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PRESSEKONFERENZ/811: Regierungspressekonferenz vom 16. Juni 2014 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 16. Juni 2014
Regierungspressekonferenz vom 16. Juni 2014

Themen: Verbleib von drei im Westjordanland verschwundenen Jugendlichen, Gaslieferungen von Russland an die Ukraine beziehungsweise die Europäische Union, in der Ostukraine entführte OSZE-Beobachter, Interviewäußerungen des Bundespräsidenten zu einer stärkeren Beteiligung Deutschlands bei Militäreinsätzen im Ausland, geplantes Rotationsmodell der EZB, Wechselkurspolitik der EZB, Verhaftung eines mutmaßlichen Islamisten in Berlin, Lage im Irak, Medienbericht über Überwachung von Kommunikationsdaten in Griechenland durch den BND, Kooperation zwischen BND und NSA, mögliche industrielle Kooperation zwischen der Siemens AG und dem Alstom-Konzern, Public Viewing in den Bundesministerien im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft, Meldungen über deutsch-französischen Vorschlag zur Änderung der Defizitberechnung in der EU, Fracking

Sprecher: SRS Streiter, Plate (BMI), Schäfer (AA), Dünow (BMWi), Gerhartz (BMVg), Mänz (BMZ), Kothé (BMF), Dimroth (BMI), Küchen (BMAS), Zimmermann (BMJV), Klaus (BMG), Rudolph (BMVI), Teschke (BMEL), Fischer (BMUB), Herb (BMFSFJ)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS Streiter sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Plate: Mein Name ist Tobias Plate. Seit etwa einem Monat bin ich neuer Mitarbeiter beziehungsweise neuer Sprecher des Bundesinnenministeriums. Ich arbeite seit 2006 im Innenministerium und habe dort vorher in den Abteilungen für öffentliche Sicherheit und dann im Bereich des Verfassungsrechts gearbeitet. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Danke schön!

Vorsitzender Mayntz: Wir freuen uns auch. Herzlich willkommen!

DR. Schäfer: Ich würde Ihnen gerne Folgendes sagen: Wir sind sehr in Sorge über den Verbleib von drei Jugendlichen, die am Donnerstagabend im Westjordanland verschwunden sind. Es deutet manches darauf hin, dass die drei Jugendlichen entführt worden sind. Sollte das so sein, so verurteilen wir diese Entführung auf das Schärfste und rufen die dafür Verantwortlichen dazu auf, sie unverzüglich und unversehrt freizulassen. Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in diesen schweren Stunden bei den Familien der drei verschwundenen Jugendlichen.

Diese Ereignisse finden vor dem Hintergrund erheblicher Spannungen in den palästinensischen Gebieten statt. Es ist deshalb im Interesse aller, dass eine weitere Eskalation vermieden wird. Eine umfassende Kooperation der israelischen und palästinensischen Sicherheitskräfte zur Ermittlung der Hintergründe sowie eine Freilassung der drei sind aus Sicht der Bundesregierung im Interesse aller Beteiligten.

Frage: Deutschland hat ja in der Vergangenheit bei Entführungen in der Region vermittelt. Wenn Sie von Anzeichen dafür sprechen, dass die drei Jugendlichen gekidnappt wurden, kommen diese Anzeichen dann aus eigenen Quellen beziehungsweise sind Sie schon diplomatisch mit irgendwelchen möglichen Entführern in Kontakt?

Schäfer: Ich kann Ihnen über eigene Aktivitäten der Bundesregierung vor Ort in dieser Sache nichts berichten.

Zusatzfrage: Weil Sie nichts haben oder weil Sie nichts sagen dürfen?

Schäfer: Ich sage Ihnen das, was ich Ihnen gesagt habe.

Vorsitzender Mayntz: Hilft es etwas, wenn wir "unter zwei" oder "unter drei" gehen?

Schäfer: Nein.

Frage: Herr Schäfer, die israelische Seite ist ja in der Schuldzuweisung und in der Vermutung, wer für das Verschwinden verantwortlich ist, sehr eindeutig. Ist die Bundesregierung genauso eindeutig?

Schäfer. Sie haben ja, glaube ich, Herr Braun, vernommen, was ich gesagt habe, und das, was ich gesagt habe, habe ich bewusst gesagt.

Frage: Russland hat offenbar, wie angedroht, vor Kurzem den Gashahn für die Ukraine zugedreht. Mich würde zum einen interessieren, wie die etwaigen Folgen für Deutschland und Europa hinsichtlich der Gasversorgung aussehen. Mich würde zum Zweiten interessieren, ob das eine Entwicklung ist, die die Inkraftsetzung der dritten Stufe von Sanktionen gegen Russland womöglich wahrscheinlicher macht.

SRS Streiter: Zum Gas kann, glaube ich, Herr Dünow etwas sagen.

Dünow: Ich kann vielleicht einmal bezüglich des Themas Gas anfangen. In der Tat sind Gespräche vorerst offensichtlich gescheitert. EU-Energiekommissar Oettinger hat nichtsdestotrotz vor Kurzem angekündigt, wie ich den Agenturen entnommen habe, dass er den Gesprächsfaden wieder aufnehmen will. Wir begrüßen das ganz außerordentlich. Eine Gefährdung der Versorgungssicherheit in Deutschland können wir auch durch die neue Entwicklung nicht erkennen.

Zusatzfrage : Wenn Sie von neuen Entwicklungen sprechen, heißt das, dass das auch schon das Zudrehen das Gashahnes betrifft, oder betrifft das die Entwicklung nach den Gesprächen von Herrn Oettinger?

Dünow: Das betrifft die komplette Entwicklung. Die Entscheidung von Gazprom beziehungsweise aus Moskau, die Lieferung an die Ukraine auszusetzen, betrifft nach meinem Kenntnisstand nicht die Transferlieferungen, die durch ukrainisches Gebiet nach Deutschland erfolgen.

SRS Streiter: Die zweite Frage ist, ehrlich gesagt, schon insofern halb von Herrn Dünow beantwortet worden, als wir der Ansicht sind, dass die Gespräche über die Gasversorgung noch nicht am Ende angelangt sind. Wir begrüßen das Bestreben der EU-Kommission, diese Gespräche noch fortzusetzen. Völlig unverändert gilt natürlich auch, wenn man die Gesamtsituation betrachtet, dass wir zu weiter reichenden Maßnahmen bereit sind, wenn weitere Schritte der Russischen Föderation zu einer fortschreitenden Destabilisierung führen.

Zusatzfrage: Betrifft dies auch den Komplex von etwaigen oder auch tatsächlichen Waffenlieferungen von russischer Seite an die ukraine-kritischen Kräfte in der Ostukraine? Kann man also in toto sagen, weder durch die Gasentwicklung noch durch die Vorwürfe, Russland unterstütze die Rebellen in der Ostukraine, seien Sanktionen näher gerückt? Lässt sich das so sagen?

SRS Streiter: Nein, ich möchte dazu gar keine Aussage machen. Alles, was sich dort jetzt gerade ereignet, trägt nun nicht gerade zur Stabilisierung bei. Es gab gerade diesen schrecklichen Abschuss des Militärflugzeugs. Wir drängen weiter auf einen Waffenstillstand, und damit ein solcher zustande kommt, muss Russland seine Grenzen zur Ukraine wirksam kontrollieren, um den Zustrom von Waffen und Kämpfern einzudämmen. Ich würde sagen, das ist weder eine Entwicklung in die eine noch in die andere Richtung, aber es ist jedenfalls keine stabile Entwicklung. Das beunruhigt uns; wir möchten gerne, dass es dort stabil zugeht.

Frage: Herr Schäfer, Herr Streiter, mich interessiert die politische Bewertung. Wie bewertet die Bundesregierung das Scheitern der Gasverhandlungen politisch?

Eine zweite Frage, wenn Sie erlauben: Gibt es eine Möglichkeit für und vielleicht schon Gespräche über Reverse-Lieferungen von Gas aus Westeuropa in die Ukraine?

SRS Streiter: Ich kann noch einmal kurz etwas zum Gas sagen: Wir gehen nicht davon aus, dass diese Gespräche endgültig gescheitert sind, sondern wir sehen es so, dass man noch nicht zu einer Einigung gekommen ist. Es gibt halt weiterhin das Bemühen um eine Einigung, und die Hoffnung darauf sollte man noch nicht begraben. Was Ersatzlieferungen etc. betrifft, kann ich nichts sagen.

Schäfer: Der Vertreter des Wirtschaftsministeriums und Herr Streiter haben ja schon zum Gas Stellung genommen. Ich habe dem nichts hinzuzufügen, außer dass ich Herrn Streiter nur zustimmen kann: Das ist ja jetzt noch nicht das Ende der Fahnenstange der Verhandlungen. Wir haben mehrfach Vertagungen gesehen. Beide Seiten und im Übrigen auch die Europäische Union sind letztlich darauf angewiesen, dass man miteinander auf vernünftige Art und Weise ins Geschäft kommt. Die Ukraine ist einer der Hauptkonsumenten und eines der wichtigsten Transitländer für russisches Gas, das in die Europäische Union und darunter auch nach Deutschland befördert wird. Deshalb unterstützen wir mit allem Nachdruck die Bemühungen von EU-Kommissar Oettinger, zwischen den streitenden Parteien auf eine gütliche Verhandlungslösung hinzuwirken.

Bezüglich Ihrer Frage nach der generellen politischen Einschätzung kann man, glaube ich, ohne Weiteres feststellen, dass die Ereignisse des Wochenendes die Sache nicht vorangebracht haben. Wir sehen mit allergrößter Sorge, dass wir mit dem Abschuss des ukrainischen Militärflugzeugs in der Nacht von Freitag auf Samstag wieder in eine Logik der Eskalation geraten sind. Der Außenminister hat sich ja bereits Samstagmittag dazu geäußert - das möchte ich hier ausdrücklich noch einmal wiederholen -, wie bestürzt er über die Nachrichten vom Abschuss dieses Militärflugzeugs gewesen ist und weiterhin ist. Es ist entsetzlich und furchtbar, dass da nahezu 50 Menschen sinnlos ihr Leben lassen mussten. Darüber hinaus muss man bedauerlicherweise auch feststellen, dass das Ausmaß und die Qualität der gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Regierungstruppen einerseits und den Separatisten andererseits zugenommen haben.

Es bleibt dabei, dass eine Lösung aus Sicht des Außenministers nur durch einen Dialog zwischen Russland und der Ukraine erreicht werden kann und dass der Schlüssel darin liegt, die sehr lange Grenze zwischen Russland und der Ukraine für das Einsickern von Material und von Kämpfern undurchlässig zu machen. Die Bemühungen der Bundesregierung - explizit die Bemühungen des Bundesministers - zielen darauf ab, die Grundlage dafür zu schaffen, dass ein solcher Dialog stattfinden kann.

Zusatzfrage: Herr Schockenhofer hat heute sinngemäß gesagt, der Lieferstopp an die Ukraine wäre so zu bewerten wie ein Lieferstopp nach ganz Westeuropa. Teilen Sie diese Einschätzung?

Schäfer: Ich weiß nicht, ob Sie jetzt mich angesprochen haben. Ich würde erneut das bekräftigen, was Herr Streiter für die Bundesregierung gesagt hat: Dies ist jetzt für uns noch nicht das Ende von Verhandlungen, sondern es gibt noch Zeit, um in aller Ruhe eine Lösung zu finden, und vor allem gibt es überhaupt keine Versorgungsengpässe, die drohen. Dabei geht es darum, geltende Verträge einzuhalten, aber auch darum, Lösungen zu finden, die für alle Beteiligten tragfähig sind.

Frage: Herr Schäfer, es gab nach den Feierlichkeiten in der Normandie die Hoffnung, dass zumindest eine vorsichtige politische Deeskalation greifen würde. Ist dieses Momentum schon wieder verloren gegangen, wenn Sie jetzt wieder von einer Logik der Eskalation sprechen, oder liegt es in der Natur dieses Konflikts, dass wir sozusagen wöchentlich Pendelbewegungen zwischen "leichte Schritte der Deeskalation" und "größere Schritte in Richtung Eskalation" erleben?

Schäfer: Ich glaube, Herr Henze, das ist die Lage, wie sie sich darstellt. Wir haben in den letzten Monaten immer wieder erlebt, dass auch von der deutschen Diplomatie ins Spiel gebrachte Versuche, in Richtung einer Deeskalation zu kommen - ich erinnere an die OSZE-Beobachtermission, an die Genfer Vereinbarung, an den runden Tisch und an einen nationalen Dialog -, und solche in die richtige Richtung weisende Entscheidungen dann immer wieder durch Ereignisse vor Ort oder andere Entwicklungen konterkariert wurden, die wir nicht gutheißen können. So ist das, glaube ich, auch hier. Jedenfalls hat es keinen Sinn, und das wird sicherlich auch nicht der Außenminister tun, hier und jetzt sozusagen aufzugeben, sondern es wird weiterhin darum gehen, nach Möglichkeiten zu suchen, wie ein solcher Dialog in Gang gesetzt werden kann.

Frage : Ich habe noch einmal eine Nachfrage zu den Verhandlungen. Es wird immer gesagt, Oettinger solle einmal schön weitermachen. Bisher hat das ja mehrfach nicht zum Erfolg geführt. Werden Sie, Herr Dünow und vielleicht Herr Streiter, ihn noch weiter mit besonderen Personen oder besonderen Initiativen unterstützen?

Dünow: In der Tat ziehen sich die Verhandlungen hin. Herr Oettinger hat, glaube ich, die vollste Unterstützung der gesamten Bundesregierung. Ich wüsste jetzt keine Personen oder kein Instrument in Bezug darauf, was man ihm jetzt noch zusätzlich an die Hand geben sollte. Das sind Gespräche zwischen der russischen und der ukrainischen Seite, die der EU-Energiekommissar ganz ausgezeichnet moderiert. Aber viel mehr in Bezug darauf, was man machen könnte, sehe ich jetzt aus Sicht des Bundeswirtschaftsministeriums nicht.

SRS Streiter: Das hätte ich so sagen können.

Frage: Gibt es denn angesichts der Entwicklungen am Wochenende mit dem Absturz und Ähnlichem irgendwelche Sondertreffen im EU-Rahmen, sei es auf der Ebene der Außenminister, auf einem Level darunter oder wie auch immer?

Herr Streiter, gab es irgendwelche Kontakte der Kanzlerin zu internationalen Gesprächspartnern bezüglich dieser Entwicklungen? Ist möglicherweise gar das Thema eines Sondergipfels in den Gesprächen aufgetaucht?

SRS Streiter: Meines Wissens nicht; dazu kann ich nichts sagen. Ich hatte ja am Samstag mitgeteilt, dass die Bundeskanzlerin mit dem französischen Präsidenten Hollande über diese Frage telefoniert hat. Aber über irgendwelche Treffen oder Gipfel kann ich nichts berichten.

Zusatzfrage : Kein Obama, kein Putin?

SRS Streiter: Darüber kann ich nichts berichten.

Schäfer: Der Außenminister hat am Samstag mit dem russischen Außenminister telefoniert. Sie können sich denken, dass Gegenstand des Gesprächs ganz wesentlich die Ereignisse von kurz zuvor gewesen sind. Herr Steinmeier hält sich gegenwärtig in den Niederlanden auf, wo er mit dem niederländischen Außenminister sicherlich auch über diese Themen sprechen wird. Er wird sich im Laufe des Nachmittags gen Baltikum bewegen, um dort heute Abend die traditionellen 3+1-Gespräche, wie wir sagen, mit den Außenministern der drei baltischen Staaten zu führen. Auch dabei werden die Themen selbstverständlich um die aktuelle Lage in der Ukraine kreisen.

Ich möchte Sie einfach nur darauf hinweisen - das ist in der Wochenendberichterstattung nicht mehr so prominent wie in den Tagen zuvor angesprochen worden -, dass es in der letzten Woche unter Beteiligung und Vermittlung der OSZE direkte Gesprächskontakte zwischen der ukrainischen und der russischen Regierung in Kiew gegeben hat. Frau Tagliavini, die für die Schweizer OSZE-Präsidentschaft diese Gespräche begleitet, ist Ende der letzten Woche auch in Berlin gewesen, um mit Außenminister Steinmeier über diese Gespräch zu reden. Das ist aus unserer Sicht durchaus ein Knotenpunkt der Kontakte zwischen Moskau und Kiew, auf den wir weiter setzen und bei dem es darauf ankommt, jetzt möglichst schnell einen Gesprächsfaden wiederherzustellen, selbstverständlich unter Berücksichtigung der fürchterlichen und bestürzenden Ereignisse des Wochenendes in Lugansk und vor Ort.

Frage: Herr Dünow, Sie sagten, die Leitungen nach Deutschland seien nicht betroffen. Heißt das, Sie rechnen auch nicht damit, dass die Mengen reduziert werden, die nach Deutschland kommen?

Dünow: Genau so ist es.

Zusatzfrage: Was macht Sie da so sicher? Es gab in der Vergangenheit immer einmal wieder Fälle, in denen für Europas bestimmtes Gas abgefangen wurde.

Dünow: Nein, das ist ein Missverständnis. In der Vergangenheit gab es solche Fälle nicht. Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen sich die ukrainische Seite vor dem Hintergrund aktueller Engpässe am Transitgas bedient hat. Das steht hier nicht zu erwarten. Die ukrainische Seite hat erklärt, dass sie gegenwärtig auf das russische Gas verzichten könne.

Frage : Ich hätte, Herr Dünow, gerne gewusst, ob Sie Auswirkungen auf die Preise vermuten, also ob diese Entwicklung zu höheren Gas- und Ölpreisen in Deutschland führen könnte.

Dünow: Das ist immer eine hinreichend hypothetische Frage. Grundsätzlich kann man so etwas nie ausschließen. Da aber, wie ich schon betont habe, gegenwärtig keine Auswirkungen auf eine Unsicherheit in Deutschland zu erwarten sind, halte ich die Wahrscheinlichkeit für außerordentlich begrenzt.

Frage: Herr Streiter, wenn ich mich recht erinnere, hat es jetzt schon zum wiederholten Male so ein Dreier-Gespräch zwischen der Kanzlerin, Hollande und Putin gegeben. Soll das jetzt regelmäßig stattfinden? Was ist der Hintergrund? Die ersten Gespräche hatte sie nämlich immer alleine geführt.

SRS Streiter: Ich würde einmal sagen: Sie spricht mit denjenigen, mit denen sie gerade sprechen muss.

Zusatzfrage : Sehr erhellende Antwort, Herr Streiter! Können Sie nicht ein bisschen dazu sagen? Es fällt ja auf: Früher hat sie die Gespräche alleine geführt, und jetzt ist immer Hollande dabei. Will man damit die deutsch-französischen Beziehungen stärken, oder meint sie, dass, wenn sie zusammen mit Hollande auftritt, das größeren Eindruck auf Putin macht? Was ist also der Grund dafür?

SRS Streiter: Ich möchte da jetzt keine Exegese vornehmen.

Frage: Herr Dünow, zur Berichterstattung über Überprüfungen des Deals zwischen RWE und Gazprom stellen sich mir zwei Fragen, zum einen: Sind Sie jetzt eigentlich dabei, dieses Geschäft des BASF-Konzerns mit Gazprom, das Speicherkapazitäten in Deutschland betrifft, auch zu prüfen?

Zum anderen, nachdem wir über dieses Thema RWE schon vor zwei Monaten an diesem Platze gesprochen haben: Ich habe damals das Gefühl gehabt, dass die Bundesregierung dieses Geschäft für nicht problematisch hält. Was ist in den zwei Monaten passiert, dass jetzt plötzlich immerhin der Anlass gesehen wird, in Prüfungen dessen einzusteigen, ob man das Außenwirtschaftsgesetz in irgendeiner Weise nutzen sollte?

Dünow: Zu Ihrer ersten Frage: Nein, der Wintershall-Deal, den Sie angesprochen haben, ist nicht betroffen.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir hatten in der Tat auch vor der Regierungspressekonferenz mehrfach über dieses Thema gesprochen, allerdings zu einem Zeitpunkt, als es ausschließlich Medienberichte über ein Geschäft seitens RWE in Bezug auf Dea gab. Die Medienberichte haben sich konkretisiert. Es gab einen Abschluss. Dass wir das prüfen, ist weder spektakulär noch präjudiziert es in irgendeiner Weise einen Ausgang des Prüfverfahrens. Wir haben in der Vergangenheit solche und ähnliche Geschäfte sehr häufig geprüft.

Frage : Wie lange wird Ihre Prüfung dauern? Haben Sie dazu eine Prognose?

DÜNOW: Ja, eine präzise: "Maximal zwei Monate" steht im Gesetz.

Frage : An das Auswärtige Amt: Nachdem es am Wochenende noch einmal eine Berichterstattung dazu gab, dass angeblich eine Deutsche als Teil des entführten OSZE-Teams betroffen ist - ich glaube, es wurde sogar ein Name genannt -, ist das ein Anlass für das Außenministerium, seine Zurückhaltung aufzugeben und jetzt darüber zu informieren, wie der Stand der Dinge in Bezug auf dieses entführte OSZE-Team ist? Gibt es Kontakte? Gibt es irgendwelche Aussichten?

Schäfer: An der Lage hat sich bedauerlicherweise nichts geändert. Es ist aber weiterhin so, dass die OSZE für alle betroffenen OSZE-Beobachter die Verhandlungen führt. Wir haben volles Vertrauen in die Kontakte, Fähigkeiten, Sachkunde und Know-how der OSZE. Wir unterstützen das politisch und in anderer Weise, die wir für geboten halten. Wir respektieren im Interesse der Betroffenen weiterhin die Entscheidung der OSZE, die Nationalitäten der verschwundenen OSZE-Beobachter nicht förmlich und offiziell öffentlich zu machen.

Ansonsten gilt hinsichtlich dieser Fälle, was grundsätzlich bei Entführungsfällen gilt: Es ist aus unserer Sicht weder geboten noch zweckmäßig, Zwischenstände über den Stand von Verhandlungen oder so etwas abzugeben. Ich hoffe, Sie glauben mir, wenn ich Ihnen sage, dass die OSZE alles in ihrer Macht Stehende tut und wir all das tun, was wir im Hintergrund tun können, um auf eine positive Lösung dieses schwierigen Falles hinzuwirken.

In der Tat, Herr Heller, habe ich auch die Berichterstattung in einer großen deutschen Zeitung am Samstagmorgen zur Kenntnis genommen. Das ändert nichts daran, dass ich Ihnen das, was am Samstag in der Zeitung gestanden hat, nicht bestätigen werde.

Zusatzfrage : Gibt es einen Krisenstab dazu oder nicht?

Schäfer: Wenn es betroffene Deutsche gibt, dann kümmert sich auch das Krisenreaktionszentrum um all diese Fragen.

Frage: Herr Streiter, seit wann ist der Bundespräsident außenpolitischer Stichwortgeber der Bundesregierung, vor allem, wenn er dies - wie am Wochenende in Norwegen - im Ausland tut? Da der Bundespräsident, wenn ich mich richtig erinnere, gerade in Sachen Außenpolitik im Ausland nur engstens mit der Bundesregierung abgestimmte Erklärungen und Stellungnahmen abgeben darf, würde mich interessieren, wann die Interviewäußerungen zu einer auch militärisch stärkeren Beteiligung Deutschlands mit dem Kanzleramt und der Kanzlerin beziehungsweise zumindest mit dem Außenminister abgestimmt worden sind.

SRS Streiter: Lieber Herr Wonka, so wunderbar diese Frage formuliert war, so banal ist meine Antwort: Zu den Äußerungen eines anderen Verfassungsorgans nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine Stellung.

Zusatzfrage: Herr Streiter, seit wann darf sich der Bundespräsident eigenständig im Ausland zur deutschen Außenpolitik äußern?

SRS Streiter: Ich wiederhole mich gerne noch einmal: Zu den Äußerungen eines anderen Verfassungsorgans nimmt die Bundesregierung grundsätzlich keine Stellung.

Zusatzfrage: Letzte Frage: Herr Streiter, ist die Bundesregierung in der Person der Kanzlerin, die Sie gelegentlich vertreten dürfen, der Ansicht, dass sich Deutschland militärpolitisch im Ausland stärker engagieren müsste und dass man mittlerweile ein Rechtsstaat mit demokratischer Erfahrung sei, sodass man sich hier freier als zu den Zeiten vor zehn Jahren bewegen könne, als man möglicherweise noch weniger Rechtsstaat oder noch mehr vom historischen Trauma betroffen war?

SRS Streiter: Beim Finanzamt würde man das jetzt als Umgehungstatbestand bezeichnen.

Zusatz: Aber Sie sind Sprecher und kein Finanzbeamter, Herr Streiter.

SRS Streiter: Ja, aber Sie werden mir keine andere Äußerung dazu entreißen.

Zusatzfrage: Wieso nicht?

SRS Streiter: Weil sich die Bundesregierung und auch die Bundeskanzlerin zu den Äußerungen eines anderen Verfassungsorgans grundsätzlich nicht äußern.

Vorsitzender Mayntz: Wonach Herr Wonka diesmal nicht gefragt hat!

SRS Streiter: Ja, aber er hat es hintenherum versucht. Dazu wird es heute von mir, wie gesagt, keinen Satz geben.

Zusatzfrage: Dürfen Sie nicht oder wollen Sie nicht? Hat Ihnen die Kanzlerin verboten, dazu etwas zu sagen, oder sagen Sie jetzt kraft eigener Interpretation, dass es nicht opportun gewesen sein könnte, dass sich die Bundesregierung in diesen interessanten außenpolitischen Dialog einschaltet?

SRS Streiter: Ich belasse es einfach dabei. Ich habe dazu gesagt, was ich dazu zu sagen habe, und mache jetzt einfach einmal einen Punkt.

Frage: Es hat ja durchaus schon Äußerungen der Bundesregierung zu Äußerungen von Bundespräsidenten gegeben; so ist es ja nun also auch nicht.

Meine Frage: Im Februar hat der Bundespräsident einige Fragen zur Zukunft des Landes aufgeworfen und die Bürger, aber ausdrücklich auch die politisch Verantwortlichen zum Diskurs aufgefordert. Nun besteht die Bundesregierung aus eben diesen politisch Verantwortlichen. Fühlt sich die Bundesregierung diesem Diskurs nicht verpflichtet? Verstehen Sie die Äußerungen des Bundespräsidenten nicht als Beitrag zu einer Diskussion, oder wollen Sie diesen Diskussionsfaden einfach nicht aufnehmen?

SRS Streiter: Ich kann Ihnen nur sagen, dass die Bundesregierung auch im Februar zu den Äußerungen des Bundespräsidenten auf der Münchner Sicherheitskonferenz nichts gesagt hat. Man kann jetzt feststellen, dass es eine gewisse Kontinuität gibt, aber auch in unserer Reaktion gibt es eine gewisse Kontinuität. Auch damals haben wir kein Wort dazu gesagt.

Schäfer. Ich nutze einfach nur die Gelegenheit, Sie, Herr Lange, aber auch alle anderen Interessierten darauf hinzuweisen, dass der Außenminister vor ganz Kurzem, vor einigen Wochen, einen Prozess, den wir Review-Prozess nennen, aufs Gleis gesetzt hat, dessen Ziel genau darin besteht, die Fragen, die Sie an Herrn Streiter und an uns gerichtet haben, öffentlich zu machen, nämlich: Was ist das Ziel deutscher Außenpolitik? Mit welchen Instrumenten versehen wir diese Politik? Wie sehen das Experten? Wie sieht es die breite Öffentlichkeit? Dazu, sich an diesem Dialog zu beteiligen, sind alle - ich sage ausdrücklich: alle - herzlich eingeladen. Unter www.review2014.de finden Sie dazu eine ziemlich breit differenzierte Webseite, auf der sich jeder an diesem Diskurs in dieser Debatte beteiligen kann. Das Auswärtige Amt und einige seiner Vertreter werden in den nächsten Monaten auch ausschwärmen und möglichst breit in der ganzen Republik öffentliche Diskussionsveranstaltungen genau zu den Fragen, die Sie ja glücklicherweise sehr interessieren, abhalten.

Ich kann aus Sicht des Außenministers sagen: Wenn es in welcher Weise auch immer gelingt, eine breit angelegte Debatte in der deutschen Öffentlichkeit über die Bedeutung von Außenpolitik und die Art und Weise, in der deutsche und europäische Außenpolitik ins Werk gesetzt werden können, in Gang zu bringen, dann begrüßen wir das ganz ausdrücklich.

Ansonsten haben Sie gerade Äußerungen von Anfang Februar angesprochen. Ich nehme an, damit meinen Sie auch Äußerungen des Außenministers auf der Münchner Sicherheitskonferenz, auf der ja auch der Bundespräsident gesprochen hat. Diese Äußerungen können Sie auch auf der Webseite des Auswärtigen Amtes nachlesen. Dort hat der Außenminister eine Rede gehalten, die, soweit ich das jetzt überblicken kann, in ihren politischen Grundzügen weiterhin unverändert Geltung hat. Außerdem hat er sich vor Monaten bereits auch in großen Interviews zum Beispiel mit der "Süddeutschen Zeitung" zum Thema "Tätige neue deutsche Außenpolitik" geäußert, und auch diese Äußerungen stehen im Raum und gelten deshalb weiter.

Frage: Herr Streiter, Sie sagen immer "Wir wollen uns dazu gar nicht äußern", aber die Außenpolitik gehört nun einmal zum Kerngeschäft der Bundesregierung. Ist das, was der Bundespräsident gesagt hat, also irrelevant, oder wie sollen wir das wahrnehmen?

SRS Streiter: Nein. Verführen Sie mich doch nicht zu einer unbedachten Äußerung! Es gilt das, was ich gesagt habe, und ich sage es gerne noch zum vierten und fünften Mal. Möchten Sie es noch einmal hören?

Zusatzfrage: Ich hatte eine andere Frage gestellt.

SRS Streiter: Ich weiß.

Zusatzfrage: Ich hatte gefragt, ob das irrelevant ist.

SRS Streiter: Ja, aber Sie versuchen, mich aufs Glatteis zu führen, und das betrete ich nicht.

Frage: Herr Gerhartz, überlegt die Bundesverteidigungsministerin denn derzeit, ob Sie sich wie anlässlich der Münchner Sicherheitskonferenz auch dieses Mal voller Begeisterung den Worten des Bundespräsidenten anschließt? In welcher Form wird sich die Verteidigungsministerin denn in diesen sicherheitspolitischen Dialog, der seit dem Wochenende wieder neu aufgeladen wurde, einschalten - durch Schweigen oder durch eine Wortmeldung?

Gerhartz: Wo wir schon beim Glatteis sind! Zuerst einmal gilt, und da schließe ich mich völlig dem Regierungssprecher an: Auch wir äußern uns nicht zu den jetzt getätigten Äußerungen des Bundespräsidenten.

Wenn Sie fragen, was meine Ministerin derzeit macht: Sie befindet sich derzeit über dem Atlantik auf dem Weg zu ihrer USA-Reise. An ihrer Linie - da schließe ich mich auch dem Sprecher des Auswärtigen Amtes an - auf der Münchner Sicherheitskonferenz, dass auch wir eine Verpflichtung und Verantwortung haben, uns in die Lösung der aktuellen Krisen und Konflikte einzubringen, hat sich auch nichts geändert.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben gerade angekündigt, dass Sie mit diesem Dialog eine breite Debatte über die Außenpolitik und ihre Zielsetzungen führen wollen. Herr Gerhartz, Sie befinden sich gerade in der Umsetzung der Bundeswehrreform, die ja doch eigentlich eine relativ praktische Umsetzung eben solcher Diskussionen ist. Wie passt das beides zusammen, wenn Sie auf der einen Seite eine Reform mit einer bestimmten Zielsetzung durchführen und gleichzeitig auf der anderen Seite offensichtlich noch nicht wissen, wohin Sie wollen?

Schäfer: Ich glaube, da vermischen Sie Äpfel mit Birnen. Natürlich ist es nicht so, dass dieser Review-Prozess bedeutet, das jetzt das Rad neu erfunden werden soll, und dass die Bundesregierung, das Auswärtige Amt oder der Außenminister nicht wüssten, in welcher Weise man sozusagen auf die aktuellen Krisen in der Welt reagiert - Stichwort Ukraine, Beziehungen zu Russland, Lage im Mittleren Osten, Nukleargespräche mit dem Iran, Lage im Irak, Bürgerkrieg in Syrien etc. -, sondern es geht darum, in einen Dialog mit Experten und mit der Öffentlichkeit einzutreten, und zwar mit dem Ziel, das gegenseitige Verständnis auszubauen. Es geht darum, Anregungen einzusammeln. Es geht darum - auch im Lichte von Meinungsumfragen, die Sie kennen und die an den Anfang dieses Review-Prozesses gestellt worden sind -, Interesse für Außenpolitik zu wecken und sozusagen gemeinsam ein Gespräch, einen Dialog darüber zu führen, welche Rolle Deutschland zukünftig in der Welt spielen muss. Das hat hier und heute nicht unmittelbare Auswirkungen auf den Umgang mit konkreten Krisen, und deswegen kann ich den Konnex, den Sie etwa zu einem Teil von Außen- und Sicherheitspolitik aufbauen, nämlich zu der von den Kollegen im Verteidigungsministerium umgesetzten Bundeswehrreform, nicht erkennen.

Gerhartz: Ich möchte das mit den Äpfeln und Birnen noch einmal aufnehmen. Ich stimme dem voll zu. Es geht insofern um Äpfel und Birnen, als Sie eine außenpolitische Debatte nicht mit einem Instrumentarium dessen verwechseln dürfen, was Streitkräfte in diesem Land zur Verfügung stellen könnten. Letzteres ist, denke ich, unumstritten; das ist auch im Koalitionsvertrag verankert worden. Das hat auch nichts mit dieser Debatte zu tun, die eventuell stattfindet, sondern ist nur Ausdruck der Fähigkeiten und des Instrumentariums an sich, das man grundsätzlich zur Verfügung haben möchte.

In den letzten Wochen wurde hier immer wieder die Frage gestellt, ob die Bundeswehrreform auch ausreichend auf die Landes- und Bündnisverteidigung ausgerichtet sei. Ich kann das noch einmal wiederholen, und zuletzt haben Sie das auch in den Äußerungen des Generalinspekteurs in einem Interview gegenüber der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" gehört: Wir hätten, wenn wir uns nicht für Landes- und Bündnisverteidigung, sondern lediglich für die Krisenvorsorge aufgestellt hätten - also so, wie wir das klassischerweise in Afghanistan gesehen haben oder jetzt in Bezug auf viele Ausbildungsoperationen sehen, die wir in Afrika vornehmen -, nicht das Motto "Breite vor Tiefe" gewählt und uns hinsichtlich der Fähigkeiten nicht in dieser Breite aufgestellt. Ich kann mich also nur noch einmal wiederholen: Sowohl die Krisenvorsorge als auch Bündnis- und Landesverteidigung sind in dieser Bundeswehrreform beide beinhaltet.

Frage: Herr Gerhartz, nun könnte das Glatteis in Washington doch ein bisschen rutschiger als in der Regierungspressekonferenz sein. Nach der Münchner Sicherheitskonferenz hat der amerikanische Außenminister gesagt, schöne Worte seien das eine, er wolle Taten sehen. Wird die Ministerin in Washington bezüglich der Worte des Bundespräsidenten denn auch antworten, sie werde keine Äußerungen anderer Verfassungsorgane kommentieren? Wie konkret wird sie dort werden?

Gerhartz: Ich habe ja gerade gesagt: Meine Ministerin befindet sich auf dem Weg in die USA. Inwieweit sie sich im Umfeld dieses Besuchs bei der USA-Reise zu verschiedenen Fragen äußern wird, möchte ich hier nicht vorwegnehmen.

Zusatzfrage: Aber sie wird nicht sagen, sie werde keine Äußerungen anderer Verfassungsorgane kommentieren, oder doch?

Gerhartz: Ich denke, Sie wird das Interview nicht so kommentieren. Aber dem, ob sie dann noch einmal ihre Linie aufzeigen wird, wie sie es auch schon einmal bei der Münchner Sicherheitskonferenz getan hat, möchte ich hier nicht vorgreifen.

Frage: Herr Dünow, ich wüsste gerne, ob der Vizekanzler der Ansicht seines Parteifreundes und außenpolitischen Experten Mützenich ist, der in einem Interview den Eindruck erweckt hat, dass Deutschland wegen seiner schon bisher aktiven Rolle auch im Ausland keiner Ratschläge von ganz oben bedürfe.

Vonseiten des Entwicklungsministeriums wüsste ich gerne etwas von Frau Mänz, da Ihr Minister an diesem Wochenende erklärt hat, eine militärische Hilfe Deutschlands sei gerade auch beispielsweise im Hinblick auf Afrika das Letzte, was er möchte und sich vorstellen kann: War das eine direkte Antwort auf die Kritik des Bundespräsidenten, oder war das auch einfach nur so dahingesagt?

Dünow: Herr Wonka, der Wirtschaftsminister ist wie immer der Auffassung des Bundesaußenministers, die Sie hier eben aus dem Mund seines Sprechers gehört haben, nämlich dass er Äußerungen von anderen Verfassungsorganen nicht kommentiert. Das wird Sie vermutlich wenig überraschen. Falls Sie den Parteivorsitzenden fragen sollten: Der ist hier ja gar nicht vertreten.

Mänz: Sie hatten nach der Position des Ministers gefragt. Die Äußerungen, die er in diesem Zusammenhang gemacht hat, beziehen sich nicht auf die Äußerungen von Herrn Gauck. Die hat er nämlich davor getätigt, auch im Rahmen der Nigeria-Reise sowie schon bei davor liegenden Besuchen, beispielsweise in Zentralafrika oder im Südsudan. Sie kennen insgesamt die Position des Ministers: "Mehr außenpolitische Verantwortung" heißt aus Sicht unseres Ressorts "mehr entwicklungspolitisches Engagement". Überall, wo sich Konflikte entladen, gehören gerade Hunger, Not und Elend sowie fehlende staatliche Ordnung zum Alltag. Gerade in dieser Hinsicht sieht der Minister, dass sich die Weltgemeinschaft stärker engagieren muss.

Frage: Herr Streiter, auch wenn Sie jetzt zu diesen jüngsten Äußerungen nichts sagen wollen: Gibt es denn, ganz allgemein gesprochen, in dieser Frage einer deutschen Militärpräsenz im Ausland einen Austausch zwischen der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten? Das ist immerhin - das brauche ich Ihnen ja nicht zu sagen - eine Frage vor dem geschichtlichen Hintergrund Deutschlands. Das sind ja keine Fußballergebnisse, und deshalb fragen wir auch die ganze Zeit. Ich finde es, ehrlich gesagt, wenn ich das so sagen darf, auch ein bisschen enttäuschend, dass hier nicht mehr kommt. Das ist doch wirklich eine spannende Frage!

Meine Frage ist also: Gibt es zu diesem Thema einen Austausch zwischen der Kanzlerin und dem Bundespräsidenten? Wann haben die beiden eigentlich zum letzten Mal miteinander gesprochen?

SRS Streiter: Es war mir schon klar, dass ich Sie enttäuschen muss, aber das mache ich ja nicht aus freien Stücken.

Das andere ist, dass die Bundeskanzlerin und der Bundespräsident selbstverständlich in einem ständigen Austausch stehen. Deshalb habe ich mir die Bemerkung erlaubt, dass das, was er jetzt gesagt hat, in einer gewissen Kontinuität dessen steht, was er auf der Sicherheitskonferenz gesagt hat. Es findet ein regelmäßiger Austausch statt.

Frage: Frau Kothé, zur geplanten Rotation bei der EZB: Ist es für Ihr Haus problematisch - zumal Deutschland 27 Prozent des Kapitals der EZB trägt -, dass die Bundesbank dann monatsweise kein Stimmrecht mehr in diesem Gremium hat?

Kothé: Vielleicht erlauben Sie mir eine kurze Vorbemerkung dazu: Der Grund dafür, dass dieses Thema in der Presse diskutiert wird, aufgegriffen wird, ist ja zunächst einmal ein ganz erfreulicher, nämlich dass mit Litauen ein weiteres Land der Eurozone beitreten will und, so wie die Kommission vor Kurzem attestiert hat, auch alle Konvergenzkriterien erfüllt. Das Rotationsprinzip als Solches ist nichts Neues, es ist ja schon seit einigen Jahren - seit 2003 - so im EZB-Status festgelegt, das ein Protokoll zum Vertrag von Lissabon ist. Das ist nach durchaus schwierigen Verhandlungen auch aus guten Gründen so vereinbart worden.

Ab der Zahl von 19 Eurozonen-Staaten ändert sich die Stimmrechtsverteilung, und es gilt eben dieses Rotationsprinzip und die Zahl der stimmrechtsberechtigten Zentralbankpräsidenten wird dauerhaft auf 15 beschränkt. Das ist der Kern dieser Regelung. Daneben wird eine Gruppe gebildet, der die fünf größten Mitgliedstaaten der Eurozone angehören, die sich dann jeweils innerhalb von fünf Monaten umlaufend vier Stimmrechte teilen. Die nicht stimmrechtsberechtigten Präsidenten der nationalen Zentralbanken - das muss man auch noch wissen - nehmen aber natürlich weiterhin an den Sitzungen teil, haben ein Rederecht und können sich natürlich auch jederzeit in die Diskussion einbringen. Ganz wichtig ist auch, worauf sich das bezieht: Das bezieht sich nur auf die geldpolitischen Beschlüsse. Für alle anderen Beschlüsse, also im Wesentlichen Kapitalbeschlüsse, gilt dieses Rotationsprinzip nicht.

Warum gibt es das? Dieses Prinzip dient einerseits dem Schutz des Stabilitätsgedankens, und insgesamt soll durch dieses Prinzip eine effiziente Entscheidungsfindung und eine angemessene Repräsentation der Mitgliedstaaten gewährleistet werden. Wir sehen im Augenblick keinerlei Anlass, daran irgendwelche Änderungen vorzunehmen, und denken, die Begründung für dieses Prinzip gilt nach wie vor und hat seine Berechtigung.

Zusatzfrage: Ist es für Sie langfristig ein Thema, dass der größte Anteilseigner der EZB dann zumindest zeitweise ausgeschlossen ist, wird man sich das noch einmal anschauen?

Kothé: Ich habe gerade ja gesagt, dass das nur für die geldpolitischen Beschlüsse gilt. Was Kapitalanteilseignerschaft usw. angeht, gilt dieses Prinzip nicht. Vielleicht noch ein wichtiger Hinweis: Die Europäische Zentralbank ist eine europäische Institution, die dem europäischen Interesse verpflichtet ist, und nicht dem nationalen.

Frage : Auch zur EZB, wenn auch nicht zu diesem Problemkreis: Es gab ja wiederholt Forderungen insbesondere aus Südeuropa, dass die EZB eine Politik betreiben sollte, die auf eine Minderung des Wechselkurses ausgerichtet ist. Es gab eine Kommentierung des Bundesbank-Präsidenten, der dies abgelehnt hat. Welche Position vertritt denn Deutschland im Hinblick auf eine Abwertung des Euro, um es zum Beispiel auch südeuropäischen Ländern zu erleichtern, im internationalen Wettbewerb bestehen zu können?

Kothé: Herr Heller, ich glaube, wir haben diese Frage hier in den letzten Monaten in unterschiedlichem Kontext mehrfach diskutiert. An unserer grundsätzlichen Haltung hat sich nichts geändert. Wir denken, dass die Wechselkurspolitik nicht Reform- oder Strukturpolitik ersetzen kann, wenn es darum geht, zu nachhaltigen Verbesserungen der Wettbewerbsfähigkeit zu bekommen. Insofern stimmen wir - das kann ich hier vielleicht noch anfügen - da auch ganz ausdrücklich dem Bundesbank-Präsidenten zu.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium, an Herrn Dimroth: Die Bundespolizei hat am Samstagabend einen mutmaßlichen Islamisten in Berlin verhaftet, der aus Syrien über Istanbul nach Berlin gekommen sein soll. Gibt es Informationen, wie lange er sich in Istanbul aufgehalten hat?

Dimroth: Ich kann Ihnen hier bestätigen, dass die Bundespolizei am Samstagabend einen französischen Staatsangehörigen, der sich mutmaßlich in Syrien aufgehalten haben soll, dem Haftrichter vorgeführt hat. Diesem Vorgang lag ein entsprechender EU-Haftbefehl zugrunde. Das weitere Verfahren richtet sich jetzt dementsprechend auch nach den Bestimmungen des Gesetzes zur internationalen Rechtshilfe.

Zu weiteren Details - wie lange er sich wo und wann aufgehalten hat - kann ich Ihnen hier heute keine weiteren Auskünfte geben.

Zusatzfrage: Können Sie das nicht in Erfahrung bringen, sodass Sie uns später informieren können?

Dimroth: Ich kann das gerne mitnehmen. Jedenfalls kann ich Ihnen jetzt und hier nicht mehr sagen. Da es sich hier um ein laufendes Verfahren handelt, müssten wir selbstverständlich auch sehr sensibel prüfen, welche der Erkenntnisse derzeit schon weitergabefähig sind und welche nicht.

Zusatzfrage: Wie viele solche Fälle gab es in der letzten Zeit, wie viele Leute sind also über Istanbul aus Syrien nach Deutschland gekommen und verhaftet worden?

Dimroth: Die Zahlen grundsätzlicher Natur kennen Sie: Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass es derzeit rund 320 Personen gibt, die von Deutschland aus nach Syrien gereist sind. Auch das ist sicherlich nur eine Hellfeldzahl - wie groß die Zahl des Dunkelfeldes ist, erschließt sich naturgemäß nicht, das ist bei Dunkelfeldern leider immer so. Insofern ist das die Zahl, die ich Ihnen nennen kann: Wir gehen derzeit von 320 aus Deutschland stammenden Personen aus, die nach Syrien ausgereist sind. Zu Einzelfällen und konkreten Zahlen in Bezug auf Verhaftungen beziehungsweise Haftbefehle kann ich Ihnen hier heute auch noch keine Auskunft geben.

Frage: Ist bei diesem Inhaftierten allein der internationale Haftbefehl Grund für den Zugriff der Bundespolizei, oder gab es da auch Verdachtsmomente, dass der Betreffende irgendetwas in Deutschland geplant hat?

Dimroth: Grundlage war der bestehende EU-Haftbefehl.

Frage: Herr Schäfer, die Entwicklungen im Irak haben ja auf vielen Seiten einen enormen Aktionismus ausgelöst, der sozusagen nicht immer langfristiger Planung folgt. Gibt es da eine abgestimmte europäische Haltung, und zwar nicht nur darüber, wie man das beurteilt, sondern auch darüber, was zu tun? Gibt es auch ein Verständnis dafür, welcher Aktionismus jetzt möglicherweise eher Schaden anrichtet als nützt, oder hält man sich im Moment relativ zurück und unterstützt alles, was die Amerikaner - möglicherweise in Abstimmung mit anderen Staaten in der Region - dann tun?

Schäfer: Ich glaube, dass ganz viele - angefangen von den Verantwortlichen im Irak über die Region bis in die weite Welt einschließlich Europas - überrascht worden sind von der Geschwindigkeit, mit der ISIL, ISIS oder ISIG - wie auch immer man diese Gruppe nennen mag - in den letzten Tagen auf irakischem Staatsgebiet Richtung Süden vorgerückt ist. Das hat dann auch eine sehr starke Aufmerksamkeit bei Ihnen und Ihren Kollegen gefunden, und das ja auch zu Recht.

Der Bundesaußenminister hat sich in einem Interview in einer großen deutschen Sonntagszeitung gestern zu diesem Thema ausführlich eingelassen. Den entscheidenden Satz oder die entscheidenden zwei Sätze würde ich Ihnen gerne, wenn Sie erlauben, hier noch einmal vortragen. Er hat gesagt:

"Wir müssen verhindern,

- mit "wir" meint er in erster Linie die Verantwortlichen im Irak, aber natürlich auch mit der Unterstützung der internationalen Gemeinschaft -

dass jetzt auch noch auf irakischem Boden ein Stellvertreterkrieg der regionalen Mächte ausbricht. Alle Nachbarn - Saudi-Arabien, die Golfstaaten, die Türkei, übrigens auch der Iran - können kein Interesse daran haben, dass sich jenseits Syriens in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft ein riesiger herrschaftsloser Raum entwickelt, der zum Tummelplatz für Söldnergruppen, Islamisten jedweder Couleur und Terroristen wird. Der Irak darf nicht zu einem ständigen Gefahrenherd für den Nahen und Mittleren Osten werden."

Auf der Grundlage dieser Analyse, aber auch dieser Zielsetzung - nämlich zu verhindern, dass jenseits der Grenzen von Syrien der Bürgerkrieg weiter Raum greift und eine ganze Region erfasst, mit einem Flächenbrand von Terrorismus und konfrontativen, gewaltsamen Auseinandersetzungen -, geht es jetzt natürlich darum, dass das, was die internationale Gemeinschaft tun kann, getan wird. Wir sehen uns da aber absolut in einer gemeinsamen Linie etwa mit unseren amerikanischen, aber auch unseren europäischen Partnern, indem wir seit Tagen darauf hinweisen: Es ist in erster Linie die Verantwortung des souveränen Staates Irak und seiner Regierung, dafür Sorge zu tragen, dass diese Art von Terrorismus nicht im Irak Platz greift.

Es hat im Irak Ende April Parlamentswahlen gegeben, die unter schwierigen Umständen hinreichend gut verlaufen sind, um auf dieser Grundlage eine Regierung zu bilden. Es geht jetzt darum, dass im Irak eine Regierung über alle konfessionellen, regionalen, religiösen und anderen Faktoren hinaus gebildet wird, die handlungsfähig ist und die die Sicherheitskräfte so anführen kann, dass die Gefahren, die sich von ISIS im Land verbreiten könnten, eingedämmt oder bewältigt werden können. Dabei spielt natürlich die internationale Gemeinschaft eine wichtige Rolle. Dabei ist die Europäische Union und damit auch Deutschland ein wichtiger Faktor. Ich kann Ihnen versichern, dass die Bundesregierung auch im europäischen Rahmen alles daransetzen wird, eine geschlossene Linie für Europa zu finden, die genau den Zielen dient, die ich Ihnen gerade dargestellt habe.

Frage: Um Äpfel und Birnen dieses Mal möglichst weit auseinanderzuhalten: Sie sprechen weiter von Terrorismus und gehen nicht davon aus, dass man das künftig als Bürgerkrieg betrachten wird?

Schäfer: Es ist zu sehen, dass aus einer zusammengewürfelten Gruppe von Personen unterschiedlicher Nationalität, die sich auf syrischem Boden im Wesentlichen terroristisch verhalten haben, im Laufe der Zeit eine Gruppe geworden ist, die mehr Strukturen aufweist. Man kann auch feststellen, dass ISIS oder ISIG über die Grenzen Syriens hinaus im Irak militärisch handlungsfähig geworden ist. Das ist, wenn ich das richtig verstehe, ja auch der wesentliche Grund, weshalb viele in der Region, aber auch wir hier in Europa in extremer Sorge sind; denn es handelt sich bei dieser Gruppen um Menschen, die sich weit über jede Übereinkunft der internationalen Gemeinschaft hinweg Mitteln bedienen, die völlig inakzeptabel sind, die vor Mord, Brandschatzung, Folter und Tötungen jedweder Art nicht zurückschrecken und die deshalb politisch ein extrem großes Risiko darstellen. Es geht jetzt darum, dass alle Verantwortlichen - ich kann mich nur wiederholen - zunächst insbesondere im Irak, aber auch in der Region und darüber hinaus - ich nehme da Deutschland und Europa überhaupt nicht aus - Strategien entwickeln, wie dieser ernsten Gefahr begegnet werden kann.

Zusatzfrage: Herr Dimroth, gibt es Erkenntnisse darüber, ob es Unterstützer für ISIS innerhalb der Bundesrepublik gibt?

Dimroth: Ganz generell lässt sich da anknüpfen an das, was ich gerade eben gesagt habe: Die deutschen Sicherheitsbehörden, der Bundesinnenminister und das Bundesinnenministerium haben in der Vergangenheit immer wieder auf die Gefahr hingewiesen, die davon ausgeht, dass Menschen aus Deutschland, aber auch aus Europa insgesamt in die Krisenregionen reisen und gegebenenfalls radikalisiert und kampferprobt nach Deutschland zurückreisen. Ein Beispiel, an dem sich diese abstrakte Gefahr konkretisiert hat, haben wir in Brüssel erleben müssen, denn dort gab es einen schrecklichen Anschlag auf das Jüdische Museum. Das hat den Bundesinnenminister dazu veranlasst, dieses Thema sowohl auf europäischer Ebene als auch in der vergangenen Woche im Kreise der Innenminister der Länder auf der Innenministerkonferenz zu erörtern. Diese Sorge, die wir haben, dass Menschen dort hinreisen und dann gegebenenfalls radikalisiert in das Bundesgebiet oder auch ins EU-Gebiet insgesamt zurückreisen und dann Straftaten begehen, gilt für die gesamte Region.

Zusatzfrage: Aber konkrete Erkenntnisse zu möglichen Unterstützergruppen oder Ähnlichem hierzulande gibt es nicht?

Dimroth: Das Phänomen der Wiedereinreisenden, die vorher aus der EU und aus Deutschland ausgereist sind, gilt allgemein für diese Region.

Frage: Herr Schäfer, noch einmal zu den internationalen Bemühungen um die Begrenzung des Konfliktes im Irak: Sie haben darauf hingewiesen, dass die Amerikaner und die EU da gemeinsam an der Politik arbeiten. Deutschland spielt bekanntlich in den Beziehungen der EU und der internationalen Gemeinschaft zum Iran eine besondere Rolle - in diesem Falle vielleicht sogar eine relativ positive Rolle. Gibt es Anzeichen dafür, dass die Amerikaner deswegen in diesem Zusammenhang auch von Deutschland Besonderes erwarten?

Schäfer: Herr Steinmeier hat gestern in dem Interview in der "Welt am Sonntag" auf die Frage zum Irak - "Was kann Deutschland leisten?" - wie folgt geantwortet:

"Wir haben seit 2003 eine ganze Menge in die Entwicklungen im Irak investiert. Deutschland unterhält tragfähige Beziehungen zu allen Staaten der Region. Aber wir sollten den möglichen deutschen Beitrag nicht überschätzen."

Ich möchte das, was der Minister gesagt hat, hier bekräftigen und auf Ihre konkrete Frage zum Iran ergänzen: Es stimmt, Deutschland unterhält seit Langem - und zwar auch in ganz schwierigen Zeiten, immer - tragfähige Beziehungen zum Iran. Es ist hier vor einigen Tagen auch Gegenstand der Regierungspressekonferenz gewesen, dass unser politischer Direktor vor einigen Tagen, nämlich über das Wochenende, in Teheran gewesen ist und dort mit Verantwortlichen des iranischen Außenministeriums Gespräche geführt hat. In diesen Gesprächen ging es im Kern um die Zukunft der Verhandlungen über das iranische Atomprogramm. Sie hatten aber auch die Lage in der Region zum Gegenstand. Sie können sich vorstellen, dass auch aus Sicht der iranischen Regierung die Geschehnisse im Bürgerkrieg in Syrien, aber auch im Irak, die auf diese Art und Weise näher an die iranische Grenze herangerückt sind, ein Gegenstand großer Aufmerksamkeit sind.

Wir haben über das Wochenende die Geräusche vernommen, die es sowohl aus Teheran wie auch aus Washington hinsichtlich eines Interesses daran, miteinander über die Lage in der Region zu sprechen, gegeben hat. Wenn es von iranischer Seite ernst gemeint ist, in einen solchen konstruktiven Dialog auch mit den Vereinigten Staaten von Amerika einzutreten, so würde die Bundesregierung das begrüßen.

Wir konzentrieren uns in den nächsten Tagen in Wien darauf, dass wir in den Verhandlungen mit dem Iran und der E3+3 über das iranische Atomprogramm zu einem wichtigen Zeitpunkt - nämlich dann, wenn die Zeit so langsam knapp wird - Fortschritte erzielen. Wenn Sie so wollen, ist die Kompromissfähigkeit der iranischen Seite in den E3+3-Verhandlungen natürlich auch irgendwie ein Indikator für die Bereitschaft des Iran, auch in anderen Fragen, die in der Region von gemeinsamem Interesse sind, in einen ernsthaften Dialog einzutreten. Eines ist doch klar: Eine irgendwie geartete friedliche Lösung oder gar nur ein Eindämmen der Konflikte, denen wir uns im Mittleren Osten gegenübersehen, kann es letztlich nur dann geben, wenn alle wichtigen regionalen Spieler - zu denen auch der Iran gehört - eine konstruktive Rolle spielen. Wenn die Zeichen, die wir aus Teheran hören, zuträfen und in diese Richtung gingen, dann würden wir das sehr begrüßen.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, Sie sagten noch einmal: Wenn die Signale aus Teheran ernst zu nehmen wären. Haben Sie Zweifel daran?

Schäfer: Wir halten uns da weniger an Worte als vielmehr an Taten. Wir haben ja konkrete Verhandlungen vor der Brust, in denen nur noch wenige Wochen Zeit ist, um Vereinbarungen darüber zu treffen, dass das iranische Atomprogramm glaubwürdig, belastbar und tragfähig keine militärischen Zwecke verfolgt. Da sind wir jetzt sehr darauf gespannt - wie auch in den letzten Monaten und Jahren -, ob unsere Vorstellungen, wie man diese drei Adjektive mit Leben erfüllen kann, auch in Teheran so gesehen werden. Deshalb ist es, glaube ich, wichtig, dass wir uns da an konkreten Taten orientieren und uns nicht auf Worte beschränken.

Frage: Herr Schäfer, der Erfolg von ISIS oder ISIL - oder wie auch immer man es nennen will - wäre ohne die tiefe Spaltung des Iraks entlang der Grenzen von Sunniten, Schiiten und zum Teil jetzt auch Kurden ja nicht denkbar gewesen. Das lässt sich in ein paar Tagen ja nicht reparieren. Gleichzeitig sehen wir diesen Aktionismus - ich nenne es einmal so -, dass jetzt Freiwillige in den schiitischen Gebieten mobilisiert werden. Ist dieser Konflikt nicht längst dabei, sich als Konflikt entlang dieser Grenzen von Sunniten und Schiiten zu verfestigen? Vor diesem Hintergrund auch die Frage: Wenn jetzt auch in Amerika der innenpolitische Druck, schnell einzugreifen, sehr stark ist, droht dann nicht wieder der Eindruck, dass Amerika dann auf der falschen Seite Partei ergreift und diesen Konflikt eher eskaliert als deeskaliert?

Schäfer: Ich glaube, Sie haben Recht: Dieser Konflikt und auch das Vorrücken von ISIS geschieht vor dem Hintergrund einer in gleich mehrfacher Weise ernsthaft gespaltenen Nation des Irak. Es ist der irakischen Regierung in den letzten Jahren - zu Zeiten, als amerikanische Truppen noch vor Ort waren, aber auch danach - bedauerlicherweise nicht hinreichend gelungen, über alle konfessionellen, regionalen, politischen Grenzen hinweg eine nationale Identität zu schaffen, hinter der sich alle Iraker versammeln können. Allerdings möchte ich auch darauf hinweisen, dass sich das schnelle militärische Vorrücken von ISIS in den letzten Tagen im Wesentlichen in Siedlungsgebieten auf irakischem Hoheitsgebiet vollzogen hat, in denen Sunniten leben und dass man davon ausgehen kann, dass der Widerstand der irakischen Sicherheitskräfte, aber auch der Widerstand der lokalen Bevölkerungen genau dort erheblich zunehmen wird, wo Menschen anderer Konfessionen, anderer Volkszugehörigkeiten - Kurden oder Schiiten - leben.

Vor diesem Hintergrund sind wir immerhin der Hoffnung, dass es gelingen kann, den Vormarsch von ISIL mindestens zu einem Stillstand zu bringen, um auf diese Art und Weise Bagdad und den Verantwortlichen in Bagdad eine Atempause zu verschaffen, in der sie die Gelegenheit bekommen, sich sozusagen neu zu sortieren und - das ist das, was ich vorhin bereits ausgeführt habe - eine Regierung zu bilden, in der sich die Interessen aller nationalen Gruppen im Irak wiederfinden, um auf diese Art und Weise solchen Herausforderungen wie denen, die sich durch den Vormarsch von ISIS ergeben, besser gewappnet zu sein.

Bezüglich Ihrer Fragen zur Haltung der Vereinigten Staaten muss ich Sie um Verständnis dafür bitten, dass ich mich da sehr diplomatisch einlasse. Wir sind mit unseren amerikanischen Partnern auch zur Lage im Mittleren Osten in einem ständigen und auch sehr vertrauensvollen Dialog, und wir werden und wollen gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern weiter daran arbeiten, einen Beitrag dazu zu leisten, dass die Gefahren, vor denen die Region stehen, vor denen aber auch die ganze Welt steht, wenn der Irak oder der Mittlere Osten zu einem Rückzugsort für den internationalen Terrorismus werden sollte, eingedämmt werden.

Frage: Kann ich daraus schlussfolgern, dass Sie von dieser plötzlich gewachsenen Dialogbereitschaft in Teheran und Washington nicht überrascht waren, das heißt, dass das für Sie etwas Zwangsläufiges war, was sie möglicherweise auch vorher schon absehen konnten?

Schäfer: Nein. Wir beobachten, weil wir Teil des Verhandlungsprozesses sind, dass es im Rahmen der E3+3-Verhandlungen mit dem Iran immer wieder auch bilaterale Kontakte gegeben hat. Es ist öffentlich bekannt, dass ein Teil der Vorbereitungen der Einigung auf einen gemeinsamen Aktionsplan, den die E3+3 mit dem Iran im November letzten Jahres in Genf in bilateralen Gesprächen zwischen dem Iran und den Vereinigten Staaten von Amerika beschlossen haben, zurückzuführen war. Das ist bislang auf Themen im Zusammenhang mit dem iranischen Nuklearprogramm begrenzt gewesen. Alles, was darüber hinaus vonseiten Teherans ein ernsthaftes Bemühen um eine konstruktive Beteiligung an der Lösung von Konflikten bedeuten sollte - bilateral wie multilateral -, würden wir ausdrücklich begrüßen.

Frage: Herr Schäfer, hat man die Gefahr von ISIS unterschätzt? Wahrscheinlich ist es in erster Linie ein Misserfolg der türkischen Außenpolitik, aber hatten Sie vorher Ihre Meinung der Türkei mitgeteilt?

Schäfer: Ich glaube, die Risiken und Gefahren, die aus einem inzwischen dreieinhalbjährigen Bürgerkrieg in Syrien erwachsen, unterschätzt niemand - weder in der Bundesregierung noch in Europa noch in der Türkei noch sonst wo. Wir verfolgen seit einiger Zeit mit großer Sorge Art, Ausmaß und Qualität der Kämpfe innerhalb dieses syrischen Bürgerkrieges, an denen - wie auch öffentlich bekannt - eine ganze Reihe von islamistischen, extremistischen Gruppen unterschiedlicher Couleur, darunter auch ISIL, teilgenommen haben. Es war immer Teil des Kalküls und auch ein Teil der Gefahrenanalyse - darauf ist im Übrigen auch öffentlich immer wieder hingewiesen worden -, dass der Bürgerkrieg in Syrien flächenbrandartig das Risiko in sich birgt, weit über die Grenzen Syriens hinaus in andere Nachbarstaaten hineingetragen zu werden. Dabei ging es immer um Libanon, um Jordanien, aber auch um den Irak. Dieses Szenario ist jetzt bedauerlicherweise eingetreten.

Jetzt ist es an uns, an der internationalen Gemeinschaft, ausdrücklich unter Einschluss der türkischen Regierung mit dieser Situation umzugehen, sie einzudämmen und im besten Falle jedenfalls mittelfristig dafür Lösungsansätze zu finden. Ich möchte noch einmal bekräftigen, dass wir für den Irak in erster Linie die irakischen Sicherheitskräfte und die irakische Regierung in der Verantwortung sehen.

Wenn Sie die Türkei ansprechen, ist das für mich eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass der Bundesaußenminister am Freitag und Samstag nach Istanbul reisen wird, um dort mit seinem türkischen Amtskollegen Ahmed Davutoglu den sogenannten deutsch-türkischen strategischen Dialog führen. Das ist ein neues Instrument der engen politischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei. Genau für diese Art von Konflikten ist dieser strategische Dialog gedacht. Es kommen in Istanbul mit unseren türkischen Partnern all die Themen auf dem Tisch, über die wir sprechen müssen. Dazu gehört natürlich der Bürgerkrieg in Syrien, dazu gehört natürlich auch die Eskalation der Ereignisse im Irak.

Frage: Herr Schäfer, ich wollte noch einmal auf das zurückkommen, was Sie über die Nukleargespräche gesagt haben. Sehen Sie Fortschritte bei den Nukleargesprächen als Voraussetzung für tiefgehende Gespräche zwischen Deutschland, den USA und Iran im Falle des Irak?

Separate Frage: Es gibt Medienberichte, wonach den irakischen Behörden Datensätze mit Hunderten von Namen von ISIL-Kämpfern in die Hände gefallen sind. Haben Sie Bestrebungen, diese auch zu erhalten, weil man davon ausgehen könnte, dass darunter Namen von diesen 320 deutschen Kämpfern sind?

Schäfer: Zu Ihrer letzten Frage: Ich habe das, genau wie Sie, mit Interesse in den Medien verfolgt. Ich bin sicher, dass es auch innerhalb Europas Interesse daran gibt, über solche Informationen zu verfügen. Wenn ich die Agenturen richtig gelesen habe, sind die Quellen für diese Informationen innerhalb der Europäischen Union verortet, nämlich in Großbritannien. Ich bin aber nicht sicher; das habe ich gelesen, kurz bevor ich hierhergekommen bin. Wir müssen einfach weiter abwarten, ob diese Informationen über die Daten, die angefallen sind, wirklich ernsthaft und belastbar sind.

Zu Ihrer ersten Frage: Es ist nicht an der Bundesregierung - und schon gar nicht an mir -, hier irgendwelche Voraussetzungen für irgendetwas zu definieren, was möglicherweise oder auch nicht zwischen Teheran und Washington besprochen wird. Das ist nicht unsere Aufgabe und auch nicht unsere Rolle. Aber was die Krisen-Trias des Mittleren Ostens angeht - das iranische Atomprogramm, der Bürgerkrieg in Syrien beziehungsweise inzwischen über die Grenzen Syriens hinaus und der Nahost-Friedensprozess - , so beinhaltet jede für sich genommen extrem komplizierte Sachverhalte, an denen die internationale Gemeinschaft zum Teil schon Jahrzehnte arbeitet, ohne dass es zu einem Durchbruch gekommen wäre.

Sie sollen und können im Grunde eins zu eins voneinander getrennt gelöst werden. Aber es ist ja völlig offensichtlich, dass Außenpolitik und die Verhältnisse, die Probleme in einer Region intrinsisch, geradezu unentrinnbar, miteinander auf das Engste verwoben und verbunden sind. Deshalb ist es intellektuell möglich, verschiedene Probleme und Konfliktlagen voneinander zu trennen. In der Praxis wird das natürlich nicht gelingen. Man muss versuchen, Teufelskreise, bei denen das eine Dossier das andere mit herunterzieht, zu vermeiden und das genaue Gegenteil zu erreichen, dass Fortschritte in dem einen Bereich - sagen wir bei dem iranischen Atomprogramm - auch Vorteile und Fortschritte bei den anderen wichtigen Dossiers im Mitteln Osten mit sich bringen. Aber wir haben es mit einer ganz komplizierten, extrem komplexen Gemengelage zu tun. Wir bemühen uns nach Kräften, einen Beitrag dazu zu leisten, die Probleme irgendwie im Griff zu behalten.

Frage: Ich will die Komplexität jetzt nicht einfacher machen, Herr Schäfer. ISIS ist ja eine Namenserweiterung von ISI. Das heißt, wenn Sie sagen "Da ist ein Konflikt von Syrien in den Irak übergeschwappt", dann ist die Geschichte ja eigentlich eine andere. ISI ist in den Jahren, in denen sich die Sunniten an den Rand gedrängt fühlten, mit Unterstützung aus Katar, aus anderen Golfstaaten gefördert worden, ist dann durch diese "Awakening Councils" militärisch zurückgedrängt worden, hat sich von dort aus nach Syrien ausgedehnt und ist jetzt wieder in den Irak zurückgekommen. Der Konflikt ist also älter, die Rolle von ISIS ist älter, auch die Rolle der Regionalstaaten ist älter. Das heißt, wenn man sich diese Gesamtanalyse mit den Beteiligten anschaut, muss das nicht eine viel grundsätzlichere Revision und Kritik dessen, was da in den letzten zehn Jahren gelaufen ist, mit beinhalten, wenn man jetzt nicht - da komme ich immer wieder auf meinen Punkt zurück - in Aktionismus verfallen und den Teufel mit dem Beelzebub austreiben will?

Schäfer: Ich glaube, wir sind hier nicht in einem politikwissenschaftlichen Proseminar, in dem wir versuchen, gemeinsam herauszufinden, wer am meisten Schuld bei der vertrackten Lage im Mittleren Osten auf seine Schultern geladen hat. Manche fangen dabei vor ungefähr 2.000 Jahren an und versuchen, seither die Verantwortlichkeiten unterschiedlich zu interpretieren. Ich glaube, unsere Aufgabe ist es, jetzt die Lage so, wie wir sie vorzufinden, herzunehmen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen für eine mögliche Verbesserung abzuleiten.

Sie haben recht, Herr Henze: Wenn es so wäre, dass der Bürgerkrieg in Syrien in Ihrer Lesart auch irgendwie Aspekte eines Stellvertreterkrieges hat, wo Söldner, Kämpfer in Stellung gebracht werden, die von außen finanzielle, logistische Unterstützung mit Waffen genießen, dann muss es unser Ziel sein, genau das anderswo zu verhindern. Dazu ist es erforderlich, dass es eine klare, geschlossene und gemeinschaftliche Linie der internationalen Gemeinschaft zu diesem Problem gibt.

Da komme ich wieder auf die eingans zitierte Bemerkung des Außenministers in seinem gestrigen Interview zurück. Es ist aus unserer Sicht im Interesse alle regionalen Spieler - ich wiederhole: wir schließen dabei den Iran, aber auch die großen Golfmonarchien sowie alle anderen, auch Russland oder etwa Europa und die Vereinigten Staaten, mit ein -, dass das nicht zu einem Riesengebiet wird, in dem Stellvertreterkriege ausgetragen werden, in dem staatliche Autorität total erodiert und das dann mittelfristig wieder zu einem Rückzugsort für den internationalen Terrorismus werden kann. Dazu ist es erforderlich, dass alle an einem Strang ziehen. Sie können versichert sein, dass wir alles in unsere Macht Stehende tun werden, genau diesem Ziel zu dienen. Aber es braucht das Mitspiel und die Bereitschaft von ganz vielen. Vielleicht ist in der Tat das, was wir in den letzten Tagen mit dem Vormarsch von ISIL erlebt haben: eine Art Weckruf für alle Beteiligten, dass es doch nicht im Sinne des Erfinders sein kann, dass wir über die Grenzen Syriens hinaus eine Situation haben, die von niemandem mehr kontrolliert werden kann.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, ich habe überhaupt kein akademisches Interesse an der Frage - weder in Form eines Proseminars noch Oberseminars -, sondern mir geht es um die Frage, dass sich Fehler nicht wiederholen, wenn wir im Moment, während wir noch analysieren, erleben, dass Zehntausende von schiitischen Kämpfern mobilisiert werden. Wenn die in sunnitisches Gebiet vorrücken und nicht nur ihre eigenen Territorien verteidigen, was wir eben beschrieben haben, haben wir genau diese Eskalation, über die wir gerade reden. Die Frage ist: Wenn sie von außen bewaffnet werden - darauf deutet im Moment vieles hin -, erleben wir dann nicht genau Fehler, die wir vor sechs oder zehn Jahren mit dem Entstehen von ISI aus anderen regionalen Staaten schon einmal mit allen verheerenden Folgen erlebt haben?

Schäfer: Ich würde Sie bitten, dass Sie sich die Frage, die Sie da stellen, am besten selbst beantworten. Ich möchte dazu einfach noch einmal sagen: Ja, wir rufen die Verantwortlichen im Irak auf - das fängt bei der Regierung an, deren Mandat mit den Parlamentswahlen abgelaufen ist und deren Ziel es jetzt ist, eine neue Regierung zusammenzustellen, bezieht sich aber auch auf allen anderen politisch, gesellschaftlich und ökonomisch Verantwortlichen im Land -, die Gemeinschaft, den Staat Irak über Partikularinteressen zu stellen, eine Regierung auf die Beine zu bringen, die gleichzeitig handlungsfähig und in der Lage ist, die Sicherheitskräfte im Lande so anzuleiten, dass wir eine Situation bekommen, in der der Zentralstaat Kontrolle über sein Hoheitsgebiet behalten kann.

Frage: Eine hoffentlich einfach zu beantwortende Frage an Herrn Schäfer und Herr Dünow: Wir haben letzte Woche noch den Rüstungsexportbericht 2013 gesehen. Gibt es nun konkrete Schlussfolgerungen aus den Krisen, dass man nicht mehr an bestimmte Länder liefert? Gibt es konkrete Maßnahmen, die getroffen wurden, respektive Überlegungen in diese Richtung, dass man eventuell die Golfstaaten nicht weiter beliefert?

Dünow: Nein, es gibt dazu keine grundsätzlich neuen Überlegungen. Sie wissen, dass jede Rüstungsexportentscheidung eine Einzelfallentscheidung ist.

Frage : Herr Schäfer, noch einmal zum Iran und Deutschland. Es gibt Meldungen, dass Al-Quds-Brigadekämpfer, also Spezialkämpfer für Auslandseinsätze der Revolutionsgarden, bereits im Irak seien. Wie bewertet das Auswärtige Amt diese Meldung? Ist das etwas Positives in Ihrem Sinne oder eher kritisch zu betrachten?

Schäfer: Sie stellen eine hypothetische Frage. Ich kenne die Medienberichte; ich kann sie aber mit eigenen Erkenntnissen der Bundesregierung nicht unterlegen. Insofern möchte ich mich mit einem Urteil zurückhalten.

Der Irak ist ein souveräner Staat. Als solcher sollte er in der Lage sein, wenn denn das passiert, was wir uns vorstellen - darüber haben wir mehrfach gesprochen -, seine Sicherheitsherausforderungen selber in den Griff zu bekommen.

Frage : Eine Frage an den Regierungssprecher oder an das zuständige Ministerium. Laut einem Bericht der griechischen Zeitung "Ta Nea" vom Wochenende hat der Bundesnachrichtendienst Daten von Telefongesprächen und E-Mail-Transfers aus Griechenland durch die Zentralstelle in Frankfurt überwacht, gesammelt und ausgewertet, und zwar mindestens seit 2010. Die drei größten griechischen Anbieter sind vertraglich mit diesem zentralen Knotenpunkt gebunden, auf den der BND Zugriff hat. Die Frage ist nun, ob die Bundesregierung in irgendeiner Art und Weise Kenntnis davon hat. Wie bewertet die Bundesregierung einen Fall, in dem Deutschland nicht als Opfer von Überwachung, sondern durch den BND als Täter dasteht?

SRS Streiter: Da stimmt leider schon die Basis nicht, denn diese Pressemeldung bezieht sich auf interne Dokumente des Bundesnachrichtendienstes, die in ein kürzlich, vor dem Bundesverwaltungsgericht abgeschlossenes Verfahren eingeführt worden waren. Es gab also Unterlagen, die der BND in dieses Verfahren eingeführt hat. Die Erwähnung bestimmter Staaten in diesen Dokumenten bedeutet keineswegs, dass diese ein Aufklärungsziel des Bundenachrichtendienstes sind, sondern die Auflistung trägt den Vorgaben von 10 Abs. 4 des G10-Gesetzes Rechnung. Das heißt, diese Liste, die dort erwähnt wird, beschreibt lediglich Gebiete, durch die nachrichtendienstlich relevante Telekommunikationsverkehre laufen können, beschreibt jedoch nicht die Aufklärungsziele des BND. Die Grundlage des ganzen Berichts stimmt also schon nicht.

Zusatzfrage: Dann eine grundsätzliche Frage: Wäre es ein Unterschied, wenn die NSA zum Beispiel das Mobiltelefon der Kanzlerin abhören würde oder wenn der BND Telefonate und E-Mails aus einem verbündeten Land überwachen und auswerten würde?

SRS Streiter: Ich hatte gerade versucht, Ihnen darzustellen, dass dies gar nicht der Fall ist, sondern es geht um Telekommunikationsverkehre, die zufälligerweise durch ein Land laufen; sie laufen aber durch viele Länder. Wie gesagt, das ist so, wie dargestellt, nicht zutreffend.

Zusatzfrage: Herr Schäfer, haben Sie im Auswärtigen Amt eine Anfrage vom griechischen Außenministerium mit der Bitte um nähere Informationen diesbezüglich bekommen?

Schäfer: Ich habe durchaus vernommen, dass das griechische Außenministerium so etwas angekündigt oder verkündet hat. Ich habe extra noch einmal, bevor ich zu Ihnen gekommen bin, Rückfrage gehalten und kann Ihnen deshalb guten Gewissens Stand 11.30 Uhr sagen: Eine förmliche Bitte oder eine Anfrage der griechischen Regierung gegenüber dem Auswärtigen Amt oder der deutschen Botschaft in Athen hat es bisher nicht gegeben.

Frage: Herr Streiter, vielleicht können wir damit die Debatte abkürzen: Ist Griechenland Gegenstand von Aufklärungsmaßnahmen des BND?

SRS Streiter: Ich kann mich nur auf das beziehen, was berichtet worden ist. Es ist dort aus einem Dokument zitiert worden, das in einen Prozess eingeführt worden ist, der mittlerweile übrigens eingestellt worden ist. Es ist ganz klar: Die Liste, die dort vorgelegt wurde, beschreibt nicht Aufklärungsziele des BND.

Frage: Auch eine Frage zum BND, allerdings nicht zu Griechenland, sondern zu der aktuellen Berichterstattung des "Spiegel" an Herrn Streiter. Es wird zunächst ausführlich über die Zusammenarbeit mit befreundeten Diensten, namentlich der NSA, berichtet und in diesem Zusammenhang angezweifelt, dass sich der BND immer an die Gesetzesgrundlage hält. Ähnliche Zweifel haben führende Verfassungsrechtlicher vor einigen Wochen in einer öffentlichen Anhörung - so kann man es in dem Fall ja sagen - des NSA- Untersuchungsausschusses geäußert. Meine Frage: Kann die Bundesregierung ausschließen, dass der BND bei dieser Art von Zusammenarbeit gegen Gesetze verstößt oder in der Vergangenheit verstoßen hat?

SRS Streiter: Das sehe ich so. Der BND hat den gesetzlichen Auftrag, zur Gewinnung von Erkenntnissen über das Ausland, die von außen- und sicherheitspolitischer Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland sind, die hierzu erforderlichen Informationen zu sammeln. Dabei unterliegen der BND und seine Arbeit der parlamentarischen Kontrolle, die auch ausgeübt wird. Im Zeitalter der Globalisierung muss der BND selbstverständlich mit Partnerdiensten weltweit zusammenarbeiten; dies ist für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger unerlässlich. Im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags arbeitet der BND seit Jahrzehnten auch mit der NSA zusammen.

Grundsätzlich gilt natürlich, dass der BND zu Aspekten seiner operativen Arbeit ausschließlich der Bundesregierung und den zuständigen, im Übrigen geheim tagenden Gremien des Deutschen Bundestages berichtet.

Zu Einzelheiten kann im Übrigen aus Respekt vor der Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht Stellung genommen werden. Selbstverständlich bewegt sich der BND immer auf dem Boden von Recht und Gesetz und teilt im Übrigen auch die von diesen Professoren teilweise geübte Kritik nicht; dazu hat der BND ja auch schon Stellung genommen.

Zusatzfrage: Ich kenne den Gesetzestext auch. Meine Frage war ja nicht die nach Inhalten, sondern die Frage war, ob Sie das ausschließen. Ich kann es auch umgekehrt fragen: Können Sie bestätigen, dass sich der BND bei der Zusammenarbeit in der Gegenwart immer daran hält beziehungsweise in der Vergangenheit immer daran gehalten hat?

SRS Streiter: Selbstverständlich.

Frage: Herr Streiter, Herr Dünow, Sie hatten vor anderthalb Monaten die Gespräche zwischen Siemens und Alstom begrüßt. Mittlerweile sieht es so aus, dass Siemens die Gasturbine von Alstom kaufen möchte, dass Mitsubishi die Dampfturbine übernehmen würde und es keinen Zusammenschluss bei den Zügen gibt. Wie schätzen Sie das ein?

Herr Dünow, war das auch ein Thema bei dem Treffen mit Herrn Montebourg heute in Toulouse?

SRS Streiter: Ich kann mich nur sehr allgemein dazu äußern und sagen, dass die Verhandlungen zu einer möglichen industriellen Kooperation zwischen der Siemens AG und dem Alstom-Konzern und die Entscheidung über ein Angebot natürlich in der Verantwortung des Unternehmens liegen. Selbstverständlich begrüßt die Bundesregierung Lösungen, die geeignet sind, die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit an den Standorten in Deutschland und auch anderen Stellen in Europa zu stärken.

Das ist unsere Haltung dazu. Zu Details kann ich nichts sagen, aber vielleicht Herr Dünow.

Dünow: Ich kann mich dem, was Herr Streiter gesagt hat, nur anschließen.

Zu der Frage, ob das heute Vormittag ein Thema war: Ich würde Ihnen die Frage gerne beantworten, sitze allerdings seit geraumer Zeit hier in der Regierungspressekonferenz und hatte noch keine Gelegenheit, mit dem Minister zu sprechen.

Vorsitzender Mayntz: Dann könnten Sie das im Laufe des Mittags noch nachliefern.

Frage : Herr Dünow, wenn Sie eh noch etwas nachliefern müssen, dann könnten Sie vielleicht noch etwas anderes nachliefern: Inwiefern ist die Tatsache, dass sich womöglich Frankreich an diesem Deal an Alstom oder auch an Teilen von Alstom im Rahmen dieses gesamten Handels beteiligt, für die Bundesregierung Anlass, Überlegungen anzustellen, sich in irgendeiner Weise staatlich an einem Teil, am Ganzen oder wie auch immer zu beteiligen?

Dünow: Ich glaube, das brauche ich gar nicht nachzuliefern und kann sagen: Nein.

Frage: Ich komme zu einem ganz anderen Thema, nämlich Fußball. Heute steigt Deutschland endlich in die Fußball-Weltmeisterschaft ein. Ich wollte wissen, ob es Public Viewing in Ihren Ministerien gibt, ob Sie gemeinschaftlich schauen. Ich habe gehört, dass es zum Beispiel im Bundesjustizministerium schon ein gemeinschaftliches Tippspiel gibt. Können Sie sich einfach melden, wenn jemand gemeinschaftlich etwas organisiert? Das fände ich interessant.

Küchen: Ehrlich gesagt, muss ich passen. Ich weiß von einem Tippspiel, von Public Viewing ist mir bis jetzt noch nichts zu Ohren gekommen. Ich müsste das nachreichen; tut mir leid.

Dünow: Es geht mir ähnlich.

Kothé: Bei uns gibt es viele Fußballbegeisterte, inklusive dem Minister, aber kein Public Viewing.

Gerhartz: Was die Tippspiele angeht, bin ich mir ziemlich sicher, dass sie quer durch das Ministerium laufen. Public Viewing ist bei den Uhrzeiten nicht so die Frage, wenn wir auf die Spielanstöße schauen. Ich denke, dass bei uns die Leute alle so rechtzeitig herauskommen, dass sie Public Viewing an den (akustisch unverständlich).

Schäfer: Ich weiß nicht, ob ich das guten Gewissens für das Auswärtige Amt angesichts der Krisenlage sagen kann; jedenfalls ist für heute nichts Konkretes geplant. Wir bewahren uns gewissermaßen diese Art von Maßnahmen für die wirklich wichtigen Spiele auf.

SRS Streiter: Ich hoffe auch, rechtzeitig wegzukommen. Um 17 Uhr beginnt aber eine Sitzung, von der ich nicht weiß, wann sie endet. Ich habe die Ahnung, dass sie um 17.45 Uhr zu Ende ist.

Dimroth: Ich gehe davon aus, dass in dem für den Sport zuständigen Ministerium die Mitarbeiter möglichst weitreichend die Gelegenheit haben werden, das Spiel anzuschauen. Für heute ist aber auch kein Public Viewing oder Ähnliches geplant.

Zimmermann: Es gibt, wie Sie schon sagten, diverse Tipprunden bei uns im Bundesjustizministerium, unter anderem auch eine in der Leitungsebene. Wir veröffentlichen aber keine aktuellen Tabellenstände. Was Public Viewing anbelangt, ist es so, dass wir uns im Zweifel kurzfristig kurzschließen, wer wo wie schaut.

Klaus: Ich kann sagen, dass der Minister vor einiger Zeit alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hier in Berlin zu uns in den Presseraum eingeladen hat und heute Abend ab 18 Uhr gemeinsam Fußball geschaut wird.

Rudolph: Im Verkehrsministerium gibt es Tippspiele, auch in der Leitungsebene, Public Viewing heute zum Deutschlandspiel nicht.

Mänz: In Berlin gibt es definitiv kein Public Viewing. Für Bonn, den ersten Dienstsitz des BMZ, kann ich sagen, dass der Minister in jedem Fall noch bis um 18 Uhr Termine hat, aber selbstverständlich das Spiel schauen möchte. Mein letzter Stand ist, dass es dort in irgendeiner Form ein Angebot geben soll. Ob sich dann auch Mitarbeiter einfinden, kann ich bis zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.

Teschke: Für meinen Minister kann ich mitteilen, dass er Vorsorge getroffen hat, dass er rechtzeitig heute wieder vom Agrarrat aus Luxemburg zurückkehrt, um das Spiel zu sehen. Es gibt Tippspiele im Ministerium; ich bin auch daran beteiligt. Ansonsten gilt natürlich gerade vom Ernährungsministerium der wichtige Hinweis, sich gesund zu ernähren und deswegen beim Spiel Obst zu sich zu nehmen.

Fischer: Auch wenn wir bei Bildung und Forschung die längerfristigen Themen im Blick haben, kann ich nicht ausschließen, dass in unserem Haus auch Tipprunden stattfinden. Was Public Viewing offiziell angeht, ist mir nichts bekannt.

Herb: Tippen tun wir auch, und zwar, glaube ich, über sämtliche Ebenen hinweg. Public Viewing ist für heute nicht offiziell angekündigt, aber es wird so sein, dass die Leute, die es nicht rechtzeitig schaffen, sich sicherlich in ihren Büros zusammenrotten werden, um gemeinsam zu jubeln.

Frage: Eine Frage an Wirtschafts- und Finanzministerium. Herr Gabriel hat in Toulouse gesagt, dass es einen deutsch-französischen Vorschlag geben soll, dass die Kosten für Reformen aus der Defizitberechnung herausgenommen werden sollen. Soll dieser Vorschlag im Wirtschaftsministerium erarbeitet werden? Wie steht das Bundesfinanzministerium dazu?

Dünow: Vielleicht kann ich anfangen. Es gilt inhaltlich das Gleiche, was ich eben gesagt habe: Ich würde Ihnen die Frage gerne beantworten, ich hatte aber, wie gesagt, in den letzten 90 Minuten noch keine Gelegenheit, mit meinem Minister das Gespräch zu diesem Thema und anderen Themen zu suchen.

Frage: Zu diesem Thema hätte ich gerne eine Reaktion von Frau Kothé. Wäre das Bundesfinanzministerium mit diesem Vorschlag einverstanden?

Kothé: Da Herr Dünow ja gerade gesagt hat, dass wir gar nicht die genauen Äußerungen kennen beziehungsweise nicht wissen, was genau gesagt worden ist, denke ich, dass wir abwarten, bevor wir das kommentieren.

Frage: Gibt es zumindest Überlegungen beim Wirtschafts- oder Finanzministerium, diese Regeln neu zu interpretieren?

Kothé: Ich kann Ihnen ganz allgemein sagen: Wir sind der Auffassung - in einem anderen Kontext haben wir das auch schon häufiger gesagt -, dass der Stabilitätspakt schon heute genug Flexibilität bietet; er heißt ja auch Stabilitäts- und Wachstumspakt. Das ist an der Stelle vielleicht genug dazu.

Frage : Eine Frage an Wirtschafts- oder Umweltministerium zum Thema Fracking. Heute wird in Mecklenburg-Vorpommern, und zwar in Saal, ein großes Projekt gestartet. Ich hätte gerne gewusst, ob die Ministerien involviert sind, und zwar vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags, der erstens aussagt: Wir wollen Fracking erst einmal prüfen, bevor wir bohren. Zweitens wird im Koalitionsvertrag angeregt, einen Prozess zu starten, an dem sich Wirtschaft, Unternehmen und Politik beteiligen, um die Gefahren des Frackings zu untersuchen. Trotzdem wird heute in Mecklenburg-Vorpommern schon gebohrt. Vielleicht können Sie das kurz für mich einordnen. - Danke!

Dünow: Das kann ich ganz kurz versuchen. Ich glaube, es wird über den Daumen gepeilt seit 30 Jahren in Deutschland gefrackt. Es gibt diese berühmte Differenzierung zwischen konventionelles und unkonventionelles Fracking. Das konventionelle Fracking wird seit vielen Jahren praktiziert. Die Genehmigung für solche Vorhaben liegt in den Händen der zuständigen Landesbehörden. Die Debatte, die wir auf Bundesebene führen, ist die über eine Verschärfung der Genehmigungsvoraussetzungen für das unkonventionelle Fracking; ich unterstreiche das Wort "unkonventionell" ganz dick.

Die Debatte wird geführt. Wir sind als Wirtschaftsministerium in enger Abstimmung mit dem Umweltministerium, um in dem jeweiligen Zuständigkeitsbereich das Ganze voranzutreiben. Die Gespräche laufen.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 16. Juni 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/06/2014-06-16-regpk.html;jsessionid=34C0BAF1D29C726D66486CC4DC78C938.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juni 2014