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PRESSEKONFERENZ/801: Regierungspressekonferenz vom 2. Juni 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 2. Juni 2014
Regierungspressekonferenz vom 2. Juni 2014

Themen: in der Ukraine vermisste OSZE-Teams, Äußerungen des italienischen Ministerpräsidenten zur EU-Politik, gesetzlicher Mindestlohn, Interview mit dem Bundesfinanzminister im "Focus", Vorschlag des Bundesverkehrsministers zur Einsetzung externer Kontrolleure am BER, Äußerungen des Bundeswirtschaftsministers zu Managergehältern, Medienberichte über Äußerungen des britischen Premierministers zum Verbleib von Großbritannien in der EU, Reise der Bundeskanzlerin nach Schweden, Amt des EU-Kommissionspräsidenten, deutscher EU-Kommissar, mögliche Verstärkung der Nato-Präsenz in Polen, Bundeskanzlerin als Telefonjoker bei "Wer wird Millionär?", Abdankung des spanischen Königs Juan Carlos

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Küchen (BMAS), Kothé (BMF), Strater BMVI), Toschev (BMWi), Gerhartz (BMVg)



Vors. Welty eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Ich würde gerne das Außenministerium zum Themenschwerpunkt Ukraine beziehungsweise OSZE-Mission fragen. Wissen Sie, ob einem dieser beiden vermissten Teams auch Deutsche angehören? Was sind Ihre Informationen zum Verbleib dieser Teams beziehungsweise zum Stand etwaiger Verhandlungen über deren Freilassung?

Schäfer: Soweit wir im Auswärtigen Amt unterrichtet sind, ist es Stand jetzt in der Tat noch so, dass es zwei Beobachterteams im Osten der Ukraine gibt, deren Verbleib ungeklärt ist. Ein Team ist etwa schon vor einer Woche verschwunden, ein zweites Team in der zweiten Hälfte der letzten Woche im Oblast in der Region um Lugansk. Die OSZE bemüht sich mit allem Nachdruck darum, eine Lösung, die eine bedingungslose Freilassung dieser OSZE-Beobachter mit sich bringt, auf den Weg zu bringen. Es scheint, dass das derzeit noch nicht der Stand ist.

Die OSZE hat sich entschieden, weil es sich um sehr heikle Verhandlungen und Gespräche handelt, mindestens im Hinblick auf die zweite Gruppe, von der ich gerade sprach, die vor einigen Tagen im Oblast Lugansk nicht mehr erreichbar gewesen ist, davon abzusehen, weitere Informationen, etwa über die Nationalitäten, zu geben. Diesem Wunsch der OSZE verstehen wir nicht nur, wir respektieren ihn auch. Deshalb sehe ich mich jetzt hier, Herr Heller, nicht in der Lage, Ihnen zu sagen, ob ein deutscher Staatsangehöriger, eine deutsche Staatsangehörige in diesem Team betroffen ist oder nicht und wer das gegebenenfalls sein könnte.

Zusatzfrage: Können Sie vielleicht als Zusatzinformation noch nachschieben, ob es vonseiten der OSZE telefonischen Kontakt zu diesen Teams gibt oder ob das von Russland aus der Fall gewesen ist? Das geht alles ein bisschen durcheinander.

Schäfer: Ich habe, hoffe ich, nicht von telefonischem Kontakt gesprochen; falls doch, hätte ich mich versprochen. Ich weiß von keinem telefonischen Kontakt. Ich weiß, dass es Gespräche gibt. Aber wir halten das bitte genau so, wie es vor einigen Wochen der Fall war, als ein deutsches Beobachterteam in Slowjansk entführt und in seiner Freiheit beschränkt worden war, nämlich dass die Kommunikationsstränge bei der OSZE zusammenlaufen und Sie Ihre Fragen bitte an die OSZE richten. Es hilft der Sache in keiner Weise, wenn Ihnen alle möglichen Leute einschließlich meiner hier von der Regierungsbank Detailinformationen geben würden.

Ich kann Ihnen - damit wiederhole ich mich aber - nur sagen: Die Verhandlungen sind schwierig. Das ergibt sich schon daraus, dass im Hinblick auf das erste Team inzwischen nahezu eine Woche vergangen ist. Wir unterstützen die OSZE dabei mit allem, was in unserer Macht steht, und hoffen, eine gute Lösung für alle Beteiligten hinzubekommen.

Frage: Herr Seibert, könnten Sie mir kurz sagen, wie die Bundesregierung die neuen Äußerungen von Matteo Renzi versteht, der ja erneut eine Änderung der EU-Krisenpolitik fordert, auch von einer Änderung der Regeln spricht und zumindest den Eindruck erweckt, dass er seine Zustimmung zu Jean-Claude Juncker davon abhängig machen könnte? Hat er darüber schon genauer mit der Kanzlerin gesprochen?

StS Seibert: Ich will hier nicht einzelne Interviews von ausländischen Regierungschefs kommentieren. Das Verfahren zur Findung eines Kommissionspräsidenten ist ja klar und mehrfach beschrieben worden; darauf kann ich gerne noch einmal eingehen.

Für die Bundesregierung steht wiederum fest, dass es in Europa immer ein guter Rat ist, sich an gemeinsam getroffene Verabredungen zu halten. Das betrifft beispielsweise den Stabilitäts- und Wachstumspakt. Ansonsten ist es natürlich so, dass die Notwendigkeit eines nachhaltigen Wachstums, die Notwendigkeit von Wettbewerbsfähigkeit und die Notwendigkeit, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, im Zentrum der Arbeit der europäischen Institutionen in den nächsten fünf Jahren stehen müssen. Auch in den vergangenen Jahren sind sie schon immer stärker ins Zentrum gerückt. Wenn das sozusagen das Plädoyer von Ministerpräsident Renzi ist, dann hat er dabei die volle Unterstützung der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Haben Sie den Eindruck, dass Herr Renzi tatsächlich den Stabilitäts- und Wachstumspakt ändern will, oder den, dass das, was die Bundesregierung unter "mehr Wachstum" versteht, auch das ist, was Renzi darunter versteht?

StS Seibert: Ich habe hier ganz bewusst nicht einzelne Passagen aus dem Interview mit einem ausländischen Regierungschef kommentiert, sondern grundsätzliche Bemerkungen gemacht.

Frage: Ich habe eine Frage an das Arbeitsministerium. Mit dem Näherkommen der ersten Lesung des Gesetzes über den Mindestlohn nimmt die Aufregung in manchen Branchen zu. Wie weit ist man denn bei Ihnen im Haus mit Überlegungen dazu, ob man noch Modifikationen bezüglich der Ausnahmen vornehmen wird?

Küchen: Zuerst einmal vielen Dank für die Frage. Wie Sie richtig dargestellt haben, haben wir den Branchendialog wie vereinbart durchgeführt. Gleichwohl ist hinsichtlich dieser Gespräche Vertraulichkeit vereinbart worden. Aus unserer Sicht gilt, und das wissen Sie: Wir sind mit Überzeugung mit diesem Entwurf in das Kabinett gegangen. Für uns ist das ein guter Entwurf. Aber er geht jetzt in das parlamentarische Verfahren, und deswegen bitte ich einfach um Verständnis dafür, dass ich mich an dieser Stelle nicht weiter dazu äußern kann, wie es dabei weitergehen könnte.

Zusatzfrage: Was hält man denn bei Ihnen von den Zeitungsverlegern, die verfassungsrechtliche Bedenken von einem ehemaligen Verfassungsrichter vorbringen lassen?

Küchen: Ich bitte noch einmal um Verständnis. Ich kann mich dazu in diesem Stadium einfach nicht äußern.

Frage: Frau Kothé, ich möchte gerne etwas wissen oder fragen. Mit dem gestrigen Interview im "Focus" stellt Herr Schäuble infrage, ob Griechenland in der Eurozone bleiben wird. Es gibt seit gestern eine offizielle Antwort aus Athen, nämlich vom Finanzminister: Wir brauchen kein drittes Hilfspaket, wir brauchen kein neues Memorandum, und wir brauchen keine neuen Maßnahmen. Das ist die Antwort auf das Interview im "Focus" von Herrn Stournaras.

Kothé: Ich denke, was von Minister Schäuble in dem Interview noch einmal zum Ausdruck gebracht wird, und das ist in der Sache nichts Neues, ist, dass er gesagt hat: Falls Griechenland nach dem Auslaufen des Hilfsprogramms eine zusätzliche Hilfe oder Unterstützung braucht, dann ist darüber zu reden, und dann wären wir grundsätzlich bereit. Aber das ist keine Frage - auch das können Sie in dem Interview nachlesen -, die im Augenblick zur Diskussion steht, sondern erst im Herbst, wenn man genau weiß, wie die Zahlen, die wirtschaftliche Entwicklung und die Haushaltsdaten in Griechenland aussehen.

Zusatz: Die griechische Regierung ist klar. Sie sagt: Wir brauchen kein drittes Hilfspaket, ob jetzt, im September oder im Oktober.

Kothé: Ja, das kann ich jetzt nur so zur Kenntnis nehmen. Das war eine altbekannte Haltung unseres Ministers. Ich sehe darin jetzt auch gar keinen Widerspruch. Er hat einfach nur gesagt: In der Eurozone ist klar verabredet worden, dass, wenn Griechenland Hilfe braucht, Hilfe bereitgestellt werden würde. Wenn Griechenland die Hilfe nicht braucht, dann ist die Situation anders. Aber das ist, wie gesagt, in der Sache nichts Neues, und er hat auch nichts Neues dazu gesagt. Entschieden werden wird darüber auch wirklich erst im Herbst.

Frage: Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium. Es ist zu lesen, dass Herr Dobrindt externer Kontrolleure an den Hauptstadtflughafen schicken will. Was genau sollen die denn kontrollieren? Geht es bei der heutigen Sondersitzung des Aufsichtsrats auch schon darum? Wird das also heute entschieden?

Strater: Ob es entschieden werden wird, weiß ich nicht. Zu der Frage, ob es darum geht: Ja. Im Sinne des Vorschlags, wie Sie ihn der Presse entnehmen können, hat sich der Minister geäußert. Die Vorgänge am BER sind inakzeptabel. Wir brauchen ein externes Controlling, und dieses externe Controlling muss direkt und ausschließlich den Eigentümern berichten. Diese Worte drücken eigentlich genau das aus, was der Minister hiermit vorschlägt. Dabei will ich es jetzt auch einmal bewenden lassen.

Ich will dem jetzt auch nicht viel hinzufügen, vielleicht nur so viel: Das externe Controlling muss natürlich das im Blick haben, was wir als Bund auch schon immer gefordert haben, nämlich dass es sozusagen Transparenz und Informationen zum Punkt des Baufortschritts geben muss, vor allen Dingen zum Punkt der Kosten und zum Punkt des Zeitablaufs. Das sind all die Dinge, die untersucht werden müssen, hinsichtlich derer Fehler und Mängel transparent gemacht werden müssen und vor allen Dingen auch den Gesellschaftern - sprich: den Eigentümern - direkt berichtet wird. Das ist das Charakteristikum eines externen Controllings.

Zusatzfrage: Können Sie noch erläutern, was den Minister gerade zu diesem Zeitpunkt dazu bewogen hat, diesen Schritt anzukündigen?

Strater: Sie haben die Ereignisse der vergangenen Woche mitbekommen und darüber berichtet. Der Korruptionsverdacht gegen einen leitenden Mitarbeiter ist ja nicht ein Einzelproblem, sondern es gibt eine Reihe von Problemen, die nicht enden wollen. Diese Vorgänge führen dazu, dass man jetzt eben auch im Sinne einer zügigen, sicheren und zuverlässigen Inbetriebnahme alles dafür tun muss, dass sich solche Mängel oder solche Dinge nicht wiederholen. Dafür braucht man ein striktes Controlling.

Frage: Sie haben eben gesagt, die Vorgänge seien inakzeptabel. Welche Vorgänge außer dem Korruptionsvorwurf meinen Sie denn noch? Das wäre die erste Frage.

Zweite Frage: Hat Herr Mehdorn noch das volle Vertrauen Ihres Ministers?

Strater: Zur letzten Frage habe ich mich hier am Freitag auch schon geäußert. Herr Mehdorn hat das Vertrauen der Gesellschafter. Insofern: Ja, das Vertrauen ist da. Ich habe gesagt: Das ist kein blindes Vertrauen, sondern dieses Vertrauen muss immer gerechtfertigt werden.

Wenn Sie sich einmal die Reihe der Vorgänge ansehen, dann werden Sie jede Woche irgendeine Nachricht in den Zeitungen lesen, bei der Sie denken, es gehe nicht mehr schlimmer, aber es geht immer noch schlimmer.

Frage: Herr Strater, wie kann es denn sein, dass der Bund erst jetzt auf die Idee kommt - vor allem angesichts der riesigen Summe, die in Rede steht -, ein externes Controlling zu verlangen? Wie erklären Sie dieses Versäumnis?

Strater: Es gibt kein Versäumnis des Bundes. Der Bund hat auch in der vergangenen Legislaturperiode schon seine Verantwortung voll und ganz wahrgenommen. Sie wissen, dass es unter Minister Ramsauer eine "Soko BER" in unserem Hause gab und immer noch gibt, die seit der Verschiebung vom Mai 2012 sämtliche Vorgänge untersucht, viele Beteiligte befragt und viele Dinge aufgedeckt hat. Das hat unter anderem dazu geführt, dass die Geschäftsführung neu geordnet worden ist, nachdem ein Gutachten in Auftrag gegeben worden ist, was zu personellen Veränderungen geführt hat.

Sie wissen auch, dass unser Staatssekretär Rainer Bomba den Vorsitz des Projektausschusses in der vergangenen Legislaturperiode übernommen hat. Der Bund wird, obwohl er Minderheitseigner ist - 26 Prozent Anteile hält der Bund, 37 Prozent jeweils das Land Berlin und das Land Brandenburg -, voll und ganz seiner Verantwortung für den BER gerecht und hat natürlich auch ein Interesse daran, dass der Hauptstadtflughafen dann einmal in Betrieb geht, weil er für unsere Hauptstadtregion von enormer Bedeutung ist.

Frage: Sie haben selbst gesagt, dass man andauernd Nachrichten liest und hört, bei denen man denkt, dass es nicht mehr schlimmer geht und dass es dann doch noch immer schlimmer geht. Deswegen meine Frage: Rechnen Sie eigentlich noch damit, dass dieser Flughafen in Betrieb geht?

Strater: Diese Frage werden wir dann beantworten, wenn das externe Controlling greift und wenn wir Erkenntnisse haben. Dieser Flughafen - das ist das Ziel - muss so schnell wie möglich, so zuverlässig und so sicher wie möglich im Interesse der Steuerzahler in Betrieb gehen, sprich: weitere Mehrkosten sind möglichst zu vermeiden und ein Zeitplan ist zu erarbeiten, der auch eingehalten wird. Es nützt nichts, wenn wir immer Ankündigungen machen, die nachher wieder obsolet sind, sondern das, was von der Geschäftsführung und von allen Beteiligten, die operativ an dieser Inbetriebnahme arbeiten, gesagt wird, muss dann auch irgendwann einmal gelten, und darauf muss man sich verlassen können.

Zusatz: Ich stelle fest, Sie sind mit Ihrer Antwort sehr vorsichtig.

Strater: In der Tat.

Frage: Sie haben eben gesagt: Diese Frage wird beantwortet, wenn wir das externe Gutachten haben. - Das heißt, Sie schließen nicht aus, dass der Flughafen gar nicht in Betrieb gehen könnte, wenn das jetzt so weitergeht?

Strater: Nein, das habe ich so nicht gesagt; das können Sie auch nicht in diese Worte hineininterpretieren. Ziel ist die Inbetriebnahme. Dafür tun alle ihr Möglichstes, auch die Geschäftsführung, Herr Mehdorn insbesondere. Das ist das Ziel. Wir freuen uns, wenn dann von diesem Flughafen auch endlich einmal geflogen werden kann.

Frage: Herr Gabriel hat eine gesetzliche Regelung für Managergehälter gefordert und insbesondere gefordert, dass die Boni künftig nicht mehr steuerlich absetzbar sein sollen. Wird so eine Regelung geprüft? Ich denke, das ist eine Frage, die sich an das Finanzministerium richtet.

Kothé: Ich kenne die Forderung von Herrn Gabriel nicht. Was die Managergehälter ganz allgemein angeht, Frau Jennen, haben wir schon auf europäischer und auch auf nationaler Ebene in der vergangenen Legislaturperiode einiges geändert. Vielleicht kann der Kollege aus dem Wirtschaftsministerium noch ergänzen, was Herr Gabriel gemeint hat.

Toschev: Sie haben Recht. Sie beziehen sich auf eine Äußerung, die er am Wochenende auf dem Katholikentag gemacht hat. Dort hat er im Rahmen einer Diskussion, die sich um mehrere Themen drehte, seiner Vorstellung Ausdruck verliehen, was die Begrenzung der Vergütung von Führungspersonen bei Unternehmen angeht. Das war eine politische Diskussion mit Kardinal Marx, wie ich glaube.

Was im Übrigen konkrete Maßnahmen angeht, gilt der Koalitionsvertrag. Es gibt Regelungen zur Erhöhung der Transparenz, dass die Hauptversammlung statt des Aufsichtsrats beschließt. Es gibt auch das Bestreben, die Langfristigkeit der Boni- oder Vergütungsregeln zu prüfen. Das ist das, was gilt.

Zusatzfrage: Als Minister strebt er letztendlich nicht das an, was er auf dem Katholikentag öffentlich gefordert hat?

Toschev: Ich kann Ihnen nichts Konkreteres dazu berichten.

Frage: Wenn ich am Wochenende etwas verpasst habe, entschuldige ich mich. Herr Staatssekretär, vielleicht könnten Sie mir noch einmal klarmachen, ob es beim letzten Europäischen Rat nun eine Drohung des Herrn Cameron gegeben hat oder nicht gegeben hat, dass Großbritannien aus der EU austritt. Ist für die Bundesregierung überhaupt eine EU ohne Großbritannien vorstellbar?

StS Seibert: Vielleicht stelle ich es noch einmal im Zusammenhang dar. Grundsätzliche Vorbemerkung: Ich berichte nicht aus vertraulichen Gesprächsrunden. Das habe ich bisher nicht getan und das werde ich jetzt auch hier nicht ändern.

Zu dem Gesamtkomplex würde ich gerne sagen: Die Bundeskanzlerin unterstützt die Kandidatur Jean-Claude Junckers für das Amt des Kommissionspräsidenten. Das hat sie im Wahlkampf getan, das tut sie jetzt nach dem Wahlsieg der EVP natürlich auch. Dazu hat sie sich in Regensburg ganz klar geäußert; daran ist nichts zu deuteln. Sie arbeitet in allen Gesprächen dafür, dass Jean-Claude Juncker die notwendige Mehrheit im Europäischen Rat bekommt und dass er auch der nächste EU-Kommissionspräsident wird.

Die Kanzlerin arbeitet darüber hinaus aber auch dafür, dass dieses Verfahren im europäischen Geiste abläuft, dass also mit allen gesprochen wird, dass Bedenken auch einzelner Mitgliedstaaten nicht einfach übergangen werden. In diesem Geiste und auf diese Art und Weise ist es in Europa gelungen, in der Staatsschulden- und Finanzkrise wichtige Maßnahmen zu beschließen. In diesem Geiste ist es gelungen, für die Europäische Union einen mehrjährigen Finanzrahmen zu beschließen. Also gilt auch dieses Mal, was die Kanzlerin in Brüssel in ihrer Pressekonferenz gesagt hat: Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit.

Dieser europäische Geist durchzieht ja genau die Regeln, die das Verfahren jetzt bestimmen, nämlich die Regeln des Lissabonner Vertrags. Deutschland, wie ganz Europa, tut gut daran, diese Regeln einzuhalten. Diese Regeln beteiligen beide europäische Institutionen - den Rat der Staats- und Regierungschefs wie auch das Europäische Parlament - an dem Verfahren der Findung eines Kommissionspräsidenten. Es ist also ein gutes Zusammenspiel der beiden notwendig. Entsprechend diesen Regeln hat der Rat am Dienstag seinem Präsidenten Herman Van Rompuy das Mandat gegeben, die Gespräche mit dem neuen Europäischen Parlament wie auch mit den einzelnen Mitgliedstaaten zu führen.

Zu Ihrer Frage bezüglich Großbritannien: Es ist der Bundeskanzlerin, es ist der Bundesregierung nicht gleichgültig, ob Großbritannien in der EU ist oder nicht. Im Gegenteil. Wir sind überzeugt: Großbritannien gehört in die EU. Es hat viel von seiner Mitgliedschaft. Es hat aber auch viel für Europa beizutragen. Man liest manchmal solche Beschreibungen, Großbritannien sei ja ein sehr schwieriger Partner. Da möge man vielleicht daran denken, dass zum gegebenen Zeitpunkt jeder Mitgliedstaat für die anderen einmal ein schwieriger Partner ist. Jeder Mitgliedstaat hat Interessen und auch eigene Wünsche, die er verficht, die er vertritt. Das hat auch die Bundesrepublik schon getan.

Europa ist doch gerade das Wesen, das individuell unterschiedliche Staaten zusammenführt. Das gelingt eben auf Dauer nur mit Respekt, mit Rücksichtnahme, mit dem permanenten Gespräch. In diesem Geiste sind jetzt die europäischen Gespräche zu führen. Aber ganz klar ist, was die Kanzlerin in Regensburg ja auch unzweifelhaft gesagt hat: Sie tritt dafür ein, dass Jean-Claude Juncker der nächste Präsident der Europäischen Kommission wird.

Frage: Auch auf die Gefahr hin - ich war am Freitag auch nicht da -, dass Sie sich noch einmal wiederholen müssen: Es gibt ja nächste Woche ein Treffen in Schweden, an dem vor allem Regierungschefs von Ländern teilnehmen, die sich kritisch zu Herrn Juncker geäußert haben. Ist die Interpretation abwegig, dass man bei diesem Treffen dann einfach einmal versuchen will, die mit ins Boot zu holen und ein Paket zu schnüren, mit dem dann alle leben können?

StS Seibert: Ich will Ihnen Ihre Interpretationen nicht vorgeben. Für die Haltung der Bundeskanzlerin habe ich jetzt, glaube ich, doch sehr klar gesprochen. Dieses Treffen in Harpsund auf dem Sommersitz des schwedischen Ministerpräsidenten ist tatsächlich ein seit langer Zeit geplantes Treffen des britischen Premierministers, des niederländischen Premierministers, des schwedischen Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin. Ich glaube, es liegt nahe anzunehmen, dass dort vor allem über die wesentlichen Aufgaben, denen sich die Europäische Union jetzt gegenübersieht, gesprochen wird. Denn das ist ja das andere, worüber durch Herman Van Rompuy auch konsultiert wird; wir treffen ja nicht nur eine personelle Entscheidung, sondern der Rat hat sich am Dienstag auch genau mit der Frage befasst: Vor welchen Herausforderungen steht Europa in den nächsten fünf Jahren und welche Schwerpunket müssen in der Arbeit gesetzt werden? Das ist mindestens genauso wichtig wie die personelle Frage, und ich kann mir gut vorstellen, dass beispielsweise auch das Gegenstand des Meinungsaustauschs in Schweden sein wird.

Frage: Herr Seibert, vielleicht könnten Sie mir erklären, wieso die Kanzlerin erst am Wochenende klar gemacht hat, dass sie aktiv für Juncker wirbt, während Sie selbst am Mittwoch die Frage, ob sie aktiv für Juncker eintritt, nicht beantworten wollten. Was ist da zwischendrin passiert? Ich erinnere mich, dass ich dreimal danach gefragt habe, ob sie aktiv für Juncker eintritt, und Sie haben diese Frage umgangen.

StS Seibert: Das müssten wir wirklich im Protokoll nachlesen, ich bin mir nicht so ganz sicher, ob ich diese Frage umgangen habe; denn schon am Dienstag hat sich die Bundeskanzlerin in ihrer Pressekonferenz erneut klar zur Kandidatur Jean-Claude Junckers auf das Amt des Kommissionspräsidenten positioniert. Sie hat gesagt, dass sie das unterstützt hat, und dazu steht sie. Das ist genau das Richtige gewesen an einem ersten Tag eines Prozesses, der nun im europäischen Geiste stattfinden muss. Das Treffen des Rates am Dienstag war der erste Meinungsaustausch, den die europäischen Staats- und Regierungschefs zu diesem Thema hatten. Es ist notwendig, dass in diesem europäischen Geiste miteinander geredet und miteinander die richtige Lösung gefunden wird. Auf welcher Seite die Bundeskanzlerin steht, für welchen Personalvorschlag sie steht, das ist vollkommen klar.

Frage: Herr Seibert, gilt denn noch die Aussage der Kanzlerin vom Dienstag, dass die Aufgaben der neuen EU-Kommission von Herrn Juncker, aber auch von vielen anderen an der Spitze der EU-Kommission erfüllt werden könnten? Das hat sie in Brüssel ja wortwörtlich so gesagt.

StS Seibert: Die Aussagen, die die Bundeskanzlerin an diesem Dienstagabend in Brüssel gemacht hat, stehen für sich, und ich habe dem nichts hinzuzufügen oder wegzunehmen. Die Bundeskanzlerin hat in Brüssel, aber auch in Regensburg und jetzt noch einmal durch mich sehr klar erklärt: Jean-Claude Juncker ist ihr Kandidat; er war ihr Kandidat im Wahlkampf und er wird in den Gesprächen, die jetzt zu führen sind, ihr Kandidat sein, um in einem europäischen Verfahren - in dem Verfahren, das dem Vertrag von Lissabon entspricht - einen Kommissionspräsidenten zu finden. Dieses Verfahren sieht wörtlich vor, dass der Europäische Rat nach entsprechenden Konsultationen seinen Vorschlag machen wird. Genau in dieser Phase sind wir jetzt.

Frage: Herr Seibert, hat sich die Kanzlerin denn schon festgelegt, wer den Posten des deutschen Kommissars besetzen soll? Wenn es noch keinen Namen gibt: Es gibt Forderungen aus der Union, dass es ein CDU- oder CSU-Politiker machen soll, aber auch die SPD beansprucht das für sich. Gibt es da schon eine Festlegung?

StS Seibert: Es geht jetzt um den Kandidaten für das Amt des Kommissionspräsidenten, das heißt, für die Kanzlerin geht es um Jean-Claude Juncker und seine Kandidatur auf dieses Amt. Nur diese Entscheidung steht jetzt erst einmal an, für alles Weitere gibt es keinen Automatismus. Das war sozusagen auch nicht Gegenstand des Spitzenkandidatenmodells. Die Frage, wer der deutsche Kommissar werden wird, ist eine, die in der Koalition geklärt wird, so wie diese Koalition bisher in der Lage war, alle Fragen miteinander gut zu regeln.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert und an Herrn Gerhartz. Es wurde berichtet, dass die Nato erwägt, ihre militärische Präsenz in Polen zu verstärken. Können Sie das bestätigen? Wie stehen die deutsche Bundesregierung und das Bundesverteidigungsministerium zu diesen Plänen? Am Dienstag soll darüber ja in Brüssel gesprochen werden.

Gerhartz: Hier geht es um das Multinationale Korps Nord-Ost, an dem, wie Sie wissen, die drei Länder Polen, Dänemark und Deutschland beteiligt sind. Es gibt ja seit Mitte April die kurzfristigen Maßnahmen der Nato zur "reassurance", also Rückversicherungsmaßnahmen für die östlichen Mitgliedstaaten. Daran ist Deutschland mit dem Minenabwehrverband und auch mit dem Schutz des Luftraums sowie grundsätzlich der Luftraumüberwachung beteiligt. Darüber hinaus gibt es den Katalog der mittel- und langfristigen Maßnahmen. Hierzu zählt eine eventuelle Option - ich muss das wirklich betonen, es ist optional -, das Multinationale Korps Nord-Ost personell aufzustocken oder auch gegebenenfalls die Bereitschaftsstatus zu erhöhen. Das ist morgen Gegenstand einer Diskussion in Brüssel. Ich kann hier aber noch nicht sagen, ob es da überhaupt zu Entscheidungen kommen wird. Es könnte auch gut sein, dass es erst im Herbst beim Nato-Gipfel in Wales die entsprechenden Entscheidungen dazu gibt.

Zusatzfrage: Wie groß dürfte die Aufstockung sein?

Gerhartz: Das kann ich so noch nicht sagen. Da das jetzt alles Gegenstand der Diskussion ist, möchte ich mich hier auch nicht zu Spekulationen hinreißen lassen, wie stark die Aufstockung ist oder über welche Bereitschaftsstatus wir sprechen.

Frage: Herr Seibert, der "Bild"-Zeitung entnahm ich, dass die Kanzlerin eventuell heute Abend Telefonjoker sein wird. Der Bericht war aber in der Frage, ob sie nun tatsächlich Telefonjoker sein wird oder nicht, ein bisschen kryptisch. Können Sie da erhellend aufklären?

StS Seibert: Das ist ja nun eine Tätigkeit, die weit außerhalb ihres Regierungshandelns liegt, deswegen kann ich dazu wirklich nicht viel sagen. Ich fürchte, wer sich für diese Frage interessiert, wird sich das heute Abend anschauen müssen. Ich kann das wirklich nicht sagen, ich weiß es nicht.

Frage: Ist denn irgendeine politische Botschaft damit verbunden, dass sie bei Herrn Jauch nun gerade diesem Abgeordneten beisteht, der ja in der Vergangenheit nicht immer auf der Linie der Bundesregierung lag?

StS Seibert: Wollen wir uns das nicht alles erst einmal anschauen und dann im Nachhinein darüber sprechen? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Ich habe auch keinen Telefonjoker, den ich jetzt herbeirufen kann - ich weiß es nicht.

Frage: Herr Seibert, Ministerpräsident Rajoy hat vor 90 Minuten bekanntgegeben, dass König Juan Carlos abdanken wird. Gibt es eine Reaktion der Bundesregierung dazu?

StS Seibert: Ich denke, wir sollten der Rede, von der ich glaube, dass König Juan Carlos sie halten wird - so habe ich es jedenfalls gelesen -, nicht vorgreifen. Ich weiß auch nicht, ob der Regierungssprecher der Bundesregierung der richtige ist, um das abdanken eines Staatsoberhauptes zu begleiten. Grundsätzlich kann ich sagen: Die Bundeskanzlerin hatte Begegnungen mit König Juan Carlos, die ihr in sehr guter Erinnerung sind, sie schätzt ihn sehr und schätzt seine historische Rolle beim Übergang Spaniens in die Demokratie sehr hoch ein, und sie wünscht ihm mit Sicherheit alles Gute. Mehr kann ich dazu jetzt nicht sagen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 2. Juni 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/06/2014-06-02-regpk.html;jsessionid=D5ABFADD05DDF2E6E7732161210C3A00.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Juni 2014