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PRESSEKONFERENZ/682: Regierungspressekonferenz vom 28. Oktober 2013 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 28. Oktober 2013
Regierungspressekonferenz vom 28. Oktober 2013

Themen: Tod des früheren polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki, Ausspähaktionen der NSA in Deutschland, Hilfsfonds für durch verunreinigte Blutpräparate infizierte Bluterpatienten, Anschubfinanzierung für den Airbus A350

Sprecher: StS Seibert, Lörges (BMI), Schäfer (AA), Wieduwilt (BMJ), Modes (BMWi), Wackers (BMG), Kotthaus (BMF)



Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Die Bundeskanzlerin hat mit großer Trauer vom Tod des früheren polnischen Ministerpräsidenten Tadeusz Mazowiecki erfahren und ein Beileidstelegramm an den Vorsitzenden des Ministerrats Polens, also Herrn Tusk, geschickt. Ich will Ihnen kurz daraus zitieren.

Sie schreibt, dass Tadeusz Mazowiecki mit seinem unermüdlichen Einsatz für Freiheit und Selbstbestimmung einen unvergessenen Beitrag für die Überwindung autoritären Unrechts und für die Einheit Europas geleistet hat. In einer für Deutschland wegweisenden Zeit habe er als polnischer Ministerpräsident den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung unseres Landes befördert und unterstützt. - Sie übermittelt im Übrigen in diesem Telegramm auch den Angehörigen von Herrn Mazowiecki ihr Beileid.

Frage : Herr Seibert, nach den vielen Meldungen des Wochenendes über angebliches Lügen des US-Präsidenten, Entschuldigungen des US-Präsidenten und Ähnliches können Sie uns einmal auf den Stand bringen, der derzeit bei Ihnen im Hinblick auf Informationen, vielleicht auch auf jüngste Telefongespräche, besteht? Wie stellt sich die Lage jetzt für Sie im Hinblick auf Ausspähungen des Handys der Kanzlerin dar?

StS Seibert: Was den Sachstand betrifft, habe ich Ihnen heute keine neuen Informationen mitgebracht. Es gibt den Sachstand, den wir bereits am Mittwoch öffentlich gemacht haben. Ich verweise da auf die Pressemeldung, die wir nach dem Telefonat der Bundeskanzlerin mit Präsident Obama herausgegeben haben. Es gibt Informationen, wonach das Mobiltelefon der Bundeskanzlerin möglicherweise abgehört worden ist. Darüber hat sie mit dem Präsidenten gesprochen. Nun sind wir in der Phase der Aufklärung dieses ernsthaften Verdachtes.

Zusatzfrage : Gab es denn inzwischen ein weiteres Gespräch der Kanzlerin? Hat die Bundesregierung insbesondere eigene Erkenntnisse zu der Frage, wann und ob Herr Obama über die Ausspähungen informiert worden ist? Ganz konkret: Gab es eine Entschuldigung des US-Präsidenten bei der Kanzlerin?

StS Seibert: Ich berichte nicht aus vertraulichen Telefongesprächen der Bundeskanzlerin. Wir haben im Anschluss am Mittwoch das herausgegeben, was wir herausgegeben haben.

Wie ich gerade schon gesagt habe: Wir haben der Öffentlichkeit keinen neuen Sachstand mitzuteilen. Es sind Informationen im Raum, die uns im Zuge einer "Spiegel"-Recherche erreicht haben, nach denen jetzt gründlich ermittelt werden muss - und das mit aller Kraft.

Frage: Herr Seibert, zwei Fragen: Erstens. Wie würden Sie den derzeitigen Stand der deutsch-amerikanischen Beziehungen bezeichnen? Ist er nach wie vor von tiefem Vertrauen geprägt? - Nur einmal so als Hausnummer, weil man das ja sonst immer gesagt hat. Geht das nach wie vor?

Die zweite Frage: Sind unsere Nachrichtendienste in der Lage, mit eigenen Mitteln herauszufinden, ob und in welcher Form Telekommunikationseinrichtungen, die die Bundesregierung benutzt, von fremden Mächten abgehört, abgeschöpft, abgefischt werden? Oder ist man ausschließlich auf die Auskunftswilligkeit und Freundlichkeit in Verdacht geratener befreundeter Nachrichtendienste angewiesen?

StS Seibert: Ich will mit der zweiten Frage anfangen: Es ist, wie es schon seit Wochen und Monaten - sozusagen seit Beginn dieser Berichterstattung - ist: Wir versuchen auf beiden Wegen zu ermitteln und Sachaufklärung zu betreiben, natürlich in engster Zusammenarbeit mit unseren Diensten, aber auch, indem wir unsere Kanäle zu den amerikanischen Partnern nutzen.

Ich will jetzt noch zu der Frage nach dem Verhältnis zwischen Deutschland und Amerika kommen. Es ist ganz klar: Diese Informationen, denen wir jetzt nachgehen müssen, sind sehr ernsthaft. Wenn sich diese Informationen bewahrheiten würden, dann wäre das, wie die Bundeskanzlerin gesagt hat, ein gravierender Vertrauensbruch. Das wäre sehr unerfreulich. Es wäre schlimm, wenn sich dieser Verdacht bewahrheiten würde. Aber Deutschland und die USA können dieses Problem gemeinsam lösen. Wir werden diese Aufklärung mit aller Kraft vorantreiben, gerade weil wir ein großes Interesse an einem guten deutsch-amerikanischen Verhältnis haben. Wir wissen, wie wichtig diese Freundschaft für unser Land jahrzehntelang gewesen ist und wie wichtig sie auch heute noch ist. Gerade weil Deutschland und die USA einen so großen Stellenwert füreinander haben, brauchen wir volles Vertrauen. Da, wo Vertrauen gestört worden ist, muss es wieder hergestellt werden, und zwar gemeinsam mit den Amerikanern. Dafür wird die Bundeskanzlerin arbeiten.

Zusatzfrage: Ich möchte eine Nachfrage zu Ihrer ersten Antwort stellen: Darf ich davon ausgehen, dass derzeit nachrichtendienstliche Mittel von deutschen Nachrichtendiensten auf deutschem Boden eingesetzt werden, um zu verhindern oder herauszufinden, ob Regierungsmitglieder auf deutschem Boden abgehört wurden?

StS Seibert: Ich kann hier über detaillierte nachrichtendienstliche Mittel selbstverständlich keine Auskunft geben.

Zuruf: Eine ungenaue Antwort reicht mir.

StS Seibert: Das sollte dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorbehalten sein.

Ich kann grundsätzlich sagen, dass die deutschen Nachrichtendienste im In- und Ausland auf der Basis der Gesetze und der parlamentarischen Kontrolle arbeiten, der sie unterliegen.

Frage : Herr Seibert, die erste kurze Frage betrifft das Handy der Kanzlerin: Sind die Untersuchungen mittlerweile abgeschlossen? Ihren Ausführungen eben kann ich eigentlich entnehmen, dass dort keine Hinweise auf mögliche Abhörmaßnahmen, zum Beispiel ein Trojaner, gefunden wurden.

Das Zweite hängt auch mit der Aufklärung zusammen: Es heißt, dass eine deutsche Delegation in die USA, nach Washington, reisen werde. Können Sie bestätigen, dass sie schon unterwegs ist? Wenn nicht, wann wird sie reisen? Wer wird an dieser Delegation teilnehmen und wer wird getroffen werden?

StS Seibert: Die Reise dieser Delegation ist hier bereits am Freitag angekündigt worden. Dazu kann ich wiederholen: Es werden tatsächlich in Kürze hochrangige Regierungsvertreter in die USA reisen, um dort in Gesprächen die Aufklärung der jüngst bekannt gewordenen Vorwürfe und Behauptungen voranzutreiben. Es werden Angehörige des Bundeskanzleramtes sowie die Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz teilnehmen. Die Termine - so haben wir es am Freitag gesagt - werden kurzfristig vereinbart. Ich kann Ihnen dazu jetzt keinen genaueren Hinweis geben.

Was Ihre erste Frage betrifft: Ich gebe hier keine Auskunft über die technische Kommunikationsausstattung der Bundeskanzlerin. Das haben wir hier nie getan und werden es auch in Zukunft nicht tun. Insofern erübrigt sich die Schlussfolgerung, die Sie dann zu Untersuchungen und Ähnlichem gezogen haben.

Zusatzfrage : Über die Ausrüstung wollte ich auch gar keine Informationen. Aber wenn Sie dazu eben keine Stellung nehmen wollen - es wäre ja eine aussagekräftige Information, die Sie da geben könnten.

Dann eine kurze Nachfrage zu der Delegation: Wäre es aus deutscher Sicht nicht eigentlich angemessen, wenn die USA Vertreter nach Deutschland schicken würden, um das Ganze aufzuklären? Man stelle sich nur vor - ich habe die Frage ähnlich am Freitag schon gestellt -, der BND würde Herrn Obama abhören, das käme heraus - wer auch immer das in der Bundesregierung wüsste -, wie dann reagiert werden würde. Dann könnte ich mir kaum vorstellen, dass Herr Obama eine Delegation nach Berlin schicken würde, um einmal höflich nachzufragen, wie das denn war.

StS Seibert: Das ist eine sehr hypothetische Frage, da der BND so etwas ja nicht tut. Im Übrigen hat es bereits in der letzten Woche Gespräche hier in Berlin mit hochrangigen Vertretern des Weißen Hauses und des Außenministeriums gegeben. Auch darüber hatten wir in der Pressemitteilung vom Mittwoch ja berichtet.

Zusatzfrage : Sie sind also extra hierher gereist?

StS Seibert: Es gab Gespräche dazu.

Frage: Herr Seibert, geht die Bundesregierung derzeit davon aus, dass sie aus dem Gebäude der US-Botschaft heraus ausgespäht wird? Ist sie je zu einem früheren Zeitpunkt von so etwas ausgegangen?

StS Seibert: Dieses alles wird zu dem gehören, was nun dringend aufgeklärt werden muss. Wir werden allen Hinweisen dabei nachgehen.

Zusatzfrage: Wenn man in den Verfassungsschutzbericht schaut, dann findet man ja eine Reihe von Hinweisen auf Spionage von ausländischen Botschaften in Berlin. Da werden auch einzelne Länder genannt. Es werden keine Verbündeten genannt. Kann man daraus schließen, dass diese Idee den deutschen Diensten nie gekommen ist, dass es auch eine solche Spionage geben könnte? Wenn Sie das gewusst hätten, wäre das dann eine vertrauliche geheime Information gewesen, die man in den Verfassungsschutzbericht ohnehin nicht hineinschreibt? - Die Frage richtet sich an Herr Seibert oder an das BMI.

Lörges: Sie versuchen jetzt letztlich darüber, Hinweise auf die operativen Tätigkeiten der Geheimdienste zu bekommen. Diese kann und werde ich Ihnen nicht geben.

Zusatzfrage: Das verstehe ich nicht. Denn im Verfassungsschutzbericht sind ja solche Informationen enthalten, welche Staaten Spionage in Deutschland betreiben. Das würde ja dann auch ein Hinweis auf die operative Tätigkeit geben. Also der Einwand leuchtet mir nicht ein.

Lörges: Also es gibt im Verfassungsschutzbericht ganz vorn den allgemeinen Hinweis, dass er nicht vollständig ist. Das ist aber jetzt auch nichts, was Sie groß überraschen wird.

Es gibt einfach Dinge, die die Tätigkeit des Bundesamtes betreffen, die wir nicht öffentlich mitteilen können, um die Maßnahmen nicht zu gefährden. Ich sage das jetzt ausdrücklich unabhängig von Ihrer Frage.

Zusatzfrage: Aber der Frage, ob die deutschen Dienste hier eventuell versagt haben, wird jetzt nachgegangen? Das ist Teil der Prüfung?

Lörges: Dazu hat Herr Seibert aus meiner Sicht eben alles gesagt.

Frage: Herr Lörges, daran anknüpfend: Das Bundesamt für Verfassungsschutz macht ja zur Spionageabwehr eine systematische Überprüfung nur von Ländern wie Russland oder China, nicht aber der USA. Warum eigentlich nicht?

Lörges: Das sind alles Fragen zu der operativen Tätigkeit des Bundesamtes. Dazu werde ich hier aus nahe liegenden Gründen keine Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Ist es jetzt gegeben oder an der Zeit, diese Sache noch einmal zu überprüfen? Es wäre ja eine politische Entscheidung zu sagen: Auch die USA sind Teil der Spionageabwehr.

Lörges: Wie gesagt: Ihre Frage zielt auf operative Tätigkeiten des Bundesamtes. Dazu werde ich hier keine Stellung nehmen.

Frage: Meine Fragen gehen an Herrn Schäfer und das Auswärtige Amt: Ist dem Botschafter bei der Einbestellung ins Auswärtige Amt die Frage gestellt worden, ob die Botschaft oder konsularische Einrichtungen für Abhöraktivitäten genutzt worden sind? - Die Frage ist auch, wie der Verdacht, der sich dort auftut, rechtlich einzuschätzen ist.

Dann wüsste ich gern zum Überflug eines Hubschraubers über das US-Konsulat in Frankfurt, ob es mittlerweile eine Auswertung gegeben hat und welche Ergebnisse möglicherweise dabei herausgekommen sind. Ende August war das offenbar. Ist das eigentlich nur das Konsulat gewesen, oder hat man da auch schon die Botschaft hier in Berlin in Verdacht gehabt?

Schäfer: Zur dritten Frage kann ich als Vertreter des Auswärtigen Amtes nichts sagen. Da bin ich nicht sicher, ob vielleicht ein Kollege, der hier oben sitzt, dazu etwas sagen kann.

Zu Ihrer ersten Frage: Ich war bei dem Gespräch nicht dabei. Aber selbst, wenn ich dabei gewesen wäre und wüsste, was besprochen worden ist, könnte ich Ihnen das aufgrund der Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes hier nicht eins zu eins mitteilen.

Allerdings kann ich Ihnen etwas zur zweiten Frage sagen: Es ist völlig klar, dass aus Sicht der Bundesregierung, aber auch nach dem Völkerrecht, das Gelände einer Botschaft der Gebietshoheit des Empfangsstaates unterliegt. Das ist einer der Hauptsätze des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen, das die Beziehungen zwischen Staaten und den Umgang mit Diplomaten und ihren Einrichtungen seit vielen Jahrzehnten als Teil des Völkervertragsrechtes regelt. Nach diesen Regeln - ich verweise auf Artikel 22 des Wiener Übereinkommens - ist allerdings das Gelände einer Botschaft unverletzlich, und die Räumlichkeiten und das Gelände einer Botschaft genießen Immunität vor den Behörden des Empfangsstaates bei jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Findung, Vollstreckung oder Ähnlichem. Aber einen weiteren Grundsatz des Wiener Übereinkommens finden Sie in Artikel 41. Danach sind die Botschaften und die Vertreter ausländischer Staaten im Empfangsstaat dazu verpflichtet, das Recht dieses Empfangsstaates - in diesem Fall der Bundesrepublik Deutschland - umfassend zu beachten.

StS Seibert: Vielleicht kann ich noch etwas hinzufügen: Es geht ja, obwohl wir jetzt am Wochenende den konkreten Verdachtsfall in Sachen Ausspähung des Handys der Bundeskanzlerin besprochen haben, nicht nur darum. Es geht vor allem - darum ging es auch der Bundesregierung von Anfang an - um den Schutz der Bürger, ihrer Rechte, ihrer Datenschutzrechte, ihres Rechts auf Privatsphäre, ihres Rechts, nicht ungesetzlich überwacht zu werden. Die Bürger müssen wissen und sie müssen sich darauf verlassen können, dass hier deutsches Recht gilt und dieses auch von unseren Partnern eingehalten wird. Das ist die Überschrift, unter der wir nun auch diesem jüngsten Verdacht nachgehen. Da muss Klarheit hergestellt werden, eben für die Menschen, für die Bürger in Deutschland.

Vorsitzender Leifert: Herr Lörges, wollen Sie noch etwas sagen zu dem Überflug des Konsulats in Frankfurt?

Lörges: Ich kann mich nur wiederholen: Ich verstehe sehr gut Ihr Interesse. Aber es gibt eben Dinge, die man nicht weiter kommentieren kann. Ich hatte schon am Freitag hier gesagt, dass wir allen Hinweisen, die wir bekommen, nachgehen und ich weitergehende Ausführungen nicht tätigen kann.

Frage : Mich interessiert zum einen, da es ja auch um strafrechtliche Dinge geht - eben um das deutsche Recht -, welche strafrechtlichen Wege werden denn im Moment aktiv beschritten, um diesem Verdacht der Spionage auf die Spur zu kommen?

Zum Zweiten würde mich interessieren: Der BDI hat eine völkerrechtliche Ächtung von Wirtschaftsspionage gefordert, ausgelöst durch diesen ganzen NSA-Skandal. Welche Folgen würde denn eine solche Ächtung haben? Stellt sich die Bundesregierung möglicherweise hinter eine solche Forderung?

Zum Dritten, kurz gefragt: Sucht die Bundesregierung im Moment das Gespräch mit Herrn Snowden?

Vorsitzender Leifert: Wir gehen einmal der Reihe nach. - Herr Wieduwilt, wollen Sie zum Strafrecht etwas sagen?

Wieduwilt: Sie wissen, dass der Generalbundesanwalt da einen Beobachtungsvorgang laufen hat. Es ist jetzt Sache der Bundesanwaltschaft, ob das in ein Ermittlungsverfahren übergeht oder nicht. Das ist das, was im Moment stattfindet.

Zusatzfrage : Das ist die einzige Ebene, auf der im Moment etwas laufen kann?

Wieduwilt: Aus Sicht des Strafrechts: Ja.

Vorsitzender Leifert: Kann das BMWi etwas zur Ächtung von Wirtschaftsspionage sagen?

Modes: Wirtschaftsspionage liegt beim BMI. Da würde ich an das BMI verweisen.

StS Seibert: Oder vielmehr der Kampf dagegen.

Lörges: Bei uns liegt natürlich der Kampf gegen die Wirtschaftsspionage hier in Deutschland, also die Spionageabwehr. Dazu finden Sie auch umfangreiche Nachrichten in dem Verfassungsschutzbericht.

Was das Aushandeln eines Abkommens angeht, da - ich möchte Ihnen jetzt nicht schon wieder mit Zuständigkeiten kommen -, glaube ich, sind wir nicht der richtige Ansprechpartner.

Zusatzfrage : Wer denn?

Lörges: Wir nicht.

Zusatzfrage : Ist keiner zuständig?

Modes: Ich kann vielleicht allgemein etwas zur IT-Sicherheit in der deutschen Wirtschaft sagen: Wir nehmen die Sorge der deutschen Wirtschaft in diesem Bereich natürlich sehr ernst. Es wäre sehr hilfreich, wenn man sich auf ein internationales Abkommen einigen könnte. Wichtig ist ja auch - wie wir in der Vergangenheit schon betont haben -, dass man Angebote auf europäischer Ebene entwickelt. Dazu laufen bereits Gespräche mit der EU-Kommission.

Zusatzfrage : Aber hinter die Forderung nach einer völkerrechtlichen Ächtung der Wirtschaftsspionage stellt sich die Bundesregierung nicht?

Dann bitte noch einmal die Frage nach Herrn Snowden: Sucht man das Gespräch oder nicht?

StS Seibert: Diese Frage stellt sich die Bundesregierung im Moment nicht.

Frage: Ich habe eine Frage in die gleiche Richtung. Sie betrifft nicht Snowden, sondern das Botschaftsgebäude. Man hat von Immunität gesprochen - das ist natürlich sehr schön - und davon, dass es strafrechtlich relevante Sachen gibt. Ich glaube, dass Spionage in Deutschland strafbar ist. Sehen Sie das auch so? Wenn das strafbar ist, wie es der "Spiegel" behauptet, was soll dann mit dieser mutmaßlichen Anlage auf dem Dach der amerikanischen Botschaft passieren? Da gibt es ein schönes Dilemma. Wie wollen Sie das lösen?

StS Seibert: Für die einschlägigen Paragrafen ist sicherlich eher das Justizministerium zuständig; aber die wollen Sie ja jetzt wahrscheinlich auch gar nicht nacherzählt haben.

Ich kann Ihnen nur sagen, was ich vorhin schon gesagt habe. Es gibt eine Menge aufzuklären. Das wollen wir mit aller Kraft vorantreiben. Dabei gehen wir allen Hinweisen nach.

Zusatzfrage: Das ist sehr schön. Ich hoffe, dass Sie das tun. Das ist natürlich Ihr Job. Aber wenn das da auf dem Dach ist, dann ist das eigentlich verboten. Die Frage ist ja: Was passiert dann? Also man kann Hinweisen nachgehen. Aber wenn das verboten ist, dann darf das eigentlich nicht auf dem Dach stehen bleiben. Dann müssten Sie doch freundlich Nachfragen stellen. Vielleicht gibt es Besichtigungen, oder die amerikanischen Freunde wollen selbst etwas zeigen. Also wie sieht das nun aus?

StS Seibert: Wir gehen allen Hinweisen nach. Ich greife dem Ergebnis dieser Nachforschungen und diesen Überprüfungen nicht vor.

Zusatzfrage: Bedeutet das, dass Sie um einen Klärungstermin bitten oder warten, bis die Botschaft bei Ihnen anruft? Wie sieht das konkret aus?

StS Seibert: Es gibt eine Vielzahl von deutsch-amerikanischen Kontakten in dieser Sache. Ich habe bereits von der Reise der Delegation, die in dieser Woche stattfinden soll, berichtet. Das sind nicht die einzigen Kontakte, die wir derzeit mit amerikanischen Regierungsstellen haben.

Zusatzfrage: Wenn es so eine Anlage auf dem Dach dort gibt, wie es dieses Magazin aus Hamburg eben beschreibt, darf das dann - auch wenn es vielleicht von einem anderen Staat wäre - auf diesem Dach stehen bleiben? Vielleicht ist die Frage auch etwas für das Justizministerium.

StS Seibert: Ich glaube, ehrlich gesagt, dass ich Ihre Frage jetzt schon beantwortet habe, jedenfalls so weit, wie wir sie heute in dieser Veranstaltung beantworten können.

Zusatzfrage: Ich möchte prinzipiell wissen, ob so eine Anlage irgendwo auf dem Dach in der Bundesrepublik Deutschland stehen bleiben darf, wenn man so einen Verdacht hat.

StS Seibert: Da, wo deutsche Gesetze gebrochen werden, muss uns das natürlich dazu bringen, dass wir auch Nachforschungen anstellen. Das ist jetzt ein ganz grundsätzlicher Kommentar.

Frage : Noch eine Frage an Herrn Lörges: Die "Bild"-Zeitung berichtet heute, in ihrem Haus werde eine sogenannte dringende Nutzungsrichtlinie erarbeitet, nach der Minister und hohe Beamte künftig nur noch auf abhörsicheren Handys telefonieren dürfen. Erstens. Stimmt das, und wann soll das greifen?

Die zweite Frage an Herrn Seibert; sie geht in eine ganz klein wenig andere Richtung: Ist denn die Kanzlerin in den letzten Jahren davon ausgegangen, dass ihre Handytelefonate und SMS möglicherweise auch von russischen oder chinesischen Geheimdiensten abgehört werden können?

Lörges: Zu der angeblich dringenden Nutzungsrichtlinie: So eine Richtlinie ist uns nicht bekannt.

StS Seibert: Ich möchte hier keinen Verdacht gegen einzelne Staaten aussprechen. Die Bundeskanzlerin weiß, warum sie staatspolitisch relevante Gespräche grundsätzlich vom Festnetz - entweder normal oder über Krypto- Leitung - führt. Das hat Gründe. Deswegen wird auch so verfahren.

Im Übrigen verweise ich noch einmal darauf, dass die Bundeskanzlerin hier im Sommer ein Acht-Punkte-Programm zu Arbeitsfeldern vorgestellt hat, die sich uns jetzt im Zuge der NSA-Berichterstattung und der Informationen stellen, die im Raum sind. Darunter ist vieles von dem enthalten, was wir hier auch in den letzten zwanzig Minuten besprochen haben. Dazu gehören beispielsweise die Notwendigkeiten, auf europäischer Ebene einen gemeinsamen Standard für die Geheimdienstarbeit zu entwickeln, eine UN-Vereinbarung voranzutreiben und in Europa eine Datenschutzgrundverordnung zu verabschieden. Auf all diesen Gebieten setzt die Bundesregierung sich ein.

Zusatzfrage : Herr Seibert, würde es sich denn für Deutschland anbieten oder wäre es für Deutschland von Vorteil, wenn man sich der sogenannten "five eyes"-Initiative anschließen könnte und von den Amerikanern sozusagen als bevorzugter Staat behandelt werden würde? Wird man auf der Delegationsreise vielleicht auch darüber sprechen?

StS Seibert: Ich sage noch einmal: Uns geht es hier um den Schutz der Rechte unserer Bürger, die sich darauf verlassen können, müssen und sollen, dass hier in Deutschland die Gesetze eingehalten werden, und zwar nicht nur von uns, unseren eigenen staatlichen Stellen, sondern auch von denen unserer Partnernationen. Das ist die Aufgabe, die sich uns stellt. So begreift auch die Bundeskanzlerin ihre Aufgabe. Es geht darum, diesen Zustand und auch dieses Vertrauen der Bürger herzustellen. Das hat jetzt nichts mit "five eyes" oder Sonstigem zu tun. Das kann man erwarten, das muss man erwarten, und darauf müssen wir mit aller Kraft hinarbeiten.

Frage: Ich bitte um Entschuldigung, wenn die Frage schon beantwortet worden ist. - Aber wann soll diese deutsche Delegation nach Washington fahren, und mit wem soll sie sich treffen?

StS Seibert: Sie ist eigentlich schon beantwortet, soweit sie heute beantwortet werden kann. Es ist der Stand von Freitag. Ich sage es gern noch einmal.

Am Freitag haben wir gesagt, dass in Kürze eine hochrangige deutsche Delegation nach Washington reisen wird, und zwar bestehend aus Vertretern des Bundeskanzleramtes sowie den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Die Termine werden kurzfristig gemacht. Deswegen kann ich Ihnen jetzt nicht exakt den Reisezeitpunkt nennen.

Zusatzfrage: Können Sie uns ein bisschen mehr dazu sagen, welche Fragen, die im Juni von Herrn Friedrich gestellt worden sind, noch nicht beantwortet wurden?

StS Seibert: Nein, das kann ich Ihnen en détail nicht sagen. Ich kann Ihnen sagen, dass aufgrund der neuen Informationen natürlich eine Situation eingetreten ist - so hat es ja auch Kanzleramtsminister Pofalla nach seiner Information des Parlamentarischen Kontrollgremiums gesagt -, in der wir auch die Zusagen, die uns die NSA seit diesem Sommer gemacht hat, neu beleuchten und neu überprüfen müssen.

Frage: Herr Seibert, habe ich Sie eben richtig verstanden: Die Bundesregierung oder die Bundesrepublik hat keine Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass mögliche Spähanlagen in der Botschaft abgebaut werden, außer die Amerikaner sind freiwillig dazu bereit?

StS Seibert: Ich kann mich nicht erinnern, das gesagt zu haben.

Zusatzfrage: Welche Möglichkeiten hat die Bundesrepublik? Wenn es sozusagen illegal ist, was dort möglicherweise gemacht wird, welche Möglichkeiten haben Sie dafür zu sorgen, dass etwaige Anlagen abgebaut werden?

StS Seibert: Unsere Aufgabe ist es jetzt erst einmal nach diesen neuesten Informationen, die aufgekommen sind, zu überprüfen, ob sie zutreffen, ob sie der Wahrheit entsprechen. Diese Überprüfung läuft mit voller Kraft. Daraus wird sich dann das weitere Handeln ergeben - politisch wie möglicherweise auch juristisch. Aber für das Juristische bin ich hier nicht zuständig. Da müssten Sie wirklich mit dem Generalbundesanwalt sprechen.

Zusatzfrage: Diese Bundesregierung war in letzter Zeit ja immer besonders gutgläubig, was Versicherungen aus Washington anbetraf. War es ein Fehler der NSA, dem Weißen Haus praktisch in einem Blankoscheck alles zu glauben?

StS Seibert: Ich kann Ihre Wertung nicht teilen. Unsere Haltung war immer - so ist sie auch immer kommuniziert worden: Wenn neue Informationen auftauchen, dann muss neu aufgeklärt werden. Dann muss der Sachverhalt geklärt werden, und dann müssen darüber auch die Öffentlichkeit und, soweit notwendig, das Parlamentarische Kontrollgremium neu informiert werden. Nun sind neue Informationen aufgetaucht. Genauso verfahren wir.

Zusatzfrage: Diese neuen Informationen zeigen, dass man Sie offenbar belogen hat. Das muss doch ein bisschen zum Nachdenken anregen.

StS Seibert: Ich habe gerade den Chef des Bundeskanzleramtes, Herrn Pofalla, zitiert, der Ende letzter Woche nach seinem Auftritt beim Parlamentarischen Kontrollgremium gesagt hat, dass im Lichte dieses neuen Verdachtes, der nicht ausgeräumt ist, sondern im Raume steht, natürlich die Zusagen, die uns die NSA bisher mündlich oder schriftlich gegeben hat, neu überprüft werden müssen.

Zusatzfrage: Ich hätte noch eine letzte Nachfrage. Es ist ja erstaunlich, dass Sie sagen, die Frage, ob man Edward Snowden hören sollte, stelle sich nicht. Müssen Sie die Aussagen von Snowden jetzt nicht ein bisschen anders bewerten als Sie es noch vor einiger Zeit getan haben?

StS Seibert: Es geht nicht um die Frage der Bewertung. Es geht um die Frage, dass man alle Informationen, die auf uns zukommen, ernst nimmt und ihnen dann auch entsprechend nachgeht. Genau das tun wir jetzt, und wir tun es mit großer Intensität.

Zuruf: Sollten Sie da nicht Snowden laden?

StS Seibert: Es liegen ja Informationen vor, mit denen jetzt gearbeitet wird.

Zuruf: Noch einmal: Sollten Sie nicht Snowden laden?

StS Seibert: Noch einmal: Die Frage stellt sich für die Bundesregierung jetzt nicht.

Frage: Herr Seibert, was ist ein staatspolitisch relevantes Gespräch? Mir scheint, dass das schwer abzugrenzen ist. Wie entscheidet die Bundeskanzlerin? Bemisst sich das nach dem Gesprächspartner oder nach dem Inhalt der Gespräche? Kann es nicht Gespräche geben, die zum Teil staatspolitisch sind und zum Teil nicht? Wie passiert das im Alltag?

StS Seibert: Sie können gewiss sein, dass die Bundeskanzlerin das zu unterscheiden weiß.

Zusatzfrage: Herr Seibert, noch eine zweite Frage: Sie haben vorhin auf die Frage, was denn wäre, wenn der amerikanische Präsident von deutscher Seite ausgespäht würde, so ein bisschen nebenbei gesagt: "Der BND tut das nicht." Können Sie hier vollständig ausschließen, dass es von deutscher Seite aus Nachrichtengewinnung mit nachrichtendienstlichen Mitteln bei Verbündeten gibt?

StS Seibert: Ich habe den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, Herrn Schindler, zitiert, der gesagt hat: Eine Aufklärung der Regierung der USA findet durch uns nicht statt.

Zusatzfrage: Ich habe jetzt etwas allgemeiner nach Verbündeten gefragt. Können Sie ausschließen, dass deutsche Dienste bei Verbündeten nachrichtendienstliche Mittel anwenden?

StS Seibert: Die deutschen Dienste handeln auf Grundlage der Gesetze, beispielsweise des BND-Gesetzes, die für sie einschlägig sind. Zu konkreten Aussagen habe ich gerade Herrn Schindler zitiert.

Frage: Es läuft ja jetzt eine ganze Reihe von Gesprächsebenen. Seit dem Sommer sind verschiedene Delegationen auf den Weg geschickt worden. Wer in der Bundesregierung hat einen kompletten Überblick darüber, welche Aktivitäten im Augenblick laufen? Dazu zählen das "No Spy"-Abkommen", die Beauftragung der Geheimdienstchefs, der deutschen Nachrichtendienstchefs, mit den amerikanischen Counterparts Verhandlungen zu führen und die Delegationsreise, die jetzt angekündigt wurde. Also wer koordiniert das? Wer hat den Überblick darüber, welche Fragen noch offen sind und welche schon gestellt wurden? Vielleicht kann Herr Lörges uns sagen, welche Abteilungen da in Ihrem Ministerium federführend sind.

Die Frage an Herrn Seibert beziehungsweise an Herrn Schäfer ist, wie die Koordination auf europäischer Ebene mit den Franzosen läuft. Auf dem Gipfel habe ich das so verstanden, dass Deutschland und Frankreich in Washington vorstellig werden, aber auf getrennten Pfaden, jeder auf eigene Rechnung.

Schließlich die Frage: Gibt es Kontakte zu den anderen außereuropäischen Regierungen, die ähnlich betroffen sind - zu Frau Rousseff in Brasilien oder nach Mexiko? Es ist ja eine lange Schlange von Leuten, die in den amerikanischen Überwachungslisten stehen.

Lörges: Ich kann gern anfangen. Bei uns ist es die Abteilung "öffentliche Sicherheit", die sich mit dem Thema federführend beschäftigt.

Zusatzfrage: Das ist die Abteilung, die den Gesamtüberblick hat?

Lörges: Für das BMI.

StS Seibert: Ich kann vielleicht die Frage, die sich auf Brasilien bezog, beantworten: Die Bundesregierung arbeitet derzeit gemeinsam mit Brasilien an einem Resolutionsentwurf, der eben genau das, was uns wichtig ist - die grundsätzliche Bedeutung des Schutzes der digitalen Privatsphäre -, im Kontext der Menschenrechte unterstreichen soll. Beide Länder haben bereits im August am Rande des Menschenrechtsrates eine gemeinsame Veranstaltung ausgerichtet. Diese Initiative ist jetzt quasi die Fortsetzung dessen. Das alles führt zurück zu den acht Punkten, die die Bundeskanzlerin hier in der Bundespressekonferenz im Juli vorgestellt hat. Einer dieser acht Punkte ist eben, dass wir wollen, dass die UN-Vereinbarung über bürgerliche und politische Rechte, die es schon seit sehr langer Zeit gibt - im Grunde stammt sie aus der vordigitalen Zeit -, durch eine Vereinbarung zum Datenschutz ergänzt wird. Das ist wichtig. Das ist sicherlich etwas, was nicht von heute auf morgen geschehen kann. Aber ein erster Schritt ist hier gemacht. Das ist natürlich eine Initiative, die auch für andere offen ist.

Vorsitzender Leifert: Die Frage nach weiteren Kontakten zu anderen betroffenen Regierungen ist noch offen.

Zusatzfrage: Die Frage ist auch, ob es - das, was Sie jetzt erklärt haben, bezieht sich ja auf einen Zeitraum, der schon lange zurückliegt - nach der jüngsten Eskalation und Zuspitzung der Ereignisse noch einmal besondere Kontakte gegeben hat?

StS Seibert: Nun, das war ja gerade Thema beim Europäischen Rat am Donnerstagabend in Brüssel. Die 28 Staats- und Regierungschefs haben ja einen Annex zu den Schlussfolgerungen dieses Rates geschrieben, in dem sie sich solidarisch gezeigt und gemeinsam ihre Sorge ausgedrückt haben, in dem Deutschland und Frankreich erwähnt wurden, die nun bilateral ihre jeweiligen Themen mit den USA aufzuklären haben. Das hat die 28 Staats- und Regierungschefs schon ausführlich beschäftigt.

Zusatzfrage: Gut. Aber das waren keine Kontakte, die es in den letzten Tagen oder in der letzten Woche noch einmal nach Brasilien gegeben hat?

StS Seibert: Vielleicht kann das Auswärtige Amt dazu noch etwas sagen.

Schäfer: Außenpolitik ist, wie Sie alle wissen, immer ein kompliziertes Geschäft. Bei einer so schwierigen und facettenreichen Frage wie der, die Sie gerade aufgeworfen haben, ist es sozusagen noch komplizierter. Da gibt es verschiedene Knoten, an denen die Kommunikationsstränge zusammenlaufen. Herr Seibert hat gerade einen oder zwei davon erwähnt; der eine davon wäre in New York.

Herr Seibert hat die Initiative von Deutschland und Brasilien mit dem Ziel erwähnt, in den Vereinten Nationen das Thema Datenschutz und Schutz der Privatsphäre voranzubringen. Da gibt es über 190 Mitgliedstaaten. Wir würden uns erhoffen, dass sich dieser Initiative möglichst viele Staaten von diesen 195 anschließen. Das setzt voraus, dass es einen ganz intensiven Kommunikationsprozess - bilateral wie multilateral - gibt, um diesen Prozess und die Beweggründe, die uns und Brasilien dazu veranlasst haben, das aufs Gleis zu setzen, zu erklären und damit Unterstützung zu gewinnen.

Genauso ist es in Brüssel. Das ist jetzt nicht unbedingt mein Beritt für das Auswärtige Amt. Aber da kann ich, glaube ich, guten Gewissens sagen, dass es jetzt bei der Datenschutzgrundverordnung in Brüssel - aber auch bilateral - darum geht, die notwendigen Gespräche zu führen, um die Ziele, die die Bundesregierung damit verfolgt, nämlich den Schutz der Privatsphäre, im besten Falle in einem möglichst schnellen Ergebnis im Kreise der 28 Mitglieder der Europäischen Union zu erreichen. Es ist völlig klar, dass die politischen Abteilungen im Auswärtigen Amt - die, die sich um die Beziehungen mit den Vereinigten Staaten und mit unseren Partnern in Europa kümmern - auf allen Ebenen die Kommunikation weiterführen und pflegen. Das geschieht aus aktuellem Anlass natürlich auch zu den Themen Datenschutz und Privatsphäre. Die Fragen sind: Wie geht es weiter? Wie können wir für Aufklärung sorgen?

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert: Sie haben hier eben gesagt, der Schutz der Bürger sei Ihnen wichtig. Nun steht ja immer noch die berechtigte Vermutung im Raum, dass der BND nicht in der Lage ist, die Millionen Daten, die er täglich oder monatlich an die NSA übermittelt, auf Daten deutscher Bürger zu filtern. Die Bundesregierung hat ja sogar im Bundestag die Aufklärung dieser Sache, also den Einblick oder die Erläuterung dieses Verfahrens, mit Verweis auf das Staatswohl verweigert. Nun frage ich mich: Beharrt die Regierung darauf, diesen Sachverhalt nicht aufzuklären? Wie wollen Sie von den USA Aufklärung verlangen, wenn Sie in solchen Sachen selber die Aufklärung verweigern?

StS Seibert: Die Bundesregierung berichtet dem Parlamentarischen Kontrollgremium über die Tätigkeiten der Nachrichtendienste, soweit das rechtlich geboten ist. Wir haben das sehr intensiv getan - gerade in diesen letzten Wochen und Monaten - und werden das auch weiterhin tun.

Zusatzfrage: Haben Sie auch über diesen Sachverhalt genau aufgeklärt, wie der BND die Daten filtert?

StS Seibert: Ich kann hier nicht aus den Verhandlungen im Parlamentarischen Kontrollgremium berichten. Die Tatsache der Datenweitergabe von BND zu NSA aus der Auslandsaufklärung des BND ist allerdings im Parlamentarischen Kontrollgremium besprochen worden, ja.

Zusatzfrage: Auch in den vergangenen Wochen?

StS Seibert: Ich kann hier nicht en détail aus dem Parlamentarischen Kontrollgremium berichten.

Frage: Herr Schäfer, können sich die Sicherheitsbehörden eigentlich Zugang zu einer Botschaft verschaffen, oder verbietet sich das? Ist man immer auf die Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Land angewiesen? Ich beziehe mich dabei auf die Abhöranlage.

Herr Seibert, haben Sie Hinweise oder den Verdacht, dass auch schon Bundeskanzler Schröder möglicherweise ausgespäht worden ist, was ja auch am Wochenende gemeldet worden ist?

Steht schon fest, mit wem die deutsche Delegation auf amerikanischer Seite redet? Sind das Gespräche mit der NSA, oder sind das auch Gespräche mit dem Sicherheitsberater des Präsidenten?

Die letzte Frage: Sie reden ja immer noch von "Verdacht" und dass die Bundeskanzlerin "möglicherweise" ausgespäht worden ist. Die Amerikaner haben es ja nur für die Gegenwart und für die Zukunft ausgeschlossen. Was fehlt Ihnen noch, um tatsächlich zu sagen "Okay, ich kann das bestätigen"?

StS Seibert: Ich gehe noch einmal an den Anfang zurück: Es gibt aus unserer Sicht keinen neuen Sachstand, seitdem wir am Mittwoch die Öffentlichkeit informiert haben. Das heißt, all das, wonach Sie jetzt fragen, wird Teil der zu leistenden Aufklärungsarbeit sein. Dabei gehen wir allen Hinweisen nach.

Das betrifft auch die Frage, die Sie beispielsweise im Hinblick auf den Altbundeskanzler gestellt haben. Ich kann hierzu nichts Spezifisches berichten. Wir haben keinen neuen Sachstand. Selbstverständlich wird die hochrangige deutsche Delegation bei ihren Gesprächen in Washington auch mit Vertretern der NSA zusammentreffen. Ich kann Ihnen aber jetzt auch nicht sagen, mit wem sonst noch alles. Das ist einfach jetzt noch zu früh. Die Termine werden kurzfristig gemacht oder sind dabei, gemacht zu werden.

Schäfer: Zu Ihrer technischen Frage folgende Antwort: Nach den seit Jahrzehnten zwischen allen Staaten geltenden Regeln des Wiener Übereinkommens können sich Vertreter des Empfangstaates nur dann Zugang zu den diplomatischen Räumlichkeiten einer Botschaft verschaffen, wenn das mit Zustimmung des Missionschefs - in diesem Fall des Botschafters - geschieht. Das sind die expliziten Regelungen des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen.

Frage: Herr Seibert, zwei Fragen. Erstens. Die letzte Delegation, die in dieser Angelegenheit in die USA gegangen ist, wurde von Frau Merkel mit Herrn Friedrich als Bundesinnenminister bestückt. Darf er das jetzt als eine Degradierung empfinden, dass nun Herr Friedrich wegen des großen Erfolgs seiner Reise nicht mehr hingeschickt wird? Oder was ist der tatsächliche Grund, dass man diese Reise an der Spitze politisch nicht hochrangig besetzt?

Die zweite Frage bezieht sich noch einmal auf das, was sich, wie man behauptet, im Dachgeschoss der amerikanischen Botschaft in Berlin befindet. Sie zitierten vorhin den BND-Präsidenten mit der Aussage: "Aufklärung der Regierung der USA findet durch deutsche Dienste nicht statt." Darf ich daraus schlussfolgern, dass deutsche Nachrichtendienste keinerlei nachrichtendienstliche Mittel auf deutschen Boden einsetzen dürfen, um herauszufinden, ob aus der Dachstube spioniert wird?

StS Seibert: Der Satz des BND-Präsidenten steht für sich, und den werde ich jetzt nicht weiter interpretieren.

Was die Reise in die USA betrifft, kann ich mich Ihren Schlussfolgerungen auch nicht anschließen. Die Reise ist mit den besten Fachleuten besetzt, die wir zu diesen Themen haben. Die Delegation ist so besetzt und wird deswegen auch fachlich die richtigen Gesprächspartner in den USA haben und den Aufklärungsprozess vorantreiben.

Zusatzfrage: Wollten Sie damit sagen, dass die letzte Reise nur minderqualifiziert besetzt war, weil Sie "mit den besten Fachleuten, die wir haben" sagen? Deswegen frage ich, wieso der Bundesinnenminister vor Kurzem noch der beste Fachmann war und er es jetzt nicht mehr ist. Was ist der Grund dafür?

StS Seibert: Ich habe mich ausdrücklich Ihrer Interpretation in der ersten Frage nicht angeschlossen und schließe mich auch der Interpretation in der zweiten Frage nicht an. Diese Reise ist mit Fachleuten besetzt. Man wird wichtige Gespräche in Washington führen, die uns hoffentlich bei der Aufklärung, die dringend nötig ist, weiter voranbringt.

Frage : Herr Seibert, Sie haben mehrfach auf die Dringlichkeit der Aufklärung abgehoben. Am Mittwoch hat die Bundesregierung schon reagiert. Jetzt haben wir Montag. Ist Ihnen von amerikanischer Seite signalisiert worden, wann diese Aufklärung erfolgt? Wie lange dauert es, um diese Papiere nachzuschauen, die dem "Spiegel" offensichtlich vorliegen?

Ich möchte noch etwas fragen; es ist schon zwei, drei Mal versucht worden, diese Frage zu stellen: Die erste Stufe - ich nenne es jetzt einmal so - der NSA-Affäre ist durch die Medien bekanntgeworden und die zweite Stufe auch wieder durch Medien. Eine Reform der Geheimdienste sehen Sie aber nicht als zwingend erforderlich?

StS Seibert: Die Aufgabe, die sich uns jetzt stellt, ist, Aufklärung voranzutreiben, weil sehr ernste Verdachtsmomente im Raum stehen und weil sie auch ein Licht auf das werfen, was in den letzten Monaten an Ergebnissen bei unseren deutsch-amerikanischen Gesprächen herauskam. Das müssen wir jetzt im Sinne dessen, was ich vorhin gesagt habe, vorantreiben. Die deutschen Bürger müssen sich darauf verlassen können, dass ihre Daten, ihre Privatsphäre vor ungesetzlichem Zugriff geschützt sind. Das ist die politische Aufgabe der Bundeskanzlerin und der Bundesregierung. Und um die kümmert sie sich mit aller Kraft, und zwar nicht erst seit gestern, sondern seit Juni. Wir haben aber jetzt eine neue Phase.

Vorsitzender Leifert: Und die Reform der Dienste?

StS Seibert: Die Frage stellt sich jetzt nicht. Die Dienste sind an dieser Aufklärung intensiv beteiligt.

Zusatzfrage: Herr Lörges, was macht eigentlich das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Treptow? Ist das zum Beispiel eine Einrichtung, die so etwas eigentlich hätte mitbekommen müssen, dass also das Handy der deutschen Regierungschefin abgehört wird? Welche Einrichtung wäre sonst zuständig?

Lörges: Ich kann nur auf die Ausführungen von Herrn Seibert und auf die, die ich hier schon getätigt habe, verweisen: Der Verfassungsschutz braucht Hinweise. Wenn es solche gibt, dann gehen wir denen nach.

Zusatzfrage : Nur noch zum Verständnis: Ich habe immer gedacht - ich habe das wirklich gedacht -, die Regierung schützt, wie in jeder Firma auch, aktiv das Handy beziehungsweise die Handys der Regierungschefin. In meiner Firma gibt es zum Beispiel Sicherheitsrichtlinien und die kommen von der Firma. Jetzt sagen Sie, Sie müssen auf Hinweise warten. Überspitzt gesagt: Sie lesen den "Spiegel" und dann gucken Sie einmal. Verstehen Sie? Es gibt wirklich keine deutsche Einrichtung - das ist jetzt die Frage -, die das Handy oder die Handys der Regierungschefin schützt?

Lörges: Ich hatte gehofft, dass wir das (schon beantwortet hatten). Wir haben hier darüber am Freitag lange gesprochen, nämlich über gesicherte Regierungsnetze usw., dass auch die mobile Kommunikation gesichert möglich ist, dass aber dafür beide Gesprächspartner über so etwas verfügen müssen, dass es, je nach Gesprächsinhalt, nicht immer erforderlich ist. Das ist die Antwort auf Ihre Frage.

Zusatzfrage : Verzeihung, aber das ist sie nicht. Das eine sind die Sicherheitssysteme, und das andere ist die Frage gewesen, wer das überwacht. Es gibt ja Angriffe gegen diese Systeme, denn sonst bräuchten wir zum Beispiel das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum in Treptow nicht. Wer überwacht das? Wer sorgt dafür, dass es dann wirklich sicher bleibt?

Lörges: Ich versuche es noch einmal andersherum. Für Gesprächsinhalte, die eine gesicherte Kommunikation erfordern, steht die Möglichkeit der gesicherten Kommunikation zur Verfügung. Insofern können Sie ganz beruhigt sein.

Frage: Ich habe zwei Fragen zu dieser Schnüffelei, um es einmal so auszudrücken: Herr Seibert, hat das aus Sicht der Bundesregierung irgendwelche Konsequenzen zum Beispiel für das SWIFT-Abkommen über die Vermittlung von Kontodaten mit den USA? Hat das möglicherweise Auswirkungen auf die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen? Gibt es dazu etwas zu sagen?

Meine zweite Frage hat etwas mit dem zu tun, was Sie gerade gesagt haben, dass deutsche Bürger sich darauf verlassen müssen, dass ihre Daten sicher sind. Ich möchte dann doch wissen: Warum hat dann die Kanzlerin ihren Minister im Sommer sagen lassen, dass das NSA-Problem geklärt ist, dass es vorbei ist, während quasi bekannt wurde, dass Millionen Daten von Nutzern aus Deutschland über Facebook und Google weitergereicht wurden und die Daten also eben nicht sicher waren? Warum hat sie das ihren Minister erklären lassen?

StS Seibert: Für die Bundesregierung war das nie so, wie Sie es gerade dargestellt haben, dass man irgendetwas für vorbei erklärt habe. Wenn eine einzelne Frage geklärt werden konnte - beispielsweise die Frage der Datenweitergabe von BND zur NSA, wo wir auch mit Hilfe unser eigenen Dienste Klärung erreichen konnte -, dann war diese Frage geklärt.

Aber unsere Haltung war grundsätzlich: Wenn neue Informationen kommen, muss weiter aufgeklärt werden. Ich verweise noch einmal auf den Acht-Punkte-Plan der Bundeskanzlerin, der ein klares Signal ist, dass wir wissen, dass da Aufgaben vor uns liegen. Die Bundeskanzlerin hat diese Aufgaben ja sehr klar genannt. Über einige von ihnen sprechen wir nun aus aktuellem Anlass wieder; die haben wir aber nie aus den Augen verloren. Die neue vertragliche Grundlage unserer Zusammenarbeit mit den USA brauchen wir, die brauchen wir dringend. Wir brauchen dringend einheitliche Standards für die Dienste der EU-Mitgliedstaaten. Auch dieses ist etwas, was die Kanzlerin im Juli schon unter diesen Acht-Punkten mit aufgeführt hat. Das ist etwas, was uns weiter beschäftigen wird. Wir wussten immer: Es gibt da viel Arbeit.

Zusatz: Die Fragen zum SWIFT-Abkommen und Freihandelsabkommen sind noch offen.

StS Seibert: Zum Freihandelsabkommen haben wir hier oft schon besprochen, dass das ein Abkommen ist, das sowohl für Europa als auch für die USA von großem wirtschaftlichem Interesse ist, dass das Potenzial hat, auch den Menschen in Deutschland und unserer Wirtschaft hier großen Nutzen zu bringen. Deswegen ist unser Interesse an diesem Abkommen ungebrochen. Gerade deswegen auch ist es selbstverständlich, dass wir unsere europäischen Überzeugungen von Datenschutz, von Schutz der Privatsphäre, auch Schutz von Wirtschaftsdaten in diese Verhandlungen intensiv einbringen müssen und werden.

Zusatzfrage: Das ist das Freihandelsabkommen. Das SWIFT-Abkommen regelt ja zum Beispiel auch die persönlichen Daten von Bankkunden aus der Bundesrepublik Deutschland. Wie sicher kann man sein, dass diese persönlichen Daten nicht irgendwo landen, wo sie nicht landen sollten?

Wieduwilt: Ich möchte nur der Vollständigkeit halber und sozusagen als Serviceleistung darauf hinweisen: Die Ministerin hatte sich kürzlich schon dahingehend geäußert, dass alle Hebel genutzt werden müssen, um den Druck gegenüber den USA zu erhöhen. Sie hat heute Morgen gegen kurz nach 7 Uhr noch einmal im RBB Inforadio gesagt, dass Empörung allein nicht ausreiche, sondern dass das SWIFT-Abkommen ausgesetzt werden müsse. - Nur zu Ihrer Information, falls es hier Leute gibt, die nicht RBB Inforadio hören.

Frage: Herr Seibert, ich möchte gerne ein bisschen besser verstehen, was Deutschland mit den Vereinigten Staaten zu verhandeln versucht. Ist es die Mitgliedschaft dieses "Five-Eyes"-Abkommens oder die Mitgliedschaft in einem ähnlichen Abkommen?

StS Seibert: Ich verweise noch einmal auf die Presseerklärung vom Mittwoch. Da steht genau das drin, was wir ersuchen; das hat die Bundeskanzlerin auch in fast genau dem gleichen Ton in Brüssel noch einmal wiederholt. Wir erwarten als enger Bündnispartner der Vereinigten Staaten, der wir seit Jahrzehnten sind, für die Zukunft eine klare vertragliche Grundlage über die Tätigkeit der Dienste und über die Zusammenarbeit der Dienste. Das ist es, woran wir arbeiten und was dringend Not tut.

Zusatzfrage: Aber ist es möglich, so ein Abkommen innerhalb der EU zu haben, wenn zum Beispiel alle Länder ihre eigene Abkommen mit den Vereinigen Staaten haben?

StS Seibert: Wir haben doch nun zunächst einmal bilateral mit den Amerikanern gravierende Fragen zu klären, weil ein Verdacht im Raume steht, der die Bundeskanzlerin und die mögliche Ausspähung der Bundeskanzlerin betrifft, weil auch Fragen - und die sind uns besonders wichtig -, was den Schutz der Grundrechte der Bürger betrifft, noch nicht vollständig geklärt sind. Diese Fragen werden wir, die Bundesrepublik Deutschland, jetzt versuchen, mit den USA mit großer Kraft voranzutreiben, im Sinne einer neuen vertrauensbildenden, vertrauensrückgewinnenden vertraglichen Grundlage. Ich bin überzeugt, dass Deutschland und die USA aufgrund der langen Partnerschaft und Freundschaft, die uns verbindet, auch in der Lage sein werden, das, was jetzt im Raume steht, zu lösen.

Zusatzfrage: Gibt es einen Verdacht, dass David Cameron wegen dieses "Five-Eyes"-Abkommens schon wusste, dass Frau Merkel ausgespäht worden ist?

StS Seibert: Das ist eine Frage, die Sie vielleicht doch eher den Londoner Kollegen stellen sollten.

Frage: Herr Seibert, ein amerikanischer Botschafter wird nicht jeden Tag einbestellt. Für wie ernst wird diese Krise in Berlin eingestuft? Kann man sich an einen ähnlich gravierenden Spionagefall seit dem Fall Guillaume erinnern, wobei natürlich die Bedingungen damals ganz andere waren?

StS Seibert: Ich möchte einfach noch einmal betonen: Wir haben Informationen, die uns im Zusammenhang mit dieser "Spiegel"-Recherche erreicht haben. Denen gehen wir jetzt nach. Wir überprüfen, ob diese Informationen zutreffen, ob sie sich bewahrheiten. Wenn das der Fall wäre, dann wäre das sehr gravierend, und dann wäre das ein Vertrauensbruch.

Die Tatsache, dass der Botschafter ins Außenministerium einbestellt worden ist, haben Sie gerade selber qualifiziert. Das passiert in der Tat selten. Das ist ein Ausdruck der großen Besorgnis, die diese Informationen natürlich bei uns ausgelöst haben, und der Dringlichkeit, die wir dem beimessen, dass wir sie jetzt aufklären müssen.

Trotzdem noch einmal: Das deutsch-amerikanische Verhältnis geht über Jahrzehnte zurück. Es hat für Deutschland und für die Amerikaner einen ganz großen Stellenwert. Es hat uns Deutschen großen Dienst erwiesen. Es ist für uns auch weiterhin zentral in unserer Außenpolitik. Gerade deswegen müssen wir ja versuchen, Vertrauen dort, wo es möglicherweise gestört ist oder verlorengegangen ist, wiederherzustellen. Gerade deswegen sind wir aber auch optimistisch, dass uns das gemeinsam mit den Amerikanern gelingen kann.

Frage: Inzwischen hat sich noch eine Nachfrage nach dem ergeben, was Herr Wieduwilt gesagt hat, nämlich ob die Frage Aussetzung des SWIFT-Abkommens auch Haltung der Bundesregierung ist.

Meine eigentliche Frage: Herr Seibert, Sie haben eben auch in diesem Zusammenhang die Relevanz der Datenschutzgrundverordnung betont. Nun ist ja höchst unklar, ob das noch etwas vor der Europawahl wird. Wird es nichts mehr, ergeben sich sehr lange Verzögerungen. Die Bundesjustizministerin hat am Wochenende vorgeschlagen, die Kernpunkte vorzuziehen, die insbesondere auch das, was wir hier besprechen, betreffen, das heißt vor allem die Auskunftspflicht von Unternehmen darüber, ob sie Daten an Geheimdienste anderer Länder geben. Ist das auch Haltung der Bundesregierung, also Teile abtrennen und vorziehen?

StS Seibert: Zunächst einmal zu Ihrer ersten Frage: Der Bundeskanzlerin wurde in Ihrer Pressekonferenz in der Nacht in Brüssel auch diese Frage gestellt und sie hat zunächst einmal auf die Frage des Freihandelsabkommens und der möglichen Unterbrechung geantwortet, dass sie dafür nicht sei und hat im Anschluss gesagt, dass sie in der Frage des SWIFT-Abkommens offener sei. Das heißt, die Haltung ist noch nicht final für die Bundesregierung. Wir beraten das.

Zusatzfrage: Und der Datenschutz?

StS Seibert: Wir sind sehr interessiert daran, dass wir auf europäischer Ebene eine Datenschutzgrundverordnung bekommen, die das sehr anspruchsvolle Datenschutzverständnis, das wir in Deutschland haben, auch tatsächlich widerspiegelt. Ich kann Ihnen im Moment nicht genau sagen, wie wir jetzt operativ damit umgehen. Das müsste ich, ehrlich gesagt, nachliefern.

Zusatzfrage: Oder kann Herr Lörges etwas dazu sagen, ob man Teile abtrennen sollte?

Lörges: Das ist natürlich eine von verschiedenen Möglichkeiten. Ich habe aber den Ausführungen von Herrn Seibert eigentlich nichts hinzuzufügen.

Wir arbeiten entgegen mancher Berichte sehr stark daran, auch mit vielen Vorschlägen. Ziel ist, den hohen Datenschutzstandard, den wir in Deutschland haben, auch auf europäischer Ebene durchzusetzen. Andernfalls wäre es so, dass wir hier einen geringeren Datenschutzstandard bekämen. Das ist der Grund für unsere Haltung. Natürlich arbeiten wir unter Hochdruck an einem zügigen Ergebnis.

Frage: Herr Seibert, eine Frage zur Chronologie der letzten Woche. Sie haben gesagt, die Erklärung der Bundeskanzlerin sei auf Grundlage einer Recherche des "Spiegel" erfolgt. Die Informationen des "Spiegel" lagen Ihnen ja schon einige Tage länger vor. Das ging, nach dem, was wir jetzt hören, in die vorletzte Woche zurück. Was war für Sie die ausschlaggebende Information, die dazu noch hinzukam, gerade am Mittwochabend in die Öffentlichkeit zu gehen? War das der herannahende Gipfel in Brüssel oder waren das die Gespräche, die Herr Heusgen und auch Sie mit Ihrem Gegenüber in Washington geführt haben?

Herr Wieduwilt, wenn ein sich jetzt möglicherweise konstituierender Untersuchungsausschuss des Bundestages etwa Herrn Snowden gerne verhören würde, gibt es rechtliche Gründe, die dagegen sprächen, ihn in die Bundesrepublik Deutschland zu lassen?

StS Seibert: Ich möchte jetzt nicht weiter zur chronologischen Nacherzählung der letzten anderthalb Wochen beitragen. Ich glaube, es ist doch klar, dass in dem Moment, in dem die Bundesregierung Informationen bekam, die einen so gravierenden Verdacht beinhalten, sie mit all ihren Mitteln daran gegangen ist, diesen Informationen nachzugehen, sie zu verifizieren, zu überprüfen.

Am Mittwoch der vergangenen Woche ist es dann zu einem Telefongespräch zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Obama gekommen. Es ist dazu gekommen, dass der Chef des Bundeskanzleramtes den Vorsitzenden und den stellvertretenden Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums über diese Informationen informierte. Das war der Zeitpunkt, an dem eine Bundesregierung dann auch an die Öffentlichkeit gehen muss.

Wieduwilt: Zur Frage, ob man jetzt Herrn Snowden anhören könnte: Tatsächlich kann ein Untersuchungsausschuss, genauso wie es in einem Strafverfahren möglich ist, natürlich Zeugen laden. Voraussetzung dafür ist aber hier wie dort, dass es eine ladungsfähige Anschrift gibt.

(Heiterkeit)

Wieduwilt: Das war eigentlich nicht als Witz gemeint. - Im Moment stellt sich die Frage nicht, da Herr Snowden nicht hier ist.

Zusatzfrage: Aber darüber hinaus gäbe es kein rechtliches Problem? Wenn eine ladungsfähige Anschrift vorläge - - -

Wieduwilt: - - - könnte er als Zeuge geladen werden.

Zuruf: Muss das eine Anschrift in Deutschland sein?

Wieduwilt: Sie muss ladungsfähig sein. Das umfasst, soweit ich weiß, auch eine Anschrift im Ausland.

Frage: Ich hatte eine Nachfrage zur europäischen Datenschutzreform. Ich wollte wissen, wie die Bundesregierung diese Formulierung interpretiert, die in dem Abschlussdokument des Europäischen Rates steht, also diese zeitnahe Annahme. Soll das noch vor den Europawahlen stattfinden oder möglicherweise doch später?

StS Seibert: Die ist genau so zu interpretieren, dass wir ein großes Interesse an einer europäischen Datenschutzgrundverordnung haben, die unseren hohen anspruchsvollen Datenschutzstandard widerspiegelt und die möglichst zeitnah auch in Europa möglichst kommen sollte.

Frage: Gibt es einen halbwegs konkreten Zeitrahmen, in dem die Bundesregierung Aufklärung von den USA erwartet? Reden wir da von Tagen, Wochen oder Monaten? Hängt etwa die Entscheidung zur Aussetzung des SWIFT-Abkommens davon ab?

Zweitens eine Frage zur gestrigen Äußerung von Herrn Friedrich, wonach die Ausspähung von deutschem Boden eine Straftat sei und die Täter zur Rechenschaft gezogen werden müssten: Ist das so zu verstehen, dass die deutschen Behörden aktiv werden? Oder ist das eher ein Appell an die US-Justiz, hier aktiv zu werden? Kann die deutsche Justiz theoretisch direkt aktiv werden, wenn etwas von einer Botschaft aus getätigt wird?

StS Seibert: Zu Ihrer Frage will ich mich jetzt nicht auf Tage, Wochen oder Monate einlassen, sondern einfach nur sagen, dass diese Angelegenheit uns selbstverständlich drängt. Es drängt uns, die Vorwürfe aufzuklären. Es drängt uns, gemeinsam mit den Amerikanern eine neue vertrauensschaffende vertragliche Grundlage unserer Zusammenarbeit im Bereich der Dienste zu erarbeiten.

Vorsitzender Leifert: Der zweite Teil der Frage war, ob die weitere Zukunft des SWIFT-Abkommens von den Ergebnissen der Gespräche abhängt.

StS Seibert: Zum SWIFT-Abkommen haben wir ja gerade gesagt, dass die Bundesregierung dazu Ihre Position jetzt berät.

Lörges: Der Innenminister hat gesagt: "Abhören ist eine Straftat." - Das ist Fakt. Das steht, soweit ich weiß, in 99 StGB beziehungsweise in den Paragrafen davor oder danach.

Indem er sagt, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, bezieht er sich eben auf den Prüfvorgang beim Generalbundesanwalt, der ja bereits läuft.

Frage: Ich habe eine zweigeteilte Frage, die sich an Herrn Seibert und an Herrn Lörges richtet.

Herr Seibert, Sie haben schon mehrmals auf die Erklärung vom vergangenen Mittwoch hingewiesen. Darin wurde ja auch klar gefordert, dass die noch immer nicht beantworteten Fragen nun endlich beantwortet werden sollen. Meine Lernfrage insofern: Was ist denn seit Juli - das sind immerhin dreieinhalb Monate - passiert? Wie muss ich mir das vorstellen? Hat man da vonseiten der Bundesregierung einmal nachgehakt und gesagt: Übrigens, da sind noch ein paar Fragen, die unbeantwortet sind.

Das Gleiche richtet sich an Herrn Lörges in Bezug auf die beiden Reisen. Sie haben vorhin die Abteilung erwähnt, die dafür zuständig ist. Wie muss ich mir das vorstellen, wer hat da mit wem wie oft und wann geredet?

StS Seibert: Ich verweise noch einmal auf die acht Punkte der Bundeskanzlerin. In der Tat gibt es einzelne Punkte beziehungsweise einen Punkt, den ersten Punkt - nämlich die Aufkündigung der alten Vereinbarungen aus alliierter Zeit -, der erledigt ist. Es gibt andere Punkte, an denen wir jetzt noch arbeiten und bezüglich derer wir hoffen, sie mittelfristig abschließen zu können. Es gibt außerdem Punkte wie beispielsweise den des erwähnten Zusatzes zum UN-Pakt über die bürgerlichen Rechte, der sicherlich ein ziemlich langfristiger sein wird. Es gibt innenpolitische Punkte wie zum Beispiel den, das Thema Datensicherheit hier stärker voranzutreiben und die europäische IT-Industrie besser aufzustellen. Wir sind aber an allen diesen Punkten und ganz besonders, was die konkrete Klärung von Vorwürfen mit den USA betrifft, sozusagen ständig an der Arbeit geblieben.

Nun muss aufgrund der neuen Informationslage nicht nur aufgeklärt werden, was die Kanzlerin und die mögliche Ausspähung ihres Handys betrifft, sondern wir haben am Mittwoch ja auch genau gesagt, dass wir von den Amerikanern auch erwarten, dass sie uns den möglichen Gesamtumfang von eventueller Ausspähung darzustellen und aufklären. Das heißt, auch das muss jetzt weiter vorangetrieben werden.

Lörges: Auch diese Frage hatten wir hier am Freitag schon. Ich kann da nicht auf alle Einzelheiten eingehen. Die Aufklärungsbemühungen sind vielfältig, sie sind stetig. Sie werden jetzt vielleicht noch einen besonderen Schwung erfahren. Ich hatte am Freitag aber auch schon erwähnt, dass zum Beispiel Bundesinnenminister Friedrich im Herbst den US-Minister Holder beim G6-Treffen in Rom getroffen und mit ihm gesprochen hat, dass es auf deutscher Ebene Gespräche auf Fachebene und gibt, und auch in der EU gibt es ja Delegationen, die sich immer wieder mit der amerikanischen Seite treffen.

Es gibt den Deklassifizierungsprozess, der nicht umsonst Prozess heißt, eben weil er langwierig ist. Dabei geht es zum Beispiel darum, dass Dokumente, die zuvor so eingestuft waren, dass Ausländer sie nicht sehen dürfen, so herabgestuft werden, dass Ausländer sie sehen dürfen. Das heißt für Sie leider immer noch nicht, dass wir die hier mitteilen können, da also entsprechende Ergebnisse präsentieren können.

Aber wie gesagt, das ist ein Aufklärungsprozess, und der läuft.

Frage: Ich habe noch eine Frage an das Innenministerium zu dem Schutz der Mobiltelefone der Kanzlerin. Sie sagten vorhin, dass Sie natürlich für die Verschlüsselung, für das Netzwerk zuständig sind. Das heißt, Sie unterscheiden ganz konkret zwischen der Funktion als Regierungschefin und - wenn man davon ausgeht, dass es vielleicht das Parteihandy war, das abgehört wurde - der Funktion als CDU-Vorsitzende. Nun ist es aber doch so, dass das BKA sie sowohl als Regierungschefin als auch bei Wahlveranstaltungen als auch dann, wenn sie ins Wochenende fährt, schützt. Machen Sie da so einen Unterschied: Körperlicher Schutz ja, aber Datenschutz nicht? Ist das überhaupt noch zeitgemäß oder nicht ein bisschen naiv?

Lörges: Ich verstehe schon die Frage irgendwie nicht so richtig und wie Sie jetzt von dieser Sache auf den Personenschutz des BKA, also sozusagen den Schutz vor körperlichen Angriffen auf die Kanzlerin, kommen. Noch einmal: Es gibt die Möglichkeit der gesicherten Kommunikation. Dabei spielt aber eben auch der Inhalt der Kommunikation eine Rolle. Nicht alles muss über gesicherte Leitungen besprochen werden.

StS Seibert: Ich kann dazu vielleicht auch noch einmal ganz kurz auf das zurückgreifen, was die Bundeskanzlerin selber dazu erklärt hat. Sie hat gesagt - wiederum in der nächtlichen Pressekonferenz -:

"Was die Sache mit dem Handy angeht, kann ich das relativ einfach erklären. Ich [...] benutze ein Handy, das auf das Konto der Partei läuft, damit ja nie der Eindruck entsteht, ich würde Regierungsgelder für Parteikommunikation verwenden."

Grundsätzlich ist es so, dass staatpolitisch relevante Gespräche - wir haben das hier bereits mehrfach gesagt - grundsätzlich vom Festnetz, entweder normal oder über Krypto-Leitung, geführt werden. Falls die Bundeskanzlerin unterwegs ist oder eine Sache keinen Aufschub duldet, stehen ihr auch Krypto-Mobiltelefone des Bundeskanzleramtes zur Verfügung. Was staatspolitisch wichtig ist - auch darüber haben wir gesprochen -, vermag die Bundeskanzlerin natürlich zu unterscheiden.

Zusatzfrage: Ich habe die Mitschrift auch gelesen, das ist schon klar. Ich wollte trotzdem nur anmerken, dass es ja gerade im Datenschutz nicht nur darum geht, was man selber denkt. Ich traue der Kanzlerin völlig zu, dass Sie unterscheidet, was eine staatspolitisch wichtige Information ist, und damit bestimmt sehr gewissenhaft umgeht. Dennoch, die Verwertung von Daten ist ja vielleicht nicht sofort immer einsichtig, wenn man sie - ob bewusst oder unbewusst - zur Verfügung stellt. Deswegen noch einmal die Frage: Ist es nicht vielleicht einmal anzudenken, ob man wenigstens die Regierung bei dem, was sie so bekanntgibt, sozusagen vor sich selbst schützen sollte?

Lörges: Ich sehe, ehrlich gesagt, kein Schutzbedürfnis in dem Sinne, wie Sie jetzt die Frage stellen. Es gibt die Möglichkeit der gesicherten Kommunikation. Das ist entscheidend. Kommunikation, die eben so sensibel ist, kann gesichert kommuniziert werden.

StS Seibert: Ich will noch einmal ganz kurz - weil das heute mehrfach eine Rolle gespielt hat - nachreichen, was die Bundeskanzlerin konkret zu SWIFT gesagt hat, was ich vorhin aus dem Kopf versuchte wiederzugeben. Sie sagte dazu in Brüssel in jener Nacht:

"Was SWIFT anbelangt, muss ich mir das noch einmal näher anschauen. Wir müssen ja immer genau abwägen: Was verlieren wir für unsere Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger und was nicht? Ich habe ein gewisses Verständnis für die Abstimmung und die Resolution des Europäischen Parlaments. Was daraus jetzt materiell [...] genau folgt, liegt [...] sowieso in der Hand der Kommission. Aber das muss man sich noch einmal genau überlegen."

Nur, damit Sie auch wirklich den konkreten Wortlaut haben.

Frage: Wenn ich mir für mein Dachgeschoss eine leistungsfähige Abhöranlage zulegen würde und der "Spiegel" würde darüber berichten, dann kann ich mir vorstellen, dass ich sehr schnell die Berliner Polizei an meiner Haustüre hätte. Wie kann man sich das bei einem ähnlich gelagerten Fall der US-Botschaft vorstellen? Ist es auch Sache der Berliner Polizei, da mal zu klingeln, muss das die Bundespolizei machen, oder ist dann gar das Auswärtige Amt in der Pflicht, da mal was zu tun?

Wieduwilt: Ich kann jetzt nicht sagen, welche Ermittlungsbeamten dort dann losgehen; da bin ich an dieser Stelle überfragt. Ich hatte aber bereits gesagt, dass die Generalbundesanwaltschaft jetzt in einem Beobachtungsvorgang ist. Das können Sie sich so ähnlich vorstellen wie ein Vorermittlungsverfahren. Wenn das dann in ein Ermittlungsverfahren übergeht, wir es Beamte geben, die da sicherlich etwas machen können - aber alles natürlich vorbehaltlich völkerrechtlicher und sonstiger Regeln, die natürlich für diesen Fall gelten, aber vielleicht nicht so sehr für Ihr Dachgeschoss.

Zusatzfrage: Aber das AA ist dann mit im Boot, oder?

Schäfer: Ich weiß nicht, ob Sie vorhin schon da waren, als eine ganz ähnliche Frage gestellt wurde; ich wiederhole das aber gern. Dafür gilt nach den Regeln des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen aus den 60er-Jahren nämlich eine Regelung, die eigentlich für alle Staaten der Vereinten Nationen bereits über mehrere Jahrzehnte Gültigkeit hat, die besagt, dass die Räumlichkeiten einer ausländischen Mission - in diesem Fall der amerikanischen Botschaft - als unverletzlich gelten müssen. Das bedeutet, dass der Zugang für Vertreter des Empfangsstaates - also in diesem Falle Vertreter der Bundesrepublik Deutschland - oder seiner Sicherheitsbehörden nur mit Zustimmung des Missionschefs erfolgen darf. Das ist die klare und völlig eindeutige Regelung des Völkerrechts, die nicht nur für Deutschland, sondern für jeden anderen zivilisierten Staat gilt.

Zusatzfrage: Aber meine Frage bezog sich auf die Bitte um Zugang. Wird die dann von der Berliner Polizei im Auftrag des Generalbundesanwaltes vorgebracht, oder ist das Auswärtige Amt in diesen Prozess involviert?

Schäfer: Auch da gelten die Regeln des Wiener Übereinkommens. Darin heißt es, dass förmliche offizielle Kommunikation zwischen der Mission und dem Empfangsstaat grundsätzlich über das Außenministerium erfolgt. Ich würde annehmen, dass in dem hypothetischen Fall, den Sie ansprechen, Herr Mayntz, dann im Wege einer Verbalnote miteinander aufgenommen würde, was auch immer da zu besprechen wäre.

Frage: Es gibt also das Problem, dass es eine Straftat wäre, wenn das Ding da auf dem Dach steht, und dass es gleichzeitig die Immunität gibt. Das bedeutet also, dass das Auswärtige Amt dann freundlich darum bitten müsste - wenn es sich um eine Straftat handelt und das so stimmen würde -, dass diese Anlage von dem Dach entfernt wird? Der diplomatische Weg wäre also, dass das, wenn es sich um eine Straftat handelt, vom Generalbundesanwalt aufgeklärt würde und dann quasi beim Auswärtigen Amt läge, verstehe ich das richtig?

Schäfer: Die Abhöranlage - wenn es eine solche den außerhalb des Dachbodens ihres Kollegen gäbe - begeht ja selber keine Straftat, sondern es sind ja Menschen, die Straftaten begehen. Bei all denjenigen, die eben nicht der diplomatischen Immunität unterliegen, sind es die normalen Strafverfolgungsbehörden, die dann entsprechende Maßnahmen zu ergreifen hätten. Bei Diplomaten ist das anders. Das gilt für deutsche Diplomaten im Ausland ebenso, wie es für amerikanische Diplomaten in Deutschland oder auch jeden anderen Diplomaten gilt. Da gibt es eben die Regelung des Wiener Übereinkommens, dass diese Diplomaten nicht der Rechtsordnung des Empfangsstaates unterliegen. Das bedeutet, dass sie auch vom Empfangsstaat jedenfalls nicht ohne Weiteres strafrechtlich belangt werden könnten.

Das Wiener Übereinkommen über diplomatische Beziehungen enthält für einen solchen Fall eine Reihe von Maßnahmen, die bis zu der Erklärung einer sogenannten Persona non grata - auf Deutsch also einer unerwünschten Person - führen können. Das hat es in der Welt in vielen Fällen gegeben, in denen sich Diplomaten eines Vergehens oder eines möglichen Vergehens schuldig gemacht haben. In diesem Fall würde der Empfangsstaat dann sagen: Wir erklären dich zu einer Persona non grata, zu einer unerwünschten Person, und wenn du nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt das Land verlassen hast, behalten wir uns vor, dass die Regelungen des Wiener Übereinkommens für dich nicht mehr gelten würden. Das bedeutet, dann würde in diesem Fall die Rechtsordnung des Empfangsstaates einschließlich eines Strafanspruchs weiter gelten. Das sind jetzt aber wirklich ganz abstrakte, generelle Anmerkungen über die völkerrechtliche Lage, die nicht nur in Deutschland, nicht nur in den Vereinigten Staaten und hier in Europa, sondern auf der ganzen Welt gelten.

Zusatzfrage: Ich kenne diese Regel, und es ist auch gut, dass es die gibt. Es gibt aber doch ein kleines Problem, denn falls die Generalbundesanwaltschaft nicht die Menschen, die möglicherweise diese Anlage auf dem Dach betrieben haben - denn wie Sie sagen, begeht nicht die Anlage an sich, sondern nur die Menschen, die sie betätigen, eine Straftat - , ausfindig und dingfest machen kann, bliebe die Anlage ja einfach stehen, wo sie steht - wenn sie da tatsächlich steht.

Schäfer: Jede Mission ist verpflichtet, die Regelungen und die Rechtsordnung des Empfangsstaates zu beachten; das ist eine völkerrechtliche Verpflichtung. Ich gehe davon aus, dass, sollten sich in den Gesprächen, die jetzt geführt werden, Informationen ergeben, dass das, was Sie da andeuten, stimmen könnte, daraus dann die notwendigen Schlussfolgerungen von denen gezogen werden, die sie zu ziehen hätten.

Zusatzfrage: Wie ist das für das Bundesjustizministerium? Wenn es eine Anlage gäbe, mit der ein Großteil der Kommunikation hier im Regierungsbezirk abgefangen werden könnte, dürfte die dann einfach da stehenbleiben, wenn man die Leute, die diese Anlage betrieben haben, nicht findet, oder wenn diese Leute diplomatische Immunität genießen und deswegen strafrechtlich nicht belangt werden können?

Wieduwilt: Das sind hypothetische Fragen. Ich würde sagen: Jetzt ist es erst einmal an der Zeit, dass die Bundesanwaltschaft das Vorermittlungsverfahren durchführt, um die Frage zu klären, ob eventuell nicht doch ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden könnte oder die Folgeverfahren in Gang kommen könnten. Dann wird man weitersehen. Hypothetische Fragen, was mit einer eventuellen Anlage passiert, wenn der Betreiber dieser Anlage nicht gefunden werden kann, kann ich aber beim besten Willen nicht beantworten.

Zusatzfrage: Das scheint mir aber eine sehr dringende, wichtige Frage zu sein. Das steht in Ihrem Land jetzt ja quasi zur Tagesdebatte an; von daher müsste doch auch das Justizministerium eine Idee haben, wie man da vorgeht. Was macht man also, wenn man die verantwortlichen Menschen nicht dingfest machen kann? Geht man dann gegen die Sachen vor, oder bleiben die einfach dort, wo sie stehen?

Wieduwilt: Ich bin jetzt als Sprecher des Bundesjustizministeriums jetzt ja vor allen Dingen in Bezug auf die Bundesanwaltschaft angesprochen. Die Fragen zum Verfahren der Bundesanwaltschaft bitte ich dann auch an den Generalbundesanwalt zu richten. Ich kann Ihnen nur sagen, wie das abstrakt rechtlich läuft und wie und in welchem Stufen dieses Verfahren abläuft. Ich kann auf gar keinen Fall von hier aus einem etwaigen Ermittlungsergebnis vorgreifen, und das würde ich jetzt in der Beantwortung Ihrer Frage tun.

Frage: Herr Seibert, befindet sich denn in der Delegation, die entweder gerade im Flieger sitzt oder demnächst fliegt, um in Washington um Aufklärung zu bitten, ein Vertreter der Bundesanwaltschaft?

StS Seibert: Nach meinem Wissen nicht, nein. Das ist eine Delegation von Vertretern des Bundeskanzleramtes und den Präsidenten der beiden Dienste, die ich hier vorhin schon erwähnt habe. Wenn die Bundesanwaltschaft ermittelt oder Vorermittlungen durchführt, tut sie das ja in politischer Unabhängigkeit.

Zusatzfrage: Wenn ich davon ausgehe, dass die Aufklärung und die Bewältigung der Affäre der Bundesregierung sehr dringlich ist, können Sie mir dann erklären, wieso kein Vertreter der Bundesanwaltschaft dabei ist? Möglicherweise gibt es dort ja interessante Informationen in dieser causa. Wenn es, wie Sie gesagt haben, so ist, dass kein Vertreter der Bundesanwaltschaft mitfährt, dann ist sie ja sozusagen wieder auf das Prinzip "stille Post" darauf angewiesen - dann sagen Teilnehmer der Delegation der Bundesanwaltschaft, ob es vielleicht Neuigkeiten gibt. Ist das zielführend im Sinne einer schnellen Aufklärung?

StS Seibert: Über das unabhängige Vorgehen der Generalbundesanwaltschaft kann Ihnen der Sprecher des Bundesjustizministeriums sicherlich noch etwas sagen.

Wieduwilt: Ja, ich kann Ihnen sagen, dass es unabhängig ist. Das bedeutet auch, dass das Justizministerium jetzt nicht irgendwelche Ratschläge erteilt, wie die Vorermittlungen zu führen sind.

Zusatzfrage: Holt die Bundesanwaltschaft denn eigenständig Informationen auch in den USA ein, oder beschränkt sich die Bundesanwaltschaft auf das Abfischen von Informationen innerhalb Deutschlands?

Wieduwilt: Das müssen Sie den Generalbundesanwalt fragen.

Zusatzfrage: Sie sehen darin kein Problem?

Wieduwilt: Worin sehe ich kein Problem?

Zusatzfrage: Dass man sich vor Ort erkundigt, was Sache ist.

Wieduwilt: Wie gesagt, ich kommentiere hier nicht die möglichen Ermittlungsmaßnahmen des Generalbundesanwalts. Diese Fragen über das Ermittlungsverfahren beziehungsweise das Vorermittlungsverfahren - es ist nur ein Vorermittlungsverfahren - des Generalbundesanwalts müssen Sie den Generalbundesanwalt fragen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Kotthaus. Es ist ja nicht so, dass der "Spiegel" die einzige Grundlage für alle Berichterstattung in diesem Land wäre, aber im "Spiegel" von heute steht auch, dass sich Herr Schulz und Herr Schäuble am Mittwoch getroffen haben. Es ist davon die Rede, dass sich Herr Minister Schäuble vorstellen könne, einen europäischen Finanzminister zu (akustisch unverständlich). Unter welchen Umständen überhaupt?

Kotthaus: Ich habe jetzt die Schwierigkeit, dass Sie auf ein Treffen Bezug nehmen, das in Zusammenhang mit den Koalitionsverhandlungen stattfindet. Ich bin Sprecher des Finanzministeriums und kann diese schlicht und ergreifend nicht kommentieren. Sie wissen aber, dass es das deutsch-französische Papier vom Mai gibt, in dem sich verschiedene Vorschläge zur Vertiefung der Eurogruppe finden. Sie wissen, dass das ein Thema ist, das alle beschäftigt. Sie wissen auch, dass der Finanzminister in der Vergangenheit - zum Beispiel als er im Zusammenhang mit der Verleihung des Karlspreises gefragt wurde, was er sich vorstellen könnte - auch den Begriff des europäischen Finanzministers sehr abstrakt genannt hat. Aber noch einmal: Was die aktuellen Koalitionsverhandlungen betrifft, bin ich echt der falsche Ansprechpartner.

Frage : Auch eine Frage an Herrn Kotthaus und an Herrn Seibert: Hält die Bundeskanzlerin, hält der Bundesfinanzminister an dem Ziel fest, ab 2015 Schulden zurückzuzahlen, oder hat sich da inzwischen etwas verändert?

Kotthaus: Sie wissen, dass in der mittelfristigen Finanzplanung vorgesehen ist, dass wir 2014 bei einer strukturellen Null und 2015 bei einer schwarzen Null landen und dementsprechend in den Jahren darauf auch Überschüsse erwirtschaftet werden. Sie wissen, dass der Finanzminister - gerade auch noch einmal in einem Interview - die Bedeutung dieser Tatsache und die Bedeutung einer Null-Verschuldung für die Zukunft herausgestrichen hat, zusammen mit der Frage, dass man besonders stark auf die Frage der Schuldenquote gucken muss, also die Frage, wie sich die Gesamtschulden der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zum Wirtschaftswachstum entwickeln; denn das ist die maßgebliche Größe, um zu beurteilen, wie gut ein Staat dasteht, was für Ratings sich daraus ergeben und Ähnliches mehr; auch andere Fragen ergeben sich in der Wahrnehmung der Wirtschaft und der anderen Finanzteilnehmer daraus.

Sie wissen, dass, wenn in der mittelfristigen Finanzplanung Überschüsse erzielt werden, dafür in den gegenwärtigen Gesetzgebungen nichts Anderes als Schuldentilgung vorgesehen ist. Sie wissen aber auch, dass die mittelfristige Finanzplanung nur bedeutet, dass der jeweilige Gesetzgeber dann bei dem jeweiligen Haushalt die Details festzurren muss, wie das Geld verarbeitet und verbraucht wird. Mehr kann ich dem momentan nicht hinzufügen.

Zusatzfrage : Ich dachte, die Frage wäre relativ einfach gewesen. Ich habe mir angeschaut, dass der Minister noch im Juni gesagt hat, dass es darauf ankomme, dass man es schaffen muss, 2015 Schulden zurückzuzahlen. Ich habe in seinem Interview gelesen, dass er zweimal auf diese Frage nicht mehr geantwortet hat, sondern auf die Bedeutung der Schuldenquote zurückverwiesen hat. Deshalb nach wie vor die Frage: Will der Minister, will die Kanzlerin ab 2015 Schulden zurückzahlen, wie es zum Beispiel Herr Kauder noch will?

Kotthaus: Noch einmal: Die mittelfristige Finanzplanung sieht vor, dass wir 2015 keine neuen Schulden mehr machen. Danach werden Überschüsse erwirtschaftet. Der Minister hat herausgestrichen, wie bedeutend und wie wichtig die mittelfristige Finanzplanung ist.

Frage: Ich habe eine Frage an das Gesundheitsministerium. Und zwar wird heute Abend der ZDF-Montagsfilm auf ein Problem von Bluterpatienten hinweisen; in den 70er- bis 80er-Jahren sind 4.000 dieser Bluterpatienten durch verunreinigte Blutpräparate mit HIV und Hepatitis C infiziert worden. Nun gibt es einen Hilfsfonds, der, wenn ich das richtig weiß, 270 Millionen Euro bis 2017 bereitstellen soll. Zahlungen wären aber bis 2070 notwendig. Die Pharma-Industrie sagt jetzt schon: Von uns wird es kein Geld geben. Wie wird man da weiter vorgehen?

Wackers: Die Regelung, die Sie angesprochen haben, also die Ausstattung dieses Hilfsfonds bis 2017, ist durch den damaligen Bundesgesundheitsminister Rösler verhandelt worden. Das haben wir damals als Erfolg gewertet. Es war in der Tat eine schwierige Verhandlung. Die Fortführung des Hilfsfonds ist notwendig, ohne Frage. Das wird jetzt eine Aufgabe der 18. Legislaturperiode sein.

Frage : Eine Frage an das Wirtschaftsministerium zum Thema Airbus: Was die letzte Kreditrate angeht, hat Airbus-Vizechef Butschek im "Tagesspiegel" gesagt, der Ball liege im Feld der Bundesregierung. Tut er das? Was ist der aktuelle Stand?

Modes: Dazu haben wir uns auch am Wochenende schon geäußert. Es ist so, dass das BMWi dazu im Moment nichts sagen kann. Es wird eine Aufgabe der zukünftigen Bundesregierung sein, über die Erfüllung der Voraussetzungen für die Auszahlung des weiteren Darlehens zu entscheiden.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 28. Oktober 2013
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2013/10/2013-10-28-regpk.html;jsessionid=BB6B73228E7188D3BA8AAD2E4156837A.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Oktober 2013