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BUNDESTAG/8593: Heute im Bundestag Nr. 736 - 28.06.2019


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 736
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 28. Juni 2019, Redaktionsschluss: 09.04 Uhr

1. Oberstaatsanwalt verteidigt seine Behörde
2. Frauen im Widerstand gegen NS-Diktatur
3. Entwürfe sollen Klimafolgen aufzeigen


1. Oberstaatsanwalt verteidigt seine Behörde

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Der stellvertretende Leiter der Berliner Generalstaatsanwaltschaft hat vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") seine Behörde gegen den Vorwurf in Schutz genommen, sie habe im Laufe des Jahres 2016 Gelegenheiten versäumt, den späteren Attentäter Anis Amri aus dem Verkehr zu ziehen. Man dürfe damaliges Handeln nicht auf der Basis des Wissens von heute bewerten, sagte Dirk Feuerberg in seiner Vernehmung am Donnerstag. Der heute 56-jährige leitende Oberstaatsanwalt steht seit Mitte 2015 an der Spitze der damals neu gebildeten Abteilung 17 seiner Behörde, in der die Emittlungkompetenzen in Fällen von Terrorismus und Extremismus gebündelt sind.

Mehrfach betonte der Zeuge, er hätte "gut damit leben können", wenn sich damals eine rechtlich unangreifbare Handhabe gefunden hätte, Amri für Monate oder Jahre hinter Gitter zu bringen. Allein sei dies nie der Fall gewesen. Der Zeuge erinnerte an den Beginn der Befassung seiner Behörde mit der Person des späteren Attentäters, ein Ermittlungverfahren wegen des Anfangsverdachts der Vorbereitung eines Tötungsdelikts seit Anfang 2016. Zugrunde lagen Erkenntnisse aus Nordrhein-Westfalen, Amri plane einen Feuerüberfall mit automatischen Waffen. Finanzieren wolle er diesen Anschlag mit der Beute aus einem Einbruch in eine Berliner Villa.

Aus der Überwachung der Telekommunikation des Verdächtigen habe sich indes kein Hinweis auf die Vorbereitung eines Attentats ergeben. Deutlich geworden sei lediglich, dass Amri in Berlin mit Drogen handelte, allerdings in einem Ausmaß, dass keinerlei Aussicht geboten habe, Untersuchungshaft oder gar eine Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe gegen ihn zu erwirken. Die Rauschgiftmengen in Amris Besitz hätten "deutlich unterhalb der Verbrechensgrenze" gelegen. Eine Möglichkeit, ihn hinter Gitter zu bringen, hätte sich nach Feuerbergs Worten noch ergeben können, wäre es gelungen, Amri "bandenmäßigen" oder "gewerbsmäßigen" Drogenhandel nachzuweisen. In beiden Fällen wäre es unerheblich gewesen, wie viel Rauschgift bei ihm gefunden worden wäre.

Allerdings hätten Amri und die Personen in seinem Umfeld auch untereinander mit Drogen gehandelt, also keine gemeinsame Bande gebildet. Es sei auch nicht erkennbar gewesen, dass Amri mit den Erlösen aus dem Drogengeschäft "regelmäßig und dauerhaft" den überwiegenden Teil seines Lebensunterhalts bestritten, die Sache also "gewerbsmäßig" betrieben habe. Angesicht dessen, sagte der Zeuge, habe er nichts dagegen einzuwenden gehabt, dass die Polizei die Überwachung Amris noch vor Auslaufen der richterlichen Genehmigung einstellte, weil andere Prioritäten in den Vordergrund drängten: "Ich hatte keine anderen oder besseren Argumente." Ohnehin habe die richterliche Genehmigung nur für die Aufklärung eines möglicherweise geplanten Anschlags gegolten: "Ich habe signalisiert, dass es mir bei der jetzigen Situation schwer fallen würde, nochmals eine Verlängerung der Observation zu beantragen."

Feuerberg betonte, die Berliner Generalstaatsanwaltschaft habe ihre Lehren aus Amris Anschlag am 19. Dezember 2016 gezogen. Sie praktiziere mittlerweile ein lückenloses und bundesweit beispielgebendes "Gefährdermanagement": "Jeder Gefährder und jede relevante Persönlichkeit in Berlin erfreut sich heute unserer ungeteilten Aufmerksamkeit." Diese "Einzelbetreuung" ende auch keineswegs mit der Verurteilung eines Beschuldigten. Dennoch sei nach sie vor nicht auszuschließen, "dass wir wieder zur Zielscheibe eines Anschlags werden können."

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2. Frauen im Widerstand gegen NS-Diktatur

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Anlässlich des 75. Jahrestages des Umsturzversuches und Attentates auf Adolf Hitler vom 20. Juli 1944 wollen die Koalitionsfraktionen die Rolle und Bedeutung von Frauen im Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur würdigen und zukünftig verstärkt erforschen lassen. In einem gemeinsamen Antrag (19/11092) fordern CDU/CSU und SPD die Bundesregierung auf, ein entsprechendes Forschungsprojekt der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand zum Widerstand von Frauen im Nationalsozialismus zu fördern und die pädagogische Vermittlungsarbeit der NS-Gedenkstätten, insbesondere an den einstigen Frauen-Konzentrationslagern Moringen, Lichtenburg und Ravensbrück auszubauen. Zudem soll 2024 zum 80. Jahrestag des 20. Juli 1944 eine Sonderbriefmarke "Frauen im Widerstand gegen den Nationalsozialismus" aufgelegt werden. Die Koalition spricht sich zudem dafür aus, dass der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten für Schulen das Thema aufgreift.

Union und Sozialdemokraten weisen in ihrem Antrag darauf hin, dass die Rolle und die Bedeutung von Frauen in der Geschichtswissenschaft lange marginalisiert worden sei. Diese Forschungslücke sei auch deshalb nicht so leicht zu schließen, da es die Wissenschaft nach 1945 versäumt habe, Frauen in großem Umfang zu diesem Thema zu befragen.

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3. Entwürfe sollen Klimafolgen aufzeigen

Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Antrag

Berlin: (hib/SCR) Die Bundesregierung soll nach Willen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen eine "CO2-Bremse bei der Bundesgesetzgebung" einführen. Dazu sollen unter anderem alle Regelungsentwürfe der Bundesregierung auf zu erwartende Treibhausgasemissionen hin geprüft werden, fordert die Fraktion in einem Antrag (19/11153). Klimaschutz müsse demnach als Querschnittsthema gedacht und angepackt werden. "Entsprechend ist es notwendig, den Klimaschutz auch im Gesetzgebungswesen zu verankern, indem die Prüfung der Klimawirkung von Gesetzen verbindlich gemacht und die Feststellungen in Einklang mit den Verpflichtungen aus dem Pariser Klima-Abkommen gebracht werden", begründen die Grünen ihren Vorschlag. Der Antrag wird am Freitag erstmals im Plenum beraten.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 736 - 28. Juni 2019 - 09.04 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juni 2019

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