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PRESSEKONFERENZ/612: Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 5. Juni 2013
Regierungspressekonferenz vom 5. Juni 2013

Themen: Hochwasserlage in Deutschland, Kabinettssitzung (Urteile in Ägypten gegen ausländische politische Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen sowie deren Mitarbeiter, Formulierungshilfe zum Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Überwachung von Prostitutionsstätten, Verlängerung der Beteiligung an der UNIFIL-Mission, Beitrag Deutschlands zur zivilen EU-Grenzschutzmission EUBAM Libyen, Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA), Bericht der Bundesregierung zur Kulturförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz)
weitere Themen: Teilnahme der Bundeskanzlerin am symbolischen Baubeginn des Dokumentationszentrums der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung", Strafzölle gegen die chinesische Solarbranche, Lage in der Türkei, Vertrauen der Bundeskanzlerin in die Führungsstärke von Bundesminister de Maizière, Gespräch der Bundeskanzlerin mit dem tunesischen Ministerpräsidenten/Gerichtsverfahren gegen eine Hamburger Studentin in Tunis, Personalie

Sprecher: StS Seibert, Eichele (BMELV), Paris (BMVg), Beyer-Pollok (BMI), Peschke (AA), Hoch (BMWi)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Das Thema Hochwasser hat natürlich auch im Kabinett eine Rolle gespielt. Die Bundeskanzlerin hat sich gestern, wie Sie wissen, persönlich vor Ort in Passau, in Pirna und in Greiz über die Lage in den von Hochwasser betroffenen Städten, über den Einsatz der Menschen, die Notlage vieler Menschen persönlich informiert. Sie lässt sich auch weiterhin laufend über die Entwicklung entlang der Flüsse informieren. Sie lässt sich auch laufend informieren über den Einsatz von Bundeskräften bei Bundespolizei, Bundeswehr und THW; seit Sonntag sind ja 20.000 Bundeskräfte im Einsatz.

Nach wie vor ist es an allen Orten das Allerwichtigste, erst einmal Leib und Leben von Menschen zu schützen, Hab und Gut zu schützen, Schaden an Sachwerten möglichst zu vermeiden. Zugleich - das hat die Kanzlerin bei ihrem Besuch in den drei Städten gestern auch deutlich gemacht - geht es darum, denen, die betroffen sind, wenn Schäden eingetreten sind, schnell und unbürokratisch zu helfen. Daran arbeiten Bund, Länder und Kommunen eng und unkompliziert zusammen. Es war tatsächlich auch eines der Ergebnisse der Gespräche an den drei besuchten Orten gestern, dass die Zusammenarbeit als unbürokratisch, als beinahe schon selbstverständlich und als ausgesprochen gut eingeübt empfunden wird.

Die Bundesregierung wird sich jetzt, wie die Kanzlerin gestern angekündigt hat, an Soforthilfemaßnahmen beteiligen, die die vom Hochwasser betroffenen Länder Thüringen, Sachsen und Bayern auflegen. Dazu will der Bund insgesamt 100 Millionen Euro bereitstellen und die entsprechenden Länderprogramme zur Hälfte mitfinanzieren. Details dazu werden zurzeit abgestimmt. Die Soforthilfen sollen unter anderem dafür bereitstehen, dass die Existenz in Not geratener Landwirte und ihrer Familien gesichert werden kann, und dafür, den Wiederaufbau zu unterstützen. Die Sprecher der einzelnen beteiligten Ressorts können darüber sehr viel mehr sagen.

Wenn nach der Flut klar ist, welche Schäden entstanden sind, dann werden die Menschen in Deutschland - wie in der Vergangenheit in solchen Situation - zusammenstehen und sicherstellen, dass die Menschen in den Flutgebiete nicht in ihrer Notlage alleingelassen werden. Dafür gibt es eine Solidargemeinschaft und dafür gibt es auch einen starken Staat.

Dieses Thema hat, wie gesagt, auch im Bundeskabinett eine Rolle gespielt. Bundesinnenminister Friedrich hat dazu ausführlich vorgetragen. Ich will nur einige kurze Punkte nennen: Er hat dargelegt, inwieweit die Vorbereitungen auf diese Notlage, auf diese Hochwassersituation insgesamt besser als 2002 waren. Das Zusammenspiel von Landräten und dem Lagezentrum im Bundesamt für Katastrophenschutz in Bonn wird an allen Stellen gelobt. Auch in der Lageanalyse, in der Entscheidung, welche Kräfte man zu welchem Zeitpunkt in welcher Region zum Einsatz bringt, haben die entsprechenden Stellen seit 2002 stark dazugelernt. Der Bundesinnenminister hat noch einmal betont: Da, wo Hochwasserschutzmaßnahmen konsequent seit 2002 umgesetzt worden sind, sind auch geringe Schäden aufgetreten, als es ohne diese Hochwasserschutzmaßnahmen der Fall gewesen wäre, und das, obwohl die Pegelstände zum Teil noch deutlich höher sind als 2002. Es haben sich dann auch noch mehrere Ministerinnen und Minister - der Finanzminister, die Forschungsministerin, die Landwirtschaftsministerin und natürlich auch der Verkehrsminister - dazu im Kabinett gemeldet. Ich denke, wenn Sie Rückfragen dazu haben, können die Ressortsprecher diese einzelnen Aspekte hier sehr gut darstellen.

Eichele: Meine Damen und Herren, ich würde gerne kurz auf die Situation in der Landwirtschaft und auf die Hilfen, die jetzt in Kraft gesetzt werden, eingehen. Es sieht im Moment so aus: Durch das Hochwasser und den Dauerregen stehen viele Felder unter Wasser, Höfe sind überschwemmt, Wirtschaftsgebäude zerstört, Ernten vernichtet. Wir sehen Deiche, Wege, Brücken, Wassersysteme, die zerstört sind und die erneuert beziehungsweise instandgesetzt werden müssen. Die Bundesregierung - das hat die Ministerin heute noch einmal klargestellt - wird die Landwirte in dieser schwierigen Situation nicht alleine lassen. Auch, wenn das Ausmaß der Schäden zur Stunde noch nicht genau abzuschätzen ist, muss jetzt möglichst rasch gehandelt werden. Schnelle und unbürokratische Hilfe - der Regierungssprecher hat gerade darauf hingewiesen - ist das Gebot der Stunde, auch um in Not geratenen Landwirte und deren Familien zu helfen, deren Existenz in diesen Tagen auf dem Spiel steht. Das ist das Ziel, auf das wir uns konzentrieren, mit den Maßnahmen, die ich Ihnen kurz erläutern möchte.

Wir können den von Hochwasserschäden betroffenen landwirtschaftlichen Betrieben im Rahmen der von der Bundesregierung kurzfristig bereitgestellten 100 Millionen Euro konkrete Soforthilfen zusagen. Die Ministerin hat heute Vormittag den Mitgliedern des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Deutschen Bundestag die Einzelheiten dieser ersten Unterstützungsleistungen erläutert. Geplant sind folgende Sofortmaßnahmen:

Erstens eine Soforthilfe für existenzgefährdete Betriebe in der Land- und Forstwirtschaft. Hier soll es schwerpunktmäßig darum gehen, Unternehmen zu helfen, deren Existenz durch Ertragsausfall und Flächenschäden infolge des Hochwassers gefährdet ist. Die Anzahl der betroffenen Betriebe und die Höhe der Schäden werden derzeit von den Bundesländern festgestellt. Ansprechpartner vor Ort sind die Landwirtschaftsbehörden der Länder.

Zweitens - auch wichtig - die kurzfristige Sicherung, Wiederaufbau und Instandsetzung von Hochwasserschutzanlagen. Wir sehen, dass es an vielen Deichen durch das zum Teil extreme Hochwasser zu Deichbrüchen, Durchweichungen und anderen Schäden gekommen ist. Ziel muss es jetzt sein, diese Hochwasserschutzanlagen so schnell wie möglich wieder aufzubauen beziehungsweise zumindest provisorisch zu sichern und dann wieder instandzusetzen, um Flussanrainer vor weiteren Gefahren durch Überschwemmungen zu schützen.

Der dritte Punkt ist ein Liquiditätshilfeprogramm der landwirtschaftlichen Rentenbank. Ministerin Aigner setzt sich dafür ein, dass die Rentenbank vom Hochwasser betroffenen Betrieben Darlehen zu besonders günstigen Konditionen gewährt. Diese Hilfen können sowohl zur Reparatur als auch zum Ersatz von Wirtschaftsgütern oder zur Beschaffung von Betriebsmitteln oder kurzlebigen Wirtschaftsgütern verwendet werden. Wir rechnen damit, dass dieses Programm in den nächsten Tagen aufs Gleis gesetzt und entsprechend aktiviert wird.

Viertens die Stundung von Beiträgen der landwirtschaftlichen Sozialversicherung. Die Berufsgenossenschaft, aber auch die Alters- und Krankenkassen können auf Antrag fällige Sozialversicherungsbeiträge stunden, wenn die sofortige Einziehung dieser Beiträge mit erheblichen Härten für die Beitragspflichtigen Landwirte verbunden wäre. Auch das ist eine wichtige Maßnahme, die den in Not geratenen Betrieben zugutekommen kann.

Die Details finden Sie in der Pressemitteilung, die wir vor Kurzem verschickt haben.

Ich will noch einmal klarstellen, dass wir in engem Kontakt mit den Bundesländern sind, um die Hilfsmaßnahmen abzustimmen. Die Länder sind jetzt gefordert, die Schäden zu erheben und die Schadensregulierung und Abwicklung dieser Hilfsmaßnahmen vorzubereiten. Derzeit läuft eine Abfrage bei den Ländern, um das vorläufige Ausmaß der Schäden in der Land- und Forstwirtschaft zu ermitteln, um eben auch die Hilfsmaßnahmen, die jetzt nötig sind, möglichst zielsicher vornehmen zu können. Um die einzelnen Maßnahmen zu koordinieren, findet kommende Woche auf Einladung des Bundeslandwirtschaftsministeriums eine Sonderkonferenz von Bund und Ländern auf Staatssekretärsebene hier in Berlin statt.

Die Ministerin steht in Kontakt mit ihren Ressortkollegen aus den betroffenen Ländern, um das weitere Vorgehen abzustimmen. Heute um 15.30 Uhr wird Ministerin Aigner gemeinsam mit dem sächsischen Staatsminister für Umwelt und Landwirtschaft, Frank Kupfer, einen von Hochwasser in Mitleidenschaft gezogenen Landwirtschaftsbetrieb südlich von Leipzig besuchen, um sich selbst vor Ort ein Bild von den Schäden zu machen. Die entsprechende Termineinladung ist Ihnen zugegangen.

Herzlichen Dank.

Paris: Auch ich möchte zu diesem Thema gerne etwas ergänzen. Ich hatte Sie bereits am Montag über den Einsatz der Bundeswehr im Sinne des Katastrophenschutzes unterrichtet. Ich möchte Sie heute informieren, dass wir derzeit bis zu 5.600 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz haben. Auf die Länder verteilt sind es in Sachsen 3.100, in Bayern 1.250, in Sachsen-Anhalt 1.200 und in Thüringen 20. Zum Einsatz kommen - das hatte ich Ihnen gesagt - sowohl Soldatinnen und Soldaten aus den aktiven Truppenteilen als auch Reservisten. Wir freuen uns besonders, dass auch Soldaten verbündeter Streitkräfte aus Frankreich und den Niederlanden bis diesem Einsatz unterstützend tätig sind: Ein niederländisches Pionierbataillon mit rund 400 Soldaten ist im Einsatz, und auch französische Soldaten der deutsch-französischen Brigade unterstützen im Hochwassergebiet. Ich hatte Ihnen gesagt, dass unsere Unterstützungsleistungen den Einsatz von Soldaten bei der Deichsicherung, die Unterstützung bei der medizinischen Notfallversorgung, die Bereitstellung von Unterkunft und Verpflegung sowie die Bereitstellung von Bekleidung für Evakuierte beinhalten.

Für die Vertreter der regionalen Medien nur noch informativ: Die Kräfte werden in Bayern durch die Gebirgsjägerbrigade 23 in Bad Reichenhall und die Panzerbrigade 12 in Amberg, in Thüringen und Sachsen durch die Panzergrenadierbrigade 37 aus Frankenberg, in Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg durch die Panzergrenadierbrigade 41 in Neubrandenburg und in Niedersachsen durch die Panzerlehrbrigade 9 in Munster geführt.

Vielen Dank.

Frage: Gibt es bundesweite Zahlen darüber, wie viele Menschen seit Beginn des Hochwassers letzte Woche gestorben sind oder vermisst werden?

Beyer-Pollok: Von unserer Seite aus wird die Zahl nicht erfasst; es gibt dazu bislang jedenfalls keine bundesweiten Zahlen, die ich Ihnen mitteilen könnte. Mir ist so wie Ihnen auch bekannt, dass es aus den Ländern oder von örtlich zuständigen Polizeibehörden Meldungen zu Todesfällen gibt. Da muss man aber immer genau schauen, ob das ursächlich des Hochwassers war oder ob das Dinge sind, die damit nur in einem weiteren oder in einem indirekten Zusammenhang stehen. Schon aus diesem Grunde können wir das von hier aus nicht bewerten.

Zusatzfrage: Wird grundsätzlich keine zentrale Erfassung vorgenommen oder dauert das einfach länger?

Beyer-Pollok: Das wird grundsätzlich nicht gemacht, weil die Erhebung und Erfassung von Opferzahlen in den Ländern erfolgt und diese Zahlen gegebenenfalls auch von dort aus bekanntgegeben werden. Das ist auch in anderen Fällen das übliche Verfahren.

Vorsitzender Mayntz: Dann kommen wir zu den anderen Themen im Kabinett.

StS Seibert: Ich will zunächst etwas zu den Urteilen in Ägypten gegen ausländische politische Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen sowie deren Mitarbeiter sagen. Sie wissen, dass das auch die deutsche Konrad-Adenauer-Stiftung und zwei ihrer Mitarbeiter betrifft. Die Bundeskanzlerin hat die Verurteilung von zwei deutschen Mitarbeitern der Konrad-Adenauer-Stiftung zu mehrjährigen Haftstrafen durch ein ägyptisches Gericht mit großer Bestürzung zur Kenntnis genommen. Diese Urteile verkennen nach Auffassung der Bundesregierung nicht nur den Sachverhalt, sondern sie sind auch in ihrem Strafmaß vollkommen unverhältnismäßig. Dass in diesem Urteil die Auflösung des Kairo-Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung und der Einzug ihres Vermögens in Ägypten verfügt worden sind, steht in eklatantem Widerspruch dazu, dass Deutschland und Ägypten die Konrad-Adenauer-Stiftung in das kürzlich geschlossene deutsch-ägyptische Kulturabkommen aufgenommen haben.

Ebenso wie andere deutsche Stiftungen in Ägypten hat die Konrad-Adenauer-Stiftung in ihrer Arbeit die Grundprinzipien von Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten vermittelt; sie hat nicht mehr und nicht weniger getan. Der Vorsitzende der Adenauer-Stiftung, Herr Pöttering, hat ja schon deutlich gemacht, dass die Stiftung alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen wird. Die Bundesregierung wird die weitere Entwicklung mit sehr großer Aufmerksamkeit verfolgen. Wie ich sagte, war das auch Thema im Kabinett, denn der Außenminister hat dazu ausführlich vorgetragen. Er hatte auch gestern schon das Seine dazu gesagt. Er hat im Kabinett noch einmal sehr klar gemacht, dass es sich dabei um eine Belastung - eine ganz klare Belastung - für das bilaterale deutsch-ägyptische Verhältnis handelt. Das ist die Haltung der gesamten Bundesregierung, auch der Bundeskanzlerin. Nachdem die Bundesregierung die ägyptische Regierung mehrfach auf die große Bedeutung, die wir der Arbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung - und im Übrigen auch der anderen Stiftungen - beimessen, hingewiesen hatte, ist dieses Urteil aus unserer Sicht vollkommen inakzeptabel.

Ich will noch ganz allgemein zur Arbeit der deutschen politischen Stiftungen im Ausland das Folgende sagen: Diese Stiftungen leisten in ihren Gastländern - und das wird weltweit anerkannt - eine wichtige, wertvolle Arbeit. Dafür werden sie geschätzt und dafür erfahren sie, wie gesagt, viel Anerkennung. Sie arbeiten immer - und zwar wirklich immer - im Einklang mit den Landesgesetzen, die für die Regulierung von Nichtregierungsorganisations-Tätigkeiten Gültigkeit haben. Nur so können sie überhaupt erfolgreich arbeiten. Vor diesem Hintergrund nehmen wir dieses Urteil, wie gesagt, mit großer Bestürzung zur Kenntnis und halten es für eine ernste Belastung des deutsch-ägyptischen Verhältnisses.

Des Weiteren möchte ich hier zu ein Thema, das im Kabinett ohne Aussprache behandelt wurde, etwas ausführlicher vortragen, weil es hier in der Regierungspressekonferenz vor einigen Wochen schon eine größere Rolle spielte: Das ist die Formulierungshilfe zum Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels und zur Überwachung von Prostitutionsstätten.

Die Bekämpfung des Menschenhandels ist ein wichtiges Ziel der Bundesregierung. Das deutsche Strafrecht trägt den Vorgaben der entsprechenden EU-Richtlinie schon jetzt weitgehend Rechnung. Es besteht daher nur ein geringer gesetzlicher Anpassungsbedarf. Damit dieser nun ausgefüllt wird, hat das Kabinett heute zur vollständigen Umsetzung der EU-Richtlinie eine Formulierungshilfe für die Fraktionen für einen Gesetzentwurf beschlossen, der dann aus der Mitte des Deutschen Bundestages eingebracht wird.

Über die Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus soll mit diesem Gesetzentwurf außerdem die Gewerbeordnung dahingehend geändert werden, dass eine gewerberechtliche Regulierung von Prostitutionsstätten und eine entsprechende behördliche Überwachungs- und Kontrollbefugnis eingeführt wird. Das Ziel ist, dass man die Rahmenbedingungen für Menschen, die in der Prostitution tätig sind, dadurch verbessert.

Das Kabinett hat sich dann mit insgesamt drei Auslandseinsätzen befasst, zunächst mit UNIFIL, der UN-geführten Mission vor der Küste des Libanon. Das Kabinett hat beschlossen, dass sich die Bundeswehr, dass sich Deutschland für ein weiteres Jahr, also bis Ende Juni 2014, an dieser Mission vor der Küste des Libanon beteiligen soll. Deutschland hat an einem dauerhaften Frieden im Nahen Osten ein strategisches Interesse. Es ist im Übrigen seit Beginn, also seit dem ersten Bundestagsmandat aus dem September 2006, an der maritimen Komponente von UNIFIL beteiligt.

Seit der letzten Verlängerung des Mandats - das war vor einem Jahr, im Juni 2012 - gibt die Lage im Libanon zunehmend Anlass zur Beunruhigung: Es gibt innenpolitische Spannungen und es gibt vor allem den Konflikt im benachbarten Syrien. Das hat das Potenzial, die Region weiter zu destabilisieren. Gerade in dieser jetzigen Lage ist die Fortsetzung des Mandats nach Überzeugung der Bundesregierung dringend geboten; denn UNIFIL leistet eben einen entscheidenden Beitrag zur Stabilisierung der Beziehungen zwischen Israel und Libanon und damit auch der Region als Ganzes.

Zurzeit sind 190 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr im Einsatz, und zwar auf der Korvette BRAUNSCHWEIG und dem Schnellboot FRETTCHEN. Die Personalobergrenze liegt bei 300 Soldaten, und da soll sie auch bleiben. Der Schwerpunkt der deutschen Beteiligung am UNIFIL-Flottenverband ist es, die Fähigkeiten der libanesischen Marine aufzubauen, vor allem per Ausbildung.

Wie immer steht dieser Beschluss unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestages.

Des Weiteren ging es um die zivile EU-Grenzschutzmission EUBAM Libyen. Die Bundesregierung hat heute beschlossen, einen personellen Beitrag zu dieser zivilen Mission zur Unterstützung des integrierten Grenzmanagements in Libyen zu leisten. Der Rat der Europäischen Union hatte diese Mission EUBAM am 22. Mai beschlossen, und zwar mit einem Mandat, das über zwei Jahre läuft.

Ziel ist es, die lybischen Behörden durch Ausbildung und Beratung in den Stand zu versetzen, Grenzschutzkapazitäten sowie eine Gesamtgrenzschutzstrategie für ihre Land-, See- und Luftgrenzen zu entwickeln. Libyen soll damit in die Lage versetzt werden, seine Grenzen selbstständig und unter Wahrung internationaler Standards und bewährter Verfahren zu schützen.

Deutschland wird sich an dieser Mission mit bis zu 20 Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei und der Polizeien der Länder beteiligen. Dieses deutsche Personal kann ab Juni entsandt werden.

Der dritte Auslandseinsatz ist die Entsendung bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Beteiligung an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen in Mali - MINUSMA. Deutschland wird sich also an dieser Mission MINUSMA mit bewaffneten Streitkräften beteiligen.

MINUSMA löst die schon laufende Unterstützungsmission für Mali unter afrikanischer Führung, die man bisher AFISMA nannte, ab. Dass das AFISMA-Mandat durch dieses neue Mandat abgelöst werden sollte, war im Februar, als der Bundestag seinen Beschluss zu AFISMA gefasst hat, auch so angekündigt worden.

Die Ziele von MINUSMA sind die Stabilisierung Malis, die Wiederherstellung der staatlichen Autorität im gesamten Land Mali, die Unterstützung des Fahrplans für eine Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung, einschließlich Wahlen, der politische Versöhnungsprozess, der Schutz der Menschenrechte und Justiz sowie der Schutz von Zivilisten und des eingesetzten Personals.

Deutschland unterstützt diese Mission analog zu der bisherigen Mission AFISMA mit taktischem Lufttransport und mit Einzelpersonal in Führungsstäben. Außerdem werden, wie bisher, Luftbetankungsfähigkeiten zur Unterstützung der für MINUSMA eingesetzten französischen Kräfte bereitgestellt.

Dieses Mandat läuft bis zum 30. Juni 2014. Die personelle Obergrenze wird, wie bisher, bei 150 Soldaten liegen.

Auch diesem Mandat muss der Deutsche Bundestag noch zustimmen.

Ich habe noch einen weiteren Punkt: Das Kabinett hat sich mit dem Bericht der Bundesregierung zur Kulturförderung nach dem Bundesvertriebenengesetz befasst. Es ist dem Bund vorgeschrieben, einen solchen Bericht in regelmäßigen Abständen vorzulegen; denn in 96 des Bundesvertriebenengesetzes steht, dass die Bundesregierung "vielfältige Institutionen und Projekte" zu fördern hat, "die das Kulturerbe der früheren deutschen Ost- und Siedlungsgebiete erhalten, vermitteln und erforschen". Dafür stehen dem Bund jährlich 16 Millionen Euro zur Verfügung. Der Bund nimmt diesen Kulturauftrag gemeinsam mit den Bundesländern wahr.

Der Bericht steht in diesem Jahr unter dem Motto "Deutsches Kulturerbe pflegen - europäische Relevanz entfalten", und er befasst sich mit den Jahren 2011/2012. Er stellt dar, wie in vom Bund geförderten Museen, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen dieser Kulturauftrag umgesetzt wurde. Ein besonderes Augenmerk galt dabei dem Aufbau der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" hier in Berlin. Es ist die Ausstellungskonzeption dafür verabschiedet worden, es ist der Architektenwettbewerb für die Umgestaltung des historischen Deutschlandhauses abgeschlossen worden. Damit sind wichtige Ziele erreicht worden. Kommende Woche erfolgt der Baubeginn. Damit konnte also eines der wichtigsten erinnerungspolitischen Vorhaben der Bundesregierung in den letzten Jahren auf den Weg gebracht werden.

Bei dieser Gelegenheit kann ich Ihnen gleich sagen, dass am Dienstag, dem 11. Juni - Dienstag nächster Woche -, um 13 Uhr zum Baubeginn dieses Dokumentationszentrums der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung" die Bundeskanzlerin im Berliner Deutschlandhaus sprechen wird. Anschließend eröffnet sie gemeinsam mit Kulturstaatsminister Neumann die Open-Air-Ausstellung der Stiftung auf dem Vorplatz des Deutschlandhauses. Dort wird ein modernes Ausstellungs-, Informations- und Dokumentationszentrum entstehen, das dann unter anderem die künftige Dauerausstellung der Stiftung beherbergen soll. Das Ganze findet am Dienstag nächster Woche um 13 Uhr im Berliner Deutschlandhaus statt.

Frage: Die EU hat gestern Strafzölle gegen die chinesische Solarbranche verhängt. Deutschland hat sich zuvor sehr dafür eingesetzt, diese Strafzölle zu verhindern. Wird sich Deutschland weiter bemühen, diese Sache zu deeskalieren? Falls ja: Mit welchen konkreten Maßnahmen?

StS Seibert: Ja, das wird Deutschland. Zunächst will ich sagen: Die Bundesregierung hat die Entscheidung der EU-Kommission, vorläufige Strafzölle auf chinesische Solartechnologie zu verhängen, zur Kenntnis genommen - diese Entscheidung kam ja nicht als eine Überraschung. Die Bundeskanzlerin ist sich mit der chinesischen Führung einig - das ist beim Besuch von Ministerpräsident Li Keqiang in der gemeinsamen Pressekonferenz im Bundeskanzleramt sehr deutlich geworden -, dass im Ergebnis eine einvernehmliche Lösung anzustreben ist und dass es nicht im Sinne Europas, Deutschlands oder Chinas ist, eine handelspolitische Auseinandersetzung anzustreben. In diesem Sinne wird sich Deutschland auch weiterhin gegenüber der EU-Kommission dafür einsetzen, dass die Kommission jetzt im engen Dialog mit China nach einer einvernehmlichen Lösung sucht. Deswegen gilt es, nach dieser Verhängung vorläufiger Zölle die nächsten Monate auch wirklich für intensive Gespräche mit der chinesischen Seite zu nutzen. Dafür wird sich Deutschland einsetzen; denn wir wollen nicht, dass es zu dauerhaft en Zöllen kommt.

Frage: Wie beurteilt die Bundesregierung das Vorgehen der türkischen Regierung gegen die dortigen Nutzer von Twitter? Es sind ja einige Verhaftungen erfolgt. Wie beurteilt man das und wie verhält man sich diesbezüglich gegenüber der türkischen Regierung?

StS Seibert: Ich kann dazu nur auf das verweisen, was ich zu diesem Thema - ich glaube, am Montag - schon gesagt habe: Es ist absolut wichtig, daran zu erinnern, dass für jeden unserer Partner - in diesem Fall eben auch die Türkei - Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit universell akzeptierte Grundrechte sind, die auch ihre Durchsetzung in den einzelnen Ländern erfahren müssen, und dass Reaktionen des Staatsapparats, der Sicherheitsbehörden, immer verhältnismäßig und angemessen zu erfolgen haben. Daran kann ich erinnern, und das kann man auch auf weitere Entwicklungen in der Türkei anwenden.

Zusatzfrage: Aber es gab deswegen noch keine direkten Kontakte, also dass Frau Merkel mit Herrn Erdogan telefoniert hätte oder so?

StS Seibert: Es gab kein Gespräch der Bundeskanzlerin mit Herrn Erdogan. Über weitere Regierungskontakte kann ich Ihnen im Moment nicht berichten; ich weiß nicht, ob Herr Peschke dazu noch etwas sagen kann.

Peschke: Wir haben natürlich ständigen Kontakt mit türkischen Vertretern. Ich kann jetzt aber konkret keinen speziellen Kontakt herausheben.

Ich kann das vielleicht noch insoweit ergänzen: Für Außenminister Westerwelle ist klar, dass die türkische Regierung gerade jetzt die Gelegenheit hat, zu beweisen - und auch beweisen muss -, dass sie es mit der Modernisierung der türkischen Gesellschaft ernst meint. Wie Herr Seibert gesagt hat, sind Meinungsfreiheit und Versammlungsfreiheit wichtige Güter. Erfolg und Modernisierung in der Türkei können nicht allein auf wirtschaftlichem Aufschwung basieren, sondern sie müssen auch ein gelebtes Bekenntnis zu Pluralität und Menschenrechten beinhalten. Das ist für Außenminister Westerwelle sehr wichtig und das machen wir auch in Gesprächen mit türkischen Vertretern immer wieder deutlich.

Frage: Herr Peschke, in der Türkei gab es in den letzten Tagen auch Tote und Hunderte von Schwerverletzten. In ähnlichen Fällen in anderen Ländern wurde der Botschafter einbestellt. Gibt es irgendwelche Pläne, den türkischen Botschafter einzubestellen?

Peschke: Über solche Pläne würden wir vorab an dieser Stelle nicht berichten. Derzeit ist in diese Richtung nichts beabsichtigt. Ich habe Ihnen aber bereits gesagt, dass wir natürlich auch im ständigen, engen Kontakt mit türkischen Vertretern stehen. Das ist ja selbstverständlich, denn die Türkei ist auch ein Nato-Partner von uns und sitzt mit uns innerhalb der Nato an einem Tisch. Es gibt also ständige Kontakte mit türkischen offiziellen Vertretern. Ich kann Ihnen sagen, dass wir aufgrund des dichten Kontaktnetzes natürlich auch die Gelegenheit haben, unsere Punkte, unsere Sichtweise gegenüber der Türkei offiziell und inoffiziell, offen und hinter verschlossenen Türen sehr deutlich zu machen.

Frage: Herr Seibert, hat die Bundeskanzlerin immer noch volles Vertrauen in die Führungsstärke von Herrn de Maizière?

StS Seibert: Über das Vertrauen der Bundeskanzlerin hat Kollege Streiter hier schon vor geraumer Zeit alles Notwendige gesagt; da habe ich nichts Neues hinzuzufügen.

Frage: Ich glaube, die Bundeskanzlerin wird am Freitag mit dem tunesischen Premierminister in Berlin zusammentreffen. Wird sie bei der Gelegenheit den Fall der jungen Hamburgerin ansprechen, die in Tunesien wegen eines Protests vor einigen Tagen heute vor Gericht stehen wird?

StS Seibert: Ich kann dem Gespräch, das die Bundeskanzlerin mit dem tunesischen Ministerpräsidenten führen wird, nicht vorgreifen. Ich gehe aber davon aus, dass Menschenrechtsfragen, Rechtsstaatsfragen, eine wichtige Rolle dabei spielen werden. Tunesien ist ein Land, das sich nach Jahren eines autoritären Regimes auf einen anderen Weg begeben hat. Diesen Weg wollen wir mit unseren Mitteln unterstützen. Deswegen spielen die Themen Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie natürlich eine wichtige Rolle in dem Gespräch. Ich kann dem Gespräch jetzt aber nicht vorausgreifen und sagen, welche Einzelfälle darin angesprochen werden.

Peschke: Ich kann nichts zu dem Gespräch der Bundeskanzlerin sagen, aber ich kann aus Anlass Ihrer Frage etwas zu dem Sachstand ergänzen. Es ist in der Tat richtig, dass heute ein Prozesstermin ist. Die deutsche Botschaft in Tunis ist natürlich - wie auch das Auswärtige Amt - mit dem Fall befasst und betreut die deutsche Staatsangehörige konsularisch. Sie wurde bereits von Vertretern der Botschaft in der Haft besucht. Sie wird im laufenden Verfahren anwaltlich vertreten, und die Botschaft steht auch mit den zuständigen tunesischen Stellen sowie auch mit den Angehörigen der deutschen Staatsangehörigen in Kontakt, um eine umfassende Betreuung im Rahmen dieses Prozesses sicherstellen zu können.

Zusatzfrage: Herr Seibert, die Bundeskanzlerin war ja selber Zeuge eines ähnlichen Protests, als Herr Putin hier war. Da hat es, soweit ich weiß, keine strafrechtlichen Folgen für die Demonstranten gegeben. Hält sie es grundsätzlich für richtig, dass ein solcher friedlicher Protest - auch dann, wenn er im Ausland passiert - keine Strafverfolgung nach sich ziehen sollte?

StS Seibert: Das Nachspiel dieses Zwischenfalls auf der Hannover Messe ist Sache der Justiz in Deutschland gewesen; da hat die Bundesregierung selbstverständlich keinerlei Einfluss oder Rolle gehabt. Soviel ich weiß, ist es für die Frauen, die auf der Hannover Messe protestiert haben, nicht zu irgendwelchen späteren strafrechtlichen Folgen gekommen.

Ich kann hier nicht über das tunesische Recht sprechen. Ich kann nur sagen, dass Deutschland und Tunesien seit 2012 eine Transformationspartnerschaft haben. Die ist uns sehr wichtig. Diese Transformationspartnerschaft stellt eben auch Themen wie Rechtsstaat, gute Regierungsführung und Zivilgesellschaft in den Mittelpunkt. Das bringt uns ganz genau auch auf den Umgang mit Formen friedlichen, freiheitlichen Protestes und dazu, wie die Justiz eines Landes darauf reagiert. Ich denke, dass dies auch ein Thema bei den Gesprächen sein kann; ich kann und will den Gesprächen hier aber nicht vorgreifen.

Vorsitzender Mayntz: Gibt es Fragen zu anderen Themen? - Heute nicht mehr. Dann darf ich dem BMWi noch das Wort erteilen.

Dr. Hoch: Ich möchte mich heute von Ihnen verabschieden; denn ich bin heute zum letzten Mal hier. Ich erwarte ein Kind und stehe kurz vor dem Mutterschutz. Ich möchte mich daher heute bei Ihnen auch für die angenehme Zusammenarbeit bedanken und Ihnen alles Gute wünschen.

Vorsitzender Mayntz: Von uns aus Ihnen auch alles Gute!

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 5. Juni 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/06/2031-06-05-regpk.html;jsessionid=06BB54A0A7E4C3D335894A88D8F1D5AB.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Juni 2013