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PRESSEKONFERENZ/396: Regierungspressekonferenz vom 26. März 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 26. März 2012
Regierungspressekonferenz vom 26. März 2012

Themen waren: Präsidentschaftswahlen im Senegal, Informationskampagne des BMELV gegen die Verschwendung von Lebensmitteln, Falschabrechnungen von Krankenhäusern, Rechtsgutachten zum ESM-Gesetz und Fiskalpakt, zweites Gipfeltreffen für Nuklearsicherheit, Vorratsdatenspeicherung.

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), zu Erbach-Fürstenau (BMELV), Kotthaus (BMF), Wiegemann (BMWi), Bauer (BMJ)


Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Schäfer: Ich würde gerne etwas zu den Präsidentschaftswahlen im Senegal sagen. Die Bundesregierung begrüßt den friedlichen und demokratischen Verlauf der zweiten Runde der Präsidentschaftswahlen im Senegal. Freie und faire Wahlen sowie die Akzeptanz des Ergebnisses durch alle Kandidaten sind ein Zeugnis der demokratischen Reife des Landes. Ein friedlicher Machtwechsel ist in Afrika noch immer keine Selbstverständlichkeit. Deshalb fällt es der Bundesregierung umso leichter, zu sagen, dass Deutschland auch weiterhin dem Senegal ein verlässlicher Partner sein wird.

Zu Erbauch-Fürstenau: Meine sehr verehrten Damen und Herren, 11 Millionen Tonnen Lebensmittel entsorgen Industrie, Handel, Großverbraucher und private Haushalte in Deutschland jedes Jahr im Abfall. Zu diesem Ergebnis kommt die Universität Stuttgart, die im Auftrag des Verbraucherschutzministeriums die Menge der Lebensmittelabfälle in Deutschland ermittelt hat.

"Zu gut für die Tonne" - unter diesem Motto setzt sich das Ministerium mit einer breiten Informationskampagne gegen das Wegwerfen von Lebensmitteln ein. Den Auftakt bildet eine Konferenz des Ministeriums am morgigen Dienstag, dem 27. März, in Berlin. Experten aus Industrie, Handel, Gastronomie und Landwirtschaft sowie Verbraucherschützer, Vertreter von Kirchen und NGOs werden gemeinsam über Strategien gegen die Verschwendung beraten. Morgen um 10.30 Uhr besteht die Möglichkeit für Auftaktbilder im Umweltforum in der Auferstehungskirche in Berlin. Um 12.30 Uhr findet am gleichen Ort die Pressekonferenz mit Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner, der Präsidentin der Welthungerhilfe, Frau Bärbel Dieckmann, und dem Vorstand der Verbraucherzentrale, Herrn Gerd Billen, statt, zu der Sie ebenfalls sehr herzlich eingeladen sind. Seit heute ist zudem die neue Website der Kampagne www.zugutfuerdietonne.de freigeschaltet. - Danke sehr.

Frage: Eine Frage an das Gesundheitsministerium: Zeitungsberichten zufolge plant die Union einen Gesetzesentwurf in Sachen Falschabrechnungen von Krankenhäusern. Inwieweit sieht das Ministerium in der Richtung Handlungsbedarf?

Albrecht: Es war eine Berichterstattung der "Süddeutschen Zeitung", wenn ich das richtig erinnere. Es gibt entsprechende Formulierungsvorschläge aus dem Bundesgesundheitsministerium. Diese sind in die Koordinierung eingebracht, sodass die Fraktionen jetzt sehen müssen, wie sie mit diesen Vorschlägen umgehen. Es ist augenscheinlich so, dass die FDP sich noch keine abschließende Meinung gebildet hat. Aber wir sehen dem zuversichtlich entgegen.

Die Formulierungshilfen stammen, wie gesagt, aus dem Gesundheitsministerium. Insofern können Sie sehen, dass wir einem Auftrag aus der Koalitionsfraktion nachgekommen sind. Wir werden dann sehen, wie die Fraktionen sich abschließend entscheiden.

Frage: Wie positioniert sich der Minister selber in der Frage?

Albrecht: Der Minister hat klar gemacht, dass wir dadurch, dass das Haus die Formulierungshilfen entsprechend vorgelegt hat, das aufnehmen wollen, was die Koalitionsfraktionen geregelt haben möchten. Wir werden sehen, wie die Fraktionen im weiteren Verfahren damit umgehen.

Wie gesagt: Die FDP-Fraktion - Sie haben es der Berichterstattung entnommen - muss sich da noch positionieren. Das Haus hat sich positioniert, indem es die Formulierungshilfen vorgelegt hat.

Zusatzfrage: Teilt der Minister die Einschätzung, dass es sich um einen höheren dreistelligen Millionenbetrag handelt, der durch Falschabrechnungen den Krankenkassen verloren geht?

Albrecht: So eine Einschätzung kann man im Zweifel nicht teilen. Das ist keine Frage von Meinung und Gegenmeinung. Es ist klar, dass dort etwas passieren muss und auch etwas passieren soll. Die Frage ist, wie es passiert. Wie gesagt: Die Formulierungshilfen liegen auf dem Tisch. Sie sind seitens des Hauses formuliert worden. Wir sehen dann, wie die Fraktionen damit umgehen werden.

Frage: Herr Seibert, es gibt heute neue Berichte in der "WELT", dass das Centrum für Europäische Politik in einem Rechtsgutachten zu der Einschätzung gekommen ist, dass für das ESM-Gesetz ebenso wie beim Fiskalpakt eine Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat erforderlich ist. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung diese rechtliche Lage einschätzt und welche Konsequenzen gegebenenfalls daraus gezogen werden.

StS Seibert: Ich will nur ganz allgemein sagen, dass sich unsere rechtliche Einschätzung nicht geändert hat, was die Notwendigkeiten der parlamentarischen Verabschiedung des ESM betrifft. Da das BMF das sozusagen ressortführend betreibt, kann Herr Kotthaus noch weiter ins Detail gehen. Für uns hat sich an unserer Einschätzung nichts geändert.

Kotthaus: Jetzt fällt es mir schwer, die Formulierung "nichts geändert" noch detaillierter auszuführen.

StS Seibert: Ach so, Entschuldigung!

Kotthaus: Beim Fiskalpakt kennen Sie die Mehrheitsverhältnisse. Das ist auch klar formuliert worden. Für den ESM haben die Ressorts, auch die Verfassungsressorts, das ausgiebig geprüft. Dort ist die Lage so, wie sie gerade Herr Seibert geschildert hat.

Frage: Herr Kotthaus, mich würde interessieren, wie in der Bundesregierung im Vorfeld der Finanzministerkonferenz Ende der Woche die Gespräche über eine Erhöhung des Deckungsrahmens des ESM geführt werden und inwieweit die zur Rede stehende Erhöhung mit der Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro, die bislang als rote Linie für Deutschland gegolten hat, in Einklang zu bringen wäre.

Kotthaus: Ich habe hier schon in der letzten Woche die Gelegenheit gehabt, kurz dazu Stellung zu nehmen. Noch einmal - ich insistiere darauf -, es geht nicht um eine Erhöhung, sondern es geht um die Frage: Wie stehen ESM - also der permanente Schirm - und der EFSF - also der temporäre Schirm - im Verhältnis zueinander? Sie wissen, dass die Staats- und Regierungschefs im Dezember gesagt haben: Die beiden Schirme sollen bis Sommer 2013 parallel nebeneinander laufen. Sie wissen auch, dass der ESM zunächst nur mit zwei Fünfteln ab dem Sommer 2012 operativ sein wird; denn es ist verabredet worden, dass erst einmal zwei Tranchen eingezahlt werden und die weiteren Tranchen sukzessive danach kommen. Dann haben wir also das Verhältnis, dass der ESM aufgebaut wird, um die volle Ausleihkapazität von 500 Milliarden Euro zu haben, und der EFSF parallel weiterläuft.

Was momentan eben diskutiert wird, ist die Frage: Wie stehen die beiden im Verhältnis zueinander, was bedeutet die Ausleihkapazität des EFSF für die Ausleihkapazität des ESM? Darüber laufen Gespräche. Es gab dazu letzte Woche eine erste Sitzung auf dem Level der Euro Working Group, die Staatssekretäre haben sich also in Brüssel getroffen. Daraus soll jetzt ein Vorschlag entstehen, mit dem sich dann die Minister bei dem informellen Treffen in Kopenhagen am Freitag und Samstag dieser Woche befassen werden. Das wird dann dementsprechend auch in der Bundesregierung abgestimmt werden müssen.

Zusatzfrage: Lässt sich das Parallellaufen mit der Haftungsobergrenze von 211 Milliarden Euro vereinbaren?

Kotthaus: Wie gesagt, die 211 Milliarden Euro beziehen sich ja auf den EFSF. Beim ESM haben wir 168 Milliarden Euro plus die eingezahlten knapp 22 Milliarden Euro an Cash. Das sind zwei verschiedene Inhalte, zwei verschiedene Haftungsbereiche. Aber wie ich gerade schon gesagt habe, geht es darum, zu schauen: Wie laufen EFSF und ESM parallel zueinander, wie stehen sie im Verhältnis zueinander? Darüber wird diskutiert. Es geht nicht darum, die Obergrenze des ESM zu erhöhen.

Zusatzfrage: Eine Frage an die Vertreterin des Wirtschaftsministeriums: Wird das von Ihrem Hause genauso gesehen? Sind Sie bereit, ein solches Parallellaufen hinzunehmen?

Wiegemann: Der Minister hat sich ja mehrfach zu dem Thema geäußert. Er hat gesagt, dass er eine Aufstockung des ESM weder für notwendig noch zielführend hält. Einer Parallelität von ESM und EFSF stehen wir grundsätzlich offen gegenüber.

Kotthaus: Wenn ich noch etwas ergänzen darf: Die Parallelität, also die Tatsache, dass beide bis Sommer 2013 parallel nebeneinander herlaufen, ist von den Staats- und Regierungschefs bereits am 9. Dezember 2011 beschlossen worden. Die Frage ist also: Wie stehen die beiden im Verhältnis zueinander? Die Parallelität, also dass beide eine Zeitlang nebeneinander existieren werden, ist schon seit dem 9. Dezember 2011 Beschlusslage.

Frage: Ich habe eine Nachfrage zu den Zwei-Drittel-Mehrheiten. Zum Fiskalpakt sind jetzt ja ohnehin Gespräche zwischen der Kanzlerin und den Fraktionen geplant. Können Sie etwas dazu sagen, wie da der Zeitplan aussieht und mit welchen Angeboten Sie möglicherweise in die Gespräche hineingehen, um die Zustimmung zu bekommen? Wird man, wenn man schon einmal dabei ist, sich zu einigen, möglicherweise doch gleich sicherheitshalber über eine Zwei-Drittel-Mehrheit für den ESM mit verhandeln, damit es hinterher nicht zu Klagen kommt?

StS Seibert: Die Rechtsauffassung zum ESM ist hier ja, glaube ich, ausführlich dargelegt worden. Beim Fiskalpakt ist tatsächlich - wie wir das auch immer gesagt haben - die Zwei-Drittel-Mehrheit notwendig. Das Ziel der Bundesregierung ist weiterhin, Fiskalpakt und ESM vor dem Sommer zusammen durch das Parlament zu bringen. Wen ich es richtig sehe, laufen jetzt Gespräche zum Fiskalpakt auf Fraktionsvorsitzendenebene, die vor allem das Ziel haben, gemeinsam einen Zeitplan für die parlamentarische Befassung aufzustellen. Das ist das, was ich Ihnen dazu sagen kann. Mit Sicherheit kann ich hier keine Angebote verkünden.

Frage: Ich habe eine Frage an den Herrn vom Außenministerium. Heute findet ja das Gipfeltreffen in Seoul zur nuklearen Sicherheit statt. Meine Frage ist: Was erwartet Deutschland von diesem Treffen, was ist die Haltung von Deutschland? Wie sollen sich Ihrer Meinung nach die großen Staaten, also Amerika, Russland und China verhalten?

Schäfer: In der Tat vielleicht auch für alle anderen hier Anwesenden nur zum Rahmen der Frage: Heute und morgen findet in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ein Gipfel rund um Nuklearenergie und nukleare Bewaffnung statt. Daran nehmen etwa 50 Staaten teil, etwa 30 von denen auf Ebene der Staats- und Regierungschefs. Deutschland wird durch Außenminister Westerwelle vertreten, der inzwischen auch in Südkorea eingetroffen ist.

Zur Haltung Deutschlands und zur Haltung des deutschen Außenministers in dieser Frage finden Sie heute in der "Frankfurter Rundschau" einen Gastbeitrag des Außenministers, aber das kann ich natürlich auch noch etwas ausführen: Aus Sicht der Bundesregierung ist der umsichtige und vernünftige Umgang mit der Nuklearenergie selbstverständlich ein ganz bedeutendes, herausragendes, prioritäres Anliegen. Deshalb ist es gut, dass ein solcher Gipfel nun schon zum zweiten Mal stattfindet. Sie wissen ja, dass es auf Initiative des amerikanischen Präsidenten bereits im Jahr 2010 einen solchen Gipfel gegeben hat. Es ist ganz wichtig, dass sich die Staaten, die sich mit dem Thema und der Materie beschäftigen, und zwar sowohl mit dem zivilen Umgang mit nuklearer Energie als auch mit dem militärischen Umgang, in Seoul auf allerhöchster Ebene treffen, um dort intensiv alle anstehenden Fragen zu beraten. Für die Bundesregierung ist es ganz besonders wichtig, sicherzustellen, dass in all den Staaten, in denen mit nuklearem Material umgegangen wird - sei es hochangereichertes Uran, sei es Plutonium -, Mechanismen und Verfahren eingerichtet werden, die sicherstellen, dass diese sehr gefährlichen Materialien nicht in die falschen Hände geraten. Ferner ist es aus Sicht der Bundesregierung ein Anliegen, das Thema der Abrüstung auch im Bereich der Nuklearenergie auf der Tagesordnung zu halten. Da ist, so glauben wir, der heutige und morgige Gipfel in Seoul ein guter Anlass, dieses Thema weiter auf der Tagesordnung zu halten - mit dem Ziel, mittel- und langfristig Fortschritte zu erzielen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Justizministerium. Es gibt einen Dissens innerhalb der Koalition bezüglich der Vorratsdatenspeicherung. Ich würde gerne wissen, wie die Haltung der Ministerin dazu lautet, wie sie die Arbeit und möglicherweise sogar den Bestand der Koalition in dieser Frage betrachtet und wie der Zeitplan in dieser Frage aussieht.

Bauer: Vielen Dank für die Fragen. Es sind alles Fragen, die wir, glaube ich, am Freitag hier in der Bundespressekonferenz gestellt bekommen und beantwortet haben. Insofern möchte ich jetzt eigentlich nicht lange in die Wiederholungsschleife kommen und nur kurz darauf hinweisen - ich glaube, Herr Seibert hatte es am vergangenen Freitag selbst gesagt -, wie es jetzt weitergeht: Die Bundesjustizministerin wird jetzt ihren Vorschlag, nämlich das Quick-Freeze-Verfahren, in Form eines konkreten Gesetzentwurfs in die Ressortabstimmung einbringen, und dann wird auf der Grundlage des Gesetzentwurfes die Ressortabstimmung zwischen den beteiligten Häusern durchgeführt werden.

Zusatzfrage: Was ist mit der ersten Frage nach Arbeitsfähigkeit und Bestand der Koalition?

Bauer: Diesen Zusammenhang sehe ich nicht. Sie haben mich nach einem konkreten Thema gefragt. Das Thema heißt Vorratsdatenspeicherung. Das Thema hat einen längeren Vorlauf. Es gibt die Ansicht der Bundesjustizministerin, die Ihnen auch bekannt ist, dass wir einen guten Kompromissvorschlag dazu gemacht haben, wie man die anlasslose Speicherung der Telefonverbindungsdaten von 80 Millionen Bürgerinnen und Bürgern vermeiden kann und trotzdem Sicherheitsinteressen der Bevölkerung genügen kann. Aber das ist nicht der Konsens innerhalb der Bundesregierung. Auch in Bezug auf andere Punkte und Vorhaben gibt es konstruktive, aber in der Sache engagiert geführte Diskussionen innerhalb der Bundesregierung, und das hat nichts damit zu tun, ob die Koalition insgesamt handlungsfähig ist. Natürlich ist sie das, ohne dass ich das als Sprecher des Bundesjustizministeriums jetzt allein beantworten könnte. Aber es gibt, wie gesagt, ein konkretes Thema, nämlich die Vorratsdatenspeicherung. An dem wird gearbeitet, den Fahrplan habe ich Ihnen eben genannt, und mit der anderen Frage hat das nichts zu tun.


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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 26. März 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/03/2012-03-26-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. März 2012