere Sicherheit im kommenden Jahr im Vergleich zu 2016 253,5 Millionen Euro mehr ausgegeben und knapp 2.000 neue Planstellen geschaffen. Der Verteidigungsetat soll um 1,7 Milliarden Euro auf rund 36,6 Milliarden Euro angehoben werden. Darüber hinaus will der Bund vermehrt in Bildung, Wissenschaft und Forschung, den sozialen Wohnungsbau und in die Verkehrsinfrastruktur investieren, betonte der Minister.

Die Sprecher der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD wiesen darauf hin, dass die "Schwarze Null" kein Selbstzweck sei. Es würde noch genügend in wichtige Politikfelder investiert. An vielen Stellen kann jedoch beobachtet werden, dass das Geld nicht entsprechend ausgegeben werden könne, da die Voraussetzungen zum Beispiel für den Neubau einer Straße fehlten.

Der Sprecher der Fraktion Die Linke kritisierte, dass auch mit diesem Haushalt die soziale Spaltung immer größer werde. Es werde nichts getan, um die Einnahmen zum Beispiel durch eine Reichensteuer zu erhöhen. Weiter kritisierte er den Aufwuchs im Verteidigungsetat.

Für den Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat die Regierung trotz einer guten Ausgangslage wenig erreicht. Außerdem setze der Etat zum Beispiel beim Verteidigungshaushalt falsche Prioritäten und es werde nichts getan, um Subventionen abzubauen.

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4. Mehr Wettbewerb bei der Bahn

Verkehr und digitale Infrastruktur/Ausschuss

Berlin: (hib/MIK) Bei den Eisenbahnen soll es mehr Wettbewerb geben. Einem entsprechenden Gesetzentwurf der Bundesregierung (18/8334) stimmte der Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur am Mittwochmorgen in geänderter Fassung zu. Dafür votierten die Abgeordneten der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD; die Oppositionsfraktionen Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen votierten dagegen.

Mit dem Gesetz soll die Richtlinie 2012/34/EU zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Regelungen betreffen die Struktur der Eisenbahn, den Zugang zu Eisenbahnanlagen und Serviceeinrichtungen und die Erhebung von Entgelten für den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Ebenfalls angepasst werden soll der Bereich der Genehmigungen für Eisenbahnverkehrsunternehmen, die wie bisher im Allgemeinen Eisenbahngesetz geregelt werden sollen.

Mit einem umfangreichen Antrag der Koalition wurden zahlreiche Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen. So wurden unter anderem Ausnahmeregelungen für kleinere Bahnen geschaffen.

Die Linke begründete ihre Ablehnung vor allem damit, dass der Wettbewerb in diesem Bereich auch nach dem neuen Gesetz nicht funktionieren werde. Für die Grünen ist eine schärfere Regulierung notwendig.

Über den Gesetzentwurf will der Bundestag am Donnerstag abschließend entscheiden.

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5. Antrag zu Wertstoffgesetz gescheitert

Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit/Ausschuss

Berlin: (hib/EB) Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ist am Mittwoch im Umweltausschuss mit einem Antrag (18/4648) gescheitert, in dem sie "ein ökologisches und Transparenz schaffendes Wertstoffgesetz" fordert. Die Linksfraktion stimmte der Initiative zu, die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD lehnten sie ab.

Die gegenwärtigen Recycling-Quoten für Wertstoffe lägen weit hinter dem technisch Machbaren zurück, begründete ein Grünen-Vertreter den Antrag seiner Fraktion. Auch fehle bislang ein Ansatz, der die Intransparenz in der Hausmüllentsorgung beende und organisatorische Klarheit und Rechtssicherheit für Kommunen schaffe. Eine zentrale Stelle, die für die Ausschreibung von Sortierung und Verwertung sowie die Gebührenfestschreibung zuständig sei, solle beim Staat angesiedelt sein, führte der Vertreter aus.

Ein Vertreter der Fraktion Die Linke sagte, dass der Antrag die Schwerpunkte richtig setze sowie ökologisch und ökonomisch sinnvolle Lösungsansätze aufzeige. Die Bundesregierung plane stattdessen, das bisherige duale System auf Kosten der Kommunen weiterzuführen, kritisierte er.

Die SPD-Fraktion lehnte den Antrag mit der Begründung ab, dass an vielen Stellen die konkrete Umsetzung nicht ausgeführt werde. In der Diskussion zeichneten sich aber Kompromisse ab, die ein Wertstoff- oder Verpackungsgesetz noch in der aktuellen Legislatur ermöglichen können. Ein neues Gesetz müsse im Vergaberecht mehr Klarheit schaffen, führten auch die Sozialdemokraten an.

Ein Vertreter Unions-Fraktion kritisierte, dass die vorgeschlagene Rekommunalisierung der Wertstoffentsorgung den Wettbewerb abschaffe und dadurch höhere Kosten für Verbraucher bedeute. Die zentrale Stelle, wie sie im Antrag vorgesehen sei, könne aufgrund der Aufgabenvielfalt zum "Bürokratiemonster" werden. Außerdem müsse geklärt werden, auf welcher rechtlichen Grundlage eine zentrale Stelle des Bundes Lizenzabgaben an Kommunen weitergeben könne.

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6. GAK-Gesetz im Fokus

Ernährung und Landwirtschaft/Anhörung

Berlin: (hib/EIS) Sachverständige begrüßen die geplante Ausweitung der Fördermöglichkeiten zur Entwicklung ländlicher Gebiete mithilfe der "Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" (GAK). Im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft stieß am Dienstag der Entwurf der Bundesregierung zur Änderung des GAK-Gesetzes (18/8578) in einer öffentlichen Anhörung weitgehend auf Wohlwollen der Experten. Die GAK ist das wichtigste nationale Förderinstrument für kleine Kommunen, die Land- und Forstwirtschaft sowie den Küstenschutz in Deutschland und stützt sich im Wesentlichen auf die Förderung durch die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe. Durch die GAK werden Agrarstruktur- und Infrastrukturmaßnahmen finanziert, die zusammen mit den Landesmitteln über ein Budget von mehr als einer Milliarde Euro pro Jahr verfügen. Perspektivisch sollen nun nicht mehr nur Landwirte allein von der Förderung profitieren, sondern die Menschen in den ländlichen Regionen insgesamt. Geplant ist, das GAK-Förderspektrum um Maßnahmen zur Unterstützung ländlicher Infrastruktur auszuweiten.

"Als einen Trippelschritt in die richtige Richtung", bezeichnete Hans-Günter Henneke vom Deutschen Landkreistag die geplante Gesetzesänderung. Er fügte aber hinzu, dass es für die Ausweitung der Förderung mehr Geld geben müsse, damit es nicht zu Verteilungskonflikten komme. "30 Millionen Euro mehr sind nicht viel", bemängelte Henneke. Ziel müsse es sein, dass den ländlichen Räumen in Deutschland Hilfe zur Selbsthilfe gegeben wird. Deshalb sollten alle Fördermaßnahmen auf die Aktivierung wirtschaftlicher Impulse setzen. Henneke warnte zugleich davor, Änderungen bei der Kompetenzverteilung in der bundesstaatlichen Ordnung vorzunehmen und in die kommunale Selbstverwaltung durch neue Bundeskompetenzen einzugreifen. Nach Ansicht von Udo Hemmerling vom Deutschen Bauernverband muss die Erweiterung der GAK auf die Schaffung von Arbeitsplätzen auf dem Land, höhere Wertschöpfung und den Erhalt von Infrastruktur abzielen. Hemmerling führte unter anderem den ländlichen Wegebau an, der durch frühere Generationen geschaffen wurde und nun erhalten werden müsse. "Dafür ist ein stabiles Budget notwendig." Erweiterungen der Förderaufgaben sollten deshalb nur über Aufstockungen finanziert werden und nicht auf Kosten ursprünglicher Maßnahmen erfolgen.

"Ein erster Schritt in die richtige Richtung" ist die Novelle für Dana Awe vom Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Dass der Maßnahmenkatalog um die umweltgerechte Landbewirtschaftung und Infrastrukturmaßnahmen erweitert werden soll sei "gut". Unter praktischen Gesichtspunkten würden mit der geplanten Änderung der GAK aber Fragen offen bleiben, denn die Vorgabe, die Förderung auf den demografischen Wandel oder abgelegene Gebiete zu begrenzen, werde zu Schwierigkeiten führen. Dafür müssten neue Kategorien geschaffen werden, die sich von der bereits geübten Praxis der Mittelbewilligung unterscheiden würden. Auch Frank Augsten vom Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft lobte die geplante Änderung, kritisierte aber die Bindung der Mittelausschüttung an zu viele Vorgaben. "Nur die Länder wissen am besten, wie man mit der GAK umgeht", denn die Voraussetzungen würden in den Bundesländern sehr unterschiedlich ausfallen. Timm Fuchs vom Deutschen Städte- und Gemeindebund betonte, dass durch Fördermaßnahmen Zukunft im ländlichen Raum geschaffen werden muss und Infrastruktur nicht nur erhalten werden sollte. Die Standortentwicklung müsse vorangetrieben werden zum Beispiel durch die Umnutzung von Bausubstanz oder durch den flächendeckenden Breitbandausbau, der Voraussetzung zur Unterstützung von Digitalisierungsprozessen in der Wirtschaft sei. Die GAK sollte deshalb nicht nur für die Daseinsvorsorge genutzt werden. Der Gesetzentwurf werde den Erwartungen nur gerecht, wenn nicht zu viel eingeschränkt wird. Was ein vom demografischen Wandel betroffenes Gebiet ist oder räumliche Abgelegenheit bedeutet, müsse deshalb klarer definiert werden.

"Der große Wurf gelingt nicht", monierte Claudia Neu von der Hochschule Niederrhein. Gut sei zwar, dass die Reform die nachhaltige ländliche Entwicklung zum Ziel habe. "Aber noch sind die ländlichen Räume in Deutschland den Herausforderungen nicht gewachsen", sagte Neu. Die territoriale Ungleichheit nehme zu, Metropolen und ländliche Regionen würden sich stetig auseinanderentwickeln. Die Förderung dürfe deshalb nicht nur unter der Perspektive der Agrarstrukturförderung erfolgen, denn die Aufgaben zur Bewältigung von Alter, Pflege, Digitalisierung und Migration kämen derzeit in den Förderkonzepten nicht vor. Neu forderte, dass Kooperationen gefördert und Entwicklungskonzepte erstellt werden müssen. Auch nach Ansicht von Peter Weingarten vom Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut würden Konzepte für die ländliche Entwicklung gebraucht. Voraussetzung einer erfolgreichen Förderung sei, auf die Kompetenzen der Kommunen zu setzen, die in die Lage versetzt werden müssen, solche Maßnahmen zu finanzieren. Maßnahmen, die auf Landes- oder Bundesebene sinnvoll sind, sollten entsprechend umgesetzt werden. Die "Förderung mit der Gießkanne" führe hingegen zu nichts, sagte Weingarten. Die knappen Fördermittel des Bundes sollten dort eingesetzt werden, wo diese notwendig sind. Eine räumliche Schwerpunktbildung sei notwendig, und es sollten Erfolgskontrollen eingeführt werden, um die Wirksamkeit der Fördermittelvergabe zu überprüfen

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 417 - 6. Juli 2016 - 14.38 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2016

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