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PRESSEKONFERENZ/504: Regierungspressekonferenz vom 5. November 2012 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 5. November 2012
Regierungspressekonferenz vom 5. November 2012

Themen: Hannover als neuer Sitz der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, Sitzung des Koalitionsausschusses, Luftverkehrsabgabe, europäische Schuldenkrise, Vorschlag zur Einrichtung einer zentralen V-Leute-Datei, Treffen der Bundeskanzlerin mit Premierminister Cameron

Sprecher: StS Seibert, Kotthaus (BMF), Albrecht (BMG), Flosdorff (BMAS), Rohde (BMVBS), Schlienkamp (BMWi), Beyer-Pollok (BMI)



Vorsitzende Sirleschtov eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag! Ich habe zunächst eine Mitteilung aus der Welt der Kirchen zu machen: Hannover wird der neue Sitz der Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen, der WGRK. Das hat der Generalsekretär der WGRK, Herr Setri Nyomi, auf der Synode der EKD in Timmendorfer Strand bekannt gegeben. Diese Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen vertritt etwa 80 Millionen Menschen in mehr als 100 Ländern. Die Entscheidung ist nun also für Hannover als neuen Weltsitz gefallen. Zuvor war das Genf. Der Umzug soll zum 1. Januar 2014 stattfinden.

Die Bundeskanzlerin, die, wie Sie vielleicht wissen, heute die EKD-Synode in Timmendorfer Strand besuchen wird, begrüßt namens der Bundesregierung diese Entscheidung. Sie begrüßt die Weltgemeinschaft Reformierter Kirchen in Deutschland. Sie freut sich, dass die niedersächsische Landeshauptstadt damit zu so etwas wie einem Weltzentrum des Protestantismus wird. Die Entscheidung, sagt sie, unterstreicht das positive Verhältnis von Staat und Kirche bei uns im Land, das auch international Aufmerksamkeit und Anerkennung findet.

Frage (zur Sitzung des Koalitionsausschusses): Herr Staatssekretär, noch vor gar nicht langer Zeit hat die Bundeskanzlerin - ich weiß nicht, ob als Bundeskanzlerin oder als CDU-Vorsitzende - erklärt, die Praxisgebühr müsse bleiben. Können Sie mir eine Begründung dafür nennen, dass sie seit gestern um Mitternacht Feuer und Flamme für den Wegfall der Praxisgebühr ist? Gleiches würde auch für Herrn Seehofer gelten, aber für den können, wollen und dürfen Sie ja nicht sprechen.

StS Seibert: Sie wissen, dass sich ein Teil der Koalition durchaus auch hätte vorstellen können, die Beitragssätze zu senken. Ein anderer Teil hat die Abschaffung der Praxisgebühr favorisiert. Dabei mag es Unterschiede gegeben haben, was den Weg anbelangt, aber nicht, was das Ziel anbelangt. Das Ziel der gesamten Bundesregierung lautete eben, den Bürgern dort, wo es möglich ist, weil sich die Finanzausstattung der Sicherungssysteme gut entwickelt hat, etwas zurückzugeben. Das tut sie, indem sie die Praxisgebühr abschafft. Sie reduziert damit für Ärzte und Kassen den bürokratischen Aufwand um ein gutes Stück.

Zusatzfrage: Die Frage war, weshalb die Kanzlerin noch vor Kurzem etwas für falsch gehalten hat, das sie jetzt für goldrichtig erklärt. Ich verstehe das nicht.

StS Seibert: Ich hatte Ihnen hier in den letzten Wochen schon bei zwei Gelegenheiten, glaube ich, gesagt, dass die Bundeskanzlerin das Gesamtbild betrachtet und alle Argumente gegeneinander abwägt. Dies ist das Ergebnis der Abwägung und der gestrigen Sitzung des Koalitionsausschusses.

Frage: Herr Seibert, die Opposition und andere haben kritisiert, dass der Weg zu diesem Gesamtpaket, das da in der vergangenen Nacht entstanden ist, einem Kuhhandel gleiche. Was hält denn die Koalition dem entgegen?

StS Seibert: Wenn alles, was die gemeinsame Suche nach dem besten Weg ist, in der Politik ein Kuhhandel ist, dann wird man, glaube ich, der Politik insgesamt und der Politik dieser Bundesregierung nicht gerecht. Die Beschlüsse des Koalitionsausschusses liegen vor. Sie werden nun umgesetzt werden. Die Koalition hat am gestrigen Abend Beschlüsse gefasst, die nach unserer Überzeugung gut für das Land sind, weil sie erstens unsere solide Finanzpolitik konsequent fortsetzen, weil sie zweitens den sozialen Zusammenhalt stärken, weil sie drittens etwas dafür tun, dass eine der Stärken unseres Landes, nämlich eine gut ausgebaute Infrastruktur, noch weiter geführt wird, und weil sie viertens den privaten Konsum stärkt und den Menschen dort, wo es möglich ist, weil sich die Ausstattung der sozialen Sicherungssysteme gut entwickelt hat, tatsächlich etwas zurückgibt.

Ich kann niemanden an seiner Interpretation dessen hindern, aber das ist das, was nach unserer Überzeugung gestern im Rahmen verschiedener Maßnahmen gelungen ist und aus verschiedenen Maßnahmen abzulesen ist. Der Leitgedanke dabei lautet immer: solide Finanzen, Solidarität mit Familien und Geringverdienern, Stärkung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit.

Zusatzfrage Musste denn gestern Abend irgendwann einmal der Finanzminister aus Mexiko zugeschaltet werden?

StS Seibert: Nein, das war nicht notwendig; denn all das, was finanzwirksam ist, war in den letzten Tagen und Wochen sehr eng gemeinsam mit dem Finanzminister vorbereitet worden und sehr eng mit ihm abgeklärt worden. Insofern war es nicht notwendig, gestern mit ihm in Kontakt zu treten.

Zusatzfrage: Herr Kotthaus, was hat Ihren Minister dazu bewogen, nachdem er den Vorschlag von Frau von der Leyen zunächst sehr abgelehnt hat, die Mini-Renten über eine Steuerfinanzierung anzuheben und - das hatte er ja zumindest nach Ihren Worten abgelehnt - dem jetzt doch zuzustimmen? Jetzt haben wir eine Regelung, die voll über die Steuern läuft.

Kotthaus: Schauen Sie sich an, was der oberste Satz des Koalitionsausschusses ist. Dort steht: strukturell ausgeglichener Haushalt 2014, die Schuldenbremse werden wir schon 2013 einhalten, 2014 streben wir an, einen Haushalt ohne ein strukturelles Defizit aufzustellen. Das ist genau seine Handschrift und das, wofür der Minister seit Beginn der Legislaturperiode in dieser Koalition gestanden hat. Das sind genau die Schwerpunkte, die wir gesetzt haben, also Konsolidierung, stabile Haushalte, Verlässlichkeit, Vertrauen wecken. Da das der Obersatz ist, ist das genau das, was wir angestrebt haben.

Für die einzelnen Unterfragen fühle ich mich jetzt inhaltlich nicht zuständig. Aber wenn man sich anschaut, was für uns relevant und wichtig ist, und zwar eine nachhaltige Haushaltspolitik, eine stabile Haushaltspolitik und eine Haushaltspolitik, die sehr ambitioniert daran geht, die Neuverschuldung zu senken, dann sieht man, dass genau all das in dem Obersatz der Beschlüsse des Koalitionsausschusses enthalten ist.

Frage: Herr Staatssekretär, gehört zu den vielleicht eher informellen Beschlüssen der gestrigen Runde auch, dass sich der Koalitionsausschuss künftig nicht mehr nur alle acht oder neun Monate treffen will, sondern in etwas kürzeren Abständen?

StS Seibert: Das scheint gestern besprochen worden zu sein. Das findet sich in der Schriftform nicht wieder, und da ich bei den Beratungen nicht anwesend war, kann ich Ihnen das nicht sagen, aber das wird sich dann ja in der nächsten Zeit zeigen. Das wäre vielleicht auch eine Frage an die Parteienvertreter.

Frage: Herr Seibert, es gibt einzelne Krankenkassen, die ungeachtet der Überschüsse finanziell nicht gut dastehen, wie die AOK Bayern und andere. Ist sich die Bundeskanzlerin denn sicher, dass diese Kassen trotz der Abschaffung der Praxisgebühr 2013 keinen Zusatzbeitrag verlangen werden?

StS Seibert: Es ist ja festgelegt worden, dass sich die Abschaffung der Praxisgebühr nicht nachteilig auf die Krankenkassen auswirken soll, sondern dass ein voller Ausgleich aus dem Gesundheitsfonds geschaffen werden soll.

Frage: Dazu habe ich noch eine Nachfrage: Wie soll denn der Ausgleich aussehen? Ist sichergestellt, dass er über das Jahr 2013 hinaus geht, oder bedeutet das, dass dann spätestens ab 2014 von einigen Kassen Zusatzbeiträge erhoben werden?

StS Seibert: Ich glaube, das Gesundheitsministerium kann an dieser Stelle übernehmen.

Albrecht: Vielen Dank für die Nachfrage. Der Regierungssprecher hatte ja schon auf die erste Frage hin, was die Krankenkassen angeht, die vermeintlich einen Zusatzbeitrag erheben müssten, gesagt: Es wird die Regelung angestrebt, dass entsprechende Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds geleistet werden. Wir stehen in diesen Minuten und Stunden in Verhandlungen darüber, wie der Weg genau aussehen wird. Im Übrigen möchte ich mich zu der Frage in Bezug auf 2014 jetzt nicht äußern.

Im Übrigen verweise ich auf ein Pressegespräch, das der Bundesgesundheitsminister um 13.45 Uhr anbieten wird und bei dem wir zu diesen Fragen Stellung nehmen können. Dann werden wir im Verfahren auch ein bisschen weiter gekommen sein und Ihnen sagen können, wie wir das tatsächlich umsetzen wollen.

Klar ist: Zum 1. Januar 2013 wird das umgesetzt werden. Dann wird auch klar sein, auf welchem Wege wir das tun. Wir müssen damit - so viel sei gesagt - am Mittwoch in das Kabinett, damit wir das zeitlich ordentlich abwickeln können.

Zusatzfrage: Ich habe eine Nachfrage dazu, auch wenn sie die konkrete Ausformung noch nicht kennen: Wird denn durch diese Regelung angestrebt, dass dauerhaft keine Zusatzbeiträge erhoben werden?

Albrecht: Wir haben jetzt die Praxisgebühr abgeschafft. Das hat nichts mit Zusatzbeiträgen und damit zu tun, ob wir anstreben, dauerhaft keine Zusatzbeiträge zu erheben. Zusatzbeiträge stehen im Gesetz. Wenn es die wirtschaftliche und finanzielle Situation einzelner Krankenkassen notwendig macht, dass in Zukunft Zusatzbeiträge erhoben werden, dann werden Zusatzbeiträge erhoben. Aber das hat ja nichts mit der Abschaffung der Praxisgebühr zu tun.

Frage: Herr Kotthaus, Bundesfinanzminister Schäuble hat sich geäußert und die Zahl 9 Milliarden genannt, die noch eingespart werden müssten, um 2014 auf einen strukturell ausgeglichenen Haushalt zu kommen; so habe ich das jedenfalls verstanden. Sind denn bei den gestrigen Gesprächen konkrete Zahlen in Bezug darauf festgelegt worden, wie man eben konsolidieren will, um dorthin zu kommen, also um etwa die Mehrausgaben für das Betreuungsgeld gegenzufinanzieren?

Kotthaus: Wenn ich Sie korrigieren darf, um das klarzumachen: Der Finanzminister hat sich nicht dazu eingelassen. Er hat nur auf die Frage, was für ein Konsolidierungsvolumen denkbar wäre, die Zahl "rund 3 Prozent" genannt. Das können Sie sich selbst ausrechnen.

Zusatzfrage: Vom Bundeshaushalt?

Kotthaus: Das gebe ich gerne zu. Das können Sie sich selbst ausrechnen. Das sage ich, um einfach nur kurz der Realität Genüge zu tun.

Zweitens: Wir fangen jetzt, nachdem das Verfahren zum Haushalt 2013 im November beziehungsweise Dezember beendet sein wird, mit den Eckwertebeschlüssen für das Jahr 2014 an. Es wird dann im März den dementsprechenden Beschluss geben. Ich glaube, dann wird diese Diskussion im Detail zu führen sein. Ich selbst war gestern nicht dabei. Der Finanzminister war im Flugzeug. Ich kann Ihnen also nicht genau sagen, was gestern darüber gesprochen worden ist. Aber wenn man sich ansieht, wann welche Entscheidungen wo und wie gefällt werden müssen, dann sieht man: Das beginnt jetzt mit der Vorarbeit beziehungsweise der Zuarbeit zum Eckwertebeschluss, der dann im März 2013 fallen wird.

StS Seibert: Ich möchte auch betonen: Es ist natürlich gestern gerade in Bezug auf den Haushalt 2014 genau das besprochen worden, was zuvor auch mit Finanzminister Schäuble geklärt worden war. Wir stehen jetzt noch vor der Bereinigungssitzung für den Haushalt 2013. Das heißt, vorrangig für die Bundesregierung ist nun erst einmal, dass wir, wie wir es uns vorgenommen haben, es tatsächlich schaffen, das strukturelle Defizit 2013 auf weniger als 0,35 Prozent und damit unter den Wert zu senken, den die Schuldenbremse verlangt, und zwar schon drei Jahre früher.

Für 2014 - das ist das, was gestern vereinbart wurde -, will die Bundesregierung noch etwas ehrgeiziger sein, was ihr Ziel betrifft. Das kann aber natürlich erst im Frühjahr des kommenden Jahres und auch unter Betrachtung der weltwirtschaftlichen Entwicklung umgesetzt werden. Das Ziel ist also definiert. Im März werden wir uns die Zahlen dann genau anschauen, und dies auch im Rahmen der Absicht, die wir gestern gemeinsam zu Papier gebracht haben.

Kotthaus: Auch noch einmal von meiner Seite: Das war alles mit dem Finanzminister so abgestimmt; das ist unstreitig. Aber, wie gesagt, die Details kommen jetzt.

Frage: Herr Seibert, wer ist denn auf die Idee gekommen, die Rentenregelung "Lebensleistungsrente" statt "Zuschussrente" zu nennen?

StS Seibert: Den Vater oder die Mutter dieses schönen Namens kann ich Ihnen nicht nennen.

Zusatzfrage: Vielleicht kann Herr Flosdorff weiterhelfen. Kam das aus Ihrem Haus?

Flosdorff: Nein, aber es steht ja im Koalitionsvertrag, dass damit die Lebensleistung gewürdigt werden soll, und zwar mit einer steuerfinanzierten Aufwertung für Leute, die jahrzehntelang Geringverdiener waren. Insofern war der Name schon dort angelegt.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium im Zusammenhang mit der gestrigen Sitzung des Koalitionsausschusses. Mich würde interessieren: Wie zufrieden ist Ihr Minister mit den zusätzlichen 750 Millionen Euro? Wenn ich es richtig im Kopf habe, hatte Ihr Minister ja die Verstetigung der 1 Milliarde Euro gefordert, die er schon im letzten Jahr als Zuschlag bekommen hat. Was bedeutet es, dass es jetzt 25 Prozent weniger sind?

Rohde: Der Minister hat ja stets auf die strukturelle Unterfinanzierung des Verkehrshaushalts hingewiesen, und er begrüßt die Entscheidung des Koalitionsausschusses, weitere 750 Millionen Euro bereitzustellen. Das ist ein wichtiges Signal dafür, dass die Koalition den dringenden Handlungsbedarf erkannt hat und dass auf hohem Niveau in die Verkehrswege investiert werden kann. Jetzt gilt es, erst die Bereinigungssitzung am 8. November abzuwarten, und dann werden auch konkrete Projekte vorgeschlagen.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium und eine an Herrn Kotthaus. An das Verkehrsministerium: Wieso freut sich der Bundesminister eigentlich über zusätzliche 750 Millionen Euro, wenn er aus dieser 1 Milliarde Euro im Jahr 2012 lediglich 450 Millionen Euro untergebracht hat und 550 Millionen Euro sowieso schon auf das nächste Jahr verschoben worden sind? Verliert man da angesichts von so viel Geld nicht irgendwann den Überblick? Ist es sozusagen eine durchdachte Politik, dass Jahr für Jahr Geld gefordert wird, das in dem Jahr nicht ausgegeben werden kann und dann mit Hängen und Würgen immer weiter auf das nächstfolgende Jahr verschoben wird?

Die Frage ist, welche Form von systematischer Politik dahinter steckt, dass der Verkehrsminister für dieses Jahr 1 Milliarde Euro gefordert hat, aber tatsächlich nur 450 Millionen Euro davon ausgegeben hat. 550 Millionen Euro müssen auf das Jahr 2013 übertragen werden. Jetzt bekommt er für das Jahr 2013 zusätzlich 750 Millionen Euro, von denen jetzt schon klar ist, dass sie im Jahr 2013 gar nicht abfließen können, weil es so viele konkrete Projekte gar nicht gibt. Können Sie mir den Sinn dieser Verschiebebahnhofspolitik erläutern?

Rohde: Verkehrsprojekte sind ja in der Regel Projekte, die nicht innerhalb eines Jahres beziehungsweise eines Haushaltsjahres abgeschlossen werden, sondern meist über einen Zeitraum von mehreren Jahren laufen. Das führt einfach dazu, dass Mittel dann auch über mehrere Jahre hinweg festgesetzt werden.

Zusatz: Mich interessierte, ob Verschieben zur Systematik des Verkehrshaushaltes gehört, Frau Rohde.

Rohde: Mit Verschieben hat das meiner Meinung nach nichts zu tun. Wir können Ihnen gerne auch noch einmal eine Übersicht darüber nachliefern, für welche Projekte diese zusätzliche Milliarde, die es jetzt schon gibt, angedacht ist. Wir können Ihnen das einfach noch einmal anhand der Projekte aufzeigen.

Zusatzfrage: Das weiß ich ja. 550 Millionen Euro bekommen Sie nicht unter. Das ist ja die Frage. Das brauchen Sie mir nicht mitzuteilen; das ist ja bekannt.

Die Frage bezieht sich auf die Systematik, die hinter einer solchen Verschiebepolitik steht. Ist das eine logische Politik?

Rohde: Zu den Details und diesen einzelnen Zahlen kann ich Ihnen jetzt leider keine Auskunft geben. Ich werde gerne etwas nachreichen.

Zusatzfrage: Dann wollte ich noch etwas von Herrn Kotthaus wissen. Herr Kotthaus, Sie sagten, das sei alles so mit dem Bundesfinanzminister abgestimmt gewesen. Deswegen musste er gestern Abend auch nicht kontaktiert werden. Mich würde Folgendes interessieren: Da haben 15 veritable Spitzenpolitiker fast 8 Stunden lang miteinander gerungen, und zwar über etwas, das der Bundesminister vorher schon alles wusste. Wer hat eigentlich vor der Sitzung des Koalitionsausschusses mit Herrn Schäuble was verabredet und beschlossen, ehe die Parteivorsitzenden mühsam zueinander gefunden haben? Diese Verhandlungslogik - Herr Schäuble musste gar nicht mehr kontaktiert werden, weil er das Ergebnis schon mit Grün abgezeichnet hat, über das andere acht Stunden lang mühsam ringen müssen - (erschließt sich mir nicht). Ist das Demokratie? Wie geht so etwas?

Kotthaus: Innerhalb einer Regierung beziehungsweise einer Koalition gibt es immer zahlreiche Abstimmungsprozesse. Normalerweise sind die Treffen als solche dann immer der Höhepunkt, bei denen die Details und Ähnliches mehr festgezurrt werden.

Ich kann jetzt hinsichtlich der Sitzung des Koalitionsausschusses selbst keine Auskunft geben, weil ich nicht dabei war. Aber Sie können - ich glaube, das wissen Sie selbst auch viel besser als ich - davon ausgehen: Es ist immer eine ausgiebige Vorbereitung für solche Treffen notwendig. Die hat sicherlich auch in diesem Fall umfassend stattgefunden. Ein Teil der Vorbereitung waren sicherlich auch Gespräche des Bundesfinanzministers mit den verschiedensten Partnern, Koalitionären und Regierungsstellen, um eben festzuziehen, was machbar ist und was nicht machbar ist. Zur Freude des Finanzministeriums wird diese Linie der Konsolidierung und der nachhaltigen Haushaltspolitik auch breit getragen. Sie kennen die Diskussionen der letzten Wochen auch. Das ist ja innerhalb der Koalition breit und umfassend diskutiert worden und sehr positiv von allen Koalitionspartnern beleuchtet worden. Deswegen ist es weder erstaunlich noch verwunderlich, dass sich das dann auch so in den Beschlüssen des Koalitionsausschusses niederschlägt. Dass jetzt alle an einem Strang und in eine Richtung ziehen, für die der Finanzminister seit dem Beginn der Legislaturperiode gekämpft hat, ist doch auch schön und sehr zu begrüßen.

Aber noch einmal: Sie werden doch selbst nicht so tun, als ob sich Leute auf einmal aus heiterem Himmel zusammensetzen und denken "Wir haben noch nichts vorbereitet, und jetzt reden wir einmal miteinander". So läuft das doch auch nicht. Man bereitet das vielmehr vor, und die grundsätzliche Ausrichtung, was die Frage des Haushalts betrifft, war vorher mit dem Finanzminister intensiv diskutiert worden.

Frage: Ich habe auch noch eine Frage an das Verkehrsministerium: Werden mit den neuen zusätzlichen Mitteln laufende Neubauprojekte beschleunigt und verstärkt, oder werden damit neue Projekte im kommenden Jahr begonnen?

Rohde: Ich habe ja schon gesagt, dass es gilt, noch die Bereinigungssitzung abzuwarten, und dass dann Projektlisten erstellt werden. Voraussichtlich wird es sich um Projekte im Straßen- und im Wasserbereich handeln. Aber das wird man erst nach der Bereinigungssitzung sagen können.

Vielleicht noch ergänzend: Es ist durchaus üblich, dass eine mehrjährige Abfinanzierung von Verkehrsprojekten im Sinne der Planungs- und Bauablaufprozesse stattfindet.

Frage: Herr Kotthaus, es gibt ja Berechnungen von Teilnehmern der Sitzung von gestern Abend, die aussagen: 5,5 Milliarden Euro müssen noch finanziert werden, um unter dem Strich einen soliden Haushalt 2014 ohne strukturelles Defizit zu erreichen. Meine Frage: Mit wem wurde diese Summe denn verabredet? Wieso, um ein konkretes Beispiel zu nennen, ist es jetzt plötzlich solide Haushaltspolitik, sich 2 Milliarden Euro an Gewinnen von der KfW zu besorgen, um sie in den Haushalt einzurechnen, die vorher explizit nicht in den Haushalt fließen sollten? Wieso ist das der Beweis für eine neue solide Haushaltspolitik? Können Sie mir das erklären?

Kotthaus: Ich bemühe mich immer, es Ihnen zu erklären. Ob es ankommt, weiß ich nicht, aber ich bemühe mich zumindest.

Zuerst einmal ist das keine neue solide Haushaltspolitik, sondern dieser Finanzminister steht seit 2009 für eine solide Haushaltspolitik.

Zweitens ist das Ziel, das strukturelle Defizit 2014 auf null zu senken, sicherlich sehr ambitioniert; das ist unstreitig so und keine Frage. Ich kann Ihnen konkrete Zahlen dazu, inwieweit welcher Bedarf gegenüber der mittelfristigen Planung besteht, momentan nicht bestätigen. Wie gesagt: Der Finanzminister ist letzte Woche in einem Interview gefragt worden, inwieweit er einen Bedarf sehen würde, weiter daran zu arbeiten. Er hat "ungefähr 3 Prozent des Haushaltsvolumens" geantwortet. Aber es ist hier und heute, wie vorhin auch Herr Seibert gesagt hat, schlicht und ergreifend zu früh, um in die Details der Finanzplanung 2014 einzusteigen. Es wird den Eckwertebeschluss im März 2013 geben. Wir werden unmittelbar nach dem Ende der Beratungen zum Haushalt 2013 im BMF damit anfangen, diesen vorzubereiten. Dabei werden auch genau diese Fragen zu klären sein. Aber ich kann Ihnen heute konkrete Zahlen welcher Art auch immer schlicht und ergreifend nicht bestätigen. Ich kann sie weder falsifizieren noch verifizieren. Darüber können wir gerne dann reden, wenn wir uns im Eckwertebeschlussprozess befinden.

Zusatzfrage: Aber, Herr Kotthaus, ist es solide, wenn 300 Millionen Euro an Einsparungen aus dem Betreuungsgeld, weil es später kommen wird - das ist offenbar auch schon vorab mit Herrn Schäuble verabredet worden -, jetzt in die Konsolidierungspolitik für 2014 eingerechnet werden oder wenn durch das Einsparen von Zuschüssen 1 Milliarde Euro und durch Extragewinne der KfW, die es vorher auch schon gab, 2 Milliarden Euro plötzlich umgewidmet werden? Was ist darin an neuer solider Haushaltspolitik zu erkennen? Die 2 Milliarden Euro gab es nämlich vorher auch schon, aber die wurden aus gutem Grund bei der KfW belassen. Jetzt werden sie umgewidmet.

Kotthaus: Das Solide ist daran, dass man sich als Finanzminister und als Bundesregierung ein klares Ziel in Bezug darauf setzt, wo der Haushalt wie landen soll. Ich glaube nicht, dass das Finanzministerium umfassend für die Detailpolitik aller Ressorts zuständig ist. Damit würden wir uns sicherlich überheben und übernehmen.

Nein, bei uns muss das Ziel sein, zu sagen: Dies und jenes sind die Zielmarken, die wir erreichen wollen. Der Finanzminister selbst hat in der letzten Woche im Zusammenhang mit der Pressekonferenz zur Steuerschätzung das Ziel von 0,35 Prozent für das nächste Jahr klargemacht, also immerhin drei Jahre vor dem durch die Schuldenbremse selbst stipulierten Ziel. Auch das Ziel, 2014 mit einem strukturellen Defizit von null herauszukommen, ist ein klares Ziel, das man sich gesetzt hat. Das ist im Koalitionsausschuss so bestätigt und unterstützt worden, und das kann ich begrüßen.

Noch einmal: Die einzelnen Details und die Art, in der die Detailpolitiken gemacht werden, gehen ein bisschen über die Zuständigkeit meines bescheidenen Hauses hinaus.

Frage: Ich würde gerne auf das Bildungssparen und das Betreuungsgeld zu sprechen kommen. Geplant ist nun, dass am Freitag die 3. Lesung zum Betreuungsgeld stattfinden soll. Plant die Koalition, auch das Bildungssparen, das, wie ich es verstanden habe, in einem gesonderten Gesetzentwurf festgelegt werden soll, in dieser Woche einzubringen, also parallel?

StS Seibert: Der Plan ist tatsächlich, die Aspekte der privaten Altersvorsorge und des Bildungssparens in einem eigenen Gesetzentwurf unterzubringen. Das Ziel ist, den noch an diesem Mittwoch im Kabinett zu beschließen.

Zusatzfrage: Gilt es, das dann auch schnell über die Fraktionen in den Bundestag einzubringen?

StS Seibert: Das ist das parlamentarische Verfahren, hinsichtlich dessen ich jetzt nicht wirklich auskunftsfähig bin.

Frage: Ich hätte eine Frage zur KfW an das Bundesfinanzministerium und an das Bundeswirtschaftsministerium: Wenn die KfW jetzt weniger Mittel einbehalten kann - die hat sie ja nicht wie Onkel Dagobert im Geldspeicher liegen, sondern sie macht ja etwas mit dem Geld -, was wird sich denn dann Ihren Vorstellungen nach bei der KfW ändern? Müssen Programme gestrichen werden? Können die wegfallen? Die KfW finanziert ja Zinsvergünstigungen aus ihren Mitteln.

Kotthaus: Da kann ich momentan nur auf den Wortlaut des Koalitionsbeschlusses zurückgreifen. Auf Seite 4, glaube ich, finden Sie: "Soweit erforderlich, wird der Gewinn weiterhin zur Verfügung stehen, um eine ausreichende Kapitalausstattung der KfW zu gewährleisten." Ich glaube also nicht, dass irgendwelche Gefahren bestehen, dass die KfW weniger einsatzfähig sein wird, als sie es zurzeit ist.

Zusatzfrage: So, wie ich es aus den Beschlüssen verstanden habe, geht es ja nicht um 2 Milliarden Euro, sondern um 1 Milliarde Euro; denn die KfW hat ja 2,1 Milliarden Euro verdient, und daraus, dass es heißt, dass sie ein langfristiges Ertragspotenzial von 1 Milliarde Euro hat, habe ich jetzt geschlossen - aber vielleicht ist das auch falsch -, dass sie 1 Milliarde Euro behalten soll und der darüber hinausgehende Ertrag abgeschöpft werden soll. So eine Systematik gibt es ja auch bei der Bundesbank. Sehe ich das richtig?

Kotthaus: Ich kann Ihnen das momentan auch nicht weiter aufschlüsseln, denn ich habe den Beschluss auch erst heute Morgen gesehen. Die Details - wie das genau in welcher Form zu verstehen ist - kann ich Ihnen hier und jetzt auch noch nicht benennen.

Zusatzfrage: Sie sagen jetzt, es werde nicht zu weniger Programmen kommen; aber die Programme müssen ja irgendwie finanziert werden, und wenn die KfW weniger Geld hat, muss es ja irgendwo eine Veränderung bei der KfW geben?

Kotthaus: Ich habe mich auf die Formulierungen in dem Beschluss des Koalitionsausschusses bezogen. Darin steht, wie gesagt: "Soweit erforderlich, wird der Gewinn weiterhin zur Verfügung stehen, um eine ausreichende Kapitalausstattung der KfW zu gewährleisten." Wie das im Detail zu interpretieren ist, was das im Detail für die KfW und ihre Gewinnausschüttung bedeutet, kann ich Ihnen hier und jetzt noch nicht sagen.

Vorsitzende Sirleschtov: Herr Schlienkamp, möchten Sie dazu noch etwas sagen?

Schlienkamp: Nein, dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, es sind jetzt einige Beschlüsse genannt worden, die schon am Mittwoch im Kabinett sein sollen. Ich würde mir gern noch einmal alle Beschlüsse auflisten lassen, die schon an diesem Mittwoch im Kabinett sein werden, und würde gern erfahren, ob das dann Gesetzentwürfe oder Verordnungen sind.

StS Seibert: Das kann ich an dieser Stelle aus dem Handgelenk nicht leisten. Nur, weil es gestern einen Koalitionsausschuss gegeben hat, ist natürlich das übliche Verfahren, dass eine Staatssekretärsrunde die Kabinettsthemen für den Mittwoch am Montag festlegt, noch nicht ausgehebelt. Insofern können wir Ihnen erst zum gegebenen Zeitpunkt - so früh wie möglich - sagen, was alles im Kabinett sein wird.

Ich habe Ihnen vorhin bezüglich des Ziels gesagt, dass die Aspekte, die rund um das Betreuungsgeld hinzugekommen sind, am Mittwoch in einem Gesetzentwurf im Kabinett sein sollen.

Zusatzfrage: Das Bildungssparen wurde erwähnt.

StS Seibert: Das meinte ich damit.

Frage: Herr Kotthaus, Sie haben mich vorhin ja schon genau verstanden. Das Wunder ist doch, was Sie gestern Abend ohne Herrn Schäuble beschlossen haben - so stellt es sich für mich dar -: Die KfW hat in Zukunft weniger Geld, weil das in die Haushaltskonsolidierung abgezogen wird, und schränkt trotzdem ihre Arbeit nicht ein. Können Sie mir das erklären? Wie es mit der Zustimmung des Bundesfinanzministers geschehen, dass die KfW Geld hat, mit dem sie bisher offenbar gar nichts angefangen hat?

Kotthaus: Noch einmal: Was es konkret für die KfW bedeuten wird, dass das Thesaurierungsgebot aufgehoben wird - das ist ja das, was geschrieben steht -, kann ich Ihnen momentan nicht im Detail auffächern. Auch wir haben diesen Beschluss erst heute Morgen gesehen. Ich habe versucht, ihn mir so weit wie möglich zu erarbeiten. In diesem Teil habe ich noch keinen klaren Überblick, das gebe ich gerne zu.

Ich sehe in dem Beschluss aber drei Sachen: Erstens wird darauf verwiesen, dass die Gewinne sehr hoch waren. Zweitens wird darauf verwiesen, dass das Thesaurierungsgebot mit dem Ergebnis des Geschäftsjahres 2013 aufgehoben werden soll. Drittens soll, soweit erforderlich, der Gewinn weiterhin zur Verfügung stehen, um eine ausreichende Kapitalausstattung zu gewährleisten. Ich gehe davon aus, dass ich Ihnen erst in den nächsten Tagen oder Stunden sagen kann, wie das im Detail aufzufächern ist und was das konkret bedeutet - aber hier und heute nicht im Detail.

Zusatzfrage: Die Frage ist nur, ob Sie vor diesem Hintergrund nicht einräumen würden, dass es vielleicht ganz klug gewesen wäre, Herrn Schäuble gestern Abend hinzuzuziehen. Denn offenbar wurde es ja nicht verabredet, dass eine Bank mit mehr Geld genauso viel macht wie mit weniger Geld. Wenn das immer so wäre, dann könnte ich auch locker einen Haushalt sanieren; dann sage ich: Ich habe weniger Geld, mache aber mehr Politik und schreibe das in einen Koalitionsbeschluss rein.

StS Seibert: Ich möchte, um das an dieser Stelle vielleicht abzuschließen - obwohl ich natürlich nicht weiß, ob ich es abschließen kann -, einfach noch einmal sagen: Alles Finanzwirksame war mit Minister Schäuble vorab besprochen und geklärt. Nun sind Beschlüsse des Koalitionsausschusses gefasst worden. Sie müssen nun Schritt für Schritt umgesetzt werden, und bei der Umsetzung ist natürlich wieder in erster Linie das Bundesministerium der Finanzen beteiligt.

Frage: Ich habe noch eine Frage an Herrn Flosdorff im Zusammenhang mit der Rentenaufstockung. Aus der Koalition heißt es, die Rentenaufstockung bedeute für einen sozusagen Bedürftigen eine Aufstockung von 10 bis 15 Euro pro Monat, und es wären insgesamt etwa 2 Prozent der Geringverdiener betroffen. Nun könnte ja der Vorwurf lauten, dass das nur ein Tropfen auf den heißen Stein sei und dass man damit an der Masse der Betroffenen vorbeiziele. Wie ordnet die Ministerin das ein?

Flosdorff: Ich kenne so einen Beschluss nicht, und auch diese Zahlen kenne ich nicht. Nach meiner Kenntnis ist beschlossen worden, dass die Hochwertung oberhalb der Grundsicherung landen soll. Das können Sie also gar nicht mit einem durchschnittlichen Grundsicherungsbetrag für Deutschland beziffern, da das regional immer unterschiedlich ist. Der durchschnittliche Grundsicherungsbetrag in Deutschland beträgt 707 Euro, aber es gibt natürlich Kommunen wie zum Beispiel Wiesbaden, wo er im Moment, also im Jahr 2012, bei 811 Euro liegt und im nächsten Jahr mindestens bei 829 Euro liegen wird. Das heißt, der Deckel muss oberhalb des Grundsicherungsbetrags der wohlhabenden Kommunen liegen, damit das überall in Deutschland funktioniert. Insofern weiß ich nicht, wie man eine solche Rechnung anstellen möchte.

Zusatzfrage: Was würden Sie denn berechnen? Kann man mit einem Durchschnittswert oder einem Von-bis-Wert beziffern, was diese Aufstockung dann pro Mensch - das interessiert die Bürger draußen ja immer sehr - bedeutet?

Flosdorff: Der Satz mit der Grundsicherung gibt ja nur eine grobe Orientierung, wo die Obergrenze ist. Es muss ja irgendwo einen Deckel geben. Deshalb nimmt man eine Einkommensanrechnung vor, sodass wohlhabende Einkommen und Rentnerhaushalte über diesem Deckel liegen; denn diese sollen von dieser Maßnahme nicht mehr profitieren, da es eine Maßnahme gegen Altersarmut ist. Damit will man also verhindern, dass das Geld irgendwo hinfließt, wo es vielleicht gar nicht gebraucht wird. Das heißt, der Satz mit "oberhalb der Grundsicherung" gibt nur eine Orientierung, wo der Deckel liegen könnte.

Damit dieser Deckel überall in Deutschland funktioniert - ich sage es noch einmal -, muss man sich an den Kommunen orientieren, die den höchsten regionalen Grundsicherungsbedarf haben. Ansonsten gäbe es ja tausende unterschiedlicher Niveaus in Deutschland; das wäre nicht administrierbar. Das heißt, es muss einen Deckel geben. Dieser Deckel wird wohl über 800 Euro beziehungsweise eher in Richtung 840 bis 850 Euro liegen; denn in dieser Größenordnung werden sich die Grundsicherungsbedarfswerte in Kommunen wie Frankfurt, München, Düsseldorf oder Starnberg bewegen. Wenn Sie dort eine Rente auszahlen würden, die niedriger läge, würden die Leute ja trotzdem in der Grundsicherung landen - bei einer Rente von 750 Euro würde ein Mensch in Düsseldorf trotzdem in der Grundsicherung landen, und das kann ja nicht sein.

Insofern ist das ein gutes Ergebnis, mit dem wir zufrieden sind. Das zeigt auch, dass in den ursprünglichen Gesetzentwürfen realistische Annahmen getroffen worden sind.

Frage: Ich würde gerne noch einmal zur KfW zurückkommen, weil ich es noch nicht so ganz verstanden habe, und hoffe darauf, dass die Tatsache, dass das alles im Vorhinein mit dem Minister besprochen worden ist - das hat Herr Seibert ja gesagt -, vielleicht doch die Möglichkeit bringt, dass Sie uns etwas mehr dazu sagen. In dem Beschluss zu dem Gewinn wird ja auch darauf verwiesen, dass die KfW von der guten Bonität des Bundes, also von den günstigen Refinanzierungsmöglichkeiten - die Zinsen sind im Moment ja wirklich sehr niedrig - profitiert hat und dass infolge dessen der Gewinn auch etwas höher sein dürfte. Das ist aber eigentlich eine Vergangenheitsbetrachtung beziehungsweise eine punktuelle Betrachtung in diesem Moment; insofern stellt sich die Frage, ob die KfW auch künftig noch solche hohen Gewinne haben wird. Wird da irgendein Betrag festgelegt werden, den die KfW dann behalten darf, wird ein Betrag festgelegt werden, den sie ausschütten wird, oder wird das punktuell ja nach Kassenlage gemacht? Wird das auch dazu führen, dass der Bund der KfW künftig möglicherweise wieder Kapital zuführt, wenn sie für den Bund - wie zum Beispiel im Fall von EADS - Transaktionen übernehmen soll? Denn dafür braucht sie ja Geld.

Kotthaus: Ich glaube, diese ganzen Fragen sind allgemein beantwortet mit dem Satz: "Soweit erforderlich, wird der Gewinn weiterhin zur Verfügung stehen, um eine ausreichende Kapitalausstattung der KfW zu gewährleisten." Die Details müssen wir jetzt schlicht und ergreifend ausarbeiten; daher kann ich das hier noch nicht auffächern.

Frage: Herr Seibert, Sie haben eben gesagt, alles Finanzwirksame sei im Vorfeld mit dem Bundesfinanzminister abgesprochen und geklärt worden. Da drängt sich mir die Frage auf: Worüber hat man eigentlich sieben Stunden lang verhandelt, wenn vorher alles abgesprochen und geklärt war? Der Rahmen - so muss ich das doch verstehen - stand offenbar schon vorher. Wozu brauchte man dann sieben Stunden?

StS Seibert: Wir sprechen hier ja auch schon eine ganze Weile über den Koalitionsausschuss. Warum tun wir das? Weil er eine ganze Reihe von hochkomplexen Themen behandelt hat. Diese Themen im Kreis des Koalitionsausschusses zu einer Entscheidung zu bringen und dabei zu berücksichtigen, dass sich unterschiedliche Teilnehmer einem Thema durchaus von unterschiedlichen Seiten nähern - wir haben es vorhin am Beispiel der Praxisgebühr und möglicher Beitragssenkungen besprochen -, dauert seine Zeit, wenn man dabei handwerklich sauber und sorgfältig vorgehen will. Das ist das, was ich Ihnen dazu antworten kann.

Frage: Herr Seibert, ich zweifle natürlich nicht an der handwerklich sauberen Arbeit der gestrigen Abendsitzung und der Teilnehmer daran, aber eines würde mich trotzdem interessieren: Es kann ja zu keinen Veränderungen einer bereits vorher vereinbarten Beschlusslage gekommen sein. Ansonsten hätte man ja - das nehme ich einmal an, weil es handwerklich sauber sein muss - mit dem Finanzminister noch einmal Kontakt aufnehmen müssen, um zu klären: Wir haben 13 Modelle und Variante A, B, C diskutiert, jetzt hat sich aber die Mehrheit - vielleicht weil Herr Seehofer oder sonst wer der Meinung ist, dass man das so macht - für etwas entschieden, was die Lage verändert - was sagt der Finanzminister dazu? Ich verstehe das tatsächlich nicht. Wie können Sie handwerklich sauber um Dinge ringen, die der Bundesfinanzminister Tage vorher schon im Gespräch mit XY - vielleicht auch mit dem Bundespräsidenten - abgesegnet und abgezeichnet hat?

StS Seibert: Ich glaube, zur Beteiligung des Bundesfinanzministers ist wirklich alles gesagt. Herr Kotthaus hat auch sehr klar dargelegt, wie die ganze Richtung der Beschlüsse gestern absolut übereinstimmt mit den Haushaltskonsolidierungsanstrengungen, für die dieser Bundesfinanzminister in den letzten Jahren eingestanden hat und die er konsequent mit der Bundesregierung fortsetzen will. Das ist nun alles, was ich Ihnen zum Funktionieren des Koalitionsausschusses sagen kann.

Frage: Ich nehme an, meine Frage richtet sich entweder an Frau Rohde oder an Herrn Kotthaus: Die "Süddeutsche Zeitung" meldet heute, dass der Bund darauf verzichten wird, die Luftverkehrsabgabe wieder zu erhöhen, so wie es wegen der nicht laufenden Einnahmen aus dem Emissionshandel eigentlich geplant war. Können Sie das bestätigen und mir die Hintergründe dazu erläutern?

Kotthaus: Grundsätzlich ist es so, dass die Ticketsteuer oder die Luftverkehrssteuer jedes Jahr geprüft werden muss, da es einen Mechanismus gibt, durch den diese Steuer in Relation zu den Emissionserlösen steht - aus den Einnahmen der Luftverkehrssteuer und den Emissionserlösen soll jährlich zusammen ungefähr 1 Milliarde Euro erbracht werden. Grundsätzlich war geplant, dass für 2013 verstärkt auch die Emissionserlöse dazu beitragen würden, diese 1 Milliarde Euro zu erbringen. Jetzt gibt es aber das Problem, dass es für 2012 unerwarteterweise - ich möchte in diesem Zusammenhang erwähnen, dass die Emissionserlöse eine EU-Angelegenheit sind - noch keine ausreichende und verlässliche Datenbasis für die Berechnungen für 2013 gibt. Das könnte dazu führen, dass, wenn wir jetzt die Luftverkehrssteuer nach oben anpassen würden, wir sie im Jahr 2013 wieder absenken müssten. Um dieses Rauf und Runter zu verhindern, hat man sich jetzt entschieden - zumindest ist das die Planung -, dass wir diese Anpassung für 2013 aussetzen. Wir erwarten, dass wir dann 2013 die ausreichenden Datensätze für das darauffolgende Jahr haben werden. Wie gesagt, für 2013 wird das erst einmal ausgesetzt; das ist schlicht und ergreifend der Hintergrund. Diese Zusammensetzung aus Luftverkehrssteuer und Emissionserlösen war also aufgrund der Verzögerungen auf der EU-Ebene nicht hinreichend frühzeitig zu erstellen, sodass man die Anpassung hätte vornehmen können.

Zusatzfrage: Wie viel Geld wird Ihnen dadurch maximal fehlen, in welcher Größenordnung liegt diese Unsicherheit in den Erwartungen also?

Kotthaus: Das ist schwer zu sagen; ich kann es Ihnen momentan auch nicht seriös beziffern. Als Schätzwerk: Bis September 2012 hatten wir ein Aufkommen von etwas über 670 Millionen Euro. Letztes Jahr, 2011, sind 959 Millionen Euro zusammengekommen. Was das konkret bedeutet, ist auch deswegen schwer vorherzusagen, weil Sie im Endeffekt schauen müssen: Wie hat sich das Passagieraufkommen entwickelt? Daraus kann man dann Rückschlüsse ziehen, was konkret dabei herauskommt. Das kann ich Ihnen also hier und heute noch nicht nennen.

Um das vielleicht noch festzuhalten: Im Jahr 2011 hat sich das Passagieraufkommen um 4,8 Prozent erhöht, und im ersten Halbjahr 2012 hat es sich gegenüber 2011 um 2,5 Prozent erhöht. Wie sich das aber konkret im Jahr 2013 erhöhen wird, kann ich Ihnen noch nicht sagen; da müssen wir dann gucken, wie sich das Jahr entwickelt hat.

Frage: Herr Kotthaus, zum Thema Euro-Schuldenkrise: Die Republik Zypern hat ja im Sommer einen Antrag auf Hilfe gestellt und verhandelt auch mehr oder weniger intensiv mit der Troika. Nun hat offensichtlich einem Magazinbericht zufolge der Bundesnachrichtendienst Kritik am Umgang Zyperns mit den internationalen Regeln zur Geldwäsche geübt. Gibt es diesen Bericht des Bundesnachrichtendienstes? Falls ja: Wie wird er vom Bundesfinanzministerium bewertet? Wird er auch dem Haushaltsausschuss zur Verfügung gestellt? Schließlich haben die Abgeordneten dort ja das letzte Wort, wenn über konkrete Hilfszahlungen entschieden werden müsste.

StS Seibert: Ich denke, zum Bundesnachrichtendienst sage ich ganz kurz etwas: Ich kann Sie eigentlich nur um Ihr Verständnis dafür bitten, dass, wie es in diesen Fällen üblich ist, die Bundesregierung zu Angelegenheiten des Bundesnachrichtendienstes ausschließlich vor dem zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremium Stellung nehmen wird.

Kotthaus: Ich kann noch hinzufügen: Sie können davon ausgehen, dass in den Gesprächen der Troika mit der Regierung auf Zypern sämtliche für die Hilfsprogramme relevanten Fragen zur Sprache kommen werden. Folglich wird auch das angesprochene Problem - das auch schon in mehreren Medienberichten ausreichend beleuchtet worden ist - ein Teil der Diskussion sein. Das müssen wir dann klären.

Zurzeit laufen die Diskussionen mit einer übersichtlichen Geschwindigkeit. Deswegen hat der Minister auch schon angedeutet, dass ein Abschluss vor dem Jahr 2013 wahrscheinlich schwierig wird. Aber sicherlich wird auch diese Frage, auch diese Thematik, ein Teil der Diskussion sein, wenn es darum geht, wie ein Programm gegebenenfalls aussehen könnte.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium: Wie stehen Sie denn zu dem Vorstoß von Herrn Maaßen, eine zentrale V-Leute-Datei einzurichten?

Beyer-Pollok: Dieser Vorschlag ist Teil der Überlegungen, die von unserem Haus, vom Bundesinnenminister, schon vor geraumer Zeit angestellt worden sind und auch öffentlich gemacht worden sind. Das findet Eingang in die Reformen und in die Strukturfragen, denen sich der Verfassungsschutz insgesamt stellt - wir sprechen ja immer vom Verfassungsschutzverbund des Bundes und der Länder und sind auch im Gespräch zwischen dem Bundesinnenministerium und den Innenressorts der Länder. Auf der anderen Seite ist das natürlich in den Bereichen, die wir organisatorisch eigenständig regeln, was den Bereich der Bundesbehörden angeht, Teil des Reformwegs. Unser Minister hat am Wochenende ja auch skizziert, dass er auf diesem Weg weiter vorangehen wird und vorangehen will.

Frage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin trifft ja, wenn ich das richtig sehe, am Mittwoch den britischen Premierminister Cameron. Was ist denn das Ziel mit Blick auf die Gespräche über den EU-Haushalt? Wird die Bundeskanzlerin dort Kompromissvorschläge machen?

StS Seibert: Es stimmt, sie trifft Herrn Cameron zu einem Abendessen an seinem Amtssitz Downing Street. Das Ziel ist das bereits erklärte Ziel, dazu beizutragen, dass im November ein Sonderrat der Europäischen Union in der Lage ist, den mehrjährigen Finanzrahmen 2014 bis 2020 zu verabschieden, und zwar gemäß den Überzeugungen, die wir in dieser Sache haben und die wir auch mehrfach geäußert haben.

Zusatzfrage: Glaubt die Bundesregierung nach den bisherigen Festlegungen im britischen Unterhaus, dass die Chancen gestiegen oder eher gefallen sind, dass das, was Sie hier skizzieren, auch gelingen wird?

StS Seibert: Die Bundesregierung glaubt, dass es erheblicher Anstrengungen bedürfen wird, eine Lösung zu schaffen, und ist bereit, zu diesen Anstrengungen beizutragen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 5. November 2012
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2012/11/2012-11-05-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2012