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PRESSEKONFERENZ/386: Regierungspressekonferenz vom 5. März 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 5. März 2012
Regierungspressekonferenz vom 5. März 2012

Themen: Präsidentschaftswahlen in der Russischen Föderation, Sitzung des Koalitionsausschusses, Arbeitsbesuch des irakischen Gesundheitsministers in Deutschland, Reise der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nach Tunesien, Haushaltsdefizit Spaniens, Fiskalpakt, ESM, Finanzhilfen für Griechenland
weitere Themen: französischer Präsidentschaftswahlkampf, deutsch-spanische Beziehungen, Wahl in Griechenland, Äußerungen von Herrn Lukaschenko über den Bundesaußenminister, Regelungen bei Babyklappen, Großer Zapfenstreich für Bundespräsident a. D. Christian Wulff, Hermes-Bürgschaft für das brasilianische Kernkraftwerk Angra III

Sprecher: StS Seibert, Peschke (AA), Wolbeck (BMBF), Schwarte (BMU), Wiegemann (BMWi), Blankenheim (BMF), Mertzlufft (BMJ), Jopp (BMG), Laubinger (BMFSFJ), Dienst (BMVg), zu Erbach-Fürstenau (BMELV)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin wird in einer halben Stunde, also um 12 Uhr unserer Zeit, mit Herrn Putin sprechen, um ihm Erfolg in der kommenden Amtszeit zu wünschen, vor allem auch bei der Umsetzung und Bewältigung der großen Aufgaben, vor denen Russland sich stehen sieht. Deutschland und Russland sind strategische Partner. Dieser Partnerschaft ist weiterzuentwickeln. Dafür wird sich die Bundesregierung auch mit aller Kraft einsetzen. Viele internationale Probleme können wir nur gemeinsam mit Russland lösen. Das drängendste dieser Probleme ist Syrien, und das wird nachher sicherlich auch in dem Gespräch der Bundeskanzlerin mit Herrn Putin eine Rolle spielen.

Russland steht vor der Aufgabe - Herr Putin selbst sieht sich auch vor dieser Aufgabe stehen -, das Land weiter zu modernisieren. Das kann nach Überzeugung der Bundesregierung keine rein wirtschaftlich-technische Modernisierung sein. Es muss eine politisch-gesellschaftliche Modernisierung sein. Insofern und in diesem Sinne begrüßt es die Bundesregierung ausdrücklich, dass sich so viele russische Bürger im Vorfeld dieser Wahlen aktiv am politischen Geschehen beteiligt haben und dass sie sich eingebracht haben. Die Bundesregierung hofft, dass dieses Engagement der Bürgerinnen und Bürger Russlands das Land voranbringen und die Demokratie sowie die Menschenrechte in Russland stärken wird.

Frage: Betrachtet die Bundesregierung die Präsidentschaftswahlen denn als ein Musterbeispiel für lupenreine Demokratie?

StS Seibert: Bevor man die Wahlen abschließend bewertet, sollte man, denke ich, die Einschätzung der Wahlbeobachter abwarten. Nach meinen Informationen sollen die heute - etwa um diese Zeit des späten Vormittags - eine Stellungnahme zum Ablauf der Wahlen vorgelegt haben. Die sollte man sich erst einmal genau anschauen und auswerten, bevor man so eine abschließende Stellungnahme abgibt.

Es ist natürlich deutlich, dass die Umstände der Wahlen, die Wahlmöglichkeiten und auch der Wahlkampf, den es vor der Wahl gab, in vielem nicht dem entsprachen, was wir in anderen Teilen Europas kennen. Das ist bedauerlich.

Peschke: Wenn ich das noch ganz kurz um einen sachdienlichen Hinweis ergänzen darf: Die Pressekonferenz der OSZE-Wahlbeobachter in Moskau läuft gerade.

Frage: Herr Seibert, welche konkreten Erwartungen hat die Bundesregierung an den alten beziehungsweise neuen Präsidenten Putin, gerade im Hinblick auf Menschenrechte, Redefreiheit und vielleicht auch den Fall Chodorkowski?

StS Seibert: Ich denke, der Tag nach einer erfolgten Wahl ist nicht der richtige Tag, um dem Wahlsieger in einem ersten Telefongespräch gleich mit einer Liste konkreter Erwartungen zu kommen. Ich habe Ihnen gesagt, dass die Bundeskanzlerin mit Herrn Putin über das Thema Syrien sprechen will. Ansonsten steht Deutschland bereit, Russland im Rahmen der strategischen Partnerschaft unserer beiden Länder zu unterstützen - sowohl bei seiner wirtschaftlich-technischen Modernisierung als auch bei weiteren Fortschritten auf dem Weg zu einer Bürgergesellschaft, von deren Notwendigkeit wir allerdings sehr stark überzeugt sind.

Vorsitzender Mayntz: Dann kommen wir zum Koalitionsausschuss. Das Forschungsministerium kann uns dazu etwas sagen.

Wolbeck: Ein Ergebnis der gestrigen Sitzung des Koalitionsausschusses ist, dass das Kooperationsverbot in der Wissenschaft geändert werden soll. Die Bundesregierung strebt noch in dieser Legislaturperiode eine Änderung des Grundgesetzes an, die es ermöglicht, dass Bund und Länder nicht nur bei Projekten, sondern auch bei der institutionellen Förderung von Hochschulen zusammenwirken können. Das ist und war immer ein wichtiges Anliegen der Wissenschaft und auch von Ministerin Schavan gewesen. Es ist deshalb wichtig, weil Deutschland angesichts der wachsenden Internationalität des Wissenschaftssystems auf dauerhafte Strukturen mit einer überregionalen Sichtbarkeit angewiesen ist. Bislang - das wissen Sie wahrscheinlich - war es nur möglich, Hochschulen über Projektmittel zu fördern, die naturgemäß immer zeitlich begrenzt sind. Mit der Änderung des Art. 91 b können jetzt auch Einrichtungen der Wissenschaft und der Forschung an Hochschulen gefördert werden. Wir streben eine Grundgesetzänderung zum 1. März 2013 an.

Frage: Wie weit geht das eigentlich über die Förderung der Exzellenzuniversitäten hinaus, die jetzt angestrebt wird?

Wolbeck: Natürlich ist das ein wichtiges Thema, und deshalb ist dieses Thema auch ein großes Anliegen der Wissenschaft. Wie Sie wissen, wird die Exzellenzinitiative 2017 enden. Von daher müssen wir ja nun schauen, dass wir Strukturen aufbauen und Kooperationen ermöglichen, die den Hochschulen auch darüber hinaus helfen, international sichtbar zu bleiben. Diese Änderung des Grundgesetzes soll vor allen Dingen Vorhaben und Einrichtungen mit überregionaler Bedeutung fördern, also nicht nur Projekte, Vorhaben und Einrichtungen, die in einem Bundesland wichtig sind, sondern auch solche, die eine Ausstrahlung auf das gesamte Land haben. Ein wichtiges Beispiel dafür, das man nennen kann, ist sicherlich die Einrichtung der sechs deutschen Zentren der Gesundheitsforschung, die jetzt bereits ihre Arbeit aufgenommen haben. Diesen Zentren wird so eine Grundgesetzänderung natürlich helfen, weil wir dauerhaft in die Förderung solcher Einrichtungen einsteigen können, nicht nur, wie bislang, über Projektmittel.

Frage: Wieso hat man das Kooperationsverbot dann nur an so einem Punkt ein wenig gelockert? Die Experten aus dem Bildungsbereich sagen ja, dass dieses gesamte Kooperationsverbot eigentlich nur negative Auswirkungen hat, sowohl auf die Schulen als auch auf die Universitäten. Warum streicht man es nicht ganz?

Wolbeck: Erstens ist das nicht nur ein kleiner Punkt, sondern ein großer Schritt. Das ist - das sollte man vielleicht noch betonen - keine Zurücknahme oder eine Hinwendung zum Status quo, wie er vor der Föderalismusreform bestand. Vielmehr war auch vor der Reform vor einigen Jahren die Zusammenarbeit in Forschung und Wissenschaft nur außerhalb der Universitäten möglich. Das ist also tatsächlich ein Schritt, den es so noch nicht gab.

Hinsichtlich der Kooperation im Bildungssystem ist es nun einmal so, dass es bislang keine Einigung zwischen den Ländern gab. Ziel ist natürlich, dass die Kultusminister eine Linie vorgegeben, dass sie Ziele und Konzepte vorlegen. Dann wird man natürlich darüber sprechen können. Allerdings gibt es bislang nur das Ziel beziehungsweise die Einigung darauf, dass der Bund mehr Geld für die Schulen überweisen soll. Das kann es aber nicht sein, weil wir natürlich, bevor wir uns an Konzepte und Zielvorgaben machen, klare Verhältnisse in Bezug darauf brauchen, um was sich der Bund kümmert und um was sich die Länder kümmern. Darauf müssen sich allerdings erst die Kultusminister einigen. Aber über Konzepte, wenn sie nun von der Kultusministerkonferenz vorgelegt werden, kann man mit uns und mit Ministerin Schavan immer reden. Nur müssen sich die Kultusminister halt erst einigen und mit einer Stimme reden, und dann wird man sich in diesem Bereich darüber unterhalten können.

Frage: Zur Gebäudesanierung: Woher nimmt das Finanzministerium denn diese 1,5 Milliarden Euro? Ursprünglich sollte das ja auf 900 Millionen Euro gekürzt werden.

Zur Solarförderung: Es gibt Diskussionen darüber, ob die Kürzungen am 9. März wirksam werden oder ob sie verschoben werden. Haben sich das Wirtschafts- und das Umweltministerium auf irgendwelche neuen Termine geeinigt, möglicherweise auch mit den Fraktionen?

Schwarte: Ich will mit Letzterem anfangen: Die Termingestaltung ist jetzt Sache des Parlaments und der Regierungsfraktionen. Die werden, so ist es geplant, in dieser Woche den Gesetzentwurf einbringen. Wir sind darüber im Gespräch, aber dem Ergebnis möchte ich noch nicht vorgreifen.

Blankenheim: Es ist so, dass für das Jahr 2012 ursprünglich Einnahmen und Ausgaben in Höhe von 780 Millionen Euro im Wirtschaftsplan des IKF angesetzt wurden. Diesen Annahmen lag ein Preis von 17 Euro je Zertifikat zu Grunde. Aufgrund der Marktverunsicherung rechnet die Bundesregierung für das Wirtschaftsjahr 2012 jedoch nur noch mit Einnahmen aus dem Emissionshandel in Höhe von zumindest 345 Millionen Euro, was einem Zertifikatepreis von rund 7,5 Euro entspricht. Angesichts des festzustellenden Preisverfalls der CO2-Zertifikate hat das BMF im Rahmen der Haushaltsführung des IKF den Fachressorts für das Jahr 2012 zunächst nur 50 Prozent der Barmittel und 60 Prozent der Verpflichtungsermächtigung zur Bewirtschaftung zugewiesen. Im Hinblick auf die beschränkten Finanzierungsmöglichkeiten des IKF ist es dem BMF nunmehr gemeinsam mit den beteiligten, insbesondere für die Energiewende verantwortlichen Ressorts gelungen, sich auf die Umsetzung dieser nun dringlichen Maßnahmen zu verständigen. Dabei wird davon ausgegangen, dass dem IKF im Jahr 2012 mindestens 452 Millionen Euro - die sich aus 345 Millionen Euro aus den CO2-Zertifikaten, aus 78 Millionen Euro an Liquiditätsdarlehen aus dem Bundeshaushalt und aus 28,9 Millionen Euro an Rücklagen aus dem Jahr 2011 zusammensetzen - an Barmitteln zur Verfügung stehen und dass den Ressorts damit im Januar rund 62 Millionen Euro mehr als bislang zugewiesen wurden.

Frage: Verstanden habe ich das, ehrlich gesagt, noch nicht so ganz. Es sollen insgesamt 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Wo kommt denn jetzt der Rest her?

Blankenheim: Ich glaube, das muss ich nachreichen. Das kann ich Ihnen im Moment nicht beantworten.

Frage: Ich habe noch eine Nachfrage zu den Terminen und dazu, dass die Einführung der Solarkürzungen eventuell verschoben werden wird. Sie sagten, es bleibe bei diesem Plan hinsichtlich des 9. März.

Schwarte: Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Wir sind darüber im Gespräch, und das wird die Regierungskoalition selbst entscheiden. Wir werden den Gesetzentwurf in dieser Woche einbringen. Der Bundesumweltminister und der Bundeswirtschaftsminister haben dafür den 9. März vorgeschlagen, weil das der schnellstmögliche Zeitpunkt wäre. Am 9. März soll die erste Lesung stattfinden. Es kann auch der 1. April werden. Die Gespräche laufen. Ich habe das nicht bestätigt. Das werden die Regierungskoalitionsfraktionen in dieser Woche entscheiden.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage zum Prozedere: Wieso ist das so früh angesetzt worden? Das Ganze müsste ja auch noch durch Bundestag und Bundesrat gehen. Ist das eine Verordnung?

Schwarte: Nein, das wird eine Gesetzesnovelle sein. Die ist so früh angesetzt worden, weil wir ja die Lehren aus diesen Schlusskäufen des vergangenen Jahres gezogen haben. Das heißt, sobald eine Kürzung angekündigt wird, führt das dazu, dass noch sehr viel mehr Anlagen installiert werden. Das treibt die Ausbauvolumina in die Höhe und bedroht die Netzstabilität sowie natürlich auch die Preisstabilität, also die Höhe der EEG-Umlage. Es geht also darum, kurzfristig zu handeln. Wie schnell gehandelt wird, ist jetzt Sache der Regierungskoalition. Aber man muss auch wissen - darauf hat der Minister gestern noch einmal hingewiesen -, dass jeder spätere Tag wiederum zu höheren Ausbauzahlen führen wird.

Noch ein Hinweis: Das ist ein Einspruchsgesetz. Insofern werden die Bundesländer also nur im Falle des Einspruchs tätig werden. Das ist kein Zustimmungsgesetz.

StS Seibert: Ich wollte grundsätzlich ganz kurz etwas zum Koalitionsausschuss sagen: Sie verstehen, dass der Koalitionsausschuss eine Zusammenkunft von Parteispitzen ist, keine Kabinettssitzung, auch wenn gestern einige Minister daran teilgenommen haben, weil es um ihre Ressortthemen ging. Entsprechend sind wir hier oben nur mittelbar befugt, Ihnen nun Auskunft zu geben. Mehrheitlich geht es ja noch nicht um Regierungshandeln, sondern es geht um Koalitionsbeschlüsse.

Es gab eine Vielzahl wichtiger Ergebnisse. Ich will eines hervorheben, weil es dabei tatsächlich um etwas geht, das in Form von Gesetzen bereits Regierungshandeln geworden ist, nämlich die Einigung auf einen Fahrplan 2012 für das Energiekonzept der Bundesregierung. Jetzt ist es ja Anfang März, fast auf den Tag genau ein Jahr nach Fukushima. Diese März-Tage 2011 waren der Ausgangspunkt für die beschleunigte Energiewende der Bundesregierung. Nun gibt es eben einen Fahrplan für das, was noch in diesem Jahr an Entscheidungen und Maßnahmen im Rahmen dieses Energiekonzepts bevorstehen soll. Jeder Bürger soll sehen, was geschafft worden ist und was in diesem Jahr noch zu tun ist. Der Fahrplan führt genau aus, was geschehen soll, und zwar im Bereich der Netze, der erneuerbaren Energien, die sich schon jetzt so erfreulich stark entwickeln, der Energieeffizienz, die uns weiterhin große Potenziale bietet, des Neubaus von hochleistungsfähigen und auch flexiblen Kraftwerken und vor allem auch in Bezug darauf, wie die Steuerung des ganzen Prozesses gewährleistet werden kann. Wir wollen nämlich im Verlauf dieses Prozesses immer wieder Fortschrittsberichte haben und immer wieder überprüfen, ob wir die eigenen Ziele erreicht haben.

Ich denke, dass das, was der Koalitionsausschuss gestern dazu beschlossen hat, Ausdruck der Tatsache ist, dass die ganze Bundesregierung mit all ihren Ministerinnen und Ministern hinter diesem Konzept als einer großen nationalen Aufgabe steht. Diese große nationale Aufgabe heißt, Deutschland zum Wohl seiner Bürger zu einer der energieeffizienztesten und umweltschonendsten Volkswirtschaften der Welt zu machen, und das bei weiterhin so großem Wohlstand, wie wir ihn jetzt genießen, sowie bei weiterhin so wettbewerbsfähigen Arbeitsbedingungen für unsere Unternehmen.

Frage: Jetzt wage ich fast gar nicht mehr, in die Niederungen von Terminen vorzudringen, Herr Seibert. Aber ich habe doch noch eine Frage an Frau Schwarte: Habe ich es richtig verstanden, dass diese Ankündigung von Herrn Söder, dass die Kappung der Solarförderung erst zum 1. April kommen werde, verfrüht war und dass das Datum durchaus doch noch der 9. März sein kann?

Schwarte: Ich habe nur darauf hingewiesen, dass es jetzt nicht mehr Sache der Bundesregierung ist, das zu entscheiden. Ich habe auch nicht Herrn Söder widersprochen, sondern ich habe darauf hingewiesen, dass die Minister einen Vorschlag gemacht haben, eine Formulierungshilfe. Die ist an die Regierungskoalition gegangen. Die Regierungskoalitionsfraktionen befinden sich mit der Bundesregierung und auch mit den Bundesländern im Gespräch darüber. Es ist gestern im Koalitionsausschuss zu genau diesem Thema auch noch einmal eine kleinere Arbeitsgruppe zwischen Fraktionen, Bundesländern und Bundesregierung eingerichtet worden. Deswegen habe ich weder den einen noch den anderen Termin bestätigt. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass es jetzt Sache der Regierungskoalition ist, in dieser Woche ein Gesamtpaket beziehungsweise einen Vorschlag vorzulegen. Dieses Paket wird dann auch den Zeitpunkt enthalten.

Zusatzfrage: Aber es gab gestern bei der Koalitionssitzung keine Einigung. Hat Herr Söder damit auch unrecht?

Schwarte: Es läuft darauf hinaus; so kann man es vielleicht sagen.

Frage: Gibt es diesen Energiefahrplan irgendwo schriftlich? Wie umfangreich ist der? Wie detailliert ist er? Kann man den irgendwo einsehen?

StS Seibert: Soviel ich weiß, sind die gesamten Beschlüsse der gestrigen Sitzung des Koalitionsausschusses auf den Webseiten der Parteien zu finden, aber nicht auf der der Bundesregierung.

Schwarte: Aber wir haben eigentlich vor, diesen Fahrplan im neuen Newsletter des BMU zur Energiewende auch noch einmal öffentlich zu machen, also auf unserer Seite.

Frage: Es wurde erwartet, dass gestern im Koalitionsausschuss auch über die Benzinpreise im Zusammenhang mit dem Kartellrecht gesprochen werden würde. Soweit ich weiß, ist das nicht passiert. Gibt es dafür eine Begründung?

Wiegemann: Ich kann Ihnen zu den Details, die vom Koalitionsausschuss besprochen wurden, nichts sagen. Ich kann Ihnen aber sagen, dass die Bundesregierung mit der 8. GWB-Novelle den Wettbewerb in Deutschland stärken möchte und dass die 8. GWB-Novelle auch Regelungen enthält, um die mittelständischen Unternehmen im Wettbewerb mit den großen Konzernen zu stärken, was auch ein wichtiger Hebel im Preiswettbewerb sein wird.

Zusatzfrage: Das heißt also, dass man dem dezidierten Fordern der FDP in diesem Sinne noch einmal expliziter, genauer nachkommen wird. Die FDP hatte ja vor dem Koalitionsgipfel größeren Wert darauf gelegt, bei den Benzinpreisen ein Signal zu setzen. Sie sagten, das sei damit aufgefangen worden; das ist klar. Aber wird es dann noch einmal ein gesondertes Treffen geben, um gerade bei den aktuellen Benzinpreisen etwas zu machen?

Wiegemann: Wie gesagt: Die GWB-Novelle enthält dazu Regeln, und der Referentenentwurf befindet sich derzeit in der Ressortabstimmung. Dem kann ich jetzt nicht vorgreifen.

Frage: Dann möchte ich dazu doch fragen, ob der Bundeswirtschaftsminister die Anregung seines Fraktionskollegen Döring teilt, dass bei der Pendlerpauschale dringend etwas gemacht werden müsse. Ist Ihnen bekannt, ob der Bundeswirtschaftsminister als solcher die Anregung eines FDP-Politikers teilt?

Wiegemann: Mir ist bekannt, dass eine solche Anregung eines FDP-Politikers gibt, aber für die Pendlerpauschale ist das Bundesfinanzministerium der richtige Ansprechpartner.

Blankenheim: Zur Pendlerpauschale - das hatten wir schon verschiedentlich ausgeführt - gibt es nichts Neues zu sagen. Wir prüfen da keine Senkung.

Frage: An das Justizministerium: Der Warnschussarrest soll eingeführt werden. Nun ist das ja bei den Juristen umstritten; zum Beispiel sagt der Deutsche Richterbund, die Zeit sei zu kurz, um pädagogische Konzepte zu verwirklichen und im Übrigen seien auch die Gefängnisse überfüllt. Was hat denn letztlich den Ausschlag dafür gegeben - einmal unabhängig von der Koalitionsvereinbarung vor zwei Jahren -, dies einzuführen? Denn es gibt ja auch in der Fachwelt bedenken.

Merzlufft: Sie haben es leider angesprochen: die
Koalitionsvereinbarung.

Zusatzfrage: Richtig, aber die ist zwei Jahre alt. Das Leben geht ja weiter und es gibt neue Argumente, denen man sich als Politiker nicht verschließen sollte. Man hat das also stur abgearbeitet und neuere Bedenken nicht aufgenommen?

Merzlufft: Es gibt in der Tat eine intensive Diskussion. Natürlich ist die Frage der Ausgestaltung entscheidend. Ich glaube aber, am Ende wird ein guter Kompromiss stehen, der auch den Charakter des Jugendstrafrechtes nicht antastet, nämlich Erziehung und Prävention im Vordergrund zu haben. Es kommt dann ja auch entscheidend darauf an, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Warnschussarrest parallel zur Bewährungsstrafe verhängt werden darf. Sie werden sehen, denke ich, dass am Ende ein gutes Ergebnis steht, das auch Bedenken aufnimmt, gleichzeitig aber auch den Anliegen, die gestern verabredet worden sind, angemessen Rechnung trägt.

Frage: Im Koalitionsausschuss ging es gestern ja auch um das Urheberrecht, was die Newsaggregatoren und Ähnliches mehr betrifft. Zwei kurze Nachfragen dazu: Erstens. Muss das ein Gesetz sein oder kann es auf dem Verordnungswege geschehen, dass eine solche Urheberrechtsänderung kommt? Zweitens. Wann wird diese Änderung kommen?

Merzlufft: Die Themen, die die Innen- und Rechtspolitik - also bei uns federführend das Justizministerium - betreffen, sind zum Teil - Stichwort Pressefreiheit - schon vom Kabinett beschlossen worden, befinden sich im parlamentarischen Verfahren und werden zum Teil - wieder Stichwort Pressefreiheit -, wenn ich die Absprache der Parteivorsitzenden richtig verstehe, beschleunigt im Bundestag beraten werden.

Was Sie gerade betreffend den Bereich des Urheberrechtes angesprochen haben: Da ist es in der Tat so, dass das BMJ ein Gesetz vorlegen wird, dass dann entsprechend auch vom Kabinett beschlossen werden soll. Es ist ja Usus, die Öffentlichkeit ausreichend umfassend zu informieren, sobald der Referentenentwurf vom Kabinett beschlossen wird. Das werden wir natürlich auch tun.

Zum Zeitplan: So schnell es irgendwie geht. Natürlich - das kann ich für die Justizministerin sagen - sind die Absprachen im Bereich der Rechtspolitik - federführend im BMJ - so zu verstehen, dass die Sachen, die noch nicht gesetzgeberisch auf den Weg gebracht worden sind, so schnell es geht in Gesetze gegossen werden und auf den normalen Weg gebracht werden - sprich Kabinettsbeschluss und dann parlamentarische Beratung.

Zusatzfrage: Eine kurze Nachfrage zum Zeitplan: "So schnell es geht" lässt ja alles offen - bis zum Ende der Legislaturperiode?

Merzlufft: Ich würde Ihnen jetzt gerne das Datum nennen, ich kann Ihnen diese Frage aber, offen gesagt, nicht beantworten. Übersetzen Sie "so schnell es geht" einmal mit "in den nächsten Wochen".

Frage: Ich habe eine Frage zum Thema Finanz-TÜV: Ich habe das so verstanden, dass da im Wesentlichen mehr Geld für die Stiftung Warentest bereitgestellt wird. Im Koalitionsvertrag war ja als Prüfauftrag von einer Stiftung für Finanzprodukte die Rede. Ist das jetzt sozusagen eine kleine Lösung? Wie würde dieser Auftrag umrissen sein, was verbindet sich damit inhaltlich?

StS Seibert: Ich kann vielleicht zumindest einiges vorausgeben: Mit der Krise, die im Herbst 2008 begonnen hat, hat bei vielen Bürgerinnen und Bürgern, Verbraucherinnen und Verbrauchern eine große Verunsicherung eingesetzt. Die Bundesregierung betrachtet es natürlich als ihre Aufgabe, die Verbraucher, sofern sie das durch Aufklärung und Transparenz erreichen kann, vor vermeidbaren Verlusten und auch vor fehlerhafter Finanzberatung zu schützen. Die Auswahl des richtigen Finanzprodukts erfordert Informationen und erfordert vielleicht auch, dass man sich an jemanden wenden kann, um etwas nachzufragen. Ich denke, in diese Richtung sollten Sie die Stiftung Warentest und ihre neue Aufgabe, die jetzt auf sie zukommen wird, begreifen. - Aber jetzt die Details.

zu Erbach-Fürstenau: Was ich vielleicht noch anfügen kann: Die Stiftung Warentest ist ja - ich glaube, seit fast 50 Jahren - eine kompetente Informationsquelle für die Verbraucher. Damit ist sie, denke ich, auch prädestiniert, diese Aufgabe wahrzunehmen. Zu Ihrer konkreten Frage, was denn dann darunter fällt: Dabei wird es beispielsweise um die Einordnung von Geldanlageprodukten in bestimmte Anlagekategorien, um die Vergleichbarkeit von Produkten, um die Überprüfung der Aussagen der Anbieter über die Finanzprodukte und sicherlich auch noch um die Qualität der Produktinformationsblätter gehen. Das sind auf die Schnelle, von gestern auf heute, die ersten konkreten Details.

Zusatzfrage: Die Regierung mischt sich ja auch in anderen Märkten nicht unbedingt in die Bewertung ein. Wie stellt sie denn sicher, dass sie das da auch nicht tut? Was prädestiniert Sie, als Staat im Finanzmarkt eine Position der Bewertung von Produkten einzunehmen, wenn Sie das in anderen Märkten nicht so tun?

zu Erbach-Fürstenau: Der Staat bewertet hier ja nicht die Produkte, sondern das macht die Stiftung selbst. Insofern verstehe ich Ihre Frage nicht.

StS Seibert: Die Bundesregierung mischt sich ja auch nicht in den Waschmaschinenmarkt ein, wenn die Stiftung Warentest einen Überblick über besonders gute oder besonders energieeffiziente Waschmaschinen gibt. Das ist eine unabhängige Stiftung.

Frage: Dazu hätte ich noch ein paar Detailfragen: Wie viel erhält die Stiftung Warentest gegenwärtig? Wenn mich nicht alles täuscht, sind für diese Stiftung Finanztest - wenn man sie so nennen darf - 1,5 Millionen Euro zusätzlich geplant. Ab wann sollen diese Gelder fließen und woher kommen sie?

zu Erbach-Fürstenau: Die Gelder kommen aus dem Bundeshaushalt. Aus welchem Bereich sie letztlich kommen, kann ich Ihnen noch nicht sagen; ich meine, da wären wir noch in den Verhandlungen. Die Information, wie viel Geld die Stiftung Warentest insgesamt bekommt, habe ich jetzt nicht hier in meinem Ordner; das kann ich aber gerne nachreichen.

Zusatzfrage: Das wäre gut, damit man einmal eine Einordnung bekommt, wie viel die Stiftung Finanztest quasi im Gesamthaushalt der Stiftung Warentest ausmachen wird. Es heißt ja auch, diese Mittel würden für den Personalaufbau verwendet. Sind da schon konkrete Stellen geplant, um wie viele Stellen handelt es sich, und ab wann sollen diese besetzt werden?

zu Erbach-Fürstenau: Ich kann Ihnen nur sagen, dass es um 1,5 Millionen Euro geht. Wie viele Stellen sich dahinter verbergen, kann ich Ihnen nicht sagen. Es wird sicherlich die Aufgabe der Stiftung selbst sein, zu entscheiden, was sie mit den 1,5 Millionen Euro machen wird.

Zusatzfrage S: Ab wann kann die Stiftung damit rechnen?

zu Erbach-Fürstenau: Ich kann Ihnen nicht sagen, ab wann; das muss ich nachreichen.

Zusatzfrage: Also bekommen wir über den großen Verteiler noch die Information, wie viel Geld das für welche Stellen ist, ab wann diese Mittel fließen und woher sie kommen?

zu Erbach-Fürstenau: Ja. Wobei die Entscheidung über die Stellen, wie gesagt, Aufgabe der Stiftung selbst sein wird. Wir geben das Geld und die Stiftung regelt sozusagen, wie sie dem Auftrag gerecht werden wird.

Frage: Ich habe das aber richtig verstanden, dass die Stiftung keine direkte Anlageberatung machen soll? Der Markt für Finanzprodukte ist ja etwas komplizierter als der für Waschmaschinen. Wenn ich als Verbraucher weiß, dass ich eine Waschmaschine brauche, dann ist das ein relativ klarer Punkt, aber was ich als Finanzprodukt für welche Lebenssituation und für welche Familienaufstellung oder Familiensituation brauche, ist ja doch recht komplex - für welche Altersvorsorgelage, bin ich selbstständig oder abhängig beschäftigt usw. Das machen die aber alles nicht?

zu Erbach-Fürstenau: Ich kann Ihnen nicht abschließend sagen, was sie nicht macht, beziehungsweise ich kann nicht ausschließen, was sie macht. Es wird um die Vergleichbarkeit der Produkte gehen, es wird um die Überprüfbarkeit der Produkte gehen. Zu klären, welche konkreten Produkte darunter jetzt als erstes fallen, wird die Aufgabe der Stiftung selbst sein. Wie allumfassend die Stiftung es machen wird - im Vergleich mit den Waschmaschinen -, das kann ich Ihnen nicht sagen. Das wird die Stiftung jetzt selbst klären müssen.

StS Seibert: Bevor es zu Schwierigkeiten führt, nehme ich den Vergleich mit den Waschmaschinen gerne zurück.

Zuruf: Der war schön!

StS Seibert: Fand nicht jeder.

Frage: Herr Seibert, ich würde grundsätzlich noch gern zu den Themenfeldern des Koalitionsausschusses fragen: Ich war es bisher so gewohnt, dass man auch die groben Linien und die nächsten entscheidenden Maßnahmen oder Reformen bespricht. Warum ist man davon jetzt abgewichen und auch sehr - wie wir jetzt auch an diesem Beispiel gesehen haben - in die Niederungen der Ebene gegangen? Was hat diesen Sinneswandel bewirkt?

StS Seibert: Wäre man ganz im Allgemeinen geblieben, würden Sie jetzt sagen: Naja, ihr habt euch ja mit allgemeinen wolkigen Erklärungen zufrieden gegeben und habt sie nicht ausgearbeitet. Nun, finde ich, ist es eine gute Mischung an Vorstößen, von denen Sie merken, dass sie noch nicht bis ins letzte ausgearbeitet sind, und doch schon recht präzise ausformulierten Vorhaben. Ich finde, dass die Mischung stimmt.

Frage: Herr Seibert, was hat die Koalition bewogen, sich mit dem Thema gewerbliche Sterbehilfe zu befassen?

StS Seibert: Ich kann nicht in die Details gehen; ich bin in dieses Thema, ehrlich gesagt, nicht so eingelesen. Ich glaube, wir alle wissen aber, dass es in Nachbarländern der Bundesrepublik - in den Niederlanden, wozu ich kürzlich einen Beitrag im Fernsehen über mobile Sterbehilfeteams sah, und in der Schweiz - Entwicklungen gibt, die uns bei diesem sensibelsten aller Themen aufmerksam machen müssen. Ich denke einmal, diese um uns herum deutlich zu spürende und zu sehende Entwicklung in verschiedenen europäischen Ländern hat die Bundesregierung beziehungsweise hat die Koalitionsspitzen aufmerksam gemacht und lässt sie jetzt auch ein gemeinsames Vorhaben formulieren, das da heißt: "Die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung werden wir unter Strafe stellen." Das ist das, was der Koalitionsvertrag im Übrigen auch schon formuliert hat. Nun ist es an der Zeit, dies umzusetzen.

Jopp: Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte Sie kurz darüber informieren, dass sich seit dem 1. März der irakische Gesundheitsminister zu einem Arbeitsbesuch in Deutschland aufhält. Das Interesse des Irak an deutschen Gesundheitsprodukten, an deutscher Spitzentechnologie und Serviceleistungen ist sehr hoch. Entsprechend hat sich der Minister hier in Deutschland mit Vertretern der Industrie, mit Krankenhäusern und den Hochschulen getroffen. Der Minister wird sich heute mit Gesundheitsminister Bahr treffen und es ist beabsichtigt, eine gemeinsame Erklärung zu unterzeichnen, die als erster Schritt zum Ausbau der Zusammenarbeit zwischen Irak und Deutschland auf dem Gebiet des Gesundheitswesens gilt.

Laubinger: Ich möchte kurz über eine Reise der Ministerin informieren. Die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird anlässlich des internationalen Frauentags am Mittwoch dieser Woche nach Tunesien reisen, um sich persönlich ein Bild von der Lage der Frauen vor Ort zu machen. Auf dem Programm stehen unter anderem ein Gespräch mit dem tunesischen Präsidenten Moncef Marzouki, eine Diskussion mit tunesischen Bloggerinnen und ein Treffen mit einheimischen Frauenrechtlerinnen. Dabei geht es der Ministerin darum, die wichtige Rolle der tunesischen Frauen während der Revolution und bei der demokratischen Entwicklung des Landes zu würdigen.

Frage: Ich habe eine Frage zu Spanien: Am Freitag haben 25 Länder den Fiskalpakt unterschrieben, und eine Stunde oder zwei Stunden danach hat Mariano Rajoy angekündigt, dass Spanien das Defizitziel verfehlen würde, das heißt, das Defizit wird dieses Jahr statt 4,4 Prozent 5,8 Prozent betragen. Was hat die deutsche Regierung dazu zu sagen? Hat Mariano Rajoy Frau Merkel darüber informiert, bevor er sich mit dieser Ankündigung an die spanische Presse gerichtet hat?

StS Seibert: Über vertrauliche Gespräche von Herrn Rajoy mit der Bundeskanzlerin kann ich Ihnen hier nicht Auskunft geben. Ich will das, was da am Freitag bekanntgegeben wurde, auch nicht kommentieren. Es bleibt dabei: Spanien unterliegt wie alle anderen Eurostaaten den Anforderungen des Stabilitäts- und Wachstumspaktes. Spanien hat den Fiskalpakt mit unterzeichnet und wird ihn jetzt hoffentlich auch zügig ratifizieren. Daraus ergeben sich Rechte und Pflichten, auch was die Aufstellung der nationalen Haushalte betrifft - für jedes Mitglied.

Zusatzfrage: Das bedeutet, es gibt keine Flexibilität gegenüber Ländern wie Spanien, Irland oder Portugal, die immer noch große Probleme haben, diese Ziele zu erreichen?

StS Seibert: Dazu ist von der Bundeskanzlerin schon am Freitag alles in Brüssel gesagt worden; dem habe ich jetzt nichts hinzuzufügen.

Frage: In Deutschland muss der Fiskalpakt nun ja mit Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Die Opposition sagt, sie wolle Bedingungen stellen. Geht die Regierung jetzt auf die Oppositionsführer zu, sind Gespräche mit SPD-Vertretern und Grünen-Vertretern geplant?

StS Seibert: Zunächst einmal zeigt sich doch in Deutschland - das ist am letzten Montag im Bundestag klar geworden, als es eine überwältigende Zustimmung zum zweiten Griechenland-Paket gab -, dass die Politik der Bundesregierung bei der Bewältigung der Krise im Euroraum von einer sehr breiten parteiübergreifenden Mehrheit im Bundestag mitgetragen wird.

Die Linie der Bundesregierung war stets: Wir müssen die akute Krise bewältigen und wir müssen gleichzeitig - das muss Hand in Hand gehen - Vorsorge für die Zukunft treffen. Deshalb müssen wir eine nachhaltige Stabilitätsunion errichten, die eben auf das Fundament aus Solidität, aus Solidarität und aus Wachstum aufgebaut ist. Diese drei Punkte gilt es immer wieder nebeneinanderzustellen. Für die Solidität ist der am Freitag in Brüssel unterzeichnete Fiskalpakt ein ganz entscheidender Baustein dieser neuen Stabilitätsunion. Für die Solidarität ist der um ein Jahr vorgezogene ESM zu nennen - ein ganz wichtiger Punkt, jetzt noch mit der Einigung auf europäischer Ebene, das Kapital schneller einzuzahlen, als es ursprünglich geplant war. Für die Solidarität gibt es eben den dritten Baustein: Das ist der ESM und das ist die Konzentration auf die Förderung von Wettbewerbsfähigkeit, von Beschäftigungsmöglichkeiten, wie sie die letzten beiden Europäischen Räte geprägt hat. Diese drei Bausteine einer nachhaltigen Stabilitätsunion liegen - das ist unsere Überzeugung - im ureigenen Interesse Deutschlands und seiner Bürger. Das ist im Übrigen auch die verfassungsrechtliche Grundlage für unsere Teilnahme an der Wirtschafts- und Währungsunion, nachzulesen im Maastricht-Urteil.

Deswegen - jetzt komme ich auf die Frage zurück - ist die Bundesregierung auch ganz zuversichtlich, dass dieser Gesamtansatz aus Solidität, Solidarität und Wachstum auch in Zukunft, wie bisher, von einer breiten, einer parteiübergreifenden Mehrheit getragen werden wird, und dass deswegen auch die erforderliche Mehrheit von zwei Dritteln dem Fiskalpakt zustimmen wird. Wenn es dazu notwendig ist, Gespräche zu führen, wird sich die Bundesregierung, wie in der Vergangenheit, auf diese Gespräche freuen.

Frage: Herr Seibert, ist es zutreffend, dass nicht nur der Fiskalpakt mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden muss, sondern auch der ESM-Vertrag, und dass es Überlegungen gibt, beide Abstimmungen möglicherweise schon in der Woche nach Ostern im Bundestag anzusetzen?

StS Seibert: Erstens kann ich Ihnen über den parlamentarischen Ablauf, den natürlich der Bundestag selber ansetzt, nichts sagen, und zweitens würde ich zum ESM jetzt einmal Herrn Blankenheim bitten.

Blankenheim: Beim ESM-Vertrag ist keine Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich.

Zusatzfrage: Spielt denn noch in irgendeiner Weise ein Urteil des Bundesverfassungsgericht, das zu diesem Thema erwartet wird, eine Rolle?

Blankenheim: Ich glaube, ich weiß jetzt nicht, was Sie meinen. Beim Fiskalvertrag ist nach Art. 23 Abs. 1 Satz 3 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 2 des Grundgesetzes eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag erforderlich. Das hat den Hintergrund, dass durch den Fiskalvertrag die Regelungen der Schuldenbremse, die wir im Grundgesetz haben, letztendlich völkerrechtlich bindend werden und dadurch nicht mehr ohne Weiteres geändert oder ergänzt werden können. Im ESM-Vertrag ist mir das jetzt nicht bekannt; da ist eine einfache Mehrheit vorgesehen.

Frage: Ich möchte gerne eine Frage von Freitag an das Finanzministerium wiederholen: Was heißt denn jetzt ganz konkret die Einigung über den ESM für den Bundeshaushalt? Ist jetzt schon klar, welche Tranchen wann in welcher Höhe gezahlt werden, und was heißt das konkret mit Blick auf die Neuverschuldung?

StS Seibert: Nach der Einigung in Brüssel am Freitag kann man sich das ganz klar ausrechnen. Die ersten beiden Tranchen werden in diesem Jahr gezahlt; das ist die Brüsseler Einigung. Nun muss man nur noch den Anteil Deutschlands an den Kapitaleinzahlungen nehmen. Die ersten beiden Tranchen davon werden dann in diesem Jahr fällig.

Zusatzfrage: Das war die Frage vom Freitag, die ich schon einmal gestellt habe, wo gesagt wurde: Das kann noch nicht beantwortet werden. Deswegen möchte ich fragen: Wie hoch sind die ersten beiden Tranchen, wann werden sie gezahlt und was heißt das konkret für den Bundeshaushalt? Deswegen frage ich das Finanzministerium.

Blankenheim: Es ist ja vorgesehen, dass von den Mitgliedstaaten 80 Milliarden Euro sofort einzahlbares Kapital beim ESM zu leisten sind. Der deutsche Anteil entspricht der EZB-Quote Deutschlands, beträgt also rund 27,1 Prozent. Ursprünglich hatte man vorgesehen, das in Fünf-Jahres-Tranchen zu zahlen. Wenn jetzt natürlich zwei Jahrestranchen auf einen Schlag gezahlt werden, müssen Sie also die 80 Milliarden Euro mal den deutschen Anteil von 27,1 Prozent nehmen - das ist irgendwas um die 21 Milliarden Euro, wenn mich nicht alles täuscht; aber legen Sie mich jetzt nicht fest -, und davon dann eben durch fünf und mal zwei - zwei Fünftel sind ja die Tranchen, die in diesem Jahr eingezahlt werden.

Zusatzfrage: Könnten Sie uns das freundlicherweise einmal als absolute Zahl sagen?

Blankenheim: Das müsste ich Ihnen als absolute Zahl nachreichen; ich möchte das hier jetzt nicht im Kopf ausrechnen. Das liefere ich Ihnen einfach nach, und dann haben Sie es definitiv.

Zusatzfrage: Da gibt es doch bestimmt jemanden, der Ihnen eine kleine SMS schicken kann?

Blankenheim: Sie bekommen das auf jeden Fall ganz zeitnah, keine Sorge.

Zusatzfrage: Haben ob diese Zahlungen Auswirkungen auf den aktuellen Bundeshaushalt, sprich auf die Neuverschuldung? Andersherum gefragt: Wird es aufgrund dieser ESM-Zahlungen einen Nachtragshaushalt geben?

Blankenheim: Nach meinem Stand hat der Minister verschiedentlich schon bestätigt, dass es einen Nachtragshaushalt geben wird.

Zusatzfrage: Wann wird es diesen Nachtragshaushalt geben?

Blankenheim: Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen.

Vorsitzender Mayntz: Auch das freuen wir uns nachgereicht zu bekommen - jetzt oder im Laufe des Mittags.

Frage: Herr Seibert, wie weit sind die Beratungen innerhalb der Regierung über die Aufstockung des ESM gediehen, die ja international gefordert wird? Wird es dazu kommen, dass der EFSF noch parallel zum ESM in Funktion bleiben wird?

StS Seibert: Ich kann Ihnen jetzt wirklich nur die Antwort geben, die Sie möglicherweise nicht befriedigen wird, dass wir bei dem mit den internationalen Partnern vereinbarten Zeitplan bleiben, der im Übrigen beim Brüsseler Rat am Freitag noch einmal bestätigt wurde. Dieser Zeitplan sieht vor, dass man im März - aber wir haben heute erst den 5. März - gemeinsam diskutiert und bewertet, wie damit zu verfahren ist.

Die deutsche Haltung war und ist, dass es in dieser heiklen Phase sinnvoll ist, die Umsetzung des PSI abzuwarten, welche Entwicklungen sich dadurch auf den im Vergleich zum Dezember ohnehin bereits entspannten Anleihemärkten ergeben, und dann auf dieser Basis rechtzeitig im März zusammenzukommen, die Sache zu bewerten und danach mögliche Handlungen vorzunehmen oder auch nicht. Das ist die deutsche Haltung. Diese haben am Freitag viele unserer europäischen Partner verstanden, weswegen es in Brüssel genau so bekräftigt wurde.

Frage: Wir nähern uns in Windeseile dem Ende der Erklärungsfrist der privaten Gläubiger Griechenlands zu dem angebotenen Anleihentausch. Ist schon klar, wie viel Geld der deutsche Bankenrettungsfonds SoFFin bei der FMS Wertmanagement - das ist die Bad Bank der HRE - zuschießen muss, damit die FMS bei diesem Schuldenschnitt mitmachen kann?

Blankenheim: Bei der FMS Wertmanagement beträgt das Nominalvolumen des Griechenland-Engagements rund 9 Milliarden Euro. Vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Entwicklungen in Griechenland hat sich die FMS Wertmanagement bereits im vergangenen Jahr dazu bereitgefunden, eine zusätzliche Risikovorsorge von knapp 6 Milliarden Euro zu bilden. Das ist der derzeitige Stand. Für die FMS Wertmanagement liegt bisher keine verlässliche, abschließende Zahl für den Jahresabschluss 2011 vor. Insofern muss ich Sie darauf verweisen, dass das noch veröffentlicht wird. Die beiden Abwicklungsanstalten arbeiten intensiv an der Ermittlung dieser Zahlen. Das ist die Info, die ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt dazu geben kann.

Zusatzfrage: Werden beide Bad Banks, also die von der HRE und die von der WestLB, das Umtauschangebot der griechischen Regierung annehmen?

Blankenheim: Ich kann jetzt für die Bundesregierung beziehungsweise für das Bundesfinanzministerium nur sagen, dass beide staatliche Abwicklungsanstalten in eigener Verantwortung über die Teilnahme am griechischen PSI, insbesondere an dem Umtausch für die privaten Gläubiger, entscheiden. Die Entscheidung ist ausschließlich nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zu treffen und obliegt dem Vorstand und dem Verwaltungsrat der jeweiligen Abwicklungsanstalt. Die Bundesregierung nimmt hierauf keinen Einfluss.

Frage: Ich hätte gerne einen Kommentar zum "Spiegel"-Bericht über ein drittes Hilfspaket für Griechenland.

StS Seibert: Es ist ein zweites Hilfspaket für Griechenland beschlossen worden. Dessen Umsetzung hat jetzt Priorität. Ich kann Ihnen etwaige "Spiegel"-Meldungen nicht bestätigen.

Frage: Es wird berichtet, dass in dem ursprünglichen Troika-Bericht eine Passage enthalten gewesen sei, die diese 50 Milliarden Euro ab 2015 enthält. Weiß das BMF von dieser Passage?

Blankenheim: Ich kann nur sagen, dass die 50 Milliarden Euro, von denen berichtet worden ist, eine bekannte Zahl ist. Das sind Zahlungsverpflichtungen nach dem Jahr 2014. Ist dies das, was Sie dazu hören wollten?

Zusatz: Ihnen ist die Zahl also bekannt. Mir war sie nicht bekannt.

Blankenheim: Das ist nach meinem Kenntnisstand die Zahl der fällig werdenden Zahlungsverpflichtungen nach dem Jahre 2014.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert bezüglich des "Spiegel"-Artikels über eine mögliche Allianz von verschiedenen konservativen europäischen Politikern, um den französischen Präsidentschaftskandidaten Hollande nicht zu empfangen. Sie haben das schon gestern dementiert. Ich möchte hören, ob Sie das hier an dieser Stelle noch einmal tun, womit ich mit großer Wahrscheinlichkeit rechne. Wenn dies der Fall ist, dann hat dieser Bericht vor allem in Frankreich für böses Blut gesorgt. Ist die Kanzlerin dadurch eventuell unter Druck geraten, um sozusagen die Audienzanfrage von Herrn Hollande noch einmal zu prüfen?

StS Seibert: Ich wiederhole sehr gerne, was ich am Wochenende gesagt habe: Die Berichterstattung über eine solche angebliche Allianz, wie Sie sagen, ist falsch. Es gibt keine solche Allianz. Jeder Regierungschef in Europa - die Bundeskanzlerin wie auch ihre europäischen Kollegen - ist frei und eigenständig in der Entscheidung, ob sie oder er Herrn Hollande empfängt oder nicht. Es ist besonders bedauerlich, wenn eine solche falsche Berichterstattung dann in manchen Kreisen, wie Sie sagen, zu bösem Blut führt, weil es keinen Grund für solches böses Blut gibt; denn es gibt keine solche Allianz. Das ist das, was ich dazu zu sagen habe.

Zusatzfrage: Ist die Beantwortung der Anfrage, die die französischen Sozialisten gestellt haben, definitiv, oder wurde die Antwort schon gegeben?

StS Seibert: Für ein Treffen mit Herrn Hollande gibt es bislang keinen Termin im Kalender der Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Schließen Sie das aus?

StS Seibert: Ich sage: Es gibt bislang keinen Termin.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und, damit verbunden, gleichzeitig an Herrn Peschke: Teilt die Kanzlerin die Sorgen, die es im Außenministerium offensichtlich gibt, dass ein solches Schneiden von Herrn Hollande - oder wie auch immer man das nennen mag - zu einer Belastung der deutsch-französischen Beziehungen werden könnte? An Herrn Peschke die Frage: Gibt es im Auswärtigen Amt tatsächlich solche Sorgen, oder sind diese Berichte aus der Luft gegriffen?

StS Seibert: Es ist zwar selbstverständlich, aber ich will es trotzdem gerne wiederholen: Die Bundesregierung wird mit jeder französischen Regierung, mit jedem französischen Staatspräsidenten eng, vertrauensvoll und gut zusammenarbeiten. Das ist selbstverständlich, wenn man einmal betrachtet, in welch enger Nachbarschaft, Freundschaft und auch europäischer Schicksalsgemeinschaft Deutschland und Frankreich leben.

Peschke: Das kann ich nur bestätigen und möchte ergänzen: Fast gleichlautend hat sich der Bundesaußenminister in einer Sonntagszeitung geäußert. Er hat dort sinngemäß gesagt, dass die Bundesregierung selbstverständlich nicht Teil des französischen Wahlkampfes ist und dass die Bundesregierung hervorragend mit der jetzigen französischen Regierung zusammenarbeitet, aber dass Deutschland natürlich mit jeder Regierung, mit jedem Präsidenten, den das französische Volk wählt, sehr gut zusammenarbeiten wird. Das ist exakt das, was auch der Regierungssprecher gerade gesagt hat. Ich denke, das ist eine Selbstverständlichkeit, die natürlich eingehalten werden muss.

Zusatzfrage: Herr Peschke, gibt es beim Außenminister die Sorge, dass, wenn sich die Kanzlerin explizit in den Wahlkampf von Herrn Sarkozy einmischen möchte, damit einem schlechten Gefühl - wir haben es gerade gehört - auf französischer Seite Vorschub geleistet werden könnte, oder sieht der Außenminister das völlig wertfrei?

Peschke: Auch dazu kann ich wiederum nur auf das verweisen, was er am Wochenende selbst gesagt hat. Hinsichtlich einer möglichen Beteiligung verschiedener Parteien aus dem Ausland am Wahlkampf hat er gesagt, er rate allen Parteien zur Zurückhaltung. Das ist eine generelle Aussage gewesen, die er natürlich mit Bedacht getroffen hat. Seine Meinung ist, dass jeder Anschein, der entstehen könnte - der aber leider schon entstanden ist -, dass sich die Bundesregierung in irgendeiner Weise in den französischen Wahlkampf einmischen wollte, vermieden werden muss. Aber noch einmal - der Regierungssprecher hat das eben klargestellt, und auch der Außenminister hat es gesagt -: Dem ist nicht so. Die Bundesregierung wird natürlich mit jeder französischen Regierung - ich kann das nur noch einmal wiederholen - sehr gut zusammenarbeiten.

StS Seibert: Ich möchte daran erinnern, dass der sozialistische Kandidat im November vergangenen Jahres beim SPD-Parteitag aufgetreten ist und in seiner Rede mehrfach gesagt hat, Deutschland solle sich im Herbst 2013 eine andere Regierung wählen. Das haben wir damals nicht beklagt. Warum auch? Es ist sein gutes Recht, das zu sagen. Aber dann soll sich auch keiner darüber beklagen, wenn die CDU-Vorsitzende im Wahlkampf möglicherweise für ihren Parteifreund Nicolas Sarkozy Position beziehen wird. Es gibt keinen Grund zu gegenseitiger Klage.

Zusatzfrage: Nach den Äußerungen von Herrn Peschke liegt die Frage nahe, ob die Kanzlerin, wenn es da im Auswärtigen Amt Bedenken gibt, möglicherweise ihre Terminplanung überdenkt, um solche Probleme auszuschließen, die auch nach Meinung des Außenministers entstehen könnten.

StS Seibert: Noch ist gar kein Termin für einen solchen Auftritt bekannt gegeben worden, welche Form der Unterstützung gewählt wird und an welchem Tag. Darüber wird Sie dann wahrscheinlich die CDU-Parteizentrale rechtzeitig unterrichten. Es gibt überhaupt keinen Grund zur Sorge. Zwischen dem Auswärtigen Amt und dem Kanzleramt ist vollkommen klar, dass es die deutsch-französische Freundschaft erfordert, dass Regierungen eng und gut zum Wohle beider Völker zusammenarbeiten. Das war nie anders, und das wird auch nie anders werden.

Frage: Ich komme auf das Thema Spanien zurück. Wie würden Sie den Schritt betrachten, den Mariano Rajoy am Freitag wegen der Obsession in Bezug auf die Maßnahmen von Deutschland und anderen Ländern gemacht hat, als eine Art Rebellion, einen Alleingang oder eine Art Allianz der südlichen Länder?

StS Seibert: Deutschland ist nicht von dem Gedanken an Sparmaßnahmen besessen, und das weiß Mariano Rajoy sehr genau. Ich habe vorhin versucht, Ihnen die drei Pfeiler der deutschen Europapolitik, der deutschen Euro-Krisenbewältigungspolitik darzustellen: Solidität, Solidarität und Wachstumsförderung. Daraus wird sehr klar - ich bin sicher, dass man das der spanischen Regierung gar nicht erklären muss - , dass es so etwas wie eine deutsche Obsession überhaupt nicht gibt.

Zusatzfrage: Finden Sie es normal, dass er ankündigt, Spanien werde das Defizitziel in diesem Jahr nicht erreichen können?

StS Seibert: Ich habe das vorhin nicht kommentiert und werde das auch jetzt nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Warum nicht?

StS Seibert: Es gibt dafür keinen Grund. Spanien - wie auch Deutschland - hat sich am Freitag per Unterschrift zum Fiskalpakt bekannt. Das ist die europäische Realität, die zählt und die uns helfen wird, die notwendigen Konsequenzen aus der Krise zu ziehen, und die im Übrigen jedem Land sehr klar sagt - von der Einführung einer Schuldenbremse bis zu der Erstellung von Haushalten -, was es zu tun hat. Die Regeln sind für jedes Land gleich.

Zusatzfrage: Aber was ist, wenn man sagt: "Diese Regel kann ich nicht respektieren. Ich schaffe das nicht"?

StS Seibert: Ich denke, es zählt die Unterschrift unter dem Fiskalpakt.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu der Anfrage aus Frankreich: Nach welchen Kriterien geht die Bundeskanzlerin bei solchen Fällen vor? Hat sie bei der letzten Wahl in Frankreich die damalige sozialistische Gegenkandidatin von Herrn Sarkozy hier in Berlin empfangen?

StS Seibert: Das stimmt, das hat sie. Aber Sie erinnern sich sicherlich auch daran, dass vor fünf Jahren eine vollkommen andere Konstellation war: Damals waren sowohl Herr Sarkozy als auch Ségolène Royal Kandidaten ihrer Parteien. Keiner der beiden war der amtierende Staatspräsident, der um eine weitere Amtszeit nachsuchte. Nun ist Nicolas Sarkozy der amtierende Staatspräsident, der um eine weitere Amtszeit nachsucht, noch dazu ein Staatspräsident, mit dem die Kanzlerin in sehr schwierigen europäischen Zeiten ganz besonders eng und vertrauensvoll zusammengearbeitet hat und den sie daher unterstützt.

Frage: Wenn für Deutschland gilt, dass sich die Regierung nicht in die inneren Angelegenheiten Frankreichs einmischen will, wieso kann sich dann Herr Schäuble in die Frage der Wahl in Griechenland einmischen, sich öffentlich darüber äußern und den Griechen empfehlen, die Wahlen nicht abzuhalten?

StS Seibert: Die Grundsätze, wie wir unsere europäischen Partner behandeln und mit welchem Respekt wir an sie herangehen, sind für jedes Land gleich. Herr Schäuble hat den Griechen keineswegs irgendeine Vorschrift in Bezug auf ihre Wahlen gemacht. Er hat möglicherweise eine Meinung geäußert. Auch aus Griechenland werden ständig, nahezu täglich, Meinungen über die Bundesregierung und ihre Politik geäußert. Das ist normales europäisches Verhalten. Es war aber immer klar - das ist eine Selbstverständlichkeit; aber heutzutage müssen wir offensichtlich alle Selbstverständlichkeiten neu betonen -, dass die Entscheidung, wann und wie Wahlen abgehalten werden, in dem jeweiligen Land, in dem jeweiligen Parlament liegt.

Zusatzfrage: War das eine wertfreie Äußerung, oder hat er damit ein bestimmtes Ziel verfolgt? War das nicht mit einem bestimmten Druck verbunden, die Griechen sollten unter den gegebenen Umständen und angesichts der Lage, in der sie sich befinden, doch dieser Empfehlung folgen?

StS Seibert: Die Bundesregierung übt keinerlei Druck auf die griechische Regierung in Bezug auf Wahlen oder Nicht-Wahlen aus.

Frage: Gibt es überhaupt keine Bewertung der Bundesregierung zu der Ankündigung von Herrn Rajoy?

StS Seibert: Ich sage es gerne zum dritten Mal: Was für die Bundesregierung zählt, ist die enge Zusammenarbeit mit der spanischen Regierung, die sich in Treffen und vielerlei Verlautbarungen geäußert hat. Was zählt, ist, dass Spanien eine überzeugte Unterschrift unter den Fiskalpakt geleistet hat. Was zählt, ist das, was die europäischen Staaten jetzt aus diesem Fiskalpakt machen. 25 Staaten haben sich dazu bekannt. Das ist ein großartiges Ergebnis. Deutschland und Spanien sind darunter. Der gemeinsame Weg ist also vorgezeichnet.

Frage: Herr Peschke, wie bewertet das Auswärtige Amt die ehrabschneidenden Äußerungen von Herrn Lukaschenko über den Bundesaußenminister?

Peschke: Was soll ich dazu sagen? Diese Aussagen sprechen natürlich für sich selbst. Sie sagen leider viel über die Geisteshaltung desjenigen aus, der sie getätigt hat. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Was uns selbst betrifft, so wird Außenminister Westerwelle selbstverständlich unverändert den deutschen und europäischen Kurs der Einforderung demokratischer Freiheiten sowie der Menschen- und Bürgerrechte in Weißrussland fortsetzen.

StS Seibert: Ich würde genau ins gleiche Horn stoßen. Diese Äußerung disqualifiziert sich selbst. Sie zeigt leider sehr deutlich die Haltung, die der weißrussische Präsident zu den Grundrechten einnimmt. Interessant ist an der Sache, dass man auf diesem Weg erfährt, dass sich Herr Lukaschenko nun auch selbst als Diktator einstuft. Das ist im Übrigen eine Einschätzung, zu der die Bundesregierung schon vor Längerem gekommen ist und für deren Richtigkeit der weißrussische Präsident leider fast täglich neue Beweise liefert.

Frage: Ich habe eine Frage an das Familienministerium: Frau Laubinger, die "Welt am Sonntag" hat am Wochenende in Bezug auf eine Studie des Deutschen Jugendinstituts berichtet, dass es im Zusammenhang mit in Babyklappen abgegebenen Kindern erhebliche Defizite gibt. Nun gibt es politische Forderungen nach Konsequenzen daraus. Welche könnten das aus der Sicht Ihres Ministeriums sein? Haben Sie schon mögliche Konsequenzen eingeleitet?

Laubinger: Die Ministerin hat schon vor einiger Zeit angekündigt, dass sie eine gesetzliche Regelung in diesem Bereich anstrebt. Das ist ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag, nämlich die Möglichkeiten der vertraulichen Geburt und der Babyklappen, in denen Säuglinge abgegeben werden können, gesetzlich zu regeln. Ziel ist, unbegleitete Geburten mit gesundheitlichen Gefahren für Mutter und Kind zu verhindern, genauso wie Fälle, in denen Neugeborene ausgesetzt oder getötet werden. Zielgruppe dieser Regelung sind Frauen, die ihre Schwangerschaft verdrängen oder verheimlichen und vom regulären Hilfesystem derzeit nicht erreicht werden.

Das Gesetz soll Müttern für eine gewisse Dauer die Anonymität der Daten garantieren. Damit die Kinder aber auch die Chance haben, ihre eigene Identität festzustellen, soll die Herkunft nach einer Frist von rund zehn Jahren veröffentlicht werden. Eine gesetzliche Regelung ist also im Gespräch. Das Thema ist aber für Schnellschüsse zu vielschichtig und zu sensibel.

Wir wissen: Es geht um Lebensschutz und um Hilfe in schweren Konfliktlagen in der Schwangerschaft beziehungsweise rund um die Geburt. Bei diesem Gesetz geht es auch um personenstandsrechtliche Fragen. Das heißt, die eine oder andere ruhige Minute ist notwendig, um sich mit diesen Fragen zu beschäftigen.

Jetzt geht es darum, gemeinsam mit den Fraktionen eine gute Regelung zu finden und sich nicht auf die Unterschiede zu fokussieren, sondern auf die Gemeinsamkeiten, die zu erreichen sind. Hierbei zeichnen sich zwar Mehrheiten der Vernunft ab. Aber es wird noch Zeit nötig sein, um da wirklich eine wohlabgewogene Lösung zu finden.

Zusatzfrage: Das hört sich so an, als wenn es aus der Sicht Ihres Ministeriums in dieser Legislaturperiode nichts mehr werden würde. Oder ist es Ihr Ziel, dass es noch innerhalb der Legislaturperiode eine Neuregelung gibt?

Laubinger: Das ist jetzt Ihre Interpretation, die ich mir nicht zu eigen mache. Wir sind dabei, an diesem Themenbereich zu arbeiten. Ich kann Ihnen keinen genauen Zeitpunkt nennen, aber die arbeiten, und die Gespräche in diesem Themenbereich sind im Gange.

Frage: Herr Seibert, Herr Dienst, es gibt jetzt lauter werdende Kritik an der Ausgestaltung eines Großen Zapfenstreiches für den Bundespräsidenten a. D. Christian Wulff. Wie nehmen Sie diese Kritik politisch wahr? Dass ihm das rechtlich zusteht, ist, glaube ich, unstrittig, aber wie wird das von der Kanzlerin und vielleicht auch vom Verteidigungsminister wahrgenommen, der ja dafür von einem früheren Heeresinspekteur kritisiert worden ist?

StS Seibert: Ein Zapfenstreich für einen scheidenden Bundespräsidenten steht ganz und gar in der Tradition der Bundeswehr. Deswegen ist es zu begrüßen, dass er auch diesmal stattfinden wird. Ich möchte daran erinnern, dass dieser Bundespräsident eine Vielzahl von Veranstaltungen und Terminen mit und bei der Bundeswehr wahrgenommen hat und dass ihm das Verhältnis zur Bundeswehr auch gerade in dieser schwierigen Zeit des Umbaus der Bundeswehr ganz besonders am Herzen gelegen hat. Dass sich das in einem Zapfenstreich ausdrückt, erscheint angemessen.

Dienst: Das kann ich nur insofern ergänzen, als in all diesen Fragen das Amt im Vordergrund steht.

Frage: Zum früheren Bundespräsidenten: Es gibt eine Diskussion nicht nur über den Ehrensold, sondern auch darüber, ob dem Bundespräsidenten nach etwa der Hälfte seiner Amtszeit das zusteht, was allen Bundespräsidenten zusteht, nämlich die Ausstattung mit einem Arbeitszimmer und persönlichen Mitarbeitern. Hat die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang auch eine Meinung?

StS Seibert: Diese Frage liegt überhaupt nicht im Ermessen der Bundeskanzlerin oder der Bundesregierung. Diese Frage wird entsprechend den Bestimmungen, die es da gibt, erledigt und beantwortet, aber nicht von der Bundesregierung und nicht von der Bundeskanzlerin.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Frage zu einem anderen Thema, wahrscheinlich an das Wirtschaftsministerium. Es geht dabei um das brasilianische Kernkraftwerk Angra III. In diesem Zusammenhang ist eine Hermes-Bürgschaft in Höhe von 1,3 Milliarden Euro geplant. Die Frage ist: Ist denn die Absicherung - es geht dabei um den Konzern Areva - mittlerweile gebilligt, oder befindet sich das noch in der Abstimmung?

Wiegemann: Brasilien hat die souveräne Entscheidung getroffen, am Standort Angra ein drittes Kernkraftwerk zu errichten, und die Bundesregierung respektiert selbstverständlich diese souveräne Entscheidung der brasilianischen Regierung. Brasilien ist für die Bundesrepublik sowohl politisch als auch wirtschaftlich ein wichtiger Partner. Grundsätzlich gilt: Die Bundesregierung ist sich der besonderen Sensibilität in Bezug auf Nuklearprojekte bewusst. Soweit Exportkreditgarantien für Lieferung und Leistung in Bezug auf Kernkraftwerke beantragt werden, werden besonders strenge Prüfanforderungen angelegt.

Für die Verlängerung der Grundsatzzusage für Angra III hat die Bundesregierung zum Beispiel weitere Auflagen vorgesehen. Danach ist ein weiteres Gutachten vorgesehen. Die Bundesregierung geht davon aus, dass dieses Gutachten im ersten Quartal vorliegen wird. In diesem Gutachten soll geprüft werden, ob die Auflagen aus dem brasilianischen Genehmigungsverfahren erfüllt worden sind. Weiter soll festgestellt werden, ob und wie die Erkenntnisse aus der Havarie von Fukushima beim Bau des Kernkraftwerks Angra III berücksichtigt werden. Im Gutachten sollen folgende Aspekte berücksichtigt werden: die Erdbebensicherheit, Hochwasser, Stromversorgung und Kühlung, Notfallpläne, Evakuierungsmöglichkeiten und Fragen des Berg- und Erdrutsches. Erst wenn die Bundesregierung die Ergebnisse dieses Gutachtens als zufriedenstellend erachtet, wird es zur endgültigen Indeckungnahme des Projektes kommen. Eine weitere Befassung des Haushaltsausschusses des Bundestags ist zugesagt, um über die Ergebnisse dieser Prüfung zu unterrichten. Außerdem wird es ein begleitendes Monitoring während der Bauphase geben. Dadurch soll sichergestellt werden, das die Anforderungen der brasilianischen Nuklearaufsicht eingehalten werden.

Zusatzfrage: Kennen Sie einen zeitlichen Horizont, wann der Haushaltsausschuss befasst werden könnte?

Wiegemann: Das Gutachten wird im ersten Quartal vorliegen, und natürlich ist das eine Vorbedingung.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 5. März 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/03/2012-03-05-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2012