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PRESSEKONFERENZ/728: Statements von Kanzlerin Merkel und UN Generalsekretär Ban, 30.01.2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Donnerstag, 30. Januar 2014
Statements von BK'in Merkel und UN Generalsekretär Ban

(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultanübersetzung)



BK'in Merkel: Ich freue mich, dass wir heute den Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, hier in Berlin begrüßen dürfen.

Im Auswärtigen Amt hat heute die konstituierende Sitzung des Scientific Advisory Board stattgefunden. Wir freuen uns, dass das Ganze in Berlin stattgefunden hat und dass Sie sich auch die Ehre gegeben haben, daran teilzunehmen. Dass dieses Board nun zum allerersten Mal in Berlin getagt hat, zeigt, glaube ich, dass Deutschland einen Beitrag zur Arbeit der Vereinten Nationen leisten möchte. Deshalb schätzen wir das sehr.

Sie werden morgen in Bonn auf dem UN-Campus sein. Insgesamt arbeiten inzwischen 1.000 Mitarbeiter internationaler Organisationen in Bonn, und ich will hier die Gelegenheit nutzen, noch einmal zu sagen: Sie sind uns alle ganz herzlich willkommen, und wir freuen uns, dass wir mit dem Campus Bonn ein wirkliches Bekenntnis zu unserem Engagement bei den Vereinten Nationen abgeben können.

Wir haben heute in unserem gemeinsamen Gespräch über die brennenden Fragen der internationalen Tagesordnung gesprochen, zuallererst natürlich über Syrien. Man kann, glaube ich, dem Unterhändler Brahimi, der die sehr schwierige Syrien-Konferenz bis jetzt mit großem Geschick geleitet hat, wirklich Anerkennung aussprechen. Der Generalsekretär hat mir eben auch darüber berichtet, und auch auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird dieses Thema ja eine Rolle spielen.

Wir hoffen, dass es gelingt, in den Gesprächen Fortschritte zu erzielen - wobei die Tatsache, dass gesprochen wird, schon ein erster Erfolg ist. Was wir jetzt brauchen, sind humanitäre Korridore; denn die Not der Menschen in Syrien ist unbeschreiblich, und es sollte alles darangesetzt werden, schnell zu Ergebnissen zu kommen. Dann ist natürlich auch über die Frage einer Übergangsregierung zu sprechen, aber zuallererst geht es um die humanitäre Hilfe. Deutschland kümmert sich natürlich sehr intensiv um die Frage syrischer Flüchtlinge, und zwar zum einen, indem wir als Land Syrer aufnehmen, aber auch, indem wir humanitäre Hilfe in den Ländern, die von der Flüchtlingsfrage besonders betroffen sind, leisten.

Wir sind überzeugt: Für Syrien muss es eine politische Lösung geben. Dass es eine militärische Lösung nicht gibt, kann man ja jeden Tag leidvoll beobachten.

Wir haben uns dann über die Gespräche mit dem Iran, die Frage des iranischen Nuklearprogramms und die Tatsache, dass wir keine nukleare Bewaffnung des Iran wollen, unterhalten. Es hat erste Fortschritte gegeben, allerdings habe ich auch gesagt, dass jetzt auch Taten folgen müssen. Deutschland wird die Verhandlungen, wie in den vergangenen Jahren auch, intensiv begleiten. Auch hier haben wir zumindest leicht optimistische Hinweise, dass etwas gelingen kann.

Dann haben wir uns über das Thema Afrika und hier insbesondere über Zentralafrika, aber auch über Mali unterhalten. Ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass es gut ist, dass es jetzt auch eine EU-Mission für Zentralafrika gibt, und dass Deutschland noch in der Diskussion ist, ob und in welcher Form wir uns daran beteiligen oder ob wir mehr Verantwortung in Mali übernehmen. Auf jeden Fall fühlen wir uns natürlich verantwortlich dafür, dass sich die Dinge in Afrika besser entwickeln, als das in letzter Zeit der Fall war. Das Thema Afrika bedarf einer sehr umfassenden Diskussion; dazu wird uns im Frühjahr dieses Jahres der EU-Afrika-Gipfel Gelegenheit geben. Ich denke, auch wir werden weiter über die Situation in Afrika sprechen.

Ein wichtiger Punkt waren noch die Millennium-Entwicklungsziele und die Agenda für die Entwicklungsziele nach 2015. Deutschland wird im Jahre 2015 die G8-Präsidentschaft übernehmen, und wir wollen die Durchsetzung von Zielen, die auf die Millennium-Entwicklungsziele folgen, sehr eng begleiten und unterstützen. Bundespräsident a. D. Professor Köhler hat hierzu ja intensiv in einer Vorbereitungsgruppe mitgearbeitet, und es geht dann im Jahre 2015 darum, das, was diese Gruppe ausgearbeitet hat, auch umzusetzen.

Gleichzeitig wird das Jahr 2015 entscheidend sein für den Klimaschutz, und Deutschland wird die G8-Präsidentschaft auch sehr umfassend dafür nutzen, gemeinsam mit Frankreich die Pariser Klimakonferenz Ende 2015 vorzubereiten. Wir haben sehr intensiv darüber gesprochen, denn ich weiß, dass die Vereinten Nationen und auch Sie ganz persönlich daran interessiert sind, dass Paris ein größerer Erfolg wird als Kopenhagen - auch wenn wir wissen, wie unendlich schwer es ist, alle auf der Welt davon zu überzeugen.

In diesem Sinne hatten wir ausgefüllte Gespräche. Herzlichen Dank, dass wir die Gelegenheit dazu hatten!

GS Ban: (auf Deutsch) Danke schön, Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel! Meine Damen und Herren, guten Tag! Ich freue mich, wieder in Deutschland zu sein. Ich danke Ihnen für Ihre Gastfreundlichkeit und wünsche Ihnen alles Gute.

(auf Englisch) Ich möchte der Bundeskanzlerin wie auch der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland erneut sehr herzlich dafür danken, dass Sie die Vereinten Nationen immer unterstützt haben und dass Sie uns so freundlich hier begrüßt haben, obwohl Sie im Moment etwas Schwierigkeiten haben. Ich wünsche Ihnen schnelle Erholung. Ich weiß, Sie können sich kaum ausruhen, um sich auf diese Weise etwas schneller zu erholen; aber ich denke, das wird bald wieder besser gehen.

Meine Damen und Herren, wir haben sehr gute Gespräche über eine ganze Reihe von Themen, die uns beiden am Herzen liegen, und auch über die Sicherheitslage wie auch die Entwicklungslage in der Welt insgesamt geführt. Ich möchte auch an dieser Stelle wiederholen, wie sehr wir die Rolle der Bundesregierung und hier vor allen Dingen die führende Rolle der Bundeskanzlerin in der internationalen Gemeinschaft zu schätzen wissen.

Die Themen der Entwicklung der Menschenrechte und der Friedenserhaltung wie auch des Klimas sind für uns alle wichtig. Ich habe die Bundeskanzlerin eingeladen, für den Klimagipfel am 23. September, der am Rande der Generalversammlung stattfinden wird, zu uns nach New York zu kommen. Wir möchten auf diesem Gipfel den politischen Willen mobilisieren, wirklich zu einem neuen Klimaabkommen zu kommen, das die Welt so dringend braucht.

Die Bundeskanzlerin und ich haben uns auch auf eine ganze Reihe anderer Themen konzentriert, die unmittelbare Herausforderungen darstellen. Was Syrien betrifft, habe ich der Bundeskanzlerin Bericht erstattet über die Gespräche unter den syrischen Konfliktparteien, die im Moment unter Vermittlung meines Sondervertreters Lakhdar Brahimi in Genf stattfinden. Diese Gespräche gehen immer noch weiter. Lakhdar Brahimi beabsichtigt, dass diese Gespräche kurz unterbrochen werden, damit sich die einzelnen Parteien des Konfliktes dann auch in Konsultationen beraten können. Ich werde auf der Münchner Sicherheitskonferenz dann weitere Konsultationen mit Schlüsselpartnern in diesem Prozess führen. Die Verhandlungen in Genf - die, wie gesagt, weitergehen - waren ja sehr schwierig; das haben wir erwartet. Wir versuchen, jede Möglichkeit, Fortschritte zu erzielen, auszuloten. Das ist aber, wie jeder erwartet hat, ein sehr schwieriger Prozess.

Wir machen uns vor allen Dingen große Sorgen über die Situation der syrischen Häftlinge wie auch über die katastrophale humanitäre Situation in Syrien. Leider ist es so, dass die Gespräche mit Syrien, die während dieser Übergangszeit eigentlich vertrauensbildende Maßnahmen zeitigen sollten, um die humanitäre Situation effizient anzugehen, leider noch keine konkreten Ergebnisse gebracht haben.

Ich danke der Bundeskanzlerin und der deutschen Regierung dafür, dass sie uns nachdrücklich und großzügig bei den Versuchen, den syrischen Konflikt zu beenden und die Not der syrischen Bevölkerung zu lindern, unterstützt haben. Deutschland war sehr großzügig bei der jüngsten Geberkonferenz in Kuwait, und ich bin sehr dankbar, dass Sie mehr als 10.000 syrische Flüchtlinge hier bei sich aufnehmen. Ich hoffe, dass viele andere Länder diesem Beispiel folgen werden und ebenfalls solch großzügige Hilfe gewähren werden.

Die Bundeskanzlerin und ich haben uns auch über den Nahen Osten unterhalten, über den Friedensprozess zwischen Israel und den Palästinensern, und auch darüber, was Sie als Beitrag für die Beförderung des Friedensprozesses leisten. Wir haben uns auch über den Libanon und die dortige maritime Einheit, die Sie zur Verfügung stellen, unterhalten.

Wir haben dann auch über die Zentralafrikanische Republik gesprochen. Dort versucht man, die Menschenrechte zu schützen. Das ist für uns alle eine ganz besonders wichtige Aufgabe.

Was die Situation in Afghanistan angeht, so wird ja 2014, also dieses Jahr, ein ganz entscheidendes Jahr des Übergangs sein. Internationale Streitkräfte - einschließlich Deutschlands - werden zwar noch dort sein, aber der größte Teil wird dann abgezogen werden. Das Land wird Wahlen abhalten, und wir hoffen alle, dass es freie, faire und glaubwürdige Wahlen sein werden.

Ich hatte heute die große Ehre, hier dem ersten Treffen des wissenschaftlichen Beirats der Vereinten Nationen vorzusitzen. Wir werden durch diesen Beirat hoffentlich die nötigen Instrumente an die Hand bekommen, damit wir eine nachhaltigere Entwicklung befördern können und Armut ausmerzen können. Ich danke sehr herzlich, dass Sie als Gastgeber für dieses Treffen fungiert haben und uns in jeglicher Hinsicht unterstützt haben.

Ich werde morgen von Berlin nach Bonn reisen und werde dort die einzelnen Organisationen der Vereinten Nationen besuchen und werde das Freiwilligenprogramm sowie auch viele andere VN-Organisationen dort besuchen. Ich bin der deutschen Regierung sehr dankbar dafür, dass Sie uns so nachdrücklich unterstützen - vor allen Dingen durch das, was Sie vor Ort in Bonn tun.

Danach werde ich nach München weiterreisen und an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnehmen. Ich werde am 50. Jahrestag der Gründung dieser Sicherheitskonferenz teilnehmen und werde dann Gelegenheit haben, mich am Rande der Konferenz mit dem russischen Außenminister Lawrow sowie auch mit dem amerikanischen Außenminister Kerry zu treffen. Wir werden uns dann noch einmal überlegen, was wir tun können, um die jüngsten Gespräche zwischen den Israelis und den Palästinensern weiter zu befördern.

Frau Bundeskanzlerin, herzlichen Dank für Ihre Unterstützung und für die führende Rolle, die Sie in solchen Zeiten des Aufruhrs, aber auch in Zeiten, in denen sich neue Chancen eröffnen, gespielt haben. Die Vereinten Nationen werden sich auch weiterhin darauf verlassen, dass Sie eine dynamische Führungsrolle innerhalb der Vereinten Nationen für die Förderung unserer Ziele und unserer Aufgaben spielen werden.

Herzlichen Dank!

Frage: Frau Bundeskanzlerin, verschiedene Äußerungen von Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen sind so interpretiert worden, dass die deutsche Außenpolitik vor einer Kurskorrektur steht, weg von der Kultur der militärischen Zurückhaltung und hin zur Übernahme von mehr Verantwortung in der Welt. Wird Deutschland in der Großen Koalition militärisch aktiver sein als unter Schwarz-Gelb?

Herr Generalsekretär, was wünschen Sie sich konkret von Deutschland? Wie willkommen wären zum Beispiel mehr Soldaten für UN-Missionen?

BK'in Merkel: Ich glaube, wer die Debatten des gestrigen Tages, des heutigen Tages oder auch der letzten Tage verfolgt hat, der sieht ja, dass es hierüber ein hohes Maß an Übereinstimmung gibt. Es geht nicht um mehr oder weniger militärisches Engagement, sondern es geht darum, dass politischer Einfluss von einem großen Land wie Deutschland natürlich in verschiedener Weise ausgeübt werden kann. Das heißt, wenn man nicht militärisch engagiert ist, sondern vielleicht im Rahmen politischer Konferenzen, dann mischt man sich genauso ein, und Deutschland muss sich natürlich einmischen, um bestimmte Konflikte zu einer Lösung zu bringen. Das zeigt sich daran, dass wir als Bundesrepublik Deutschland seit Jahren im Rahmen der E3+3-Gespräche mit dem Iran dabei sind, dass wir bei der Syrien-Friedenskonferenz dabei sind und dass wir uns für Mali entschieden haben. Ich glaube, dieser Kurs wird auch fortgesetzt, und dabei gibt es neue Herausforderungen. Zu denen müssen wir uns jetzt jeweils verhalten, und das wird die Bundesregierung auch in enger Abstimmung tun.

Wir sind - ich habe das gestern noch einmal in meiner Regierungserklärung gesagt - davon überzeugt: Es gibt nicht die eine Lösung. Militärisch wird man keinen einzigen Konflikt alleine lösen, sondern es bedarf immer einer politischen Lösung, einer Entwicklungskomponente, eines Aufbaus stabiler staatlicher Strukturen, wie wir ihn zum Beispiel auch in Mali unterstützen, und gegebenenfalls auch einer militärischen Komponente. Deutschland ist ein Land, das das Thema im Zusammenspiel sieht, und wir müssen dann von Fall zu Fall schauen, welchen Beitrag wir leisten.

GS Ban: Dies ist eine nationale Debatte in Deutschland über die mögliche Zukunft und das fortwährende Engagement der Bundesrepublik Deutschland im Bereich des Friedens und der Sicherheit. Die Vereinten Nationen sind der deutschen Regierung und dem deutschen Volk sehr dankbar für ihre Beiträge und auch dafür, dass sie in vielen Bereichen eine führende Rolle spielen, wenn es darum geht, Frieden und Sicherheit zu gewähren. Deutschland - das wurde gerade angesprochen - hat Unterstützung in Mali bereitgestellt und beteiligt sich an einer europäischen Ausbildungsmission. Die Bundesrepublik hat auch maritime Unterstützung im Rahmen der Maritime Task Force im Libanon bereitgestellt. Auch in vielen anderen Bereichen ist Deutschland aktiv.

Als Generalsekretär der Vereinten Nationen erwartet man natürlich, dass alle Mitgliedstaaten einschließlich der Bundesrepublik all ihre verfügbaren Mittel bereitstellen, ob es nun Teilnehmer an Friedensmissionen sind oder ob es logistische Unterstützung ist. Die deutsche Unterstützung ist jederzeit willkommen und wird sehr hoch geschätzt. Aber die Politik beziehungsweise die politischen Entscheidungen bestimmt natürlich die Bundesrepublik selbst. Das liegt in der Hand der Bundeskanzlerin, Frau Angela Merkel.

BK'in Merkel: Und, wie man auch noch weiß, bei militärischen Einsätzen in der Hand des deutschen Parlaments! Wir haben ja eine Parlamentsarmee, und das Zusammenspiel von beiden ist auch immer ganz wichtig.

Was wir im Übrigen immer gut hinbekommen haben: Es gibt keine einzige Mission, die eine Bundesregierung vorgeschlagen hat, die nicht anschließend auch im Parlament Unterstützung bekommen hat.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, ich würde Sie gerne zum einen fragen, wie es Ihnen geht und was der Genesungsprozess macht.

Zum anderen möchte ich noch einmal konkret nachfragen, da Herr Ban Ki-moon heute Morgen und gerade noch einmal deutlich gesagt hat, dass er sich ein deutsches Engagement in der Zentralafrikanischen Republik wünschen würde. Sie sagten, das sei in der Diskussion. Aber was für ein Engagement halten Sie denn persönlich für möglich?

BK'in Merkel: Erstens hat Ban Ki-moon, glaube ich, gesagt, er wünscht sich immer und überall deutsches Engagement in verschiedener Form, und es gibt dieses Engagement in verschiedenen Formen.

Hinsichtlich der Frage von Zentralafrika gibt es doch jetzt folgende Situation: Wir haben mit Unterstützung Deutschlands - ich habe das beim Rat im Dezember selbst getan - Frankreich gebeten, auch darauf hinzuwirken, dass es nicht nur einen UN-Sicherheitsratsbeschluss gibt, sondern auch das, was jetzt innerhalb der EU diskutiert wird, sodass daraus jetzt eine EU-Mission geworden ist, die jetzt wiederum eine Absicherung im UN-Sicherheitsrat erhält, damit das auch völkerrechtlich auf festen Beinen steht. Außerdem habe ich von Anfang an gesagt: Kampftruppen in Zentralafrika werden wir nicht beisteuern. Jetzt läuft eine Frist bis in den Februar hinein, innerhalb der die einzelnen Länder ihre Fähigkeiten anbieten können. Das, was dabei im Raum steht, kennen Sie ja. Dabei geht es um logistische Unterstützung. Ob und wie wir das machen oder ob wir mit Frankreich darüber diskutieren, dass wir lieber mehr in Mali machen, ist noch nicht entschieden. Das wird innerhalb des Zeitrahmens, den die EU jetzt ausgerufen hat, damit sich alle melden können, entschieden werden.

Wichtig ist uns, und das sage ich auch aus voller Überzeugung, dass man Dinge, die man angefangen hat, auch zu Ende führt. Wir sind jetzt noch in Afghanistan. Wir sind noch im Kosovo. Ohne jetzt jemanden irgendwie zu kritisieren - das ist keine Kritik -, will ich nur sagen: Andere haben schon wieder andere Schwerpunkte. Man muss auch schauen, dass man dort, wo man ist, die Dinge auch zu Ende führt. Deshalb wird das gut mit den Freunden und Partnern besprochen werden, und ich glaube, dass unser Engagement auch geschätzt wird.

Was mich persönlich anbelangt, ist, glaube ich, wenn ich mir die Dinge so anschaue, alles im ganz normalen Rahmen. Manchmal wird gesagt: Auch Bundeskanzler können physiologische Heilungsprozesse nicht durch die Tatsache, dass sie ein bestimmtes Amt innehaben, beschleunigen. Es gelten die Naturgesetze. Das ist ja auch beruhigend, nicht wahr?

GS Ban: Vielleicht darf ich auch kurz darauf verweisen, wie sich die Lage in der Zentralafrikanischen Republik darstellt, und sagen, warum die Völkergemeinschaft hier auch aktiv werden sollte. Sie dürften ja wissen, dass die Entscheidung getroffen wurde, dass eine afrikanisch geführten Friedensmission dort sein sollte, also eine Mission unter der Führung der AU. Dafür wurde die Obergrenze auf 6.000 festgesetzt. Aber bisher ist es nicht gelungen, die entsprechende Stärke zu erreichen. Es fehlt an Material und an Ausrüstung. Wir haben nicht genug entsprechend ausgebildete Kräfte vor Ort. Mit der Unterstützung durch das französische Kontingent ist die AU in die Lage versetzt worden, die Lage zu kontrollieren.

Die Lage hat sich aber weiter entwickelt, sodass sich jetzt eine sehr gefährliche Mischung ergeben hat, eine Art religiöse Gewalt. Das war am Anfang dieses Entwicklungsprozesses, als die AU mit Unterstützung der Franzosen aktiv wurde, nicht absehbar. Es hat hier massenhafte und willkürliche Menschenrechtsverletzungen gegeben. Menschen werden willkürlich inhaftiert. Es kommt zu sexueller Misshandlung. Kinder werden in die Armeen gezwungen. Die Lage vor Ort ist also extrem gefährlich geworden. Als Generalsekretär der Vereinten Nationen möchte ich meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass die Völkergemeinschaft entschieden und rasch reagiert.

Ich nehme zur Kenntnis, dass die EU beschlossen hat, 500 zusätzliche Soldaten zur Verfügung zu stellen. Das ist wirklich mehr als willkommen. Ich halte das auch für notwendig. Ich hoffe sehr, dass wir agieren, bevor es zu spät ist. Ich appelliere hier an die gesamte Völkergemeinschaft: Sie muss entschlossen und rasch reagieren. Das ist heute meine Botschaft.

Ich begrüße die Diskussion, die wir in Deutschland erleben. Deutschland ist einer der größten Geber für das System der Vereinten Nationen, wenn man die finanzielle, aber auch die politische Unterstützung betrachtet. Sie sind der Vorkämpfer der Menschenrechte. Deshalb ist es nur verständlich, dass wir auf einen Beitrag von Ihnen zählen. Aber natürlich ist es Aufgabe der Bundeskanzlerin, der Regierung und des Parlaments - letzten Endes des deutschen Volkes -, zu entscheiden, was hier geschieht.

Frage: Ich habe eine Frage an den Herrn Präsidenten. Ich möchte gerne wissen, ob die Zeiten, als die Welt in drei verschiedene Entwicklungsstufen aufgeteilt wurde - so wie in der Zeit der Abhängigkeitstheorie -, für Sie schon vorbei sind, oder ob die Vereinten Nationen doch bestätigt haben, dass diese drei Stufen nie richtig waren? Wie beurteilen die Vereinten Nationen heute eigentlich die ganze Welt?

GS Ban: Dies ist eine sehr umfassende Frage. Dazu könnte ich sicherlich etwas Längeres ausführen. Vielleicht tue ich das nicht, sondern fasse mich möglichst kurz. Die internationale Gemeinschaft sieht sich überall in der Welt ernstzunehmenden Probleme und Herausforderungen gegenüber. Wir hatten von Afrika gesprochen, von den Entwicklungen in der Zentralafrikanischen Republik, im Südsudan, in der Demokratischen Republik Kongo und auch in Mali. Wir müssen sehr sorgfältig überlegen, was wir hier tun. Das gilt auch für die Entwicklungen nach dem Ausbruch des Arabischen Frühlings. Die Lage ist noch nicht stabilisiert. Wir sehen immer noch politische Instabilität vor Ort. Die Sehnsucht der Menschen nach einer stärkeren Beteiligung am demokratischen Geschehen ist immer noch deutlich zu spüren, und ihr wird auch noch Ausdruck gegeben. Ihre Erwartungen und Hoffnungen sind noch nicht erfüllt. Die internationale Gemeinschaft hat dieses Bestreben ja unterstützt und sollte das weiterhin tun.

Gleichzeitig sehen wir uns aber sehr schwierigen wirtschaftlichen und umweltpolitischen Herausforderungen gegenüber. Die Naturwissenschaftler und unsere Experten haben deutlich gesagt: Wenn wir nicht sofort und entschlossen handeln und geschlossen vorgehen, um dem Klimawandel zu begegnen, dann wird das ernstzunehmender Auswirkungen haben, nicht nur auf die Menschen und die gesamte Menschheit, sondern auf unseren Planeten. Auch darüber habe ich mit großem Ernst mit der Bundeskanzlerin gesprochen. Wir müssen zusammen aktiv werden. Wir müssen alle Mittel, die uns zur Verfügung stehen, und alles Wissen, über das wir verfügen, sammeln, um diesen globalen Herausforderungen etwas entgegensetzen zu können. Dies sind globale Herausforderungen, und da muss man global aktiv werden, global reagieren.

Ein Land wie zum Beispiel die Bundesrepublik - Deutschland ist ja eine robuste, gesunde Volkswirtschaft, die sich weiter entwickelt, und ist eine beachtliche Wirtschaftsmacht - muss auch die entsprechende politische Führung zeigen. Darum bin ich heute hier. Ich zähle weiter auf Ihre Unterstützung, und deshalb habe ich heute auch die Bundeskanzlerin gebeten, zu den Vereinten Nationen zu reisen und am 23. September dieses Jahres am Gipfel zum Klimawandel teilzunehmen. Ich habe sie gebeten, ihre politische Führungsrolle damit zu bekunden, auch in Bezug auf viele andere Themen wie die Zentralafrikanische Republik und andere Problembereiche. Wir müssen diese Probleme angehen, um die Welt für uns alle besser zu gestalten.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 30. Januar 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/01/2014-01-30-merkel-un-generalsekretaer-ban.html;jsessionid=CF137896C9FA575293D25D94AF5B10D9.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2014