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PRESSEKONFERENZ/489: Regierungspressekonferenz vom 5. Oktober (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 5. Oktober 2012
Regierungspressekonferenz vom 5. Oktober

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Fraktionsvorsitzendenkonferenz der CDU/CSU, Reise nach Athen, Kabinettssitzung, Übergabe des Jahresberichts des Nationalen Normenkontrollrats, Besuch der Bundeswehr in Munster, Empfang des ungarischen Ministerpräsidenten, Empfang des designierten mexikanischen Staatspräsidenten, Arbeitsgespräch mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission), Fusion von EADS und BAE, Finanzierungslücke bei Verkehrsinfrastrukturausgaben, AKW- Stresstest der EU, Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in Deutschland, Konflikt zwischen der Türkei und Syrien, Minijobs, Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres von Erziehern und Erzieherinnen

Sprecher: StS Seibert, Moosmayer (BMVBS), Stamer (BMU), Schäfer (AA), Lörges (BMI), Paris (BMVg), Westhoff (BMAS)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin in der kommenden Woche beginnen am Montag. Sie wird in Bonn im Wasserwerk, also im ehemaligen Ersatz-Plenarsaal des Deutschen Bundestags, an der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzendenkonferenz teilnehmen, und zwar von 16 bis 17 Uhr.

Dann sind wir beim Dienstag, dem 9. Oktober. Dann wird die Bundeskanzlerin nach Athen reisen, um dort Gespräche mit ihrem Amtskollegen Antonis Samaras zu führen. Herr Samaras hatte bei seinem Besuch hier in Berlin Ende August die Bundeskanzlerin eingeladen. Die Einladung ist gerne angenommen worden. Am Dienstag wird es zum Besuch in Athen kommen. Im Zentrum der Gespräche werden natürlich drei Themenkomplexe stehen: die Situation in Griechenland selbst und in der Eurozone, aktuelle internationale Fragen und auch die bilateralen Beziehungen unserer beiden Länder. Der genaue Ablauf des Besuchs steht noch nicht fest. Es wird ein Gespräch mit Ministerpräsident Samaras und eine anschließende Pressekonferenz geben. Es werden einige Journalisten mitfliegen können. Heute Vormittag geht ein Mitreiseaufruf an Sie alle heraus.

Am Mittwoch, dem 10. Oktober, wird wie immer um 9.30 Uhr die Kabinettssitzung unter Leitung der Bundeskanzlerin stattfinden.

Um 11 Uhr wird dann der Nationale Normenkontrollrat im Kanzleramt seinen Jahresbericht unter der Überschrift "Bürokratieabbau und bessere Rechtsetzung" überreichen. Die Kanzlerin wird den Bericht persönlich entgegennehmen und damit den großen Stellenwert aufzeigen, den Bürokratieabbau sowie bürgerfreundliche und wirtschaftsfreundliche Regelungen, die stets das Ziel des Bürokratieabbaus im Auge haben, in ihrer Politik haben. Das ist eine presseöffentliche Veranstaltung mit Statements der Kanzlerin und des Vorsitzenden des Normenkontrollrats, Herrn Ludewig.

Am Mittwochnachmittag wird die Bundeskanzlerin die Bundeswehr besuchen. Sie wird nach Munster in Niedersachsen fahren und sich dort ab 14.30 Uhr über die Ausbildung im Heer informieren. Sie wird vom niedersächsischen Ministerpräsidenten David McAllister und vom Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Kasdorf, begleitet werden. Gegen 15.45 Uhr sind dort in Munster Pressestatements vorgesehen.

Donnerstag, der 11. Oktober, wird ein Tag mit mehreren internationalen Gesprächen sein. Zunächst wird die Bundeskanzlerin um 12 Uhr den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán im Bundeskanzleramt empfangen. Ab ca. 13 Uhr ist eine gemeinsame Pressekonferenz geplant.

Weiter geht es um 14.30 Uhr mit dem designierten mexikanischen Staatspräsidenten Enrique Peña Nieto. Dies ist ein nicht presseöffentlicher Termin. Es geht um die bilateralen Beziehungen, die innenpolitische Situation in Mexiko, die Regionalpolitik im Raum Nord- und Mittelamerika sowie auch um die Lage der Menschenrechte in der Region.

Am Donnerstag um 16 Uhr wird sich die Bundeskanzlerin schließlich mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Herrn Barroso, zu einem Arbeitsgespräch treffen. Dies ist ein interner Meinungsaustausch in Vorbereitung des kommenden Europäischen Rats am 18. und 19. Oktober. - Das sind die Termine der kommenden Woche.

Frage: Herr Seibert, die Reise nach Athen kommt ja für Sie nicht unerwartet, aber für die Öffentlichkeit doch etwas abrupt. Ich nehme einmal an, die Bundeskanzlerin wird bei dieser Gelegenheit, wie sie es gelegentlich tut, auch den Kontakt zu Bürgern, Studenten oder Interessierten an der deutsch-griechischen Gesellschaftsszene suchen. Können Sie noch etwas dazu sagen, was sozusagen den Programmteil "Kontaktaufnahme" beziehungsweise "Aufnahme der Stimmung und der Atmosphäre in Griechenland" betrifft?

StS Seibert: Zunächst einmal kommt die Reise nicht abrupt. Es ist vollkommen normal, dass wir die Termine der kommenden Woche am Freitagvormittag in der Regierungspressekonferenz und nicht vorher bekannt geben. Daran ist also nichts, was außerhalb des Normalen läge.

Ich habe Ihnen gesagt, dass das genaue Programm des Besuchs noch nicht feststeht. Es wird auf jeden Fall das Treffen mit dem Ministerpräsidenten geben. Sie wissen, dass bilaterale Besuche in anderen Ländern ganz unterschiedlich verlaufen können. Einmal gibt es Gespräche mit denen, die wir dann immer "die Zivilgesellschaft" nennen, und einmal gibt es nur politische Gespräche. Ich kann Ihnen jetzt noch nicht sagen, wie das am Dienstag sein wird. Das ist in erster Linie ein Besuch, der die Erwiderung des Besuchs von Herrn Samaras im August ist. Mit Sicherheit stehen die politischen Gespräche zwischen beiden Regierungen im Mittelpunkt.

Zusatzfrage: Sie kennen ja den öffentlichen Vorhalt, den man insbesondere Mitgliedern der Bundesregierung gern gemacht hat oder macht, nämlich dass sie in Griechenland nicht auch offensiv und öffentlich wahrnehmbar für die Europosition und für die deutsche Position werben. Deswegen stelle ich noch einmal die Frage: Wird ein Kontakt zur Zivilgesellschaft noch geprüft, oder ist das jetzt nur eine ausweichende Antwort von Ihnen gewesen, wobei klar ist, das es keinen Bürgerkontakt geben wird?

StS Seibert: Ich werde Ihnen das ganze Programm dann bekannt geben, wenn wir es kennen. Es gibt reichlich Kontakte zwischen der Bundesregierung und der Zivilgesellschaft. Ich möchte einmal an die Arbeit der Deutsch-Griechischen Versammlung erinnern, für die sich Staatssekretär Fuchtel ganz besonders einsetzt. Das ist ein Vernetzen von kommunalen Ebenen, von Bürgermeistern in Griechenland, mit Bürgermeister in Deutschland - ich glaube, zum Wohle beider Länder. Das nenne ich einen sehr intensiven Kontakt in die Zivilgesellschaft.

Im Übrigen kann ich auch Ihre Vorhaltung oder das, was Sie Vorhaltungen nennen, die der Bundesregierung gemacht würden, überhaupt nicht bestätigen. Minister Rösler war in Athen, der Außenminister war in Athen. Es gibt ganz normale Gespräche - und zwar natürlich intensive Gespräche - mit der Regierung in Athen. Da ist nichts an Vorhaltungen zu machen. Ansonsten freut sich die Bundeskanzlerin auf diese Reise.

Frage: Herr Seibert, nichtsdestotrotz ist das angesichts der Verhältnisse und auch der öffentlichen Diskussionen natürlich kein ganz normaler Besuch. Können Sie Kriterien nennen, nach denen darüber entschieden wird, ob es über den reinen Staatsbesuch und die Gespräche mit der Regierung hinaus in besonderer Weise Begegnungen vielleicht auch symbolischer Art nicht nur mit Staatsrepräsentanten geben wird?

StS Seibert: Sie sagen, es sei kein normaler Besuch. Ich sage, es ist ein normaler Besuch, weil Griechenland und Deutschland innerhalb der EU und der Eurozone enge Freunde und Partner sind und weil wir sehr eng zusammenarbeiten. Da ist es normal, dass man einander auch besucht. Deswegen finde diese Reise statt.

Es ist eine Reise, die natürlich unter dem Eindruck der sehr schwierigen Situation steht, die Griechenland gerade durchläuft, und der massiven Anpassungs- und Reformmaßnahmen, die das Land in den letzten zwei Jahren geprägt haben. Das ist ganz klar. Deswegen wird das auch im Mittelpunkt der politischen Gespräche stehen.

Im Übrigen werde ich Ihnen das ganze Programm nennen, wenn wir es haben. Aber denken Sie an viele Besuche in Rom, in Madrid oder anderen europäischen Hauptstädten, und der Ablauf wird dieses Mal kein ganz anderer sein.

Frage: Herr Seibert, es ist das dritte Jahr der Krise. Zum ersten Mal wird die Bundeskanzlerin nach Griechenland fahren. Sie haben die Reisen nach Madrid und Rom genannt, aber nach Athen wird sie erst jetzt fahren. Mit welcher Botschaft kommt sie nach Athen? Ist das eine Bestandsaufnahme der heutigen Situation, oder ist das auch ein Zeichen der Solidarität mit Griechenland?

Etwas Näheres hätte ich gerne zu Folgendem gewusst: Wann ist diese Entscheidung getroffen worden, dass die Bundeskanzlerin nach Athen reisen wird?

StS Seibert: Die Entscheidung ist getroffen worden, als die Bundeskanzlerin die Einladung des griechischen Ministerpräsidenten annahm. Alles Weitere war die Suche nach dem geeigneten Termin.

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Die Botschaft, die Deutschland an Griechenland senden kann und auch seit langer Zeit in dieser Krise sendet, ist auch sehr klar von der Bundeskanzlerin ausgedrückt worden, als Herr Samaras hier in Berlin war. Wir wollen Griechenland dabei helfen, sich in der Eurozone zu stabilisieren. Wir tun das, indem wir massiv zu den Rettungsprogrammen Griechenland I und Griechenland II beitragen, die helfen sollen, Griechenland aus der Krise zu bringen. Dies wird nur bei großen Eigenanstrengungen der Griechen möglich sein. Wir sehen, dass es unter der Regierung Samaras einen verstärkten Reformeifer gibt, und wir wollen das unterstützen.

Frage: Wird die Bundeskanzlerin denn von irgendeinem Minister oder Staatssekretär aus anderen Ministerien, namentlich dem Finanzministerium oder dem Wirtschaftsministerium, begleitet werden?

Zum Zweiten. Wenn man jemanden besucht, bringt man gerne etwas mit. Der griechische Ministerpräsident hat einer deutschen Zeitung heute ein großes Interview gegeben und darin eine Reihe von Wünschen geäußert. Einer dieser Wünsche, sehr eindringlich mehrmals von ihm wiederholt, war der, Griechenland etwas mehr Zeit zu lassen, weil die Grenze der Belastbarkeit im Moment erreicht sei. Ist es vorstellbar, dass die Kanzlerin just an diesem Punkt ihr Geschenk formulieren wird?

StS Seibert: Ich werde hier nicht den Gesprächen der Bundeskanzlerin in Athen vorgreifen. Wenn man jemanden besucht, dann zeigt man zunächst einmal, dass man das enge Gespräch und die Zusammenarbeit mit ihm fortsetzen und vielleicht sogar noch intensivieren will. Das ist der Hintergrund dieses Besuchs.

Sie fragten nach mitreisenden Staatssekretären. Da kann ich Ihnen Staatssekretär Fuchtel nennen, der der Beauftragte der Bundeskanzlerin für die Deutsch-Griechischen Versammlung ist, über deren Rolle ich ja hier schon gesprochen habe.

Zusatzfrage: Keine Vertreter vom Finanz- oder vom Wirtschaftsministerium?

StS Seibert: Ich habe nicht die gesamte Liste der Delegation vorliegen. Ich kann Ihnen bisher nur Staatssekretär Fuchtel nennen. Aber wie wir vorhin auch schon gesagt haben, war der Wirtschaftsminister dort, und es gibt enge Kontakte einzelner Ressorts der Bundesregierung zur griechischen Regierung.

Zusatzfrage: Ich möchte, Herr Seibert, auf das Thema BAE/EADS zu sprechen kommen. Gab es in den letzten 24 Stunden irgendein Meeting auf oberstem Level - sei es einerseits zwischen der Kanzlerin und ihren Kollegen in Paris oder London, möglicherweise auch per Telefonkonferenz, und andererseits mit den Unternehmensspitzen der beiden Gesellschaften -, oder ist es für das Wochenende geplant?

Zum Zweiten: Das, was man von den Unternehmen und von den beiden Partnerregierungen hört, hört sich alles so an, als wenn Deutschland inzwischen relativ isoliert in seinem Ringen um diese Fusion dasteht. Ist dieser Eindruck richtig? Steht Deutschland bei der Durchsetzung seiner Interessen allein? Hat es Deutschland nicht geschafft, Gemeinsamkeiten mit Frankreich zu formulieren, sodass man gemeinsam etwas durchfechten kann?

Gibt es inzwischen im Übrigen innerhalb der Bundesregierung selbst eine einheitliche Linie? Ist innerhalb der Bundesregierung alles klar in Sachen Haltung zur Fusion?

StS Seibert: Das sind mehrfach interessante Versuche, mir jetzt eine Antwort auf eine Frage zu entlocken, auf die ich in den letzten Wochen nicht geantwortet habe und auch heute nicht antworten werde. Die Bundesregierung steht mit allen in der Frage dieses möglichen Geschäfts Beteiligten in intensiven Gesprächen, und diese Gespräche sind nicht öffentlich. Wenn die Gespräche mit allen Beteiligten abgeschlossen sein werden, dann wird man zu einer abschließenden Bewertung dieser sehr komplexen Transaktion kommen, und die werden wir dann auch öffentlich machen.

Zusatzfrage: Aber die Frage, wie es in der Bundesregierung selbst aussieht, ist ja wenig verfänglich. Ist man sich da einig?

StS Seibert: Die Bundesregierung wird sich natürlich eine Meinung dazu bilden und am Ende auch als gesamte Bundesregierung hinter dieser dann öffentlich gemachten Meinung stehen.

Zusatzfrage: Heißt "sie wird sich bilden" aber also, es gibt sie noch nicht, obwohl diese Fusion jetzt seit zwei Wochen in der Diskussion ist?

StS Seibert: Nur weil Sie seit zwei Wochen täglich nachfragen, muss ich ja meine Äußerungen jetzt nicht variieren. Wir haben gesagt: Am Ende, wenn alles entschieden sein wird, wenn alle Aspekte mit der notwendigen Sorgfalt geprüft worden sein werden und nach eingehenden Gesprächen mit unseren Partnern - international und mit den beteiligten Unternehmen - wird eine abschließende Meinung geäußert werden. Hinter der wird dann die ganze Bundesregierung stehen. Der Prozess läuft.

Frage: An das Verkehrsministerium: Ich hätte gerne gewusst, Frau Moosmayer, ob Bundesverkehrsminister Ramsauer die Ansicht seinen Länderkollegen teilt, dass es zwischen dem Investitionsbedarf und den tatsächlichen Investitionen im Verkehrsbereich eine Lücke in Höhe von etwa 7 Milliarden Euro gibt.

Ich hätte auch gerne gewusst, ob er heute seine Kollegen in Cottbus überreden will, zu einer gemeinsamen Position in Sachen Pkw-Maut zu kommen.

Moosmayer: Ich glaube, die Position des Bundesverkehrsministers in Sachen Finanzierungslücke bei der Verkehrsinfrastruktur ist hinlänglich bekannt. Ja, es gibt sie. Wir haben ein Strukturproblem bei dem Erhalt und dem Neubau von Straßenverkehrsinfrastruktur. Es gibt inzwischen eine breite Diskussion darüber, wie das behoben werden kann. Dafür ist auch eine Kommission eingesetzt worden, die das bearbeitet. Wir begrüßen ausdrücklich, dass es diese breite Diskussion gibt, die auch auf der Verkehrsministerkonferenz der Länder, bei der der Bund jetzt in Cottbus als Gast dabei sein wird, diskutiert werden wird.

Zusatzfrage: Sagen Sie noch etwas zu seiner Position zur City-Maut, die dort von den Kollegen auch diskutiert werden wird?

Moosmayer: Das hat er gestern auch schon gesagt: Die City-Maut ist eine Idee, die aus dem Kreise der Länder kommt. Dort ist sie auch richtig angesiedelt, denn nur die Länder können darüber entscheiden. Das ist keine Frage, über die wir auf Bundesebene nachdenken können. Es ist Sache der Länder, sich so etwas auszudenken. Da haben wir keine Aktien.

Frage: Betätigen Sie denn die Summe von 7 Milliarden Euro, die als Finanzierungslücke angegeben wurde? Können Sie vielleicht sagen, wie sich das auf Bundesstraßen und Landesstraßen verteilt?

Moosmayer: Das ist immer ein bisschen schwierig zu sagen, denn es hängt ja davon ab, was man plant und mit welchen Zahlen man das unterlegt. Wir haben erst im letzten Jahr, glaube ich, den neuen Investitionsrahmenplan vorgestellt, in dem wir sagen, was mit dem Geld, das uns zur Verfügung steht, in den nächsten fünf Jahren möglich sein wird. Man kommt auf verschiedene Zahlen, je nachdem, wie man das ansetzt. Momentan geben wir rund 5 Milliarden Euro pro Jahr für die Verkehrsinfrastruktur aus. Damit kann man natürlich bestimmte Projekte durchführen und andere eben nicht. Dann werden die anders gestreckt oder können halt erst später starten. Es lässt sich schwer beziffern, wie viel jetzt wirklich fehlt. Man kann ja sowieso nicht alles auf einmal bauen.

Zusatzfrage: Sie sprachen gerade von der Verkehrsinfrastruktur. Schließt das beispielsweise auch Schienenwege ein?

Moosmayer: Ja, natürlich. Ganz eklatant sind momentan die fehlenden Mittel bei den Wasserstraßen. Dort reicht das Geld hinten und vorne nicht, natürlich auch nicht bei der Eisenbahn. Man könnte also immer mehr machen und muss auch mehr machen, vor allen Dingen beim Erhalt.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Umweltministerium. Gestern hat EU-Kommissar Oettinger den Bericht zum Stresstest zu den Atomkraftwerken in Europa vorgelegt. Darin wird der Investitionsbedarf summa summarum auf 25 Milliarden Euro taxiert. Meine Frage an Sie: Gibt es inzwischen einen Überblick darüber, wie viel von dieser Summe auf Deutschland entfallen wird und innerhalb welches Zeitraums diese Maßnahmen abgearbeitet werden sollen?

Stamer: Der Bundesumweltminister hat sich gestern in Wien, wo er politische Gespräche geführt hat, zu dem Thema geäußert. Er hat darauf hingewiesen, dass der Prozess der Überprüfung der Kernkraftwerke in Europa in der Hand der Kommission liegt. Deshalb ist jetzt auch die Kommission am Zug und gefordert, einen gemeinsamen Aktionsplan für Nachrüstungsmaßnahmen aufzustellen, der inhaltliche und zeitliche Vorgaben für alle Mitgliedstaaten enthält. Das beinhaltet, dass allen Ländern Ziele und Fristen gesetzt werden. Das BMU hat entscheidend dazu beigetragen, dass diese Stresstests erstmals in Europa durchgeführt wurden. Das BMU wird darauf bestehen, dass über die Ergebnisse auch auf europäischer Ebene gesprochen wird.

Das ist ein laufender Prozess. Es war im April, als der eigentliche Bericht zu den Stresstests vorgelegt worden und zwischen den Atomaufsichtsbehörden der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission vereinbart worden ist, dass jedes Mitgliedsland einen nationalen Aktionsplan aufstellt, der bis Ende dieses Jahres der Kommission übermittelt werden soll und der dann auch veröffentlicht wird. Der EU-Kommissar hat ja gestern selber Auskunft über seine zeitlichen Vorstellungen gegeben. Dabei möchte ich es auch belassen.

Die Zahl, die Sie genannt haben - es ist ein Betrag bis zu 25 Milliarden Euro -, ist auch von der Kommission auf den Tisch gelegt worden. Ich kann Ihnen, was Deutschland betrifft, für einzelne finanzielle Mittel im Moment keine Angaben machen.

Zusatzfrage: Es ist richtig, dass sich Ihr Minister zu diesem Bericht geäußert hat. Aber er hat ihn nach meiner Wahrnehmung nicht bewertet. Gibt es auch eine Bewertung? Macht er sich dieses Ergebnis zu eigen? Er hat nach meinem Kenntnisstand gesagt, dass das nicht ad acta gelegt werden darf.

Stamer: Ja, das ist eine Konsequenz, die daraus gezogen wird. Das ist ein Prozess, der läuft, an dem gearbeitet wird und der ständig auch fortgeschrieben wird. Das, was ich eben beschrieben habe, ist eine Konsequenz aus den Ergebnissen, dass jetzt auf Ebene der Mitgliedstaaten diese nationalen Aktionspläne erstellt werden. Daran wird gearbeitet. Sie fließen in Brüssel wieder zusammen und werden dann der Kommission überreicht.

Frage: Ein Ergebnis dieses Berichts ist, dass es eigentlich keine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur für Kernkraftwerke gibt. Da war man bei Gurken schon weiter, glaube ich. Wie bewertet der Minister das?

Wird es Initiativen von deutscher Seite geben, dass so ein gemeinsames europäisches und allgemein gültiges Regelwerk erstellt wird?

Stamer: Über die Kompetenzaufteilung innerhalb der EU-Kommission kann ich Ihnen jetzt keine Stellungnahme abgeben. Das ist eine Frage, die an Brüssel zu richten ist. Es ist richtig: Die Energiepolitik ist eine souveräne Angelegenheit jedes einzelnen Mitgliedstaates. Davon einmal abgesehen hat sich das Bundesumweltministerium immer dafür eingesetzt - und hat auch ständig daran gearbeitet -, dass die Sicherheit der Anlagen - unabhängig davon, wie ein Mitgliedstaat zur Nutzung der Kernenergie steht - stetig erhöht wird.

Zusatzfrage: Aber es gibt offensichtlich - so interpretiere ich jedenfalls den Befund des Berichts - nicht so etwas wie Sicherheitsstandards, die europäische Norm wären. Das sagt der Bericht relativ weit vorne sehr deutlich. Man wundert sich, dass es nicht so ist. Was ist zu tun - was wird Deutschland tun -, damit es so eine gemeinsame europäische Sicherheitsarchitektur für Kernkraftwerke gibt?

Stamer: Nochmals: Die Aufteilung der Kompetenzen in Brüssel ist eine Frage, die dann auch an die Kommission oder an Brüssel gerichtet werden muss. Ich habe hier betont - das haben wir bei vielen Gelegenheiten auch immer öffentlich in Form von Pressemitteilungen oder in Form von Äußerungen des Ministers gesagt -, dass sich das Bundesumweltministerium stetig dafür einsetzt, dass die Sicherheit der Anlagen erhöht wird.

Frage: Lohnt sich denn die milliardenteure Renovierung von deutschen Atomkraftwerken, wenn sie in zehn Jahren sowieso abgeschaltet werden?

Stamer: Diese Pläne werden, wie gesagt, erstellt. Wenn Sie jetzt darauf anspielen, dass mit Blick auf den beschlossenen Atomausstieg die Nutzung der Kernenergie 2022 beendet werden soll, so hat der Minister gestern auch gesagt, dass bei der Umsetzung der Empfehlungen auch das mit einbezogen wird. Das heißt natürlich nicht, dass es einen Sicherheitsrabatt geben wird.

Zusatzfrage: Können diese Renovierungskosten, wenn sie denn dann getätigt werden müssen, dazu führen, dass Atomkraftwerke früher abgeschaltet werden müssen?

Stamer: Ich kann noch einmal darauf hinweisen, dass daran gearbeitet wird, diesen Plan zu erstellen. Dafür gibt es Fristen; diese werden wir auch einhalten. Dann wird man anhand dieses Aktionsplans sehen, welche Maßnahmen notwendig sind.

Vielleicht kann ich bei dieser Gelegenheit noch einmal auf eines hinweisen: Sie wissen, dass im vergangenen Jahr die Reaktorsicherheitskommission die Kernkraftwerke überprüft hat. Das Ergebnis ist Ihnen bekannt, auch die Schlussfolgerungen, die daraus gezogen worden sind. Das BMU hat die RSK gebeten, die Ergebnisse des EU-Tests mit zu berücksichtigen und dieses in einer Stellungnahme mit aufzugreifen.

Frage: Frau Stamer, was ich nicht verstehe: Bisher habe ich den Bundesumweltminister immer so kennengelernt, dass er jede kleinste Gelegenheit in Deutschland genutzt hat, um vor die Presse zu treten und seine Position darzulegen. Können Sie mir erklären, weshalb er in dem Fall des EU-Kommissionsberichts einen Standort in Österreich wählt und sich nur mühselig gewisse Nachrichten entlocken lässt, statt hierhin zu kommen und zu sagen, was seiner Ansicht nach die notwendigen und logischen Konsequenzen sind und dass er mit all seinem Gewicht eintreten wird, dass diese umgesetzt werden?

Stamer: Die Unterstellung, dass sich der Minister nur mühselig Äußerungen entlocken lässt, möchte ich doch zurückweisen. Er hat in Österreich politische Gespräche mit dem Umweltminister geführt. Sie wissen, dass solche Termine einige Zeit vorher angesetzt und vorbereitet werden. Es war zu einem Pressegespräch eingeladen. Alle hatten Gelegenheit, daran teilzunehmen und ihm Fragen zu stellen.

Ansonsten haben Sie ja selber gesagt, dass der Bundesumweltminister sehr oft Pressegespräche führt. Wir haben auch schon für die nächste Woche zu einigen Terminen eingeladen oder werden das heute noch tun.

Zusatzfrage: Deswegen meine Frage: Wann gibt es für die Hauptstadtpresse hier die Gelegenheit, Herrn Altmaier zu seinen Schlussfolgerungen über die AKW-Sicherheitsstudie in Europa zu befragen?

Vorsitzender Mayntz: Gerne auch an dieser Stelle!

Stamer: Die Schlussfolgerungen oder die Konsequenzen, die der Minister daraus zieht, habe ich Ihnen noch einmal mit Hinweis auf seine Äußerungen genannt. Über die anstehenden Pressetermine des Ministers werden wir Sie, wie immer, rechtzeitig informieren und dazu einladen.

Zusatzfrage: Wahrscheinlich haben Sie mich nicht verstanden. Ich wollte nicht danach fragen, was Herr Altmaier möglicherweise in Österreich zu Schlussfolgerungen für Deutschland gesagt hat. In den letzten Monaten seines Wirkens habe ich Herrn Altmaier so kennengelernt, dass er hier in Deutschland präsent ist und hier in Deutschland Auskunft auf Fragen von Journalisten, die für deutsche Medien arbeiten, antwortet. Wann wird das denn in der nächsten Woche mit Blick auf die EU-Kommissionsstudie der Fall sein? Wann findet diese Pressekonferenz statt?

Stamer: In dem Fall kann ich Ihnen zustimmen: Der Minister ist hier sehr präsent und führt sehr viele Gespräche mit Journalisten.

Nochmals der Hinweis: Dieses Gespräch in Wien, das er wahrgenommen hat, war seit längerer Zeit angesetzt. Es gab keinen Grund, den Termin abzusagen. Er hat, wie gesagt, ein Pressegespräch geführt. Er hat alle Fragen beantwortet, die ihm dort gestellt worden sind.

Zusatz: Ich wollte nur sagen, dass das nicht meine Frage war. Aber ich verstehe, dass Sie jetzt so antworten.

Frage: Frau Stamer, Sie haben eben gesagt, die Schlussfolgerungen, die das Ministerium aus diesem Stresstest zieht, seien genannt. Darf ich das so interpretieren, dass der Minister darüber hinaus - egal, wann wir ihn in der nächsten Woche fragen würden - auch nichts mitzuteilen hat?

Stamer: Ich verstehe diese Frage nicht. Ich habe darauf hingewiesen, dass dies ein Prozess ist, der in der Hand der EU-Kommission liegt. Sie werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass die Überprüfungen der europäischen Kernkraftwerke überhaupt nur auf Vorschlag der Bundesregierung stattgefunden haben.

Um noch einmal an Ihre Frage anzuknüpfen: Das ist eine Antwort auf die Frage, was das Bundesumweltministerium dafür tut, dass die Sicherheit der Kernkraftwerke erhöht wird. Das BMU hat hier entscheidend dazu beigetragen, dass es zum ersten Mal in diesem Rahmen überhaupt Überprüfungen gegeben hat.

Frage: Ich würde gerne vom Außenministerium und vielleicht auch von Ihnen, Herr Seibert, die deutsche Haltung zur Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in Deutschland hören. Ist die Bundesregierung dazu bereit?

Schäfer: Aus Sicht des Außenministers hat die Versorgung der syrischen Flüchtlinge vor Ort - das heißt in der Region und insbesondere in den Nachbarstaaten, die bislang sehr großzügig diese Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben - absolute Priorität. Das entspricht nach allem, was wir wissen, und nach den Gesprächen, die etwa der deutsche Außenminister vor einigen Wochen in Jordanien geführt hat, wo er eines der großen Flüchtlingscamps besucht hat, der Priorität der Menschen. Diese wollen nämlich nicht dauerhaft irgendwo am anderen Ende eines anderen Kontinents sein, sondern sie möchten in der Gegend ihrer Heimat, ihrer Familien bleiben, um für den Fall, dessen zeitlichen Eintritt wir jetzt nicht vorhersehen können, nämlich einer Änderung der Lage in Syrien mit der Möglichkeit wieder zurückkehren zu können, schnell genau dieses umsetzen zu können.

Das schließt gleichzeitig nicht aus, dass auch Deutschland Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen wird. Das allerdings setzt erstens voraus, dass es wirklich einen ganz konkreten Bedarf dafür gibt. Dazu habe ich Ihnen eingangs gesagt, wie die Interessenlage der allermeisten Flüchtlinge ist. Das setzt ferner voraus, dass wir uns in einem Kontext bewegen. Das bedeutet, dass die Vereinten Nationen, das internationale Flüchtlingshilfswerk UNHCR, die Europäische Union und gegebenenfalls andere eine entsprechende Maßnahme für sinnvoll erachten und sie dann umsetzen. Dann wäre es - angesichts der schrecklichen humanitären Lage für ganz viele Menschen, und zwar für immer mehr Menschen - völlig selbstverständlich, dass sich auch Deutschland daran beteiligen würde.

StS Seibert: Ich möchte dem ausdrücklich beipflichten. Vorrang hat derzeit - das ist auch die Überzeugung des UN-Flüchtlingshilfswerks - die humanitäre Versorgung in der Region. Deutschland trägt dazu als eines der größten Geberländer mit bisher insgesamt 23,3 Millionen Euro, die wir zur Verfügung gestellt haben, bei. Auch Einsatzkräfte des THW sind zur Hilfeleistung in der Region. Wenn es tatsächlich zu einer Aufnahme von syrischen Flüchtlingen hier in Europa oder außerhalb der Region kommen sollte, dann wäre es sinnvoll und eigentlich der einzig denkbare Weg, dieses über die Vereinten Nationen und auch über die Europäische Union zu besprechen und zu beschließen. Denn nur ganz Europa kann in Absprache miteinander einen substanziellen Beitrag leisten.

Auf eines will ich noch hinweisen: Deutschland leistet durch die Aufnahme syrischer Asylbewerber bereits einen ganz erheblichen Beitrag. Es sind in diesem Jahr schon über 3.700 Syrer in Deutschland angekommen, die um Asyl nachsuchen. Das ist in den ersten neun Monaten dieses Jahres schon deutlich mehr als im ganzen vergangenen Jahr. In den Monaten Juli und August waren die Syrer die zahlenmäßig größte Gruppe unter den Menschen, die sich hier in Deutschland um Asyl beworben haben. Also es gibt bereits diese Form der Hilfeleistung. Weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass syrischen Staatsangehörigen, die nach Syrien zurückkehren, dort Schlimmes droht, gewährt man ihnen derzeit im Rahmen der Asylverfahren auch diesen zumindest subsidiären Schutz.

Lörges: Ich kann jetzt für das für die Aufnahme zuständige Ministerium nur ergänzen, dass der Minister bereits abstrakt mit den Länderkollegen vereinbart hat, schnell zu handeln, wenn es zu einem Hilfsappell der Vereinten Nationen kommen und in der Europäischen Union eine entsprechende Initiative geben sollte. Das ist bisher aber eine abstrakte Vereinbarung.

Schäfer: Ich will mir erlauben zu ergänzen, dass sich die Bundesregierung in der Verantwortung sieht, die Not der Menschen, soweit das möglich ist - auch in den Flüchtlingslagern, im Übrigen auch in Syrien - zu lindern und ihnen zu helfen. Wenn die Zahl der Flüchtlinge weiter steigt, so wie das vom UN-Flüchtlingshilfswerk prognostiziert wird, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Bundesregierung weiter ihrer humanitären Verantwortung für die Menschen in Syrien gerecht werden wird.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium und an das Auswärtiges Amt: Wie beurteilen Sie das Risiko, dass der Nato-Bündnispartner Türkei in eine militärische Auseinandersetzung mit Syrien hineingerät? Ist dieses Risiko dadurch reduziert worden, dass Erdogan heute erklärt hat, die Absicht bestehe nicht? Gestern hat aber wohl das Parlament grünes Licht gegeben. In welcher Form wirkt Deutschland auf den Bündnispartner ein, dass eine solche Eskalation vermieden wird?

Schäfer: Wir freuen uns zunächst einmal darüber, dass es international ganz breit und in aller Deutlichkeit - gemeinsam mit dem, was gestern die Bundeskanzlerin und der deutsche Außenminister gesagt haben - ein großes Signal der Unterstützung und der Solidarität für unseren Nato-Bündnispartner, die Türkei, gegeben hat.

Das, was da geschehen ist und was man in den Medien verfolgen konnte - das ist auch von der syrischen Regierung eingeräumt worden -, nämlich ein klarer, eklatanter Verstoß gegen die Souveränität und die territoriale Integrität der Türkei, ist nicht hinnehmbar. Es ist völlig selbstverständlich, dass sich die Bundesregierung im Geleitzug mit unseren Partnern, u. a. in der Nato, ganz klar auf die Seite der Türkei stellt und sich auch weiter dorthin stellen wird.

Dessen ungeachtet - das ist gestern auch die klare Botschaft der Bundesregierung gewesen; sie ist es auch heute noch - sind wir der festen Überzeugung, dass Augenmaß und Besonnenheit jetzt das Gebot der Stunde sind. Es ist den Medien zu entnehmen gewesen, dass sich die syrische Regierung über ein paar Umwege bei der türkischen Regierung für die Vorfälle entschuldigt hat. Die türkische Regierung hat von ihrem völkerrechtlichen Recht Gebrauch gemacht, auf die Ereignisse von vorgestern Abend zu reagieren. Nach allem, was wir wissen, gibt es derzeit keinerlei Kampfhandlungen zwischen Syrien und der Türkei an der syrisch-türkischen Grenze. Das begrüßen wir ganz ausdrücklich.

Es kommt jetzt darauf an, weiterhin gemeinsam mit aller Kraft darauf hinzuarbeiten, dass es zu einer politischen Lösung in Syrien kommt. Das ist nämlich die eigentliche Ursache dafür, dass die Gefahr eines Flächenbrandes, die die Bundesregierung und die der Außenminister ja schon seit Monaten immer wieder erwähnt haben, mit den Ereignissen von vorgestern gewissermaßen plastischer und plausibler geworden ist, weil es eben ganz konkret zu Kampfhandlungen in Grenzgebieten und zu einem Granatenanschlag auf das türkische Territorium gekommen ist, dem auch Menschen zum Opfer gefallen sind.

Deshalb kommt es jetzt darauf an, in New York und in der Region alle gemeinsam darauf hinzuarbeiten - das ist das eigentliche Kernproblem -, dass die Gewalt, die von dem Regime des Präsidenten Assad in Syrien ausgeht, endlich zum Ende kommt und wir eine Möglichkeit finden, eine friedliche politische Lösung für Syrien einzuleiten.

Paris: Ich habe nichts zu ergänzen.

Frage: Meine Frage geht an das Bundesarbeitsministerium: Es gibt Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, dass sich die Zahl der Menschen, die neben ihrer regulären Beschäftigung noch einen Minijob haben, innerhalb von zehn Jahren mehr als verdoppelt hat. Sehen Sie darin eine besorgniserregende Entwicklung, oder wie stehen Sie dazu?

Westhoff: Nein, eine besorgniserregende Entwicklung kann man darin nicht sehen. Man könnte sie gegebenenfalls sehen, wenn das passieren würde, was ja oft den Minijobs, der geringfügigen Beschäftigung, vorgeworfen wird, nämlich dass sie mehr oder weniger flächendeckend reguläre Vollzeit- oder auch Teilzeitbeschäftigungen, also sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, verdrängt.

Genau das ist eben nicht der Fall. Wir sehen in dem Bereich, in dem ausschließlich geringfügige Beschäftigung betrieben wird, seit einigen Jahren sogar einen leichten Rückgang. Der Zuwachs, der durchaus merklich ausfällt, bezieht sich allein auf die Minijobs, die im Nebenerwerb ausgeübt werden. Von daher ist dort immer auch eine ausreichende sozialversicherungsrechtliche Absicherung gegeben, und ein Minijob kommt obendrauf, wenn man so will. - Insofern ist das nicht vorderhand als kritische Entwicklung zu betrachten.

Zusatzfrage: Dass diese Minijobs als Zweitjob ausgeübt werden, weil materielle Not die Menschen dazu zwingt, das können Sie nicht erkennen?

Westhoff: Dafür gibt es keinen empirischen Beleg. Die Botschaft wird dann gern gleich mitgeliefert, aber sie ist empirisch in keiner Weise unterlegt.

Im Gegenteil: Es gab vor nicht allzu langer Zeit eine Umfrage von Allensbach. Sie hat gezeigt, dass für 70 Prozent der Menschen, die einen Minijob ausüben, dieser Minijob überhaupt kein Problem ist, sondern eine Wunschkonstellation darstellt. Wenn man sich die Menschen anschaut, die ausschließlich einen Minijob ausüben, hat man festgestellt, dass 9 Prozent lieber einen Vollzeitjob und 14 Prozent lieber einen Teilzeitjob hätten. Das heißt, bei einer gewissen Anzahl derjenigen, die einen Minijob allein betreiben, ist durchaus der Wunsch da, mehr und auch sozialversicherungspflichtig zu arbeiten. Aber bei denen, die den Minijob nebenher ausüben, ist das eher eine Wunschkonstellation und geht nicht auf materielle Not zurück.

Frage: Auch an das Arbeitsministerium: Ihr Haus kann ja kein Interesse daran haben, dass der Ansatz "Schlecker-Frauen zu Erzieherinnen" weiterhin von den Zahlen her ein solcher Flopp bleibt, wie das bislang der Fall ist. Sind Sie eigentlich einer Lösung bezüglich der Frage, wer das dritte Jahr in der Ausbildung zur Erzieherin finanziert, nähergekommen? Dass diese Frage ungeklärt ist, ist ja wohl eine der entscheidenden Ursachen dafür, dass die Zahl der Frauen, die diese Perspektive wahrnehmen will, so gering ist.

Westhoff: Gut, das ist eine Sache, die maßgeblich zwischen der Bundesagentur für Arbeit und den Bundesländern verhandelt wird, die sich da bewegen sollen und auch müssen, um das zu einem Erfolg zu machen. Das BMAS ist natürlich beteiligt und verfolgt zusammen mit der Bundesagentur für Arbeit das Ziel, die Finanzierung des dritten Jahres zu sichern.

Man kann ganz kurz in die Geschichte zurückgehen und sich fragen: Warum ist denn überhaupt das dritte Jahr so ein Problem? - Das ist ein Problem geworden, weil früher das dritte Jahr ein von den Trägern, den Erziehungseinrichtungen, bezahltes Praktikum war. Die Länder sind dann zunehmend dazu übergegangen, diese Praktika auf drei Jahre zu verteilen mit dem Ergebnis, dass sie dann nicht mehr bezahlt waren.

So kommt das Problem zustande. Deshalb kann eine Lösung auch nur zusammen mit den Bundesländern gefunden werden und nicht allein eine Aufgabe der Bundesagentur für Arbeit sein. Insofern müssen weiter Gespräche geführt werden. Aber es müssen sich alle bewegen. Da sind natürlich die Bundesländer auch stark in die Pflicht zu nehmen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 5. Oktober 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/10/2012-10-05-regpk.html?nn=391778
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2012