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BUNDESTAG/9949: Heute im Bundestag Nr. 642 - 19.06.2020


Deutscher Bundestag
hib - heute im bundestag Nr. 642
Neues aus Ausschüssen und aktuelle parlamentarische Initiativen

Freitag, 19. Juni 2020, Redaktionsschluss: 09.52 Uhr

1. Verhandlungen mit Maut-Bieterkonsortium
2. Ermittlungen nach Anschlag
3. AfD will Gleichstellungsgesetz ändern
4. Linke will mehr Schutz für die Presse


1. Verhandlungen mit Maut-Bieterkonsortium

2. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/CHB) ) Nach Ansicht eines leitenden Beamten des Bundesverkehrsministeriums war es rechtlich zulässig, nach Abgabe des finalen Angebots für die Erhebung der Pkw-Maut weiter mit dem Bieterkonsortium zu verhandeln. Damit widersprach Arnd M., Leiter des Vergabestelle des Ministeriums, in seiner Befragung vor dem 2. Untersuchungsausschuss ("Pkw-Maut") der Einschätzung des Bundesrechnungshofs, wonach diese Verhandlungen gegen das Vergaberecht verstoßen haben.

In der vom Ausschussvorsitzenden Udo Schiefner (SPD) geleiteten Sitzung am Donnerstag, 18. Juni 2020, begründete Mayer, warum in diesem Fall solche Verhandlungen zulässig gewesen seien. Grundsätzlich sei es zwar richtig, dass nach Paragraph 17 der Vergabeverordnung bei Verhandlungsverfahren Verhandlungen mit Bietern nach Abgabe des endgültigen Angebots nicht zulässig seien. Ausnahmsweise könne man aber von dieser Regel abweichen. Denn die Aufhebung eines Verfahrens sei die "Ultima Ratio", weshalb man immer prüfen müsse, ob es nicht "mildere Mittel" gebe. Dabei bezog sich der Zeuge auf Paragraph 97 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), wonach bei der Vergabe öffentlicher Aufträge "die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und der Verhältnismäßigkeit gewahrt" werden müssen.

Kein rechtliches Problem sah der Referatsleiter auch darin, dass die Toll Collect GmbH zu einem späteren Zeitpunkt in die Erhebung der Pkw-Maut eingebunden wurde. Es sei allen Interessenten bekannt gewesen, dass Unterauftragnehmer hätten beschäftigt werden dürfen, argumentierte M.

Allerdings hatte das Ministerium während des Vergabeverfahrens auf die Frage eines Bieters andere Informationen erteilt: In dem allen Bietern zugänglichen Frage-Antwort-Katalog stand, dass das Zahlstellennetz ausschließlich für die Infrastrukturabgabe (also die Pkw-Maut) genutzt werden dürfe. Dies bedeutete implizit, dass die Terminals von Toll Collect nicht zur Verfügung standen, da diese der Erhebung der Lkw-Maut dienen. Den Widerspruch erklärte der Zeuge mit der Vermutung, dass diese Frage möglicherweise anders beurteilt worden sei, nachdem der Bund Eigentümer der zuvor privaten Toll Collect GmbH geworden sei.

Gefragt wurde der Zeuge auch, warum man nicht die ausgeschiedenen Bieter wieder in das Verfahren einbezog, nachdem sich am 17. Oktober 2018 gezeigt hatte, dass im Vergabeverfahren "Erhebung" nur ein einziges Angebot eingegangen war. Die ursprünglichen Interessenten hätten ihren Bieterstatus verloren, weil sie kein Angebot abgegeben hätten, antwortete M.

Auf die Nachfrage, ob es nicht doch eine Option gewesen wäre, das Verfahren zurückzusetzen und die anderen Interessenten wieder einzubeziehen, bekräftigte er: "Das Interesse, sich weiter am Verfahren zu beteiligen, war nach meiner Einschätzung nicht mehr gegeben." Allerdings erklärte 2019 der zuvor ausgeschiedene Bieter T-Systems laut einem im Ausschuss verlesenen Brief, er hätte mit aller Wahrscheinlichkeit ein Angebot abgegeben, wenn auch ihm die Möglichkeit eingeräumt worden wäre, die Terminals von Toll Collect zu nutzen.

Keine Kenntnis hatte der Zeuge nach eigenen Angaben von den Gesprächen, die Verkehrsminister Andreas Scheuer und Staatssekretär Gerhard Schulz im Herbst 2018 mit den Verantwortlichen des letzten verbliebenen Bieterkonsortiums führten. Weil er nicht daran teilgenommen habe, könne er auch keine Einschätzung dazu abgeben, sagte der Zeuge.

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2. Ermittlungen nach Anschlag

1. Untersuchungsausschuss/Ausschuss

Berlin: (hib/WID) Ein leitender Beamter des Bundeskriminalamtes (BKA) hat vor dem 1. Untersuchungsausschuss ("Breitscheidplatz") die These bekräftigt, dass der Attentäter Anis Amri in Deutschland keine Mitwisser hatte. "Es gibt viele Kontaktpersonen, um die wir uns gekümmert haben. Von keiner dieser Kontaktpersonen liegt eine bestätigte Aussage vor, dass sie etwas gewusst hat. Das finde ich schade", sagte der Erste Kriminalhauptkommissar T.M. am Donnerstag. Der heute 44-jährige Zeuge ist nach eigenen Worten seit 18 Jahren im Polizeilichen Staatsschutz mit der Abwehr des radikalislamischen Terrorismus befasst. Nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz gehörte er der federführenden Besonderen Aufbauorganisation (BAO) "City" an und leitet derzeit die Ermittlungsgruppe (EG) "City", die sich bis heute um die Aufklärung der Hintergründe des Anschlags bemüht.

Es gebe allerdings eine Person, die man als "Mittäter" Amris bezeichnen könne, meinte der Zeuge, allerdings nicht in Deutschland. Es handele sich um Mouadh Tounsi alias "Momo1", der bis zur letzten Minute vor dem Anschlag mit Amri in Kontakt stand. Er wirkte freilich von einem Stützpunkt des sogenannten Islamischen Staates (IS) in Libyen aus auf den tunesischen Attentäter ein. Als "Führungsoffizier" Amris beim IS mochte der Zeuge ihn nicht bezeichnen, wohl aber als die "Person, die ihn wesentlich beeinflusst hat". Er sei erstaunt gewesen, sagte der Zeuge, "wie eng die Führung durch Momo1 stattgefunden hat".

In der BAO "City" war der Zeuge im Zentralen Einsatzabschnitt tätig, und zwar im Unterabschnitt "Ermittlungen". Amri sei ihm seit spätestens Anfang 2016 als "Randfigur" im Zusammenhang mit anderen Verfahren bekannt gewesen, berichtete er. Als in der Abendbesprechung des Unterabschnitts am 20. Dezember 2016, dem Tag nach dem Anschlag, Amris Foto auf dem Tisch gelegen habe, sei ihm der Name "sofort geläufig" gewesen. "Ich war überrascht, ich war tatsächlich überrascht, dass der Anschlag durch eine Person, mit der man schon mal zu tun hatte, die namentlich bekannt war, verübt worden war", sagte er.

Der Zeuge berichtete auch über Aussagen von Gewährsleuten, die Amri während seines Aufenthalts in Deutschland begegnet waren. Im Juli 2017 habe er in Tunesien einen gewissen Mohammed Siddiq Daawi vernommen, der Amri im Herbst 2016, wenige Wochen vor dem Anschlag, kennengelernt hatte, als er in Berlin seinen Onkel besuchte. Er sei mit Amri mehrfach unterwegs gewesen, sie hätten gemeinsam auch eine Moschee besucht, habe Daawi berichtet. Ihm sei aufgefallen, dass Amri mit Drogen handelte. Er habe ihm deswegen Vorwürfe gemacht. Amri habe entgegnet, dies sei keine Sünde. Er verkaufe das Rauschgift schließlich an Ungläubige, die man ohnehin "zerstören" müsse. Amri habe den Eindruck eines Menschen gemacht, der von "enthusiastischem Gedankengut" beseelt war. Vor der Rückreise am 25. November habe Amri ihm einen Rucksack mit Schokolade, einem Smartphone und einem Fotoapparat für seine Mutter in Tunesien mitgegeben, den er der alten Dame eine Woche später ausgehändigt habe.

Einen weiteren Bekannten Amris, Schamil Idrissow, habe er in österreichischer Untersuchungshaft vernommen, berichtete der Zeuge. Idrissow habe Amri als unauffälligen Typ geschildert, mit dem man sich kaum habe unterhalten können. Ihm sei nicht einmal aufgefallen, dass Amri sich mit Reiseplänen zum IS trug.

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3. AfD will Gleichstellungsgesetz ändern

Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Antrag

Berlin: (hib/AW) Nach dem Willen der AfD-Fraktion soll das Bundesgleichstellungsgesetz geändert werden, damit zukünftig auch Männer in das Amt des Gleichstellungsbeauftragten gewählt werden können und sowohl Frauen als auch Männer an den Wahlen teilnehmen dürfen. In ihrem entsprechenden Antrag (19/20068) weist die Fraktion darauf hin, dass nach Paragraf 19 des Bundesgleichstellungsgesetzes das aktive und passive Wahlrecht bei der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten Frauen vorbehalten ist. Dies widerspreche nicht nur der Systematik des Gesetzes, sondern auch dem Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes.

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4. Linke will mehr Schutz für die Presse

Kultur und Medien/Antrag

Berlin: (hib/AW) Nach dem Willen der Linksfraktion sollen Pressevertreter besser gegen Übergriffe und Gewalt geschützt werden. In einem Antrag (19/20032) fordert sie die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern und Journalistenverbänden eine entsprechende Strategie zu erarbeiten. Auf Länderebene sollen Schwerpunktstaatsanwaltschaften für Straftaten gegen Pressevertreter geschaffen werden und diese Straftaten im regelmäßigen Lagebild des Bundeskriminalamtes erfasst werden.

Zudem sprechen sich die Linken für verbindliche Module zur Rolle der Presse und zum Umgang mit Journalisten in der Aus- und Fortbildung der Polizei aus. Darüber hinaus müssten die Verhaltensgrundsätze für Presse und Polizei zur Vermeidung einer Behinderung der Berichterstattung bei polizeilichen Aufgaben geändert werden.

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Quelle:
Heute im Bundestag Nr. 642 - 19. Juni 2020 - 09.52 Uhr
Herausgeber: Deutscher Bundestag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2020

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