Schattenblick → INFOPOOL → PARLAMENT → FAKTEN


BUNDESTAG/6421: Heute im Bundestag Nr. 173 - 20.03.2017


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 173
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Montag, 20. März 2017, Redaktionsschluss: 16.44 Uhr

1. Prüfrechte des Bundesrechnungshofes
2. Keine europarechtlichen Bedenken


1. Prüfrechte des Bundesrechnungshofes

Haushalt/Anhörung

Berlin: (hib/SCR) Der Haushaltsausschuss hat am Montagnachmittag in einer öffentlichen Anhörung unter anderem die geplante Erweiterung der Kontrollrechte des Bundesrechnungshofes thematisiert. Die Änderungen sind Teil zweier Gesetzespakete der Bundesregierung (18/11131, 18/11135) zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Der Bundesrechnungshof (BRH) soll demnach durch eine Änderung im Artikel 114 Grundgesetz sowie in den Paragraphen 91 und 93 Bundeshaushaltsordnung das Recht erhalten, bei sogenannten Mischfinanzierungstatbeständen "im Benehmen mit den jeweils zuständigen Landesrechnungshöfen Erhebungen bei den mit der Mittelbewirtschaftung beauftragten Dienststellen der Landesverwaltung durchzuführen".

Ein Vertreter des Bundesrechnungshofes bezeichnete die geplante Regelung als einen "Schritt in die richtige Richtung". Allerdings sei in der Norm der Kreis der "Erhebungsadressaten" zu begrenzt. Die entsprechende Formulierung ("Dienststellen") solle geändert werden, um sicherzustellen, dass der BRH auch tatsächlich etwa in Kommunen Erhebungen durchführen dürfe. Ansonsten drohten Rechtsstreitigkeiten. Auch Joachim Wieland (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer) und Michael Kloepfer (Präsident des Instituts für Gesetzgebung und Verfassung, Humboldt-Universität zu Berlin) sprachen sich im Grundsatz für eine klarstellende Formulierung der Erhebungsadressaten aus.

Kloepfer forderte zudem, den in der vorgeschlagenen Grundgesetznorm aufgeführten Begriff "Mischfinanzierungstatbestände" näher zu bestimmen. Es handle sich dabei um keinen Verfassungsbegriff. Denkbar sei eine - im Sinne des Stils der Verfassung unglückliche - Klammerlösung, die aber am genauesten wäre. Möglich wäre auch eine Neuformulierung ("bei der Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben und bei Finanzhilfen des Bundes an die Länder"), um den Begriff ganz zu vermeiden, wie Kloepfer in seiner Stellungnahme vorschlug.

Hanno Kube (Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) plädierte dafür, die Erhebungsrechte des BRH im Vergleich zur Entwurfsfassung noch auszuweiten. Denn diese Rechte stünden auch über Mischfinanzierungstatbestände hinaus auf "unsicherem verfassungsrechtlichen Fundament", schrieb Kube in seiner Stellungnahme. Damit ließe sich von Seiten des BRH auch eine Erhebung bei Vollfinanzierungen des Bundes "verfassungsrechtlich fundiert vornehmen".

Matthias Rossi (Lehrstuhl für Staats- und Verwaltungsrecht, Europarecht sowie Gesetzgebungslehre, Universität Augsburg) schrieb in seiner Stellungnahme, dass die geplante Ausweitung der Rechnungshofbefugnisse zwar verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien. "Sie illustrieren gleichwohl, welche weitreichenden Folgen Mischfinanzierungstatbestände für die Autonomie der Länder nach sich ziehen." Die Mischfinanzierung solle daher eine "streng begrenzte Ausnahme bleiben", schrieb Rossi.

*

2. Keine europarechtlichen Bedenken

Finanzen/Anhörung

Berlin: (hib/HLE) Professor Christian Hillgruber (Universität Bonn) hat gegen den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Verkehrssteueränderungsgesetzes (18/11235) keine verfassungs- oder europarechtlichen Bedenken. Hillgruber nahm in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Montag zur Absicht der Bundesregierung Stellung, die Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse zu senken. Mit den höheren Steuerentlastungsbeträgen, deren Volumen mit 100 Millionen Euro angegeben wird, soll laut Gesetzentwurf der ökologische Anreiz für Fahrzeuge dieser Emissionsklasse verstärkt werden. Die Kosten sollen aus dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur voll kompensiert werden. Mit den Anpassung der Regelungen soll außerdem den Bedenken der EU-Kommission gegen die Einführung einer Infrastrukturabgabe, mit der von der steuerfinanzierten zur nutzerfinanzierten Infrastruktur übergegangen werden soll, Rechnung getragen werden. Mit den Anpassungen könne das von der EU-Kommission eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren beendet werden, erwartet die Bundesregierung.

Hillgruber bezeichnete die Annahme, dass ein höherer Steuerentlastungsbetrag eine Anreizwirkung für den Kauf eines emissionsärmeren Kraftfahrzeugs entfalte, und damit den Umweltschutz fördere, als plausibel. Kritisch setzte er sich mit einer Ausarbeitung aus der Unterabteilung Europa aus der Verwaltung des Deutschen Bundestages auseinander, in der eine Überkompensation für inländische Zahler der Pkw-Maut angenommen worden war. Dass ausländischen Kfz-Haltern der Steuerentlastungsbetrag nicht zu Gute komme, beruhe schlicht darauf, dass in anderen Staaten zugelassene und in Deutschland nur vorübergehend genutzte Fahrzeuge hier nicht der Kraftfahrzeugsteuer unterliegen würden. Insofern könne eine Entlastung von der Kfz-Steuer bei von dieser Steuer befreiten Personen auch nicht zu Buche schlagen, argumentierte Hillgruber.

Professor Friedemann Kainer (Universität Mannheim) schloss sich der Argumentation von Hillgruber an. Die von der deutschen Gesetzgebung gewählte teilweise Kompensation der Infrastrukturabgabe durch eine Reduktion der Kfz-Steuer stelle "grundsätzlich keine Diskriminierung" dar. Einwände wie in der Bundestags-Ausarbeitung bezeichnete er als "nicht begründet".

Professor Frank Hechtner (Freie Universität Berlin) erklärte, durch die Senkung der Kraftfahrzeugsteuer für Personenkraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse könnten "in engen Grenzen" ökonomische Anreize gesetzt werden, die die Anschaffung von Kraftwagen der Euro-6-Emissionsklasse begünstigen würden. Positiv bewertete Hechtner, dass keine "Überentlastung" eintreten könne. Der Gesetzentwurf schließe die Festsetzung einer negativen Kfz-Steuer aus.

Eine große Rolle spielte in der Anhörung auch die Frage des Aufkommens aus der Infrastrukturabgabe. Der Sachverständige Ralf Ratzenberger erklärte, die Einnahmen aus der Abgabe würden die Kosten nicht decken. Einschließlich der Einführungskosten, die auf fünf oder zehn Jahre umgelegt werden müssten, betrage die Unterdeckung zwischen 147 beziehungsweise 109 Millionen Euro. Durch die Entlastung für Euro-6-Pkw bei der Kfz-Steuer werde die Unterdeckung bis zum Jahre 2013 auf 175 Millionen Euro steigen. Professor Alexander Eisenkopf (Universität Friedrichshafen) stimmte "uneingeschränkt" zu. Man könne kein Projekt machen, das aufkommensneutral sei und kein Geld für die Infrastruktur vorsehe. Björn Klusmann (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft) konnte keine ökologische Lenkungswirkung feststellen. Der Automobilclub Europa (ACE) sprach sich in seiner Stellungnahme für eine entfernungsabhängige Nutzerfinanzierung statt der Infrastrukturabgabe aus.

Auf weitere Zusatzkosten machte Dieter Dewes von der Deutschen Zoll- und Finanzgewerkschaft aufmerksam. Die Steuerentlastungsbeträge machten den Versand von rund 16 Millionen geänderten Kraftfahrzeugsteuerbescheiden erforderlich. Dadurch werde sich die bereits jetzt angespannte Personalsituation weiter verschlechtern.

*

Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 173 - 20. März 2017 - 16.44 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
PuK 2 - Parlamentskorrespondenz
Platz der Republik 1, 11011 Berlin
Telefon: +49 30 227-35642, Telefax: +49 30 227-36191
E-Mail: mail@bundestag.de
Internet: www.bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. März 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang