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PRESSEKONFERENZ/586: Regierungspressekonferenz vom 15. April 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 15. April 2013
Regierungspressekonferenz vom 15. April 2013

Themen: mögliche dritte Amtszeit der Bundeskanzlerin, gesetzliche Frauenquote in Aufsichtsräten von Unternehmen, Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken, Druck auf Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau durch den russischen Inlandsgeheimdienst, EU-Richtlinie gegen Menschenhandel, Gründung der Partei "Alternative für Deutschland", Finanzhilfen für Zypern, Aufnahme von schwer verletzten Syrern in Deutschland, Gesetz für Gasförderung durch "Fracking", Treffen der Bundeskanzlerin mit dem Präsidenten der Republik Ecuador, Akkreditierungsverfahren beim NSU-Prozess

Sprecher: StS Seibert, Flosdorff (BMAS), Peschke (AA), Wieduwilt (BMJ), Lörges (BMI), Kothé (BMF), Peschke (AA), Geißler (BMU)



VORS. DETJEN eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Die erste Frage wird heute in den Medien aufgeworfen, auch von der "Bild"-Zeitung: Steigt Merkel mit 60 aus? - Meine Frage geht direkt an den Regierungssprecher: Können sich Wählerinnen und Wähler darauf einstellen, dass die Kanzlerin eine volle Wahlperiode zur Verfügung stehen würde, wenn sie wiedergewählt wird?

StS Seibert: Ja, das können sie. Die Bundeskanzlerin tritt bei der Bundestagswahl selbstverständlich für eine volle Amtszeit ein.

Zusatzfrage: Es stimmt also nicht, dass im Kanzleramt schon darüber nachgedacht wird, wie man dann einen möglichen Wechsel in der Regierung vorbereiten könnte?

StS Seibert: Ich habe eigentlich versucht, es so klar wie möglich auszudrücken. Die Bundeskanzlerin tritt bei der Bundestagswahl im September selbstverständlich für eine volle Legislaturperiode, für eine volle Amtszeit ein.

Frage: Ich hätte gern eine Frage an das Arbeitsministerium gestellt: Herr Flosdorf, können Sie uns Aufklärung geben über das Abstimmungsverhalten Ihrer Ministerin beim Thema gesetzliche Frauenquote, also bei der Abstimmung, die im Bundestag ansteht?

Flosdorff: Ich sitze hier als Sprecher des Bundesarbeitsministeriums. Hier geht es um eine Bundesratsinitiative, die diesen Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung steht. Ich werde von dieser Stelle aus nicht über das mögliche Abstimmungsverhalten der Abgeordneten Ursula von der Leyen spekulieren. Da bitte ich um Verständnis.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage an Herrn Seibert: Gehen Sie als Regierungssprecher davon aus, dass alle Mitglieder des Bundeskabinetts die Linie der Bundesregierung oder der Koalitionsstimmen für eine Flexi-Quote und gegen eine gesetzliche Frauenquote mittragen?

StS Seibert: Die Frage, die Sie mir stellen, betrifft Parlament und Fraktion. Da bin ich als Regierungssprecher nun wirklich nicht der Richtige dafür. Die Haltung der Bundesregierung in dieser Sache ist klar.

Zusatzfrage: Das bezieht sich jetzt ja nicht nur auf die Abgeordnete Ursula von der Leyen, sondern auch auf die Ministerin Ursula von der Leyen. Darauf zielte die Frage.

StS Seibert: Die Haltung der Bundesregierung in dieser Sachfrage ist klar. Über das Abstimmungsverhalten kann ich Ihnen jetzt nichts sagen. Natürlich gehe ich zuversichtlich davon aus, dass sich die Haltung der Bundesregierung auch in dem Abstimmungsverhalten widerspiegelt.

Frage: Herr Seibert, ergänzend dazu: Würde denn die Bundeskanzlerin ein abweichendes Stimmverhalten einer Ministerin oder eines Ministers tolerieren? Oder gibt es dann Konsequenzen?

StS Seibert: Derlei hypothetische Fragen möchte ich jetzt hier nicht erörtern.

Zusatzfrage: Können Sie denn eine kurze Nachfrage bestätigen, dass es heute Morgen ein Telefonat der Kanzlerin mit der Ministerin gegeben hat?

StS Seibert: Über einzelne Gespräche der Bundeskanzlerin gebe ich so gut wie nie Auskunft, beispielsweise was die Kolleginnen und Kollegen im Kabinett betrifft. Aber Sie können sich vorstellen, dass über dieses Thema in den letzten Tagen - das ist hier auch berichtet worden - intensiv gesprochen worden ist.

Frage: Herr Flosdorff, noch eine Nachfrage: Es hieß aus dem Umfeld der Ministerin oder von Frau von der Leyen in der vergangenen Woche - in der "Bild am Sonntag" war es auch vermeldet worden -, sie werde sich zum Wochenbeginn erklären, wie sie abzustimmen gedenkt. Können Sie uns da, obwohl Sie ja nur für die Ministerin und nicht für die Abgeordnete sprechen, schon etwas sagen? Was heißt Wochenbeginn? Ist das etwas, was wir heute noch erwarten können oder erst morgen? Wird das vielleicht aus ihrem Abgeordnetenbüro geschehen? Ich möchte für die Planung wissen, was wir zu gewärtigen haben.

Flosdorff: Also wenn ich - unzuständigerweise, nur nach meiner Kenntnis - über die Regeln der Fraktion richtig informiert bin, dann muss man sich bis zum Mittwoch um 17 Uhr, falls man abweichend stimmen möchte, erklärt haben.

Zusatzfrage: Der Satz, dass sich Frau von der Leyen zu Wochenbeginn erklären werde, ist damit hinfällig geworden? Der Wochenbeginn ist jetzt erweitert worden auf "bis Mittwochnachmittag 17 Uhr"?

Flosdorff: Ich will hier keinen Zeitpunkt der Erklärung der Ministerin präjudizieren. Ich sage nur, wie die Regeln der Fraktion nach meiner Kenntnis sind.

Frage: Herr Seibert, Sie haben ja eben gesagt, dass Sie davon ausgehen - ich nehme an, das gilt auch für die Bundeskanzlerin -, dass die Bundesregierung in dieser Frauenquotenfrage eine klare Position hat. Wäre es mit dieser Position vereinbar, wenn eine Ministerin dieser Bundesregierung sich in der Abstimmung enthielte?

StS Seibert: Ich möchte jetzt hier keine Mutmaßung über ein mögliches Abstimmungsverhalten - dafür, dagegen oder per Enthaltung - aussprechen. Ich habe gesagt, was die Haltung der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung dazu ist. Ansonsten betrachte ich es weiterhin als eine Angelegenheit, die Parlament und Fraktion betrifft und nicht so sehr den Regierungssprecher.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert: Herr Seibert, wir haben heute einen großen Amtswechsel beim Bundesverband deutscher Banken. Können Sie sagen, welche Erwartung die Bundesregierung an Herrn Fitschen als neuen Präsidenten des Bankenverbandes legt?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin wird anlässlich dieses Amtswechsels eine Rede halten. In dieser Rede wird sie sicherlich die Leistung des scheidenden Präsidenten und die bisherige Leistung des eingehenden Präsidenten würdigen. Daraus wird dann möglicherweise auch eine Antwort auf Ihre Frage zu ziehen sein.

Frage: Eine Frage an Herrn Peschke: Herr Peschke, können Sie die Information bestätigen, dass russische Mitarbeiter der deutschen Botschaft in Moskau vom Inlandsgeheimdienst in Russland unter Druck gesetzt worden sind?

Peschke: Vielen Dank für die Frage. Ich habe diese Medienberichte auch gesehen. Ich kann Ihnen da aber nur sagen, dass wir uns zu derartigen Spekulationen grundsätzlich nicht äußern können.

Zusatzfrage: Der Bericht enthält auch die Information, dass im Kanzleramt die Einschätzung vorherrsche, dass seit der Beschlagnahmung von Computerfestplatten bei der Adenauer-Stiftung in St. Petersburg die Beziehungen zwischen Deutschland und Russland stark belastet seien. Ist das zutreffend, Herr Seibert?

StS Seibert: Wenn Sie sich an die Pressekonferenz mit der Bundeskanzlerin und dem russischen Präsidenten Putin in Hannover erinnern, dann hat die Kanzlerin ja klar gesagt, dass das, was von der russischen Justiz beispielsweise bei den deutschen politischen Stiftungen getan wurde - die Beschlagnahmung von Festplatten, wenn auch nur die zeitweilige Beschlagnahmung -, doch eine Störung und eine Unterbrechung ist und sich daraus ein Problem für die Arbeit der Stiftungen ergibt.

Da uns die Arbeit der Stiftungen sehr wichtig ist und wir glauben, dass sie für eine gute Entwicklung der russischen Zivilgesellschaft - auch im Interesse des russischen Staates - stehen, hat die Kanzlerin diesen Punkt hervorgehoben.

Frage: Herr Seibert, warum hat die Bundesregierung es versäumt, die EU-Richtlinie gegen Menschenhandel fristgerecht umzusetzen?

StS Seibert: Ich kann dazu generell sagen, dass diese Richtlinie tatsächlich im Jahr 2011 vom Europäischen Parlament beschlossen worden ist.

Das Justizministerium hat einen Referentenentwurf vorgelegt, der sich in der Ressortabstimmung befindet. Es soll darin konkret geklärt werden, ob die Strafvorschrift des 233 StGB ausgeweitet werden soll. Es gibt dazu noch unterschiedliche Vorstellungen in den Ministerien. Deswegen ist diese Kabinettsabstimmung, diese Ressortabstimmung, noch nicht abgeschlossen.

Ich kann Ihnen aber auch sagen, dass es im deutschen Strafrecht schon jetzt eine Vielzahl von Regelungen gibt, die Menschenhandel unter Strafe stellen und dass die ganz entschiedene Haltung der Bundesregierung gegen Menschenhandel überhaupt nicht in Zweifel gezogen werden soll. Es gibt den Paragrafen "Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung", es gibt den Paragrafen "Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft", es gibt den Paragrafen "Förderung des Menschenhandels".

Das heißt, die Ressortabstimmung ist noch nicht abgeschlossen. Die entschiedene Haltung der Bundesregierung gegen Menschenhandel ist davon nicht betroffen. Wir müssen eben an den Feinheiten dieser konkreten Richtlinie weiter arbeiten. - Vielleicht möchte das Justizministerium das noch ergänzen.

Wieduwilt: Ich möchte in der Tat nur eine Sache ergänzen: Bei den Paragrafen muss man aufpassen, da gibt es verschiedene. Ich habe jetzt in Erinnerung, dass für die Umsetzung auch 233 a StGB sehr relevant ist. Ich gebe das jetzt - das muss ich zugeben - relativ kenntnislos weiter, sozusagen als Recherchehilfe.

Des Weiteren möchte ich darauf hinweisen, dass man sehr genau trennen muss zwischen dem politischen Petitum und der Umsetzung der Richtlinie und der jetzigen Behauptung, dass bestimmte Dinge nicht ausreichen. Also diese zwei Level muss man, glaube ich, unterscheiden.

Zusatzfrage: Wenn Sie sagen, Herr Seibert, es existiert eine Reihe von Regelungen, die die entschiedene Haltung der Bundesregierung gegen Menschenhandel zum Ausdruck bringt, würde das die Bundesregierung davon befreien, eine solche EU-Richtlinie zu ratifizieren?

StS Seibert: Nein, das habe ich ja auch nicht gesagt. Ich habe nur versucht, dem Eindruck, dass die Bundesregierung dem Problem des Menschenhandels indifferent gegenüberstehe, entgegenzuwirken. Denn das ist politisch natürlich absolut nicht so.

Nun ist die Frage, wie über die bereits bestehenden Straftatbestände hinaus eine solche Richtlinie umgesetzt werden kann. Da ist die Ressortabstimmung noch nicht abgeschlossen.

Zusatzfrage: Können Sie sagen, bis wann das geschehen soll? Haben Sie den Plan, das noch in dieser Legislaturperiode abzuschließen?

Wieduwilt: Also ich kann dazu nur sagen, dass wir natürlich eine schnellstmögliche Kabinettsbefassung anstreben. Das Bundesjustizministerium - ich habe das auch schon gebetsmühlenartig vorgetragen - hat einen Referentenentwurf vorgelegt, der die Richtlinie eins zu eins umsetzt.

Frage: Herr Seibert, wenn die Bundesregierung so entschieden für den Kampf gegen Menschenhandel eintritt, wieso hat es so lange gedauert, diese Richtlinie eins zu eins umzusetzen? Mich würde daneben interessieren, ob auch die Bundeskanzlerin das Ziel hat, so schnell wie möglich - also noch vor Ende der Legislaturperiode - zu einer Kabinettsbefassung dazu zu kommen?

StS Seibert: Vielleicht holen wir an dieser Stelle auch das BMI ins Boot. Denn das BMI ist ja das andere wichtige Ministerium in diesem Zusammenhang.

Lörges: Sehr gern. Ich kann auch noch einmal bekräftigen, dass wir uns natürlich im Sinne der Betroffenen eine baldige Umsetzung der Richtlinie wünschen, und zwar eine Eins-zu-eins-Umsetzung. Da liegt anscheinend der Hase im Pfeffer. - Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht sagen.

Frage: Herr Seibert, könnten Sie uns bitte über die Gestaltung des "Hasen" aufklären?

StS Seibert: Nein, das kann ich nicht, weil ich - ehrlich gesagt - zu diesem Thema jetzt nicht bis ins letzte Detail vorbereitet bin. Das können wir sicherlich nachliefern.

Ich wiederhole noch einmal: Die politische Überzeugung der Bundesregierung ist ganz klar, dass Menschenhandel bekämpft werden muss. Wir haben dafür glücklicherweise bereits jetzt Straftatbestände, mit denen auch gearbeitet werden kann. Wie darüber hinaus gehend entlang der Richtlinie des Europäischen Parlaments gehandelt werden soll, das wird jetzt gerade in der Bundesregierung abgestimmt. Es gibt da weitergehende Vorstellungen. Es gibt da die Vorlage der europäischen Richtlinie. Es haben bisher erst 5 von 27 Staaten diese Richtlinie umgesetzt. Deutschland hat nicht vor, bei den Letzten zu sein, wird sich aber die Zeit nehmen, um eine gute Lösung zu finden.

Zusatzfrage: Dann könnten vielleicht die anderen beiden Herren bei der Gestaltfindung des "Hasen" weiter helfen.

Wieduwilt: Das Bild des "Hasen" lädt nun ein, das hier totzureiten. Das möchte ich bei einem Thema wie Menschenhandel aber nicht tun.

Lassen Sie mich nur so viel sagen: Sie wissen, dass wir bei in der Ressortabstimmung befindlichen Referentenentwürfen nicht ins Inhaltliche gehen. Nur dem Eindruck, dass nun großer Umsetzungsbedarf bestünde, möchte ich entgegentreten. Es handelt sich hier wirklich um punktuelle Regelungen und nicht darum, jetzt endlich ein Strafrecht zu schaffen, das dem Menschenhandel gerecht wird. Denn wir haben in Deutschland bereits ein sehr strenges Strafrecht mit zahlreichen Vorschriften, von denen Ihnen einige bereits genannt wurden.

Frage: Sie sagen "eins zu eins", Sie sagen "eins zu eins", und Herr Seibert sagt, er habe sich damit noch nicht befasst. Wird es denn langsam nicht notwendig, dass die Kanzlerin einen Ombudsmann ernennt, um in solchen Fällen zwischen dem Innenministerium und dem Justizministerium zu vermitteln?

Inzwischen gibt es mehrere solche Fälle. Ich erinnere an die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung, die, glaube ich, auch noch - das haben Sie gesagt - in dieser Legislaturperiode kommen soll. Das ist ja auch nicht mehr so lange hin. Es gibt jetzt den Streit über das Asylbewerberleistungsgesetz, das im Streit zwischen BMI und BMJ immer noch in der Ressortbefassung oder Kabinettsbefassung harrt. - Also wie lange wollen Sie sich das Schauspiel denn noch ansehen, bevor Sie dann irgendwann zu Potte kommen?

StS Seibert: Ich möchte dem Eindruck entgegentreten, dass ich mich damit nicht befasst hätte. Ich spreche ja schon seit mindestens fünf Minuten darüber. Ich bin nur nicht der Richtige, um hier im Detail Paragrafen auseinanderzunehmen und mit Ihnen zu diskutieren.

Im Übrigen gilt der Grundsatz, der immer gilt, dass wir die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung und nicht in der Öffentlichkeit machen. - Es wird keines Ombudsmannes bedürfen, um in dieser Frage in der Bundesregierung voranzukommen.

Zusatzfrage: Wollen Sie das für die Vorratsdatenspeicherung so sagen?

StS Seibert: Es wird überhaupt keiner Ombudsmänner bedürfen, um in der Bundesregierung zwischen den Ressorts zu vernünftigen Lösungen zu kommen, sondern erst dann, wenn sie wirklich gebraucht werden.

Zusatzfrage: Würden Sie weiterhin Ihren festen Glauben ausdrücken, dass es noch in dieser Legislaturperiode zu einer EU-konformen Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung kommt?

StS Seibert: Ich kann meinen festen Glauben nur dahingehend ausdrücken, dass daran gearbeitet wird und die Einigung dann gefunden wird, wenn es nötig ist.

Frage: Herr Seibert, gestatten Sie, dass ich hier noch einmal nachfrage.

Sie haben auf unsere Frage, warum das mit der Umsetzung so lange dauert, auf die interne Abstimmung der Ressorts hingewiesen. Ich finde, es ist deshalb nur recht und billig, wenn wir nachfragen, wo denn das Problem liegt. Es ist nicht recht und billig, wenn wir dann damit abgespeist werden, dass offensichtlich niemals über Inhalte gesprochen wird.

Also könnte vielleicht jemand sagen, wo das Problem liegt? - Die Frage richtet sich entweder an die beiden Ministerien oder an Sie.

StS Seibert: Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass ich oder meine Kollegen hier versucht haben, Sie abzuspeisen.

Wir haben doch versucht klar zu machen: Erstens. Es gibt tatsächlich einen Richtlinienentwurf. Zweitens. Die deutsche Bundesregierung ist in der Ressortabstimmung, wie dieser Richtlinienentwurf umgesetzt werden kann. Das heißt auch, dass sie ihn jetzt noch nicht umgesetzt hat. Das ist in 22 von 27 EU-Mitgliedstaaten derzeit genau der gleiche Fall. Drittens. Wir haben einen starken politischen Willen, auf allen Ebenen - national wie international - gegen Menschenhandel zu handeln.

Ich habe versucht Ihnen vorzutragen, wie das Strafrecht bereits ausgestattet ist. Nun geht es um die Frage weiterer Tatbestände, die aufgenommen werden sollen. Das ist eine juristische Frage und deswegen bin ich nicht der Richtige, sie Ihnen hier im Detail darlegen. Deswegen wird sie zwischen BMI und BMJ intensiv diskutiert. Ich bin nicht in der Lage, Ihnen das jetzt ganz genau zu sagen. Ich glaube, es ist trotzdem ein völlig normaler Zustand, dass wir zu den Details der Ressortabstimmung hier in der Regel keine öffentlichen Erklärungen abgeben.

Lörges: Wir haben Ihnen ja schon insoweit Einblick gegeben, als es letztlich um die Frage geht, ob der Gesetzentwurf die Richtlinie eins zu eins umsetzt oder nicht. Dazu gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Es ist allgemein üblich und allgemeine Übung, dass wir zu internen Vorgängen, wie es der Ressortabstimmung entspricht, nicht mehr Stellung nehmen.

Noch eine Gegenäußerung zu dem, was Herr Hebestreit sagte: Es gibt auch Beispiele dafür, dass sich die beiden Häuser sehr wohl geeinigt haben, wie das Terrorbekämpfungsergänzungsgesetz.

Frage: Es gibt ja Fälle, in denen Ihre Häuser sehr unterschiedliche Sichtweisen haben und in denen man sich insoweit geeinigt hat, als man sich darüber, weil man eben diese unterschiedlichen Sichtweisen hat, gar nicht mehr weiter auseinandergesetzt hat, weil die Fronten eben klar sind und es keine Einigung gibt. Ist dies ein Fall, für den das auch gilt, oder ist das etwas, das hinsichtlich der Vorratsdatenspeicherung akzeptiert wird, aber über die EU-Richtlinie zum Menschenhandel spricht man noch miteinander?

Wieduwilt: Vielen Dank, dass Sie mir die Gelegenheit geben, hier mit dem Eindruck aufzuräumen, es gebe jetzt Streit über wesentliche Punkte des Gesetzes zur Umsetzung dieser Richtlinie. Das ist natürlich nicht der Fall. Wir reden hierbei über fachliche Details. Das ist keine Grundsatzdebatte nach dem Motto: Wir machen jetzt den großen Paragrafen, der dann den Menschenhandel effektiver bekämpft. Ich halte es ohnehin für fraglich, ob in dieser Hinsicht durch einen Strich des Gesetzgebers das Wesentliche getan ist. Die Ministerin hat immer wieder betont: Es kommt vor allen Dingen darauf an, dass Polizeiarbeit getan wird. Aber zwischen den Häusern bestehen in dieser Hinsicht fachliche Einzelfragen, und die werden geklärt werden. Es handelt sich nicht um eine Grundsatzfrage.

Zusatzfrage: Herr Wieduwilt, Sie deuten jetzt allerdings an, dass diese EU-Richtlinie überflüssig ist, wenn Sie sagen, eigentlich ging es um Polizeiarbeit. Das ist der Eindruck, der sich mir jetzt durch mehrere Wortmeldungen von Ihnen aufdrängt. Halten Sie diese Richtlinie jetzt also für überflüssig, oder geht es um eine zügige Umsetzung?

Wieduwilt: Die Richtlinie halte ich auf gar keinen Fall für überflüssig, und das habe ich auch nicht gesagt. Die Richtlinie löst punktuellen Umsetzungsbedarf aus, und dem wird der Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums gerecht. Ich weise aber auch darauf hin, dass es vorher bereits einen Rahmenbeschluss gab, der auch von Deutschland umgesetzt wurde. Dementsprechend gibt es schon etliche StGB-Normen. Ich möchte nur dem Eindruck entgegenwirken, dass es hierbei um einen in Bezug auf den Menschenhandel unerlässlichen Paragrafen geht und es eine Grundsatzdebatte zwischen BMI und BMJ gibt. Das ist nicht der Fall.

Frage: Herr Seibert, heute wird in Brüssel dieser EU-Bericht zum Menschenhandel vorgestellt werden. Ein paar Details konnte man schon aus der Presse erfahren. Wie betrachtet denn die Bundesregierung diesen Bericht und die Ergebnisse?

StS Seibert: Ich kann den Bericht, da ich ihn noch nicht vorliegen habe, sondern auch nur etwas aus der Presse erfahren habe, jetzt nicht wirklich offiziell im Namen der Bundesregierung kommentieren. Wenn es einen Zuwachs an Fällen von Menschenhandel gibt, dann ist es doch ganz klar, dass das uns alle, die wir politisch tätig sind, entsetzen muss und dass man natürlich versuchen muss, die Vorschriften dagegen, die wir schon haben, in Stellung zu bringen, wirklich die Justiz ihre Arbeit machen zu lassen, für Aufklärung zu sorgen und im Übrigen auch immer mehr dafür zu werben - dies ist ja kein nationales und nicht einmal ein rein europäisches EU-Thema, sondern es ist ein Thema, das globale Konsequenzen hat und dessen Wurzeln auch globaler Natur sind -, dass global dagegen vorgegangen wird. Die Bundesregierung wird sich für die Maßnahmen, die innerhalb der internationalen Gemeinschaft besprochen werden, sicherlich sehr engagiert einsetzen.

Frage: Herr Seibert, nachdem sich am Wochenende die sogenannte "Alternative für Deutschland" gegründet hat und nachdem es Umfragen gibt, die dieser neuen Partei ein erhebliches Wählerpotenzial bescheinigen, sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um den Menschen den Euro vielleicht noch stärker als bisher ans Herz zu bringen und solchen Gruppierungen das Wasser abzugraben?

StS Seibert: Ich habe, wenn sich eine neue Partei gründet, das als Regierungssprecher nicht zu kommentieren. Wenn irgendwo in einer politischen Ecke leichthin das Ende des Euro oder der Austritt Deutschlands aus der Währungsunion oder die Rückkehr zur D-Mark beschworen wird, dann muss allerdings jeder wissen, und das hat die Bundesregierung immer wieder klarzumachen versucht: Für ein exportstarkes Land wie Deutschland ist die Euro-Mitgliedschaft ein Glück. Für unsere Unternehmen, ob sie groß oder klein sind, ist es ein täglicher Vorteil, dass Deutschland Mitglied dieser Währungsunion ist. Das ist ein täglicher Vorteil gegenüber den Zeiten, als Währungsschwankungen, Transaktionskosten und im Übrigen auch eine höhere Inflation, als es sie seit der Einführung des Euro gibt, die Unternehmen belastet haben. Millionen von Arbeitsplätzen sind also sicher, weil wir als Exportland Bundesrepublik Deutschland in dieser Währungsgemeinschaft und diesem Binnenmarkt sind.

Wer das gefährdet, der gefährdet natürlich Wohlstand, Arbeitsplätze und soziale Sicherheit hier in Deutschland. Das war immer die Argumentation der Bundesregierung, unabhängig vom Auftauchen bestimmter Parteien. Deswegen machen wir unsere Europapolitik und unsere Eurokrisenbewältigungspolitik so, wie wir sie machen. Die Antwort auf die Krise in Europa oder die Unzulänglichkeiten, die es natürlich gibt - in Europa wie auch in der Eurozone -, ist ja nicht ein Austritt, und die Antwort kann nicht eine neue Jeder-für-sich-Mentalität sein, sondern die Antwort ist die, die die Bundesregierung zusammen mit unseren europäischen Partnern seit einigen Jahren gibt, nämlich Solidarität und Reformen, starke nationale Anstrengungen gegen die Überschuldung der einzelnen Staaten sowie starke europäische Initiativen, damit wir nicht wieder in eine solche Situation geraten. Das ist die Grundhaltung der Bundesregierung. Die ist in unzähligen Regierungserklärungen der Bundeskanzlerin zum Ausdruck gekommen. Sie ist in unzähligen Reden vertreten worden. Sie ist auch, wenn Sie an die Öffentlichkeitsarbeit denken, die die Bundesregierung macht, immer wieder betont worden.

Zusatzfrage: Sind größere Anstrengungen aus Ihrer Sicht also nicht nötig, um das Unzufriedenheitspotenzial einzufangen?

StS Seibert: Es wird immer wieder nötig sein, auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Im Übrigen, wenn ich das noch sagen darf, scheint es mir so zu sein, dass die große Mehrheit der Bundesbürger diese Zusammenhänge sehr genau kennt. Denn Umfragen zeigen ja auch, dass die Zahl derer, die den Euro befürworten, inzwischen deutlich höher ist, als sie es noch vor einiger Zeit war.

Frage: Zypern hat russischen Anlegern angeblich angeboten, die zyprische Staatsbürgerschaft zu erlangen, und zwar als Entschädigung für Verluste in Zypern. Herr Seibert, hält die Bundesregierung das für einen normalen Vorgang, oder ist das etwas, was Irritationen auslöst?

StS Seibert: Wie Sie schon sagten, wurde angeblich etwas angeboten. Ich kenne den Vorgang nicht im Detail, und ich glaube, er ist bisher auch nicht offiziell so angekommen, dass man ihn beurteilen könnte.

Zusatzfrage: Wenn dem so wäre, wäre das dann ein normaler Vorgang?

StS Seibert: Dann wäre das zu prüfen.

Frage: Frau Kothé, Zypern benötigt zur Rettung, wie wir letzte Woche erfahren haben, etwas mehr als 5,5 Milliarden Euro mehr, als wir noch vor Ostern geglaubt haben. Können Sie bitte einmal erläutern, wie es zu diesem Mehrbedarf kommen konnte und ob möglicherweise ein noch größerer Mehrbedarf zu erwarten ist? Wie kann Zypern diesen Mehrbedarf hereinholen? Wie soll das finanziert werden? Mir ist erinnerlich, dass an dieser Stelle schon vor Ostern gesagt wurde, es werde ohnehin schwierig damit werden, dass Zypern die Kredite und Hilfsleistungen wird bedienen können.

Kothé: Am Freitag hatte ich schon versucht, dieses Thema und die Berichterstattung zu erklären. Ich denke, durch die Beschlüsse, in denen man die Zahlen jetzt noch einmal nachlesen kann, (wird klar): Es gibt gegenüber der Beschlussfassung vom 24., also als die Eurozone die Grundzüge für das Hilfsprogramm beschlossen hat, keinen Mehrbedarf. Gegenüber der ursprünglichen Planung - also dieses technischen MoU, das es infolge des Hilfsantrags gegeben hat - gab es natürlich eine Verschlechterung des sogenannten Makro-Szenarios, wie wir es nennen. Die Prognosen hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung haben sich also noch einmal verschlechtert, auch durch die Verzögerung, die es bei der ganzen Programmumsetzung oder bei der Beschlussfassung gegeben hat, was die Rekapitalisierung des Bankensektors anbetrifft. Aber das ist alles schon in diesem ursprünglichen Beschluss vom 24. - also der Beschluss zu dem Finanzszenario, das dem zugrunde lag - abgebildet worden.

Wichtig ist: Dieser Finanzbedarf in Höhe von 10 Milliarden Euro, der sich für das europäische Programm und den IWF ergibt, ist unverändert der gleiche. Es gibt also keinen finanziellen Mehrbedarf, was das Programm anbetrifft.

Frage: Frau Kothé, es gibt trotzdem die Forderung aus dem Bundestag und auch aus Unionsreihen, dass man dem Zypern-Paket nicht zustimmen sollte, falls Zypern nicht vorher glaubhaft klarmacht, wie es diesen Mehrbedarf in Höhe von 5,5 Milliarden oder 6 Milliarden Euro denn abdecken kann und will. Erwarten Sie also, dass zumindest von der zyprischen Seite noch vor der Bundestagsabstimmung klargemacht wird, wie größere Summen eventuell von dem Land aufgebracht werden können?

Kothé: Ich kann mich an dieser Stelle nur noch einmal wiederholen: Das Programm ist durchfinanziert. Es gibt keine neuerliche Lücke. Es ist mit Maßnahmen unterlegt. Es bleibt bei dem Finanzbedarf hinsichtlich der Hilfe in Höhe von 10 Milliarden Euro. Das wird auch sehr ausführlich in den doch sehr umfangreichen Unterlagen dargelegt, die wir am Wochenende nach der Sitzung der Eurogruppe jetzt dem Bundestag zugeleitet haben, und ich glaube, dass sich die eine oder andere Frage dann auch relativ einfach aufklären lässt.

Zusatzfrage: Herr Peschke, ist es denn üblich, dass Pässe in der Europäischen Union gegen die Zahlung einer bestimmten Summe vergeben werden können? Zypern hat, wenn ich das richtig verstehe, zwar am Wochenende anscheinend diese Offerte gemacht, Russen, die mehr als 3 Millionen Euro anlegen, diesen Pass zu geben. Zypern hat aber bereits die Regelung, dass Russen, die mehr als 10 Millionen Euro anlegen, einen europäischen Pass bekommen können. Stimmt das? Gibt es solche Regelungen in EU-Ländern? Wie beurteilt die Bundesregierung dies?

Peschke: Die Staatsangehörigkeit ist ja immer noch eine Frage, die in die nationale Zuständigkeit fällt. Insofern sind auch die Regelungen, die dazu verabschiedet werden und die wir in Deutschland zur Staatsangehörigkeit haben, nationale Regelungen. Es obliegt jedem Land selbst, die Regelungen zur Staatsangehörigkeit zu treffen. Insofern kann ich hier keinen weiteren Kommentar abgeben.

Wenn Sie die EU-Komponente meinen: Sie wissen, dass es aufgrund der Verträge über die Europäische Union und auch der jüngsten Vertragsänderungen eine Unionsbürgerschaft gibt, die aber natürlich an die Voraussetzung der nationalen Staatsangehörigkeit in einem EU-Land geknüpft ist. Insofern müssen diese Voraussetzungen national erfüllt werden und auch national definiert werden.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung keine Bedenken, dass mit solchen Regelungen, durch die eine europäische Staatsbürgerschaft gegen Geld vergeben wird, Visabestimmungen, die es eigentlich für bestimmte Länder gibt, unterlaufen werden? Die Frage richtet sich vielleicht auch an das Innenministerium.

Peschke: Ich kann gerne zuerst antworten. Ich kann nur noch einmal sagen: Ich habe Ihnen das jetzt nur im Zuge einer allgemeinen Erläuterung gesagt. In Bezug auf die Frage einer Bewertung usw., die Sie jetzt noch einmal angeschlossen haben, kann ich nur auf das verweisen, was der Regierungssprecher schon gesagt hat, nämlich dass ja ein großes "angeblich" im Raum steht. Zu Angeblichem aus namentlich nicht genannten Quellen können wir von dieser Stelle aus natürlich keine Stellung nehmen. Das ist der Sachverhalt.

Darüber hinaus gilt: Das Visumsrecht ist wiederum ein dritter Bereich. Es gibt also dabei viele Fragestellungen, die natürlich ihren eigenen Regelungsbedarf und ihre eigenen Regelungsnetzwerke haben. Es gibt das Staatsangehörigkeitsrecht, und das ist national geregelt. Es gibt das Visumsrecht, für das es - das wissen Sie - natürlich europäische Regelungen gibt, so den sogenannten Visakodex der Europäischen Union, das Schengen-Recht und gemeinsame Regelungen. Darüber können wir auch gerne sprechen. Aber das ist wiederum ein separater Themenbereich, und dazu weiter Stellung zu nehmen, möchte ich Ihnen an dieser Stelle jetzt ersparen, zumal, wie gesagt, der zugrunde liegende Sachverhalt ja Medienmeldungen sind, die eben mit dem Wort "angeblich" eingeleitet werden.

Lörges: Ich habe dem jetzt von hier aus nichts hinzuzufügen.

Frage: Bei Zypern geht es um die Verletzung eines fundamentalen Gleichheitsprinzips - egal, ob sie vom zyprischen Parlament oder von der zyprischen Regierung begangen wird. Ist das nicht eines Kommentares wert? Dabei geht es ja auch um europäisches Recht.

Peschke: Diese Frage haben Sie vermutlich an sich selbst gerichtet. Ob Sie das kommentieren möchten oder nicht, müssen Sie selbst wissen. Wir geben dazu, zumal es sich eben um unbestätigte Meldungen handelt, keinen Kommentar ab.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten ja vorhin: Wenn dem so ist, dann wird das geprüft. - Was heißt denn das genau? Wer prüft das, und was folgt dann aus dieser Prüfung? Können wir uns also eine Situation vorstellen, in der die Bundesregierung auf europäischer Ebene an Zypern herantritt und sagt "So könnt ihr das nicht machen", oder wird dann auf das verwiesen, was Herr Peschke gesagt hat, also dass das letztlich in die nationale Zuständigkeit fällt?

StS Seibert: Herr Peschke hat es ja gesagt: Das Staatsangehörigkeitsrecht ist national geregelt. In Bezug auf das Visumsrecht gibt es europäische Regelungen und Komponenten, die zu beachten sind. Noch einmal: Wir haben doch bisher noch keinerlei offiziellen Aufschluss darüber, was dort genau geplant wird oder nicht geplant wird.

Wenn ich "geprüft" sage, dann heißt das, dass man sich das dann einmal sehr genau anschauen wird, wenn das in die Öffentlichkeit geraten sein wird oder wenn dieses Projekt auf einem intergouvernementalen Wege beispielsweise in Brüssel oder in Berlin angekommen sein wird. Viel mehr will ich dazu gar nicht sagen.

Frage: Herr Peschke, Herr Seibert, ich weiß zwar nicht, wer das beantworten kann, aber haben Sie Kenntnis davon, dass es in irgendeinem europäischen Land denkbar ist, dass man die Staatsangehörigkeit gegen die Zahlung der Summe X erhält?

Peschke: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich habe keine Kenntnis beziehungsweise keine flächendeckende Kenntnis des Staatsangehörigkeitsrechts in den anderen EU-Mitgliedstaaten. Das würde das BMI besser sagen können. Aber selbst die umfassenden Regelungen des deutschen Staatsangehörigkeitsrechtes kann ich hier nicht auswendig zitieren. Aber ich meine, dazu gibt es veröffentlichte Gesetzestexte, und das kann man sicherlich leicht nachschlagen.

Zusatzfrage: Dann darf ich die Frage an das Innenministerium weiterreichen: Wissen Sie etwas darüber?

Lörges: Aus dem Stand nicht. Ich werde einmal die Experten bei uns im Haus fragen, und dann würde ich mich noch einmal melden.

Zusatzfrage: Aber in Deutschland ist das nicht möglich, oder?

Lörges: Nein; das kann ich Ihnen insoweit sagen.

Frage: Aber die Frage ist wohl berechtigt, und ich bitte Sie, sie zu beantworten, ob es zulässig und legitim ist, die Vergabe von Staatsbürgerschaften anhand der Schwere des Portemonnaies zu tätigen. Ist das etwas, was die Bundesregierung akzeptieren würde?

Peschke: Ich glaube, wir haben jetzt umfassend Stellung genommen und auch gesagt, wozu wir keine Stellung nehmen können. Ich kann dem einfach nichts mehr hinzufügen. Wir können die Debatte gerne noch bilateral fortsetzen; ich sehe ja, dass Sie das umtreibt. Herr Seibert hat hier, glaube ich, alles dazu gesagt, was zu sagen ist. Ich habe versucht, meinen Teil dazu beizutragen. Mehr kann ich dazu leider im Moment nicht sagen.

Frage: Wir bleiben bitte beim Außenministerium. Nachdem Deutschland heute 36 schwer verletzte Syrer aufnimmt, stellt sich die Frage: Ist das eine einmalige Aktion? Oder wird es weitere derartige Aktionen geben?

Ein zweiter Punkt: Es gab eine Diskussion über die Aufnahme von Syrern als politische Flüchtlinge. Kann man da Zahlen nennen? Sind schon Syrer hier im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg dort aufgenommen worden? Oder ist das geplant?

Peschke: Zum zweiten Thema würde ich gerne an meinen Kollegen verweisen.

Die Beantwortung der Frage zum ersten Thema kann ich mir gerne mit Herrn Paris teilen. Das ist ja eine gemeinsame Aktion.

Es ist so, dass wir auf Bitte der Nationalen Koalition der syrischen Opposition gehandelt haben. Ihr Vorsitzender, Moaz al-Khatib, hatte Außenminister Westerwelle persönlich um Unterstützung bei der Versorgung von schwerstverletzten Syrern gebeten. Das haben wir gemeinsam mit dem Verteidigungsministerium geprüft und haben in einem ersten Schritt 36 Schwerstverletzte zusammen mit der Nationalen Koalition der syrischen Opposition und jordanischen Partnern identifiziert, die derzeit in jordanischen Einrichtungen zwischenversorgt wurden. Sie werden nach Deutschland transportiert und hier sachgerecht weiter versorgt.

Das ist zunächst einmal eine einmalige Aktion. Aber es ist schon so, dass der Prüfprozess und unsere Hilfsbereitschaft auch den syrischen Oppositionspartnern gegenüber natürlich fortbesteht und wir auch in der Zukunft entsprechenden Bitten vonseiten der Nationalen Koalition der syrischen Opposition konstruktiv gegenüberstehen werden.

Frage: Herr Westerwelle lässt sich mit den Worten zitieren, dass das auch ein Beitrag zur politischen Unterstützung der Nationalen Koalition sei. Können Sie ausführen, weshalb das so ist?

Können Sie auch noch etwas zu den Schwerverletzten sagen? Handelt es sich dabei um Zivilisten, um Kämpfer? Wie haben wir uns das vorzustellen?

Peschke: Zu dem ersten Punkt: Ja, in der Tat hat der Minister davon gesprochen, dass es auch eine Form der politischen Unterstützung für die Nationale Koalition der syrischen Opposition ist. Das ist deswegen ein Akt der politischen Unterstützung für die Nationale Koalition der syrischen Opposition, weil diese Nationale Koalition der syrischen Opposition natürlich gegenüber den Menschen in Syrien und den Flüchtlingen in der Pflicht steht, bestimmte Dienstleistungen, bestimmte Hilfestellungen und Serviceleistungen effektiv erbringen zu können.

Dazu gehört die Versorgung der Bevölkerung in Gebieten in Syrien unter ihrer Kontrolle. Auch an diesem Thema sind wir umfassend dran. Dazu gehört aber auch zum Beispiel die Bereitstellung von medizinischen Dienstleistungen für Schwerstverletzte. Wenn wir hier in dieser einzelnen Frage Hilfe leisten können, ist das gut für die Menschen, die in den Genuss dieser Hilfe kommen, aber es ist auch gut für die Nationale Koalition, die wiederum den Syrern gegenüber dokumentieren kann, dass sie zu einer effektiven Hilfeleistung in der Lage ist beziehungsweise mit Hilfe der internationalen Staatengemeinschaft solche Hilfeleistungen erbringen kann.

Zur Identität und dem weiteren Hintergrund der Verletzten will ich nichts weiter sagen. Nur, dass es sich um schwerstverletzte Kriegsopfer beziehungsweise Bürgerkriegsopfer handelt, die gemeinsam mit jordanischen Stellen und Vertretern der Nationalen Koalition ausgewählt wurden.

Zusatzfrage: Die Frage war ja, ob es sich dabei um Zivilisten oder um Kämpfer handelt. Oder können Sie das nicht sagen?

Peschke: Ich will das hier an dieser Stelle offen lassen. Wenn ich dazu etwas Belastbares weitergeben kann, kann ich das gerne zu einem späteren Zeitpunkt nachreichen. Hier an der Stelle will ich nur sagen, dass die Auswahl aufgrund medizinischer Kriterien erfolgte.

Lörges: Ich sage es gerne noch einmal: Der Bundesinnenminister hatte Ende März hier an diesem Ort schon angekündigt, dass in diesem Jahr 5.000 besonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge aufgenommen werden sollen. Zum Zeitraum: ungefähr ab Juni soll das geschehen. Es sollen etwa 3.000 Flüchtlinge aufgenommen werden und dann im Herbst noch einmal 2.000. Derzeit befindet sich eine Erkundungsmission in Jordanien und im Libanon, um die Aufnahmekriterien genau zu klären. Man muss diese 5.000 Personen aus der Vielzahl der anderen Personen sozusagen irgendwie aussondern. Man muss also genauer klären, um welche Kriterien es geht. Es soll insbesondere um Familien mit Kindern, unbegleitete Minderjährige und auch verfolgte Minderheiten gehen.

Wir sind damit Vorreiter in Europa. Der Bundesinnenminister hat sich auch an seine Kollegin in Brüssel, Kommissarin Malmström, mit der Bitte gewandt, die anderen Mitgliedstaaten aufzufordern und nachzuziehen.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass wir im Rahmen des Asylverfahrens schon viele syrische Flüchtlinge in den vergangenen Monaten aufgenommen haben und im Übrigen vor Ort viel tun. Nach wie vor ist Deutschland, glaube ich, zweitgrößter Geldgeber, was die Hilfe vor Ort angeht.

Frage: Herr Peschke, können Sie etwas zu den Kosten der derzeit laufenden medizinischen Aktion sagen?

Peschke: Ich kann dazu nur sagen, dass die Kosten für den Transport zum Beispiel durch das Verteidigungsministerium übernommen werden. Für die Kosten der medizinischen Behandlung gibt es auch einen Beitrag aus dem Etat des Auswärtigen Amtes. Dieser liegt in einer Höhe von mehreren Millionen Euro. Eine genauere Ziffer kann ich Ihnen hier nicht nennen.

Frage: Herr Peschke, Sie haben gesagt, das sei eine einmalige Aktion. Kann man eine Wiederholung dieser Aktion ausschließen? Oder bleibt das offen?

Zweitens. Ist es, unabhängig von den Staaten aus der Region, das erste Mal, dass ein Land Verletzte aufgenommen hat?

Peschke: Ich hatte gesagt, dass das in einem ersten Schritt eine einmalige Aktion ist. Nein, es ist keineswegs ausgeschlossen, dass es nicht zu weiteren Hilfsmaßnahmen dieser Art kommt. Es ist ausdrücklich von unserer Seite die Bereitschaft erklärt worden, dass wir diese Unterstützungsbitte der Nationalen Koalition der syrischen Opposition auch in Zukunft weiter konstruktiv prüfen werden.

Zur Frage, inwiefern weitere Länder Flüchtlinge aufnehmen, kann ich keinen genauen Überblick geben. Ich meine, dass insbesondere Länder aus der Region bei der Versorgung von verletzten Flüchtlingen, verletzten Syrern sehr hilfreich sind. Das ist in dem Fall Jordanien, das sind aber auch alle anderen Nachbarländer. Inwieweit darüber hinaus Flüchtlinge ausgeflogen wurden, vermag ich hier nicht genau zu sagen. Insofern spürt Ihre Frage schon einem wichtigen Punkt nach. Es ist schon ein außergewöhnlicher Schritt der Solidarität, der von unseren Partnern in der syrischen Opposition auch als solcher angesehen wird, soweit wir das übersehen können.

Zusatzfrage: Sie sagten, weitere Transporte sind möglich. Gibt es, wie im Falle der Flüchtlinge, für die das BMI zuständig ist, irgendeine Zahl, die Ihnen vorschwebt?

Peschke: Nein, es gibt keine Zahl.

Frage: Ich hätte eine Frage an das Umweltministerium. Herr Geißler, stimmt es, dass das Gesetz zum Gas-"Fracking" anders als geplant nicht mehr in dieser Legislaturperiode ins Kabinett kommt?

Geißler: Das kann ich nicht bestätigen. Sie wissen, dass die "Fracking"-Regelung, die wir gesetzlich vorgenommen haben, auf Initiative der Fraktionen zustande kam. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt. Im Moment sind die Fraktionen am Zuge. Alles Weitere wird sich ergeben.

Zusatzfrage: Sie gehen davon aus, dass das noch in dieser Legislaturperiode kommt?

Geißler: Alles ist möglich.

Frage: Zum Besuch von Rafael Correa in Deutschland, der heute beginnt, würde ich gerne wissen, wie die Bundesregierung die Beziehungen zu Ecuador bewertet.

Peschke: Ich kann gerne dazu Stellung nehmen, ohne dem Besuch vorzugreifen.

Unsere Bewertung der Beziehungen ist, dass es sich um enge und vertrauensvolle Beziehungen handelt, die allerdings aus unserer Sicht weiter ausgebaut werden können und auch weiter ausgebaut werden sollten. Dazu soll dieser Besuch jetzt auch dienen.

Frage: Das Bundesverfassungsgericht hat am Freitag über das Akkreditierungsverfahren beim NSU-Prozess eine Entscheidung getroffen. Meine Frage an Herrn Seibert ist: Wie beurteilt die Bundesregierung beziehungsweise die Bundeskanzlerin diese Entscheidung?

Eine Frage an Herrn Lörges: Erwartet das Bundesinnenministerium am Mittwoch in München eine große Kundgebung von Rechtsextremisten?

StS Seibert: Meine grundsätzliche Antwort muss lauten, dass die Bundesregierung Urteile, die das Bundesverfassungsgericht erlässt, nicht beurteilt. So ist zwischen den Verfassungsorganen sozusagen das Verhältnis der Unabhängigkeit zu achten.

Für die Bundesregierung hatte ich und auch mehrere meiner Kollegen in den letzten Wochen immer wieder zum Ausdruck gebracht, dass uns sehr bewusst ist, dass dieser Prozess über diese schrecklichen Taten gerade in der Türkei eine außerordentliche Aufmerksamkeit haben wird, dass es sehr verständlich ist, dass diese Aufmerksamkeit, dieses Interesse der türkischen Medien da ist und dass wir hoffen, dass mit diesem Interesse sensibel umgegangen werden wird. Diese Aussage steht auch jetzt noch.

Lörges: Das Demonstrationsgeschehen wie auch die Sicherheit des Prozesses vor Ort sind Sache des Bundeslandes Bayern. Dazu kann ich von hier aus im Moment nichts sagen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 15. April 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/04/2013-04-15-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. April 2013