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PRESSEKONFERENZ/485: Regierungspressekonferenz vom 26. September 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 26. September 2012
Regierungspressekonferenz vom 26. September 2012

Themen: Kabinettssitzung (völkerrechtliche Erklärung zum ESM-Vertrag, zweiter Nachtragshaushalt 2012, Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags, Gesetz zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel, Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit), Betreuungsgeldgesetz, NSU-Untersuchungsausschuss, Entwurf für ein Gesetz über Beschneidungen, geplante Fusion von EADS und BAE, Treffen der Bundeskanzlerin mit IWF-Direktorin Lagarde, Treffen der Bundeskanzlerin mit EZB-Präsident Draghi, europäische Schuldenkrise

Sprecher: StS Seibert, Hoch (BMWi), Mishra (BMBF), Fels (BMBF), Kothé (BMF), Teschke (BMI), Mertzlufft (BMJ), Schlienkamp (BMWi)



Vorsitzender Freitag eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Hoch: Felicitas Hoch ist mein Name. Ich war bislang im Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie in der Technologieabteilung tätig und bin jetzt in die Pressestelle gewechselt. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit und überhaupt auf die Tätigkeit. Vielen Dank!

Vorsitzender Freitag: Vielen Dank, Frau Hoch. Herzlich willkommen noch einmal und auf gute Zusammenarbeit!

Mishra: Ich wollte Ihnen den Kollegen Markus Fels vorstellen, der bei uns schwerpunktmäßig die Themen Bildung und Gesundheitsforschung betreuen wird und Ihnen künftig als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Er würde sich Ihnen auch gerne kurz vorstellen.

Fels: Schönen guten Tag! Vielleicht kurz zu meinem Werdegang: Ich war bis 2010 Politikredakteur beim "Rheinischen Merkur". Danach habe ich gut ein Jahr bei einem katholischen Unternehmerverband als wissenschaftlicher Referent gearbeitet. Seit Mitte August bin ich jetzt im Pressereferat des BMBF und freue mich auf die Zusammenarbeit mit Ihnen.

Vorsitzender Freitag: Das tun wir auch, Herr Fels. Herzlich willkommen noch einmal!

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich will von den Themen, die (vom Kabinett) ohne Aussprache besprochen beziehungsweise beschlossen wurden, eines herausgreifen. Das ist die völkerrechtliche Erklärung zum ESM-Vertrag. Wie Sie wissen, haben sich die ESM-Vertragsstaaten letzte Woche auf eine Erklärung geeinigt, die die Haftungsobergrenze für den ESM völkerrechtlich sicherstellt. Diese Erklärung hat das Bundeskabinett heute gebilligt. Sie entspricht genau den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Ich füge hinzu: Sie entspricht genau der Haltung, die die Bundesregierung in dieser Sache ohnehin schon immer vertreten hat. Wir haben immer betont: Die Haftung jedes ESM-Mitgliedstaates ist auf dessen Anteil am genehmigten Stammkapital begrenzt. Das sind für Deutschland 190 Milliarden Euro. Wir haben auch immer betont, dass Bundestag und Bundesrat umfassend informiert werden. Dem stehen, und das wird jetzt auch noch einmal völkerrechtlich sichergestellt und niedergeschrieben, auch keine ESM-internen Regelungen wie Immunität oder Schweigepflicht der Mitarbeiter entgegen.

Diese Erklärung wird durch die Botschafter der Europäischen Union voraussichtlich noch in dieser Woche völkerrechtlich verbindlich angenommen werden. Damit steht dann der deutschen Ratifizierung nichts mehr im Weg. Unser Ziel ist es, die deutsche Ratifikationsurkunde rechtzeitig vorzulegen, sodass am 8. Oktober die Gründungssitzung der ESM-Gouverneure stattfinden kann.

Das nächste Thema im Bundeskabinett war der zweite Nachtragshaushalt 2012. Der wird vorgelegt, um den Verpflichtungen im Rahmen des europäischen Wachstumspaktes und den Zusagen zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags zügig nachzukommen. Die Vorgaben der Schuldenregelung werden unverändert eingehalten. Durch die günstige Marktentwicklung wird es auch mit diesem zweiten Nachtrag bei der geplanten Nettokreditaufnahme bleiben.

Ich will folgende Punkte herausstellen: Der eine ist, dass Deutschland seinen Anteil in Höhe von 1,6 Milliarden Euro für die Eigenkapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank EIB bereitstellt. Diese Kapitalerhöhung war ja auf dem Europäischen Rat Ende Juni beschlossen worden. Wir handeln also nun sehr zügig und stellen unserer 1,6 Milliarden Euro bereit, dies auch, um ein Zeichen dafür zu setzen, wie wichtig uns nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung in Europa sind. Zusätzliche Kredite für Investitionen in Wachstum und Beschäftigung werden helfen, die Schuldenkrise in einigen Euroländern zu überwinden und diese Länder dann auch langfristig wettbewerbsfähiger zu machen.

Der zweite Punkt: Der Bund hatte sich bei den Verhandlungen mit den Ländern zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags bereiterklärt, einen weiteren hohen Finanzierungsbeitrag für den Bau und den Betrieb von zusätzlichen 30.000 Kinderbetreuungsplätzen für unter 3-Jährige zu erbringen. Dafür werden nun in diesem zweiten Nachtragshaushalt zusätzlich 580,5 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Das führt dazu, dass Länder und Kommunen das Ausbauziel auf nun insgesamt 780.000 Plätze erhöhen können. Das ist ein weiterer Beweis dafür, wie engagiert die Bundesregierung dieses politische Ziel des Ausbaus der Kinderbetreuung für unter 3-Jährige verfolgt.

Ein dritter Punkt aus diesem zweiten Nachtragshaushalt: Er trifft auch Vorsorge für den zusätzlichen Finanzbedarf des Flughafens Berlin Brandenburg. Für die Fertigstellung des Flughafens sind 312 Millionen Euro als sogenannte Verpflichtungsermächtigung eingeplant. Damit kommt der Bund seiner finanziellen Verantwortung als Mitgesellschafter der FBB nach.

Sachlich damit zusammenhängend kommen wir zum nächsten Tagesordnungspunkt, dem Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrags. Dieser Vertrag verpflichtet ja alle Vertragsstaaten, seine Vorgaben in nationales Recht und in nationale Fiskalregeln umzusetzen. Insbesondere müssen die Staaten die Defizitobergrenze in Höhe von 0,5 Prozent in ihrem nationalen Recht verankern. Deutschland hat schon 2009 mit der Schuldenbremse im Grundgesetz und mit dem 2010 gegründeten Stabilitätsrat sehr weitgehende Regelungen geschaffen. Wir müssen unsere Regelungen also jetzt letztlich nur ergänzen. Die politischen Eckpunkte dafür sind zwischen Bund und Ländern verhandelt worden und am 27. Juni im Kabinett beschlossen worden. Sie waren also nun die Grundlage für den heute im Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf. Die gesamtstaatliche Defizitobergrenze in Höhe von 0,5 Prozent wird im sogenannten Haushaltsgrundsätzegesetz festgeschrieben. Mit der Überwachung der Einhaltung dieser Grenze wird der Stabilitätsrat beauftragt, und der wird von einem unabhängigen Beirat unterstützt, der eingerichtet wird.

Der nächste Punkt im Kabinett ist ein sehr wichtiges Element unserer Politik zur Regulierung der Finanzmärkte, womit wir die Konsequenzen aus dem ziehen, was die Krise uns alle gelehrt hat. Die Bundesregierung hat den Entwurf eines Gesetzes zur Vermeidung von Gefahren und Missbräuchen im Hochfrequenzhandel beschlossen. Mit diesem Gesetz soll den besonderen Risiken des auf Computer gestützten Hochfrequenzhandels an den deutschen Börsen entgegengewirkt werden. Es gibt Schätzungen, nach denen etwa 40 Prozent der Order an deutschen Börsen auf diesen Handel zurückgehen. Wir wollen ihn weder verbieten noch in irgendeiner Weise insgesamt inkriminieren, aber er soll eben geregelt werden. Es soll Aufsicht geschaffen werden und es sollen Maßnahmen ergriffen werden, die die Risiken, die aus diesem Handel hervorgehen können, minimieren.

Wesentliche Maßnahmen sind, dass das Gesetz vorsieht, dass bisher nicht regulierte Hochfrequenzhändler nun einer Zulassungspflicht unterliegen. Es werden außerdem strengere Anforderungen an diesen Hochfrequenzhandel gestellt. Die in diesem Marktsegment tätigen Wertpapierdienstleister und die Fondsgesellschaften müssen ihr Handelssystem künftig so ausgestalten, dass Störungen des Marktes unterbleiben. Extreme Börsenszenarien, wie wir sie in der Vergangenheit erlebt haben, und gravierende Marktausschläge sollen auf diese Weise verhindert werden. Deutschland handelt in diesem Punkt als Vorreiter und nimmt eine geplante europäische Regulierung des Hochfrequenzhandels damit schon einmal vorweg.

Zum Schluss ging es um den Jahresbericht der Bundesregierung zum Stand der deutschen Einheit. Er ist heute vom Kabinett beschlossen worden und wird jetzt, wie immer, dem Bundestag zugeleitet. Er ist unter Federführung des Innenministers und des Beauftragten der Bundesregierung für die neuen Länder, Herrn Christoph Bergner, entstanden. Sie werden Ihnen heute um 15.30 Uhr an dieser Stelle Rede und Antwort stehen; deshalb mache ich es sehr kurz. Dieses Jahr konzentriert sich der Bericht auf das Schwerpunktthema "Wirtschaftliche Konvergenz", also die Angleichung der Wirtschaftskraft, sowie auf das Thema Demografie.

Der Bericht machte deutlich: Der Aufbau Ost hat zum erfolgreichen Zusammenwachsen von Ost und West beigetragen. Die Angleichung dieser wirtschaftlichen Leistungskraft ist vorangekommen. Es gibt in den neuen Bundesländern eine sehr positive Entwicklung, insbesondere auf dem Arbeitsmarkt. Das hat sich auch 2012 fortgesetzt. Wir haben in diesem Juli den historisch tiefsten Stand der Arbeitslosigkeit in den östlichen Bundesländern nach der Wiedervereinigung zu verzeichnen. Es ist auch festzuhalten, und das machte der Bericht sehr klar, dass man heute nicht mehr von dem einen einheitlichen ostdeutschen Wirtschaftsraum sprechen kann. Die Wachstumsmuster haben sich von Region zu Region sehr ausdifferenziert. Aber mehr dazu, wie gesagt, von den beiden Zuständigen. - So weit der Bericht aus dem Kabinett.

Frage: In Hinsicht auf den Nachtragshaushalt interessieren mich der Flughafenaspekt und die Verpflichtungsermächtigung für den finanziellen Mehrbedarf. Stimmen Presseberichte, dass darauf ein Sperrvermerk liegt und dass die FDP ihn gerne haben wollte? Ist es normal, dass man, wenn man nicht so genau weiß, wie viele Mehrkosten möglicherweise noch hinzukommen, einen Sperrvermerk auflegt, oder wie ist ansonsten das Prozedere?

StS Seibert: Ich würde gerne dem Fachressort den Vortritt lassen.

Kothé: Es ist zutreffend, dass die Mittel gesperrt sind. Wir haben jetzt im Nachtragshaushalt Verpflichtungsermächtigungen und damit die rechtliche Grundlage dafür geschaffen, dass diese Mittel für den Flughafen bereitgestellt werden. Es gibt aber, wie Sie vielleicht wissen, noch kein endgültiges Finanzierungskonzept, keinen Gesellschafterbeschluss usw. Bis dahin sind die Mittel eben qualifiziert gesperrt und müssen also vom Haushaltsausschuss freigegeben werden. Das ist so vereinbart worden. Das ist aber ein übliches Instrument.

Zusatzfrage: Stimmt es, dass vor allem die FDP auf den Sperrvermerk gedrängt hat?

Kothé: Das ist so vereinbart worden. Ich glaube, das war übereinstimmend. Dazu, welche Partei innerhalb der Regierung darauf gedrängt hat, kann ich Ihnen jetzt nichts sagen.

Frage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin ist ja wohl mit dem CSU-Chef und dem FDP-Chef im Gespräch über das Betreuungsgeld. Es hatte im November im Koalitionsausschuss ein Paket gegeben. Die FDP hatte, glaube ich, etwas für den Arbeitsmarkt bekommen, und die CSU hat das Betreuungsgeld bekommen. Nun ist das wieder offen. Es gibt nun neue Überlegungen der FDP, noch einmal nachzuverhandeln. Wie beurteilen Sie das? Wie stehen zum Beispiel die Chancen auf eine Abschaffung der Praxisgebühr? Wird das Ganze wieder in einer Sitzung des Koalitionsausschusses münden, die dann vielleicht doch zügig angesetzt werden könnte? Gibt es vielleicht schon einen Termin?

StS Seibert: Wie Sie wissen, hat die Bundesregierung eine Formulierungshilfe für ein Betreuungsgeldgesetz vorgelegt. Die ganze Bundesregierung hat das getan. Die Koalitionsfraktionen haben diesen Text als Gesetzentwurf eingebracht, und die Beratung dieses Entwurfs erfolgt jetzt im Parlament.

Ich glaube, Sie haben die Berichterstattung der letzten Tage verfolgt. Es ist immer wieder von allen beteiligten Koalitionären betont worden, dass die Gespräche darüber weitergehen. Das tun sie im Parlament. Ich kann das hier jetzt überhaupt nicht kommentieren. Ich nehme noch einmal Bezug auf die Formulierungshilfe, die die gesamte Bundesregierung beschlossen hat und zu der sie auch steht.

Zusatzfrage: Gibt es schon einen Termin für die Sitzung des Koalitionsausschusses?

StS Seibert: Da habe ich keinen zu nennen. Es wird sicherlich auch wieder eine Sitzung geben, aber ich kann Ihnen keinen Termin nennen.

Frage: Herr Teschke, können Sie noch einmal kurz den Sachstand zu dem Hinweis auf eine mögliche V-Mann-Tätigkeit eines NSU-Helfers erläutern?

Teschke: Gerne! Ich kann Ihnen im Grunde noch einmal den Sachverhalt schildern, wie wir es gestern Abend in der Presseerklärung gemacht haben. Es gab einen Hinweis eines Mitarbeiters der Generalbundesanwaltschaft darauf, dass er sich an einen Namen erinnert, der mittlerweile im Umfeld der Beschuldigten des NSU-Verfahrens geführt wird. Diesem Hinweis hat er gegeben. Wir haben den Hinweis am vergangenen Freitag bekommen und ihn dann am Montag mit den Obleuten und dem Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses besprochen.

Zusatzfrage: Können Sie schon bewerten, wie stichhaltig dieser Hinweis ist?

Teschke: Wir haben auch gestern in der Presseerklärung ausdrücklich gesagt: Wir nehmen diese Behauptungen zum Anlass, das noch einmal zu prüfen. Minister Friedrich hat eine umfassende Prüfung angeordnet. Wir gehen allerdings momentan weiterhin davon aus - wir haben ja bereits mehrfach die 13 Beschuldigten darauf überprüft, ob es eine NPD-Zugehörigkeit oder eine V-Mann-Tätigkeit gab, und jedes Mal ist herausgekommen, dass das nicht der Fall war -, dass es keine V-Leute im Kreis der NSU-Beschuldigten gibt, zumindest nicht vonseiten des BKA und des BfV.

Frage: Können Sie denn bestätigen, Herr Teschke, was in der Presse zu lesen ist, dass es sich um Ralf Wohlleben handelt?

Teschke: Weder zu der Identität des Mitarbeiters in der Generalbundesanwaltschaft noch zu der Identität des NSU-Beschuldigten können wir Stellung nehmen.

Vorsitzender Freitag: Haben wir zum Thema V-Mann noch Nachfragen? - Das ist nicht der Fall. Dann, Herr Mertzlufft, kommen Sie zum Thema Beschneidung.

Merzlufft: Ich wollte kurz berichten: Der Deutsche Bundestag hatte die Regierung gebeten, einen Gesetzentwurf erarbeiten zu lassen und dann dem Bundestag vorzulegen. Wir sind mit der Umsetzung dieses Auftrages ein gutes Stück des Weges vorangekommen. Technisch gesehen sind jetzt Eckpunkte fertiggestellt worden, die den Kern der Regelung beinhalten. Diese Eckpunkte sind gestern an Länder und Verbände gegangen, weil dann auch - das ist in einem solchen Verfahren ja üblich - Fachgespräche mit Landes- und Verbandsvertretern stattfinden.

Zwei zentrale Weichen sind gestellt worden:

Die eine Weiche ist im Bürgerlichen Gesetzbuch; denn unter gewissen Voraussetzungen kann gesagt werden - das wird gerade auch von uns getan -: Ja, es ist möglich, dass die Eltern im Rahmen des Sorgerechts entscheiden können, unter gewissen Voraussetzungen die Beschneidung am Kind vornehmen zu lassen.

Die ganz andere grundsätzliche Weichenstellung ist die, dass es unterschiedliche Gründe für die Beschneidung gibt. Wie Sie wissen, gibt es unterschiedliche medizinische Sichtweisen. Die amerikanischen Kinderärzte empfehlen die Beschneidung; es gibt Empfehlungen der WHO; die deutschen Kinderärzte haben andere Sichtweisen. Es gibt da jedenfalls in der Motivation ganz unterschiedliche Gründe. Deswegen haben wir gesagt, dass bei der Begründung, warum Eltern der Auffassung sind, diese Beschneidung vornehmen zu lassen, wenn sie nicht medizinisch notwendig ist, am Ende nicht der Staat die Erforschung der Motive vornehmen soll.

Diese beiden zentralen Weichenstellungen haben wir in diesen Eckpunkten festgehalten und sind jetzt, wie gesagt, ein gutes Stück vorangekommen. Der nächste Schritt ist dann der Diskussionsentwurf.

Heute ist ja der höchste jüdische Feiertag, insofern ist das - unabhängig davon, dass es natürlich auch in der muslimischen Tradition Beschneidungen gibt - auch ein wichtiges Signal. Das ist gestern auch durch den Zentralrat begrüßt worden.

StS Seibert: Herr Mertzlufft hat gerade gesagt, dass heute der höchste jüdische Feiertag ist. Ich will die Gelegenheit ergreifen, um im Namen der Bundesregierung den jüdischen Mitbürgern zu ihrem höchsten Feiertag, Jom Kippur, einen Gruß zu senden und ein gesegnetes Fest Jom Kippur zu wünschen.

Frage: Inwiefern ist im Bürgerlichen Gesetzbuch unter den Voraussetzungen, die Sie nannten, eine Änderung geplant? Wie stellt sich das dar? Können Sie das noch ein bisschen ausführen?

Merzlufft: Ich habe versucht, das ein bisschen allgemein zu halten. Ich kann es gerne präzisieren. Mit den Eckpunkten sind wir jetzt im Rahmen der Ressortabstimmung und legen in einem nächsten Schritt den Diskussionsentwurf vor.

Das, was ich als die eine Weichenstellung bezeichnet habe, versuche ich jetzt mal untechnisch präziser zu fassen. Was sind die Voraussetzungen, unter denen auch wir sagen, dass die Eltern im Rahmen ihres Sorgerechts Beschneidungen vornehmen lassen können? Es sind insgesamt vier Voraussetzungen, die wir bei der Beschneidung berücksichtigt sehen möchten und die gegeben sein müssen.

Erstens. Die Beschneidung muss fachgerecht durchgeführt werden. Deshalb muss sie möglichst schonend und mit einer möglichst effektiven Schmerzbehandlung durchgeführt werden. Zweitens. Sie darf nur nach einer vorherigen umfassenden Aufklärung erfolgen. Drittens. Eltern müssen den Kindeswillen bei dieser Frage mit einbeziehen. Viertens. Eine Ausnahmeregelung greift, wenn im Einzelfall das Kindeswohl gefährdet wird. Das sind die vier Anforderungen, die berücksichtigt werden müssen, wenn die Beschneidung durchgeführt werden soll.

Frage: Wie soll das mit dem Kindeswillen eigentlich funktionieren, zumindest bei jüdischen Beschneidungen? Was ist damit gemeint?

Merzlufft: Wir sagen, es ist im Rahmen der elterlichen Sorge möglich, unter gewissen Voraussetzungen. Dann gibt es zwei Möglichkeiten. Die eine Möglichkeit ist: Der Gesetzgeber ist am Ende dieses Beratungsprozesses der Auffassung, dass es immer nur der Arzt machen darf. Die andere Möglichkeit, ergänzend - diesen Weg haben wir auch beschritten -, ist, dass wir sagen: Es können von Religionsgemeinschaften, wenn Beschneidungen nach den Regeln der ärztlichen Kunst vorgenommen werden, auch von Nichtärzten Beschneidungen vorgenommen werden. Aus guten Gründen - das sind Gründe, die in der Gesetzesbegründung nachzulesen sein werden - haben wir vorgeschlagen: innerhalb der ersten sechs Lebensmonate.

Einfach gesprochen: Nach dem jetzigen Diskussionsstand sind wir der Auffassung: erstens Ärzte, zweitens von den Religionsgemeinschaften zu bestellende oder ausgebildete Beschneider, untechnisch gesprochen, die in den ersten sechs Lebensmonaten, selbstverständlich wiederum unter gewissen Voraussetzungen, die Möglichkeit haben sollen, nach den Regeln der ärztlichen Kunst Beschneidungen vornehmen zu dürfen. Das ist im Augenblick der Weg, den wir aus Ministeriumssicht mit Landesvertretern und vor allen Dingen natürlich auch Verbandsvertretern beraten, diskutieren werden.

Zusatzfrage: Mir ging es eher darum, wie man den Kindeswillen erfragen will, also wie man herausfinden will, was das Kind will. Vielleicht habe ich das falsch verstanden.

Merzlufft: Ich verstehe die Frage, ehrlich gesagt, nicht richtig. Können Sie mir sagen, was Sie meinen? Dann kann ich vielleicht besser antworten.

Zusatzfrage: Wenn ich das richtig verstanden habe, will man irgendwie nach dem Kindeswillen fragen.

Merzlufft: Es ist ja nach geltendem Recht schon so: Nehmen wir an, Sie sind Vater und sind mit Ihrem Kind beim Arzt. Das Kind ist sieben, acht, neun Jahre alt. Wenn das Kind zu dem Arzt sagt: "Nein, das möchte ich auf gar keinen Fall", dann werden Sie kaum einen Arzt finden, der Ihr Kind beschneidet.

Dass auch nach geltendem Recht der Kindeswille berücksichtigt werden muss, ist eine Selbstverständlichkeit. Das wird Ihnen jeder Arzt bestätigen. Das entspricht auch den Regeln der Praxis, wie Ärzte hier beschneiden oder Beschneidungen vorgenommen haben.

Vielleicht ist es eine begriffliche Frage: "Kindeswille" und "Kindeswohl". Kindeswille und Kindeswohl sind unterschiedliche Parameter oder Kategorien. Geht es vielleicht um die Unterscheidung zwischen Kindeswohl und Kindeswille?

Zusatzfrage: Es ging eher um ganz junge Kinder, die vielleicht acht Tage alt sind.

Merzlufft: Das ist die grundsätzliche Weichenstellung, die ich eben versucht habe darzustellen.

Sie können auch Folgendes sagen: Nach dem Grundgesetz ist es ja bei uns so, dass die Eltern die Kinder erziehen und nicht der Staat. Der Staat hat, jetzt mal einfach gesprochen, ein Wächteramt, wenn etwas grundsätzlich schiefläuft, also wenn das Kindeswohl verletzt wird.

Wir sind nicht der Auffassung, dass es nicht Bestandteil der elterlichen Sorge sein darf, in gewissen Lebensmonaten auch zu sagen, dass Beschneidungen vorgenommen werden dürfen. Wir sind nach eingehenden Gesprächen, auch mit Experten, zu dem Ergebnis gekommen, dass es möglich sein muss, auch im Rahmen der elterlichen Sorge unter gewissen Voraussetzungen sein Kind beschneiden lassen zu dürfen.

Wie gesagt, wichtig sind natürlich die Voraussetzungen, unter denen dieser Eingriff vorgenommen wird. Aber grundsätzlich ist die Weichenstellung, dass wir sagen: Es ist im Bürgerlichen Gesetzbuch zu regeln. Es ist Bestandteil der elterlichen Sorge, und es ist, ein bisschen flapsig formuliert, nicht Aufgabe des Staates, für die Erziehung zu sorgen. Das ist auch im Rahmen unseres Grundgesetzes so geregelt.

Frage: Inwieweit berührt die vorgesehene Regelung das Recht eines Kindes, falls gegen sein vorweggenommenes Interesse verstoßen worden ist, später bei seinen Eltern Schadenersatz einzufordern?

Merzlufft: Bei uns muss zunächst einmal gesetzestechnisch, in der Begründung, die Ausgestaltung der Regelungen klargemacht werden. Ich habe es ja eben angedeutet: Es ist sehr ungewöhnlich, dass wir so tief Einblick in die Ressortbefassung geben. Diese Frage wird natürlich dann auch bei der Gesetzesformulierung ausreichend berücksichtigt werden. Ich kann sie Ihnen jetzt in diesem Umfang nicht beantworten, weil ich hier nicht den fertigen Gesetzentwurf, der im Kabinett beschlossen wurde, vorstelle, sondern, wenn Sie so wollen, die Weichenstellungen, den Weg dieser Eckpunkte, die aber noch kein Gesetzesentwurf sind.

Zusatzfrage: Berührt diese Regelung, soweit sie nicht ins Strafgesetzbuch, sondern ins BGB gehen soll, diesen Gedanken vorwegnehmend, dass also das Tabu als solches aufgehoben wird und nicht nur die Strafbarkeit?

Merzlufft: Das habe ich jetzt nicht verstanden, Entschuldigung.

Zusatzfrage: Ich mache mir Gedanken aus der Sicht des Kindes: Das Kind will eines Tages Schadenersatz bei seinen Eltern einfordern, weil es sagt: Das hättet ihr nicht tun dürfen.

Wenn diese Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch steht, so unterstellt sie unausgesprochen, dass hier keine Verletzung eines Rechtes vorliegt. Würde sie im Strafgesetzbuch stehen, so würde man sagen: Das ist zwar strafrechtlich irrelevant, aber trotzdem ist das Kind in seinen Rechten möglicherweise verletzt worden.

Welcher andere Gedanke steht im Hintergrund dazu, dass die Entscheidung getroffen worden ist, das ins Bürgerliche Gesetzbuch und nicht ins Strafgesetzbuch zu schreiben?

Merzlufft: Bei einer Operation ist es auch nur möglich, dass diese Operation an Ihnen vorgenommen wird, weil Sie einwilligen. Wenn Sie ein Tattoo, ein Piercing oder was auch immer machen lassen, dann steht dahinter auch eine Einwilligung. Das ist der Gedanke dahinter: dass mit der Einwilligung der Eltern dieser Eingriff vorgenommen werden kann. Das ist sozusagen die Konstruktion, deswegen der Regelungsort im Bürgerlichen Gesetzbuch.

StS Seibert: Ich will, ohne auf diese juristische Streitfrage einzugehen, die wir an dieser Stelle, glaube ich, auch nicht klären können, noch einmal kurz sagen, was der Beweggrund ist, warum die Bundesregierung hier handelt.

Über unendlich lange Zeit konnten Juden und Muslime in diesem Land davon ausgehen, dass die Beschneidung ihrer Söhne erlaubt ist. Durch ein Urteil aus Köln ist eine Verunsicherung bei Juden und insbesondere Muslimen in diesem Land eingetreten.

Für uns ist es als Bundesregierung ganz klar: Wir sind ein weltoffenes, wir sind ein tolerantes Land, wir sind ein Land, in dem die Religionsfreiheit eine wichtige Rolle spielt. Die Freiheit zur Religionsausübung muss hier gewährleistet sein. Das ist für uns ein tragender Pfeiler unserer demokratischen Gesellschaft, und deswegen möchten wir diese Verunsicherung von jüdischen und muslimischen Mitbürgern beenden. Das tun wir, auch entsprechend dem politischen Anliegen des Bundestages, der fraktionsübergreifend festgestellt hat, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung auch in Zukunft erlaubt und zulässig sein muss. Das tun wir also nun mit den Eckpunkten für einen Gesetzentwurf.

Bevor wir uns im absoluten Kleinklein der Juristerei verlieren, ist es, glaube ich, wichtig, noch einmal an diese großen Züge, die uns da treiben, zu erinnern. Das wollte ich hiermit tun.

Frage: Über unendlich lange Zeit hat es barbarische Traditionen gegeben, zum Beispiel die Beschneidung der Frauen, und trotzdem sind diese Traditionen inzwischen verfemt, werden nicht mehr anerkannt und angewandt, zumindest in diesen Breiten.

Wenn man von religiöser Freiheit spricht, was kann die Begründung für so einen schwerwiegenden Eingriff sowohl in die Physis wie auch in die Rechte eines Kindes sein?

StS Seibert: Ich weigere mich, hier die von uns allen, glaube ich, verabscheute Praxis der Genitalbeschneidung von Frauen in einem Atemzug zu diskutieren mit dem, worüber wir hier sprechen. Wir sprechen über die Beschneidung von Jungen jüdischen und muslimischen Glaubens. Wir sprechen über eine Praxis, die in unzähligen Ländern der Welt ohne Probleme durchgeführt werden kann und die auch bis zu diesem Urteil bei uns in großer Rechtssicherheit durchgeführt werden konnte.

Die Bundesregierung und die überwiegende Mehrheit des Deutschen Bundestages sind überzeugt, dass diese Rechtssicherheit wiederhergestellt werden muss. An dieser Stelle würde ich dieses Thema eigentlich gerne beenden.

Frage: Ich hätte an das Wirtschaftsministerium Fragen zu EADS. Sie hatten eine Liste von Fragen. Sind diese Fragen von Herrn Enders heute Morgen im Bundestag beantwortet worden, oder gibt es noch viele offene Fragen? Sind Sie der Meinung, dass die Frist 10. Oktober noch haltbar ist?

Schlienkamp: Sie beziehen sich jetzt auf den Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums für die heutige Sitzung des Wirtschaftsausschusses. Sie erinnern sich wahrscheinlich, dass wir im Zusammenhang mit diesem Bericht eindeutig festgestellt haben, dass damit keinerlei Vorfestlegungen einer Entscheidung verbunden sind. Dabei bleibt es auch.

Ich bitte um Verständnis, dass wir hier nicht Wasserstandsmeldungen zum Thema EADS abgeben werden. Wenn es etwas Neues zu diesem Thema gibt, dann werden wir Sie entsprechend informieren.

Zusatzfrage: Herr Seibert, soll Herr Enders auch die Bundeskanzlerin treffen?

StS Seibert: Da gibt es im Moment keinen Termin.

Frage: Herr Seibert, heute wird die Kanzlerin Christine Lagarde treffen. Um wie viel Uhr wird dieses Treffen stattfinden? Kann man etwas mehr über den Inhalt dieses Treffens erfahren? Wird das Thema Griechenland eine besondere Rolle spielen?

StS Seibert: Das Treffen findet um 15.30 Uhr statt. Es wird all die Punkte berühren, an denen sich deutsche und europäische Interessen mit der Arbeit des IWF schneiden.

Frage: Wie beurteilt die Bundeskanzlerin das gestrige Treffen mit Mario Draghi? War das ein positiver Dialog? Haben sie sich über die zukünftige Rolle der EZB bei einer europäischen Bankenaufsicht verständigt, oder gibt es Differenzen über die Quantität von Banken?

StS Seibert: Wir haben ja gestern nach dem Treffen eine kurze Presseerklärung herausgegeben. Über diese Erklärung werde ich jetzt auch nicht hinausgehen. Es ging in der Tat auch um das Thema Bankenaufsicht.

Sowohl die Bundeskanzlerin als auch Mario Draghi sind sich darin einig, dass es notwendig ist, mit großer Sorgfalt eine Form der unabhängigen europäischen Bankenaufsicht zu etablieren, die dann aber wirklich auch Glaubwürdigkeit genießt, die Vertrauen genießt und die Vertrauen für die Eurozone zurückgewinnt. Da gab es große Einmütigkeit.

Ansonsten gab es die gemeinsame Einschätzung, dass es wichtig ist, dass sowohl auf der Ebene der Nationalstaaten als auch in der Eurozone und der Art und Weise, wie sie zusammenarbeitet, es notwendig ist, weiter reformorientiert zu bleiben, sich nicht auszuruhen, sonder weiter für bessere Wettbewerbsfähigkeit, mehr Verbindlichkeit im Miteinander zu arbeiten.

Zusatzfrage: Das Thema der Quantität von Banken wurde nicht besprochen?

StS Seibert: An diesen Themen wird ja gearbeitet; dem will ich jetzt nicht vorgreifen.

Es gab große Einmütigkeit, dass Sorgfalt nötig ist, denn Europa hat bereits einmal sich selbst und die Welt enttäuscht mit der Art und Weise, wie es Bankenaufsicht durchgeführt hat. Das heißt, wenn wir uns jetzt verständigen, eine einheitliche, unabhängige europäische Bankenaufsicht zu etablieren, dann muss der Schuss sozusagen sitzen. Das muss dann auch überzeugend sein.

Frage: Zum Thema Griechenland: Die griechische Regierung will ja nicht nur zwei Jahre mehr Zeit für die Reformen, sondern sie hat jetzt auch beziffert, was das für zusätzliche Lücken im Haushalt bewirken würde, nämlich 13 bis 15 Milliarden Euro. Mich würde interessieren, wie die Bundesregierung das einschätzt, ob das noch im Rahmen der Vereinbarung ist.

StS Seibert: Auf die Gefahr hin, Sie zu enttäuschen oder zu langweilen: Ich werde bei der Haltung bleiben, die wir die ganze Zeit gehabt haben. Die Troika ist in Athen, um die Zahlen zu liefern, den Bericht zu liefern, der dann auch wirklich belastbar ist, und dann werden wir über die Konsequenzen, die aus diesem Bericht zu ziehen sind, sprechen und nicht vorher. Vorher werde ich keine Zahlen kommentieren, auch wenn sie von der griechischen Regierung kommen.

Die griechische Regierung ist im Gespräch mit der Troika, und aus diesen Gesprächen wird ein Bericht erwachsen, der uns dann wirklich eine Basis gibt, um zu entscheiden.

Frage: Ich möchte mit einer Frage an Herrn Mertzlufft noch einmal auf das Thema NSU zurückkommen: Wir haben vorhin über die dienstliche Erklärung eines Bundesanwalts gesprochen, der sich glaubt zu erinnern, dass er einen der Beschuldigten einmal als V-Mann irgendwo geführt haben könnte, gesehen haben könnte. Wann hat denn der Generalbundesanwalt diese dienstliche Erklärung bekommen? In der Presse heißt es heute, das sei in der letzten Zeit erfolgt, nach dem Auffliegen des Berliner V-Mannes. Stimmt das so?

Merzlufft: Dazu kann ich Ihnen nichts sagen. Da müssen Sie den Sprecher des GBA fragen.

Frage: Herr Seibert, Frau Merkel hat stets ihr gutes Verhältnis zu Herrn Monti betont. Herr Monti will bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten. Bedauern die Bundesregierung und die Kanzlerin das?

StS Seibert: Ich kommentiere keine innenpolitischen Ankündigungen in Italien. Das gute Verhältnis zu Herrn Monti ist eine Tatsache. Für uns als europäische Partner und Freunde Italiens kommt es natürlich darauf an, dass auch nach der nächsten Parlamentswahl in Italien ein Kurs der Reform und der Bemühungen, zu mehr Wettbewerbsfähigkeit zu kommen, durchgeführt wird. In welcher personellen Konstellation, das möchte ich nicht kommentieren.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Gestern in Finnland haben der deutsche, der niederländische und der finnische Finanzminister ein Statement abgegeben, wonach künftige ESM-Beteiligungen nur für künftige Schulden und nicht für Altschulden, zum Beispiel Bankenschulden der Vergangenheit, gelten sollen. Das soll alles in nationaler Verantwortung bleiben.

Viele sehen damit den Durchbruch vom Gipfel im Juni, vor allem die Trennung von Bankenschulden und Staatsverschuldung, als begraben an. Das wird heute schon vermutet, weil das Problem zum Beispiel für ein Land wie Irland Altschulden und nicht neue Schulden sind. Wie soll diese Interpretation einem Land wie Irland in der aktuellen Situation helfen?

Kothé: Gestern ist die Position dieser drei Länder zum Ausdruck gebracht worden; das ist auch keine richtig neue Position gewesen. Im Übrigen muss ich auf die Gespräche, die im europäischen Kontext laufen, verweisen und kann diesen nicht vorgreifen und Zwischenstände kommentieren.

Zusatzfrage: Herr Seibert, der irische Premierminister hat gerade gesagt: Die Erklärung vom Juni gilt. Sicherlich werden Sie das auch meinen. Aber es gibt hier zwei unterschiedliche Perspektiven, was diese Altschulden - man nennt sie "Legacy"-Schulden - angeht. Entweder ist der ESM künftig dafür verantwortlich oder nicht.

Meine Frage an Sie: Wie passt diese deutsche Sicht, was der ESM tun kann und nicht tun darf, mit dem Versprechen zusammen, das Irland im Juni erhalten hat, dass sein Programm zur Verbesserung der Nachhaltigkeit angeschaut wird?

StS Seibert: Ich kann das nur genau so darstellen, wie Frau Kothé es gerade für das Finanzministerium getan hat. Da laufen europäische Gespräche; in die möchte ich nicht eingreifen, und die kann ich auch nicht vorwegnehmen. Insofern möchte ich jetzt nicht kommentieren, was da gestern in Helsinki zu Papier gebracht wurde.

Zusatzfrage: Ist es also eine Verhandlungsposition und keine juristische Interpretation des ESM?

StS Seibert: Nein. Aber wenn europäische Gespräche dazu laufen, wie man die Beschlüsse des Europäischen Rates vom Juni umsetzt, dann laufen sie.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 26. September 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/09/2012-09-26-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2012