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BUNDESTAG/8033: Heute im Bundestag Nr. 167 - 14.02.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 167
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Donnerstag, 14. Februar 2019, Redaktionsschluss: 09.31 Uhr

1. Zweifel am Wechselmodell als Regelfall
2. CO2-Steuer mit sozialer Abfederung
3. Stand der Urheberrechtsreform
4. FDP für verstärkte private Pflegevorsorge
5. Optimale Bedingungen für Gründer
6. Neureglungen des Budgets für Arbeit


1. Zweifel am Wechselmodell als Regelfall

Recht und Verbraucherschutz/Anhörung

Berlin: (hib/MWO) Für eine bessere Betreuung von Kindern geschiedener Eltern, aber gegen eine Festlegung auf das sogenannte Wechselmodell sprach sich die Mehrheit der Sachverständigen am Mittwoch in einer Anhörung im Rechtsausschuss zu Anträgen der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke aus. Während die FDP (19/1175) das familienrechtliche Wechselmodell als Regelfall einführen will, ist Die Linke (19/1172) gegen eine Festschreibung des Modells, bei dem die Kinder von beiden Elternteilen im Wechsel zeitlich annähernd gleich lang betreut werden. Sie fordert aber eine Neuregelung des Unterhalts. Der FDP-Antrag war vor rund einem Jahr bereits Thema einer Plenardebatte, wurde aber von den anderen Fraktionen abgelehnt.

Mehrere Experten verwiesen in ihren Stellungnahmen auf die bereits seit Jahren zum Teil heftig und auch ideologisch geführte Diskussion zum Thema Wechselmodell. Auch sähen weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bundesgerichtshof eine Pflicht des Gesetzgebers, getrennt lebenden Eltern eine paritätische Betreuung vorzugeben. Die Abgeordneten wollten von den Sachverständigen vor allem wissen, wie mögliche Reformen im Umgangsrecht aussehen könnten, wie sich das Wechselmodell in finanzieller Hinsicht auf die Eltern auswirkt und wie der Staat bei einer stärkeren paritätischen Betreuung Unterstützung leisten kann.

Brigitte Meyer-Wehage vom Deutschen Juristinnenbund plädierte im Ergebnis der jahrelangen Diskussion gegen eine Festschreibung des Wechselmodells als gesetzlichen Regelfall und für mit Bedacht geführte Diskussionen zu Änderungen im Kindesunterhalt. Zudem müssten tragfähige Lösungen für paritätische Betreuungsmodelle auch für getrennt lebende Eltern und ihre Kinder im Grundsicherungsbezug entwickelt werden. Meyer-Wehage betonte wie auch die anderen Sachverständigen, dass jede gesetzliche Änderung unter dem Vorbehalt des Kindeswohls zu stehen habe. Für Anja Kannegießer vom Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen zeigt sich kein einheitliches Bild in den internationalen Forschungsergebnissen zum Thema Wechselmodell, wobei sich in Deutschland nur wenig Forschung dazu finde. Die Praxis zeige, dass es die Dominanz eines Modells aus der Kinderperspektive nicht geben könne. Vielmehr müsste im Einzelfall auf die Bedürfnisse des Kindes und die Familiensituation abgestellt werden.

Miriam Hoheisel, Bundesgeschäftsführerin des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter, begrüßte den Antrag der Linken und warnte in ihrer Stellungnahme vor der Vorgabe des Wechselmodells als Regelfall durch den Gesetzgeber, denn er verhindere damit die jeweils beste Lösung für das Kindeswohl. Deshalb sollten Eltern ihr Familienleben weiterhin autonom und individuell gestalten und sich für ein Betreuungsmodell entscheiden, welches den Bedürfnissen aller Beteiligten, aber vorrangig dem Wohl ihres Kindes Rechnung trägt. Nötig sei dabei eine ergebnisoffene Beratung. Auch Hoheisel gab zu Bedenken, dass Vorteile eines Wechselmodells für Kinder wissenschaftlich nicht belegt und die langfristigen Wirkungen auf Kinder noch nicht ausreichend erforscht seien. Zudem stelle es hohe Anforderungen an alle Beteiligten und eigne sich nicht als gleichstellungspolitisches Instrument. Eva Becker vom Deutschen Anwaltverein verwies wie auch andere Sachverständige auf die Rechtssprechung des BGH, wonach die Gerichte bei der Entscheidung über den Kindesumgang frei sind, und damit einem Wechselmodell nichts im Weg stehe. Dies sei eine gute Grundlage für eine Reform des Familienrechts. Eine Festlegung auf ein Modell sei dagegen nicht empfehlenswert. Stattdessen bräuchten die Eltern mehr staatliche Unterstützung zum Beispiel bei der Mediation. Ferner regte sie an, außergerichtliche Einigungen verbindlich zu machen.

Heinz Kindler, Diplompsychologe vom Deutschen Jugendinstitut, konstatierte ein wachsendes Interesse am Wechselmodell. Hier sei die Politik gefordert, Voraussetzungen zu schaffen. Keine Grundlage sehe er jedoch für die Einführung des Wechselmodells als Regelfall. Sabine Walper, Forschungsdirektorin am Deutschen Jugendinstitut, verwies auf das gestiegene Engagement der Väter in der Kinderbetreuung. Aus ihrer Sicht spreche dem Wechselmodell als Regelfall jedoch entgegen, dass es keine paritätische Rollenverteilung gebe. Walper sprach sich stattdessen dafür aus, die Elternautonomie weiter zu stärken. Mathias Zab, Fachanwalt für Familienrecht, sieht ebenfalls keine Notwendigkeit, das ohnehin praktizierte Wechselmodell gesetzlich festzulegen. Die bestehenden Vorgaben reichten völlig aus. Entscheidend beim Wechselmodell sei die Frage des Unterhalts. Aus seiner Sicht profitiere das besserverdienende Elternteil von diesem Modell.

Hildegund Sünderhauf-Kravets von der Evangelischen Hochschule Nürnberg sprach sich dagegen für das Wechselmodell als "Leitbild" aus. Die gesellschaftliche Realität habe sich geändert. Die von den meisten Eltern gelebte und gewünschte partnerschaftliche Aufteilung von Familienarbeit und Erwerbstätigkeit in der Partnerschaft werde nach Beendigung der Partnerschaft im Wechselmodell fortgesetzt. Auch stehe das Leitbild des Wechselmodells im Einklang mit Grundrechten von Kindern und Eltern. Sünderhauf-Kravets schränkte jedoch ein, dass das Wechselmodell weder eine Lösung für jede Trennungsfamilie, noch ein Allheilmittel für alle Probleme zwischen Trennungseltern ist. Für flexible Regelungen, die Eltern und Kindern zugute kommen, sprach sich Josef Linsler vom Interessenverband Unterhalt und Familienrecht aus. Modelle dürften nicht praktischen Regelungen im Wege stehen. Am sichersten und gerechtesten werde die gemeinsame elterliche Sorge nach Trennung und Scheidung umgesetzt, wenn beide Elternteile ihre individuelle Regelung treffen. Hier sei das Wechselmodell eine mögliche Antwort. Der FDP-Antrag liefere indes einen Impuls für ein notwendiges Update des Familienrechts.

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2. CO2-Steuer mit sozialer Abfederung

Parlamentarischer Beirat für nachhaltige Entwicklung/Ausschuss

Berlin: (hib/HAU) Die gesellschaftlichen Institutionen sollten aus Sicht des Volkswirts Ulrich Petschow vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung wachstumsunabhängiger ausgestaltet werden. "Damit kann die Politik ein Mehr an Handlungsspielräumen erhalten", sagte Petschow während einer öffentlichen Sitzung des Parlamentarischen Beirates für nachhaltige Entwicklung zum Thema "Postwachstumsstrategien" am Mittwochabend. Es müsse gelingen, vom derzeitigen klimaschädlichen Pfad wegzukommen, forderte er. Dazu brauche es Experimentierräume, in denen die Frage, wie dies geschafft werden könne, aber auch Fragen nach neuen Formen der Kreislaufwirtschaft und nach einer neuen Form des gemeinwohlorientierten Wirtschaftens untersucht werden müssten.

Wenn die planetarischen Grenzen eingehalten werden sollen, müssten die entsprechenden Rahmenbedingungen gesetzt werden, die auch eine Regulierung erforderlich machen würden, sagte Petschow. Der Volkswirt sprach sich für eine "Internalisierung externer Kosten" aus. Dazu gehöre, dass umweltschädliche Subventionen abgebaut werden müssten. Zudem brauche es eine Bepreisung des Umweltverbrauches.

Professor Johannes Wallacher, Präsident der Hochschule für Philosophie in München und Mitautor der Studie "Raus aus der Wachstumsgesellschaft?", sah dies ähnlich und sprach sich während der Sitzung für eine CO2-Steuer aus. Eine solche Steuer könne "immense Lenkungseffekte in verschiedenen Bereichen entfachen", wenn sie sektorübergreifend eingeführt werden würde. Dies müsse aber präventiv mit einer sozialen Abfederung einhergehen, fügte er hinzu. So könne etwa eine CO2-Abgabe an Bedürftige am Jahresende zurückgegeben werden, wie es das Schweizer Modell vorsehe. Andere Entlastungen im Niedriglohnbereich seien auch denkbar. Klar müsse aber auch sein, dass die Gelder aus der CO2-Steuer nicht für das Stopfen von Haushaltslöchern verwendet werden. Um im Falle einer CO2-Steuer "internationale Trittbrettfahrer" auszubremsen, brauche es außerdem internationale Formen der Abstimmung, forderte Wallacher.

Der Philosoph und Sozialwissenschaftler sagte weiter, die Debatte müsse ehrlich geführt werden. Dazu gehöre auch die Aussage, dass es in bestimmten Bereichen nicht gelingen werde, zu Substitutionen zu gelangen. "Wenn eine CO2-Steuer auch für den Flugverkehr in Betracht genommen wird, ist das für die Breite der Bevölkerung nicht sozial abzufedern", sagte Wallacher.

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3. Stand der Urheberrechtsreform

Ausschuss Digitale Agenda/Ausschuss

Berlin: (hib/LBR) Der Verlauf der Verhandlungen über die Europäische Urheberrechtsreform war Thema der 25. Sitzung der Ausschusses Digitale Agenda unter Leitung von Hansjörg Durz (CSU). Ein Vertreter des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) berichtete über den aktuellen Stand der geplanten Reform, die in den sogenannten Trilogverhandlungen zwischen dem Europäischen Rat, dem EU-Parlament und der EU-Kommission gestern in sechster Runde final verhandelt werden sollte.

Strittig an dem neuen Europäischen Urheberrecht sind insbesondere Artikel 11, der ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger vorsieht, sowie Artikel 13, der die Haftbarkeit von Plattformbetreibern regelt. Onlineportale wie etwa YouTube sollen dafür Lizenzen mit Urheberrechtsinhabern abschließen. Bei der größten Urheberrechtsreform seit 20 Jahren sei ein Interessenausgleich zwischen den verschiedenen Akteuren sehr schwierig gewesen, berichtete der BMVJ-Vertreter dem Ausschuss. Herausgekommen sei ein Kompromiss, der wenigen gefalle. "Letztendlich ist es nicht um einzelne Paragraphen gegangen, sondern darum, ob das Ergebnis insgesamt tragbar ist", sagte er.

Bezüglich des Leistungsschutzrechts berichtete er dem Ausschuss, dass sich die Bundesregierung dafür eingesetzt habe, die europäischen Regelungen mit geltendem deutschem Recht zu harmonisieren. Eine Evaluation des nationalen Leistungsschutzrechts für Presseverlage habe aber wegen laufender Gerichtsverfahren und einem ausstehenden Urteil des Europäischen Gerichtshofs noch nicht stattgefunden.

Im Hinblick auf einen Uploadfilter sei die Frage, "wie man es schafft, Plattformen stärker in die Verantwortung zu nehmen und Rechteinhaber an den Nutzungen zu beteiligen", sagte der BMJV-Vertreter. Diejenigen Plattformen, die als Sendeanbieter agieren, müssten so qualifiziert werden, dass sie in urheberrechtlicher Primärhaftung seien und zugleich als Uploadplattformen zur Verfügung ständen.

Einigkeit bestand bei den Abgeordneten über die prinzipielle Notwendigkeit einer Reform. Kritik äußerte ein Vertreter der CDU/CSU-Fraktion daran, dass nicht auf eine Evaluation des nationalen Leistungsschutzrechts zurückgegriffen worden sei. Ein Vertreter der SPD fragte nach Details zur europäischen Diskussion beim Thema Uploadfilter. Die AfD-Fraktion bezeichnete die Planungen zur Urheberrechtsreform als massiven Angriff auf die Informations- und Meinungsfreiheit und kritisierte die Regelungen als problematisch für kleinere Plattformen.

Einen Vertreter der FDP-Fraktion interessierte, ob sachfremde Erwägungen eine Rolle gespielt hätten, dem Kompromissvorschlag zuzustimmen. Eine Vertreterin der Linken fragte nach Folgeabschätzungen und die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen interessierte sich dafür, ob es alternative Überlegungen zum bestehenden Text gegeben habe und ob sich die Bundesregierung dafür einsetze, einen Dialog mit Betroffenen zu führen.

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4. FDP für verstärkte private Pflegevorsorge

Gesundheit/Antrag

Berlin: (hib/PK) Die Finanzierung der Pflegekosten muss nach Ansicht der FDP-Fraktion neu organisiert werden. Die soziale Pflegeversicherung könne die Folgen des demografischen Wandels und des pflegerisch-technischen Fortschritts nicht allein bewältigen, heißt es in einem Antrag (19/7691) der Fraktion.

Laut einer jüngst veröffentlichten Studie werde der Pflegebeitrag bis 2045 voraussichtlich auf 4,25 Prozent steigen. Die private Pflegeversicherung zeige hingegen aufgrund ihres kapitalgedeckten Finanzierungssystems mit der Bildung von Altersrückstellungen, dass Generationengerechtigkeit auch in der Pflege funktionieren könne. Dieses Element fehle in der sozialen Pflegeversicherung.

Nötig seien eine verstärkte private Vorsorge und der Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der Pflegeversicherung. Konkret fordern die Abgeordneten von der Bundesregierung, einen Vorschlag zur künftigen Finanzierung der Pflege vorzulegen, der sich an einem Dreisäulenmodell aus sozialer Pflegeversicherung, privater Pflegevorsorge und betrieblicher Pflegevorsorge orientiere.

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5. Optimale Bedingungen für Gründer

Wirtschaft und Energie/Antwort

Berlin: (hib/PEZ) Um bessere Bedingungen für Gründer in Bezug auf Beratung und Bürokratie geht es in der Antwort (19/7495) auf eine Kleine Anfrage (19/6841) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. Konkret legt die Bundesregierung dar, wie sie das Konzept "One-Stop-Shop" ausgestalten möchte. Ziel seien Erleichterung, Bündelung und Digitalisierung des Gründungsverfahrens, erklärt sie. Prozesse und die Zusammenarbeit von am Gründungsverfahren beteiligten Stellen sollten optimiert, gebündelt und digitalisiert werden. Neue Anlaufstellen sollten nicht aufgebaut werden.

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6. Neureglungen des Budgets für Arbeit

Arbeit und Soziales/Kleine Anfrage

Berlin: (hib/CHE) Die FDP-Fraktion hat eine Kleine Anfrage (19/7590) zu einer Bilanz der Neuregelungen des Budgets für Arbeit gestellt. Mit diesem Budget soll, über Lohnkostenzuschüsse, die Eingliederung von Menschen mit Behinderungen auf dem ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden. Die Bundesregierung soll unter anderem beantworten, wie oft dieses Budget seit dem 1. Januar 2018 beantragt, bewilligt oder abgelehnt wurde.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 167 - 14. Februar 2019 - 09.31 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
Parlamentsnachrichten, PuK 2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2019

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