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PRESSEKONFERENZ/886: Regierungspressekonferenz vom 7. November 2014 (BPA)




Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz Freitag, 7. November 2014
Regierungspressekonferenz vom 7. November 2014

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Mauerfalls, Reise nach Neuseeland und zum G20-Gipfel in Australien, Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes an die Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, Gespräch mit Michail Gorbatschow, Empfang des Vorsitzenden der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung, 7. Branchentag des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Empfang des pakistanischen Ministerpräsidenten, Kabinettssitzung, Übergabe des Jahresgutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung), Reise des Bundesaußenministers nach Kasachstan, zusätzliche Investitionen der Bundesregierung, Budgetnachforderungen der EU-Kommission, Lage in Jerusalem/Nahost-Friedensprozess, mögliche Nato-Großmanöver in Osteuropa, Lokführer-Streik, deutsche Exporte in den Iran/iranisches Atomprogramm, Aufgabe der Pläne von Fresenius für ein Joint Venture in Russland

Sprecher: SRS'in Wirtz, Schäfer (AA), Jäger (BMF), Moiteaux (BMWi), Niggemeier-Groben (BMVg), Ehrentraut (BMAS)

Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'IN WIRTZ sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal zu den Terminen der Bundeskanzlerin: Das Wochenende wird ganz im Zeichen des 25. Jahrestages des Mauerfalls stehen. Was die Bundeskanzlerin in diesem Zusammenhang plant, hat Herr Streiter Ihnen hier schon am vergangenen Freitag angekündigt. Deshalb mache ich es ganz kurz:

Am Samstagabend wird sie um 19 Uhr am Eröffnungsempfang der Falling Walls Conference in der Neuen Nationalgalerie teilnehmen und bei dieser Gelegenheit auch eine kurze Rede halten. Anschließend wird sie das Festkonzert im Berliner Ensemble mit Wolf Biermann und dem Zentralquartett besuchen. Beginn wird um 20 Uhr sein, und es wird ein kurzes Grußwort der Kanzlerin geben.

Am Sonntagmorgen wird sie dann von 10 Uhr bis ca. 12.30 Uhr an der zentralen Gedenkveranstaltung in der Gedenkstätte Berliner Mauer zusammen mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters teilnehmen. Die Rede der Kanzlerin ist für 11.20 Uhr angesetzt. Dann wird sie auch die neue Dauerausstellung "1961 - 1989. Die Berliner Mauer" im umgebauten Dokumentationszentrum der Gedenkstätte eröffnen.

Am Nachmittag wird sie dann am Festakt des Landes Berlin zum 25. Jahrestag teilnehmen. Die Veranstaltung findet im Konzerthaus am Gendarmenmarkt statt und beginnt um 16 Uhr.

Schließlich wird - das ist auch eine Werbung in eigener Sache - krönender Abschluss dieses Tages das Bürgerfest sein, das unter dem Motto "Mut zur Freiheit" steht. Dieses Fest führt die Bundesregierung in Zusammenarbeit mit dem Land Berlin durch. Das Fest wird am Sonntag um 12 Uhr mit einer öffentlichen Probe der Staatskapelle Berlin mit Daniel Barenboim beginnen. Dann wird es um 14 Uhr zum Nachmittagsprogramm kommen. Höhepunkt des Nachmittagsprogramms wird sicherlich um 16.45 Uhr das Gespräch mit den beiden Bundesministerinnen Wanka und Schwesig sein, die über ihre Erfahrungen am Tag des Mauerfalls und der Wiedervereinigung sprechen werden. Die Bundeskanzlerin selbst wird ab ca. 17.30 Uhr vor Ort sein. Um 18 Uhr geht es dann richtig mit dem Abendprogramm los. Wir haben für diesen Abend Peter Gabriel, Die Fantastischen Vier, Clueso und Udo Lindenberg gewinnen können. Wir haben auch darüber schon ausführlich informiert, und ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen, Sie noch einmal alle einzuladen und auch kräftig Werbung für dieses Fest zu machen.

Am Montag geht es weiter: Die Reise der Bundeskanzlerin nach Neuseeland und Australien wirft ihre Schatten voraus. Es wird am Montag um 12 Uhr wie gewohnt ein Briefing hier in der BPK mit Herrn Seibert, Prof. Röller und Heusgen geben.

Die Bundeskanzlerin wird als Gast an der Verleihung des Silbernen Lorbeerblattes im Schloss Bellevue teilnehmen. Bundespräsident Gauck wird am Montag von 14 Uhr bis 16 Uhr die 23 Spieler der deutschen Fußball-Nationalmannschaft auszeichnen.

Um 18 Uhr wird die Bundeskanzlerin dann Michail Gorbatschow für ein Gespräch im Bundeskanzleramt empfangen. Sie können sich denken, dass sich auch das Gespräch mit Herrn Gorbatschow sicherlich um die Ereignisse vor 25 Jahren drehen wird.

Am Dienstag wird die Kanzlerin dann um 9.15 Uhr den Vorsitzenden der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung, Bill Gates, im Kanzleramt empfangen. Thema dieses Gesprächs wird das Engagement der Stiftung für globale Gesundheit sein. Es wird darum gehen, darüber zu sprechen, wie die Ausrichtung der Wiederauffüllungskonferenz der Impfallianz GAVI erfolgreich durchgeführt werden kann. Diese Konferenz wird am 27. Januar 2015 in Berlin stattfinden, und die Bundeskanzlerin hat die Schirmherrschaft für diese Veranstaltung übernommen. Außerdem wird es darum gehen, wie die Bundesregierung und diese Stiftung bei der Bekämpfung der Ebola-Epidemie erfolgreich zusammenarbeiten können. Es wird sicherlich auch darum gehen, wie die Gesundheitsthemen im Rahmen der deutschen G7-Präsidentschaft angegangen werden können.

Anschließend wird die Bundeskanzlerin am 7. Branchentag des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes teilnehmen. Sie wird dort um 11 Uhr eine Rede halte. Es wird in diesem Gespräch sicherlich darum gehen, die aktuellen Herausforderungen des Hotel- und Gastgewerbes zu besprechen.

Um 12.30 Uhr am Dienstag wird die Kanzlerin dann den pakistanischen Ministerpräsident Nawaz Sharif mit militärischen Ehren im Kanzleramt empfangen. Es wird ein Mittagessen geben. Bilaterale Beziehungen werden eine Rolle spielen. Dann wird es wie gewohnt um 13.45 Uhr eine Pressebegegnung im Kanzleramt geben.

Am Mittwoch wird wie gewohnt das Kabinett tagen. Es wird aber an diesem Mittwoch ungewohnterweise um 9 Uhr anstatt, wie sonst üblich, um 9.30 Uhr tagen.

Um 9.45 Uhr wird dann das Jahresgutachten des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung an die Kanzlerin übergeben werden. Die Übergabe erfolgt durch den Vorsitzenden, Prof. Christoph Schmidt.

Dann kommen wir zur Australien- und Neuseeland-Reise der Bundeskanzlerin, die vom 12. bis zum 17. November geplant ist:

Es wird am Donnerstag, dem 13. November, in Auckland in Neuseeland losgehen.

Am 14. November wird die Bundeskanzlerin dann morgens offiziell mit militärischen Ehren durch den Generalgouverneur Neuseelands, Herrn Jerry Mateparae, begrüßt werden, und es wird eine traditionelle Maori-Zeremonie geben. Danach folgt ein Gespräch mit Premierminister John Key. Themen werden sicherlich bilaterale Fragen sowie aktuelle wirtschafts- und regionalpolitische Fragen sein. Dann wird es eine Kranzniederlegung am Mahnmal für neuseeländische Kriegsgefallene geben. Anschließend werden die beiden Regierungschefs auf die Insel Motutapu reisen, und zwar wird es dort um ein Projekt zur Aufzucht des vom Aussterben bedrohten Kiwis gehen. Danach wird es eine Pressebegegnung geben. Am Nachmittag wird die Bundeskanzlerin dann eine Rede an der University of Auckland halten, und zwar zum Thema "Deutsche Innovations- und Forschungspolitik". Am frühen Abend wird sie mit deutschen Unternehmen sprechen und an dem Empfang der deutsch-neuseeländischen Handelskammer teilnehmen. Am Abend wird sie zum G20-Gipfel nach Brisbane weiterreisen.

Am 15. und 16. folgt dann der G20-Gipfel. Themen werden unter anderem das nachhaltige Wirtschaftswachstum und sicherlich auch die Regulierung der sogenannten Schattenbanken sein. Auch der Klimawandel steht auf der Tagesordnung.

Am 16. folgt der Weiterflug nach Sidney. Dort wird sie mit militärischen Ehren durch Premierminister Tony Abbott empfangen werden. Dann wird es ein Gespräch und anschließend eine Pressebegegnung geben.

Damit sind wir beim Montag, dem 17. November. Die Kanzlerin wird das nationale Forschungszentrum NICTA besichtigen und um 11 Uhr eine Rede halten, und zwar beim Lowy-Institut für internationale Politik. Am Nachmittag wird sie an dem Empfang der deutsch-australischen Handelskammer teilnehmen. Geplant sind außerdem Gespräche zu Fragen der Integration und der Situation der Aborigines in Australien.

Danach geht es nach Deutschland zurück. Wir erwarten die Kanzlerin am 18. November morgens hier in Berlin zurück.

Das war ein ausführlicher Blick in eine ereignisreiche Woche.

Frage: Ich habe ein kleine Frage: Vielleicht ist die Summe ja auch schon lange bekannt, aber wie teuer sind diese Feiern eigentlich insgesamt?

SRS'in Wirtz: Welche Feiern meinen Sie, das Bürgerfest?

Zusatzfrage: Ich meine die Feiern zu "25 Jahre Mauerfall".

SRS'in Wirtz: Die Kosten werden wir erst seriös beziffern können, wenn das Fest gewesen sein wird, also praktisch nach dem Fest.

Zuruf : Wie bei der deutschen Einheit!

SRS'in Wirtz: Wenn Sie diese Parallele ziehen wollen, dann sei Ihnen das unbenommen.

Frage: Frau Wirtz, ich habe eine Frage zum Treffen mit Michail Gorbatschow. Die Bundeskanzlerin hat ja wiederholt die Rolle Russlands bei der Wiedervereinigung Deutschlands gewürdigt. Wo stehen die deutsch-russischen Beziehungen heute, 25 Jahre nach dem Mauerfall?

SRS'in Wirtz: Die Bundeskanzlerin hat ihre Position. Es gibt ja nun genügend Anlass, über die Beziehungen zu Russland zu sprechen. Die Beziehungen zu Russland sind im Moment im Hinblick auf den Konflikt in der Ukraine durchaus sehr rege. Die Bundeskanzlerin steht auch in einem sehr engagierten Austausch mit dem russischen Präsidenten, und sie hat ihre Haltung in Bezug auf die Ukraine-Krise ja auch immer wieder deutlich gemacht. Ihr ist es wichtig, dass der Gesprächsfaden nicht abreißt und dass dieses Problem, das es dort gibt, auch konstruktiv gelöst wird.

Zusatzfrage : Altbundeskanzler Gerhard Schröder hat heute in einem Interview bedauert, dass es Europa nicht gelungen ist, Russland in eine Sicherheitsarchitektur einzubeziehen. Was kann Deutschland in dieser Hinsicht konkret machen, um das zu erleichtern?

SRS'in Wirtz: Es ist ja so, dass die Bundesregierung, wie ich gerade schon gesagt habe, in einem sehr engen Austausch mit Russland und der russischen Regierung steht und dass sie auch immer wieder versucht, sie auch immer wieder in diese Prozesse einzubinden und immer wieder auf bilateraler Ebene im Kontext der EU und auf europäischer Ebene die Kontakte zu pflegen und zu suchen. Das ist das, was die Bundesregierung bezüglich dieser Einbindung Russlands tut, und das nicht erst seit gestern, sondern auch schon seit einer ganzen Weile.

Frage: Frau Wirtz, ich habe eine Frage zu dem G20-Treffen, ohne das Briefing vorwegnehmen zu wollen: Ist ein Treffen mit Herrn Putin am Rande des G20-Treffens geplant? Das hatte ja auch bei dem EU-ASEAN-Treffen stattgefunden.

SRS'in Wirtz: Es ist ja üblich, dass die Kanzlerin solche Gelegenheiten auch nutzt, um bilaterale Gespräche zu führen. Das wird sicherlich auch im Rahmen des G20-Treffens der Fall sein. Welche bilateralen Gespräche sie dort führen wird, ist allerdings noch nicht entschieden.

Schäfer: Ich würde Ihnen gerne davon berichten, dass der Außenminister am Sonntagmorgen sehr früh zu einer Reise nach Zentralasien aufbrechen wird. Er wird dort bei seiner ersten Reise der zweiten Amtszeit Kasachstan besuchen und in die kasachische Hauptstadt Astana reisen. Kasachstan ist für uns und für Europa als Brücke zwischen Europa und Asien ein ganz wichtiger Partner. Kasachstan ist nicht nur mit Abstand unser größter Handelspartner in Zentralasien, Erdöllieferant und wichtiges Mitglied der Eurasischen Zollunion, sondern auch ein politischer Stabilitätsanker in der Region. Im kommenden Jahr steht eine Überprüfung der EU-Zentralasien-Strategie an, und dabei setzen wir auch auf Impulse, die aus Kasachstan kommen können. Auch das ist einer der Gründe dafür, dass Außenminister Steinmeier die Zusammenarbeit mit Kasachstan schätzt und am Sonntag und Montag entsprechende Gespräche führen wird.

Er wird mit dem kasachischen Staatspräsidenten Nasarbajew zusammentreffen. Er wird mit seinem Amtskollegen, dem kasachischen Außenminister Idrissov, und auch mit anderen Vertretern der kasachischen Regierung wie etwa dem Premierminister zusammentreffen. Er wird eine in Astana zu eröffnende Ausstellung "Streiflichter der Geschichte - Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme" besuchen und wird von einer großen und auch hochrangigen Wirtschaftsdelegation auf seiner Reise nach Astana begleitet werden.

Frage: Ich habe noch eine Frage an Frau Wirtz und an Herrn Jäger zu dem gestern von Herrn Schäuble verkündeten Investitionspaket. Können Sie noch einmal erklären, was genau jetzt diesen Kurswechsel der Kanzlerin ausgelöst hat, Frau Wirtz? Vorher lautete die Ansage ja im Grunde genommen immer, dass es keine zusätzlichen Investitionen geben solle.

An Herrn Jäger habe ich dieselbe Frage und die folgende Frage: Ist das denn indirekt auch ein Eingeständnis, dass die wirtschaftliche Lage jetzt doch so bedrohlich ist, dass sich die Regierung überlegt hat, noch einmal ein bisschen Geld vorzuschießen?

SRS'in Wirtz: Zunächst einmal würde ich das jetzt durchaus nicht als ein Krisenszenario bezeichnen wollen, sondern einfach einmal als eine positive Nachricht, die der Bundesfinanzminister gestern auch deutlich gemacht hat, nämlich dass es eben noch einmal Investitionen geben soll und sie geplant sind. Es ist allerdings nicht so, wie Sie es beschreiben, dass es da einen Kurswechsel gibt, sondern die Bundesregierung hat sich immer ganz klar zu dem Ziel der schwarzen Null bekannt und gleichzeitig aber auch das Thema der Investitionen ganz oben auf der Tagesordnung gehabt. Das können Sie schon sehen, wenn Sie in den Koalitionsvertrag schauen, in dem auch praktisch festgelegt ist, dass man eine Investitionsquote oberhalb des OECD-Durchschnittswertes erreichen möchte. Die Bundesregierung hat auch bereits verschiedene Investitionen mobilisiert: 7 Milliarden Euro, davon 5 Milliarden Euro für die Verkehrsinfrastruktur. Sie haben es eben angesprochen: Herr Schäuble hat gestern noch einmal angekündigt, diese Investitionsorientierung der Bundesregierung zu stärken, und diese 10 Milliarden Euro ins Gespräch gebracht.

Dazu, wie diese 10 Milliarden Euro eingesetzt werden und welche Schwerpunkte dabei gesetzt werden, gibt es verschiedene Vorschläge. Das ist auch gestern schon diskutiert worden. Aber das wird in einer ganz engen Abstimmung zwischen Kanzleramt, BMF und BMWi innerhalb der Bundesregierung abgestimmt werden.

Zusatzfrage: Geht diese Idee jetzt eigentlich auf eine Initiative der Kanzlerin zurück, oder ist das eine Idee von Herrn Schäuble gewesen?

SRS'in Wirtz: Das ist eine Maßnahme der Bundesregierung, und diese Überlegungen sind innerhalb der Bundesregierung gut abgestimmt.

Jäger: Ich kann das gerne ergänzen. Es ist genau so, wie Frau Wirtz sagte: Das ist eine Initiative der Bundesregierung, die mit den Beteiligten eng abgestimmt ist. Sie haben das Wort vom Kurswechsel genannt. Das ist so sicherlich nicht zutreffend. Ich muss hier keine Leseempfehlungen aussprechen, aber wenn Sie sich die letzten Interviews des Bundesfinanzministers anschauen, dann werden Sie fast durchgängig Hinweise darauf finden, dass wir die Investitionstätigkeit in Deutschland weiter steigern müssen. Wir haben im Koalitionsvertrag im Rahmen der prioritären Maßnahmen schon einige Vorkehrungen dafür getroffen, diese Investitionen massiv hochzufahren. Wir sind der Auffassung, dass man mehr tun kann und dass das, was die Zukunftssicherung in diesem Land angeht, eine notwendige Maßnahme ist. Weil wir aber solide Leute sind, haben wir die Steuerschätzung abgewartet, um verlässliches Datenmaterial zu haben. Auf dieser Basis können wir jetzt sagen, dass wir in der Lage sein werden, bis einschließlich 2018 zusätzlich zu dem, was im Koalitionsvertrag schon in den prioritären Maßnahmen genannt worden ist, weitere Mittel in der Größenordnung von 10 Milliarden Euro auf den Weg zu bringen, um Investitionen hier in Deutschland zu tätigen.

Zusatzfrage: Herr Jäger, ist das denn in Sachen Investitionen jetzt aber auch wirklich das letzte Wort gewesen, oder würden Sie sich jetzt noch Optionen offenhalten und sagen "Jetzt schauen wir einfach einmal weiter, und wenn es die Situation erfordert, würden wir notfalls noch einmal nachlegen"?

Jäger: Da haben wir gleich das nächste Missverständnis: Wir reden hier von einer Investitionsoffensive. Wir reden nicht - ich sage es noch einmal - von einem Konjunkturprogramm. Schauen Sie sich die Maßnahmen an: Wir werden nächstes Jahr im Frühjahr im Zuge der Haushaltsaufstellung 2016 und der Diskussion über die Eckwerte für die Finanzplanung darüber reden, wie wir den Haushalt 2016 und die danach folgenden Haushalte gestalten. Das heißt, es geht jetzt nicht darum, hier kurzfristig eine Art konjunkturelles Strohfeuer zu zünden, sondern wir denken und handeln langfristig. Insofern ist die Prämisse, die Sie in Ihrer Frage annehmen, nicht zutreffend.

Ich will noch eines ergänzen, denn ich hatte das Gefühl, dass der eine oder andere Kommentator zwar gestern nicht bei unserer Pressekonferenz anwesend war, sie aber dennoch kommentiert hat, und zwar insofern, als ich an der einen oder anderen Stelle gelesen habe, diese zusätzlichen Investitionen würden über neue Schulden finanziert werden. Das ist kompletter Unfug. Es ist gestern sehr deutlich gesagt worden - ich glaube, in wirklich nicht zu überbietender Klarheit -, dass wir am Ziel des ausgeglichenen Haushalts festhalten, dass wir fest davon ausgehen, dass wir dieses Ziel 2015 erreichen werden, und dass diese Zielvorgabe auch für die folgenden Jahre gelten wird. Das heißt, wir werden zusätzliche Investitionen tätigen, aber wir werden dafür keine Schulden aufnehmen.

Frage: Der Minister erwartet einen großen "Leverage"-Effekt. Was für ein Investitionsvolumen von Privatinvestoren erwarten Sie?

Es gibt parallel dazu Gespräche dieser Fratzscher-Kommission im Wirtschaftsministerium und auch Gespräche mit Frankreich zwischen Sapin und Schäuble. Sollen diese Gespräche dazu führen, dass zusätzlich zu den 10 Milliarden Euro neue Investitionen kommen könnten, oder sprechen wir von zwei verschiedenen Dingen?

Jäger: Nein, wir sprechen nicht von zwei verschiedenen Dingen. Ich beginne mit Ihrer zweiten Frage: Es gibt eine Reihe von Aktivitäten. Sie haben den Beirat im Bundeswirtschaftsministerium genannt, in dem wir übrigens auch mitarbeiten, wie wir auch Gespräche mit Investoren führen und dazu Vertreter des Bundeswirtschaftsministeriums einladen. Das heißt, es gibt dabei eine enge Abstimmung und Zusammenarbeit. Natürlich diskutieren wir auch mit unseren französischen Freunden über diese Fragen. Sie haben das beim Besuch von Herrn Macron und Herrn Sapin hier in Berlin miterlebt. Wir werden am 2. Dezember hier in Berlin ein Treffen des deutsch-französischen Finanz- und Wirtschaftsrates durchführen, bei dem wir diese Diskussion weiter vertiefen werden. Das heißt: Das, was Herr Schäuble gestern gemacht hat, war sozusagen, eine Art nationalen Rahmen aufzuspannen, was Finanzierungsmöglichkeiten angeht. Aber das erschöpft sich natürlich überhaupt nicht und in keiner Weise in der Diskussion darüber, wie wir Investitionen weiter befördern. Dazu gehört eine Reihe anderer Fragen. Dabei geht es um regulative Fragen und zum Teil auch um die Frage, in welchen Bereichen investiert werden kann. Dabei muss gehört werden, welche Erwartungen private Investoren und Unternehmer haben. Insofern ergänzt sich all das vortrefflich. Das wird dazu führen, dass wir einen Anstoß geben können, um Investitionen zu befördern.

Jetzt bin ich bei Ihrem ersten Punkt, und das ist tatsächlich entscheidend: Wenn öffentliche Investitionen klug platziert werden, dann ziehen sie erhebliche private Folgeinvestitionen nach sich. Das ist natürlich ein Effekt, auf den wir sehr stark setzen. Diesen Effekt möchte ich jetzt nicht quantifizieren. Ich weiß und habe gehört, dass hier einige Zahlen von Ökonomen im Umlauf sind. Diese Zahlen kann ich seitens des Bundesfinanzministeriums nicht kommentieren. Aber ich kann Ihnen bestätigen, dass wir in der Tat davon ausgehen, dass wir durch öffentliche Investitionen zusätzliche private Investitionen erreichen und damit eine in der Gesamtheit um ein Mehrfaches größere Wirkung für das Wachstum in Deutschland erzielen werden.

Vorsitzender Leifert: In der Frage und auch in Ihrer ersten Antwort, Herr Jäger, ist zweimal das Bundeswirtschaftsministerium angesprochen worden. Besteht von Ihrer Seite der Wunsch, die Ausführungen zu ergänzen?

Moiteaux: Der Bundeswirtschaftsminister hat gestern die Ankündigung direkt begrüßt. Hier wurde seitens des Bundeskanzleramtes und des Bundesfinanzministeriums schon darauf hingewiesen, dass es eine abgestimmte Position der Bundesregierung ist. Auch im Jahreswirtschaftsbericht haben wir schon als Bundesregierung darauf hingewiesen, dass wir die langfristigen Wachstumsmöglichkeiten durch zielgerichtete Investitionen der öffentlichen Hand einerseits und durch bessere Rahmenbedingungen für private Investitionen andererseits verbessern wollen. Das ist jetzt sozusagen ein Aspekt.

Herr Jäger hat auch darauf hingewiesen, dass es darauf ankommt, nun die öffentlichen Mittel so einzusetzen, dass sie möglichst weitere private Investitionen nach sich ziehen. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat gestern bereits zwei Themenfelder erwähnt. Er hat gesagt, dass Energieeffizienz und Gebäudesanierung Bereiche seien, die zur Unterstützung sehr relevant seien und die man sich anschauen müsse. Das ist der Ansatz, um das langfristige Wachstum der Volkswirtschaft und die Kapitalbasis für die Volkswirtschaft zu stärken.

Frage: Ich habe drei Fragen dazu.

Herr Jäger, eine Nachfrage zu den Jahren ab 2016, weil Sie die "schwarze Null" betont haben. Muss man sich diese 10 Milliarden Euro so vorstellen, dass eine Konditionalität besteht oder sind die so fest verankert - und damit innerhalb der Bundesregierung zugesagt - wie die 5 beziehungsweise 7 Milliarden Euro, die im Koalitionsvertrag standen?

Zweitens. Haben Sie schon eine Reaktion aus Frankreich erhalten, ob den französischen Partnern das ausreicht? Es gab ja, als Herr Sapin hier nach Deutschland kam, von der französischen Regierung Vorstellungen in etwas höherer Größenordnung.

Drittens. Weil eben das Stichwort "Gebäudesanierung" fiel, hätte ich gerne gewusst, ob die Bundesregierung bei der bisherigen Position bleibt, dass das Thema steuerliche Anreize für Gebäudesanierung nur zur Sprache kommt, wenn die Bundesländer ihren Anteil auch mittragen.

Jäger: Ich beginne von hinten nach vorne.

Was einzelne Maßnahmen, Felder für mögliche Investitionen angeht, wollen wir uns als Bundesfinanzministerium zu diesem Zeitpunkt nicht festlegen, denn ich kann und will hier nicht der Ressortabstimmung vorgreifen. Das muss in dem Austausch zwischen den Ressorts passieren und muss dann in eine gemeinsame Position im kommenden Frühjahr münden, wenn es darum gehen wird, den Haushalt für 2016 aufzustellen und Eckwerte für den Finanzplanungszeitraum 2016 und die Folgejahre zu definieren. Bis dahin müssen wir uns einigen, und das werden wir in enger Absprache mit den Ressorts tun. Wir werden aber zu diesem Zeitpunkt keine vorschnellen Festlegungen treffen. Um was es im Groben gehen könnte, liegt auf der Hand. Aber am Ende müssen sich natürlich die Ressorts untereinander im Detail abstimmen.

Zur zweiten Frage, was die Reaktion aus Frankreich angeht: Ich habe gestern gelesen - das habe ich aber nur in Agenturmeldungen gelesen -, dass der französische Präsident diese Initiative begrüßt hat. Es gibt aber aus unserer Sicht keinen direkten Zusammenhang, was etwa die Zahlen angeht, die damals beim Besuch von Herrn Macron und Herrn Sapin hier in Berlin genannt wurden. Wir investieren, weil wir in Deutschland die Notwendigkeit sehen, zu investieren - das ist der einzige Grund -, und das tun wir wohlüberlegt und langfristig.

Was die dritte Frage angeht, ist es so, dass wir in den vergangenen Jahren das Haushaltsdefizit abgebaut und jetzt mit dem Haushalt 2015 den Punkt erreicht haben, wo wir ohne neue Schulden auskommen werden. Wir werden - das hat die Steuerschätzung gestern gezeigt - in den Folgejahren weiter mit wachsenden Einnahmen zu rechnen haben. Das heißt, wir können in den kommenden Jahren sehr maßvoll die Ausgaben steigern. Wir werden dabei sehr sorgfältig darauf achten, dass wir bei all dem das Ziel des ausgeglichenen Haushalts einhalten. Das gilt. Im Rahmen dieser Steigerung denken wir, dass es richtig ist, die guten Prioritäten zu setzen und Investitionen stehen hier ganz oben. Darüber herrscht ein breites Einverständnis in dieser Regierung, in der Koalition. Es ist eines der Ziele, die im Koalitionsvertrag auch so angelegt sind und deshalb entwickeln wir diesen Ansatz hier in einer konsequenten, aber sehr verantwortungsvollen Weise fort.

Zusatzfrage: Zu dem Besuch von den Herrn Macron und Sapin: Hat Herr Schäuble bei diesem Besuch den französischen Kollegen schon angedeutet, dass dieses Investitionsprogramm kommen kann?

Jäger: Nein, wir haben nichts angedeutet. Was der Minister in der Vergangenheit getan hat, habe ich vorher schon kurz genannt. Sie werden dazu eine Reihe von Zeitungsinterviews finden. Mir fällt zum Beispiel eines ein, das ich zur Lektüre empfehlen kann. Es gab ein Interview mit der "Welt am Sonntag", wo er sich zu dieser ganzen Investitionsthematik geäußert und auch entsprechende Ankündigungen gemacht hat. Es war uns aber wichtig, dass wir diese Ankündigung erst dann konkretisieren, wenn wir das konkrete Datenmaterial aus der Steuerschätzung vorliegen haben.

Frage: Herr Jäger, ich hätte noch eine Frage zu dem weiteren Vorgehen. Sie sagten ja, dass das im Zuge der Aufstellung der Eckpunkte des Haushalts 2016 im Frühjahr sein wird. Der Minister hat aber in der Vergangenheit in Bezug auf diese europäischen Mittel gegen die Jugendarbeitslosigkeit mehrfach gesagt, es helfe nichts, Geld ins Schaufenster zu stellen. Wie läuft das jetzt konkret? Müssen die Ministerien Vorhaben präsentieren, die dann auch umsetzbar sind? Solche Investitionen brauchen ja auch einen gewissen Vorlauf, damit die Dinge auch in Gang kommen. Wie muss man sich das vorstellen? Derjenige, der die besten Projekte am schnellsten präsentiert, kommt an das Geld?

Eine zweite Frage: Gibt es auch eine Aufteilung dieser 10 Milliarden Euro auf diese drei Jahre oder wird das so aufgeteilt, wie Projekte möglicherweise realisierbar sind?

Jäger: Was die Formulierung "Geld ins Schaufenster stellen" angeht, so ist es tatsächlich richtig, dass wir das nicht für einen guten Ansatz halten. Denn es wird zum Teil mit abenteuerlichen Summen hantiert. Es gibt Programme von enormer Größenordnung. Ich kann mich an einen EU-Finanzminister erinnern, der von 700 Millionen Euro und anderen Summen sprach. Das ist gerade der Ansatz, den wir nicht für richtig halten. Das heißt, das, was angekündigt und versprochen wird, muss auch eingelöst und unterlegt werden. Das ist exakt das, was wir tun, aber nicht - ich sage es noch einmal -, um ein kurzfristiges Konjunkturprogramm zu fahren, sondern um langfristig angelegte Investitionen zu tätigen. Zugleich - das ist, glaube ich, schon entscheidend - senden wir mit dieser Ankündigung in der gegenwärtigen Situation ein Signal des Vertrauens aus, und das ist wichtig. Investoren, Wirtschaftsteilnehmer müssen sich darauf verlassen können, dass die Bundesregierung eine Vorstellung von der Zukunft hat, die positiv und belastbar ist. Das haben wir exakt gestern kommuniziert und das wird an den Märkten und bei den Investoren auch seine Wirkung nicht verfehlen.

Was das Verfahren angeht, so wird es ganz bestimmt kein Windhundrennen nach dem Prinzip "Wer sich zuerst meldet, bekommt den Zuschlag" geben. Wir werden untereinander nach strengen inhaltlichen Kriterien diskutieren, wo wir die richtigen Prioritäten für Investitionen zu setzen haben - das wird in enger Abstimmung zwischen den Ressorts geschehen -, und dann werden wir im kommenden Frühjahr zu einer guten und gemeinsamen Einigung kommen.

Was Ihre zweite Frage angeht, will ich mich jetzt nicht festlegen. Ich würde einmal gefühlt sagen, dass es eine gewisse Gleichmäßigkeit geben wird. Nageln Sie mich aber bitte an der Ecke nicht fest. Das werden wir dann im Einzelnen im Ressortkreis zu diskutieren haben.

Frage: Herr Jäger, die Verteidigungsministerin hatte schon klargemacht, dass sie auf jeden Fall bei den Haushaltsberatungen mehr Geld fordern wird. Wenn wir einmal annehmen, dass sie mehr Geld erhält, würde das aus diesen 10 Milliarden Euro bestritten werden?

Jäger: Noch einmal, Herr Delfs: Ich greife jetzt nicht den Haushaltsverhandlungen des nächsten Frühjahrs vorweg. Das kann ich nicht und das werde ich nicht tun. Ich sage nur in einem ergänzenden Satz dazu, dass es natürlich auch möglich ist, im Geschäftsbereich der Bundesministerin der Verteidigung Investitionen zu tätigen. Auch da kann investiert werden.

Vorsitzender Leifert: Will das Verteidigungsministerium das noch ergänzen?

Niggemeier-Groben: Ich kann dazu im Moment nichts ergänzen und möchte auch nicht, wie Herr Jäger schon sagte, den weiteren Verhandlungen vorgreifen.

Frage: Kann man davon ausgehen, dass diese 10 Milliarden Euro die Obergrenze dessen darstellen, was Sie machen können, ohne auf die "schwarze Null" zu verzichten?

Jäger: Die 10 Milliarden Euro bilden das ab, was wir für solide und verlässlich finanzierbar halten.

Frage: Nicht ganz zu dem Thema, aber es betrifft die Einahmeerwartungen des Bundes. Es gibt in Brüssel eine Debatte darüber, wie die Rückzahlung, die die EU-Kommission für die einzelnen Länder beschlossen hat, aussehen beziehungsweise gehandhabt werden soll. Das bedeutet für Deutschland Mehrreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe und für Großbritannien Nachzahlungen. Wäre Deutschland bereit, dass Großbritannien eine Ratenzahlung zugestanden wird? Das würde ja heißen, dass Deutschland das Geld wahrscheinlich später bekommt, was laut EU-Kommission Deutschland zusteht.

Jäger: Das ist sicher eine hochinteressante Frage. Weil nun aber heute Vormittag exakt zu diesen Themen die Sitzung des Ecofin-Rates in Brüssel läuft, werde ich mich an dieser Stelle zu diesen Themen gar nicht äußern. Dazu wird es heute Nachmittag in Brüssel - Sie haben leider nicht die Chance, persönlich teilzunehmen - eine Pressekonferenz mit dem Bundesfinanzminister geben. Dort wird sicher für Ihre Kollegen Gelegenheit sein, diese oder andere Fragen mit europäischem Bezug zu stellen.

Frage: Eine Frage an die Bundesregierung. Wie bewertet die Bundesregierung die Lage in Jerusalem, besonders die Vorkommnisse auf dem Gelände der Al-Aqsa-Moschee? Die Palästinenser sprechen von einer Provokation. Wie ist dazu die Position der Bundesregierung?

SRS'in Wirtz: Die Bundesregierung beobachtet mit großer Sorge die Situation in Ostjerusalem und fordert beide Seiten auf, sich in diesem Konflikt zurückzuhalten, zu mäßigen und zum friedlichen Zusammenleben der Völker zu bekennen. Wir haben an dieser Stelle schon oft darüber gesprochen: Die Bundesregierung unterstützt das Ziel eines unabhängigen demokratischen und überlebensfähigen palästinensischen Staates, der Seite an Seite in Frieden und Sicherheit mit seinen Nachbarn in der Region, einschließlich Israel, existieren kann. Die Bundesregierung ist der Überzeugung, dass die Zwei-Staaten-Lösung die einzige Möglichkeit ist, einen dauerhaften Frieden in der Region zu ermöglichen.

Frage: Herr Schäfer, die neue EU-Außenbeauftragte hat heute Israel angemahnt, zu den Verhandlungen zurückzukehren. Sehen Sie irgendwelche Anzeichen, dass Israel momentan überhaupt gewillt ist, an den Verhandlungstisch zurückzukehren?

Schäfer: Zunächst einmal würde ich gerne zu dem, was Frau Wirtz gerade gesagt hat, ergänzen, was der Bundesaußenminister mit Blick auf die Spannungen in Ostjerusalem und auch mit Blick auf die Lage am oder auf dem Tempelberg gesagt hat. Er hat gestern gesagt:

"Die Politik auf beiden Seiten muss jetzt den Mut aufbringen, mit klaren Worten und Taten gemeinsam auf eine Beruhigung der Lage hinzuarbeiten und Provokationen aus den eigenen Reihen deutlich entgegentreten, bevor sich die Spirale von Zorn und Vergeltung verselbständigt."

Ich glaube, schon an der Tonlage des Bundesaußenministers mögen Sie ermessen, dass er - und mit ihm die Bundesregierung - über das, was dort zurzeit passiert und sich in den letzten Tagen gegenseitig hochgeschaukelt hat, wirklich in ernster Sorge ist.

Sie sprechen eines der vielen Probleme im Nahen Osten an, den Nahost-Friedensprozess. Es ist in unserem Interesse - darauf drängen wir gemeinsam mit der Hohen Beauftragten für die europäische Außenpolitik, Frau Mogherini, genauso wie mit ihrer Vorgängerin und mit unseren Partnern in der Europäischen Union seit Langem -, dass die Verhandlungen über eine friedliche Lösung, die zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen kann und führen soll, wiederaufgenommen werden. Es ist gut, dass Frau Mogherini sich sehr früh in ihrer Amtszeit - es ist ja gerade erst das Ende der ersten Woche ihrer neuen Tätigkeit - gleich diesem Thema zuwendet. Ich glaube, das zeigt auch symbolhaft ganz deutlich eine Priorität, die sie für die europäische Außenpolitik sieht. Diese teilen wir.

Sie können sich darauf verlassen, dass die Bundesregierung alles in ihrer Macht Stehende tun wird, um darauf hinzuwirken, dass es bald wieder einen Verhandlungsprozess geben kann, der dann konkret aufgenommen wird, der genau dieses Ziel verfolgt, nämlich eine Zwei-Staaten-Lösung herbeizuführen. Wir wissen aus den Gesprächen mit unseren amerikanischen Gesprächspartnern, dass auch die Vereinigten Staaten von Amerika da alles andere als aufgegeben haben und dass sie auch weiter politische Energie investieren wollen, um eine friedliche Lösung hinzubekommen. Ich glaube, das ist allen Beteiligten klar.

Eine friedliche Lösung bedeutet ganz viel: Sie bedeutet eine Lösung all der Parameter, die ja längst bekannt sind, sie bedeutet eine Beilegung oder Überwindung der Konfliktlage um den Gazastreifen herum, und es gibt noch viele andere Punkte, die da aufgenommen werden müssen.

Frage: An das Außenministerium und das Verteidigungsministerium: Der deutsche Nato-General Domröse hat angekündigt, dass es Nato-Großmanöver in Osteuropa geben kann, und zwar in einer Dimension, die es dort bisher noch nicht gegeben hat. Ist es auch die Position der Bundesregierung, dass man solche Manöver durchführen sollte, oder wäre das ein Verstoß gegen die Nato-Russland-Grundakte?

Schäfer: Ich glaube, Nato-Militärmanöver, Nato-Übungen gibt es, solange es die Nato gibt; das ist ein Militärbündnis, in dem es Manöver gibt - größere und kleinere. Allerdings würde ich gerne sagen, dass uns nicht bekannt wäre, dass es derzeit in der Nato eine Beschlusslage oder auch nur konkrete Planungen gäbe, Übungen in der in der "WELT" angedeuteten Größenordnung - da ist ja die Rede von 25.000 bis 40.000 Soldaten - in absehbarer Zeit im östlichen Bündnisgebiet durchzuführen.

Niggemeier-Groben: Ich kann das noch ergänzen. Wie Herr Schäfer schon sagte: Es ist unter anderem eine der Aufgaben der Nato, zu üben - auch aus der Notwendigkeit heraus, das Niveau der Zusammenarbeit der Alliierten immer zu erhalten. Wie gesagt, zu den Überlegungen oder Äußerungen von Herrn Domröse, die heute nachzulesen sind, kann ich auch nur darauf hinweisen, dass er gesagt hat "Ich kann mir vorstellen...". Das unterstreicht im Grunde genommen auch das, was Herr Schäfer sagte: Es gibt keine konkreten Überlegungen dazu, auch nicht aus unserem Hause. Von daher kommentieren wir diese Äußerung auch nicht.

Zusatzfrage: Ich möchte trotzdem noch nach einer Wertung fragen: Würden Sie solche Manöver als kontraproduktiv ansehen, was die Sicherheit in Europa angeht, weil Russland das höchstwahrscheinlich als Provokation empfinden dürfte?

Schäfer: Grundsätzlich ist es so: Auf dem Nato-Gebiet können die Mitgliedstaaten der Nato beziehungsweise die Nato natürlich grundsätzlich das tun - auch Übungen abhalten -, was wir, was die Nato für richtig hält. Es bleibt aber bei dem, was auch auf dem Nato-Gipfel in Cardiff vereinbart und von allen 28 Mitgliedstaaten beschlossen worden ist, nämlich dass es ein Interesse daran gibt, möglichst konstruktive, möglichst gute Beziehungen zu Russland zu unterhalten. Das nehmen wir ernst. Es gelten auch weiter die Vereinbarungen, die wir Ende der 90er-Jahre im Zuge der damals erfolgten Nato-Osterweiterung mit der Nato-Russland-Grundakte getroffen haben. An diese Regelungen wollen und werden wir uns halten. Das gilt natürlich auch bei der Konzeption von Manövern oder Übungen, die innerhalb der Nato abgehalten werden.

Ich kann jetzt allerdings auf Anhieb - ich bin da aber kein Experte - nicht erkennen, dass Manöver im östlichen Bündnisgebiet in irgendeiner Weise die Nato-Russland-Grundakte verletzen. Aber wie gesagt, das sage ich unter Vorbehalt, weil ich da kein Experte bin und das in der Vorbereitung auf diese Regierungspressekonferenz auch nicht habe nachprüfen lassen.

Frage: Haben Sie denn eventuell von östlichen Nato-Partnern die Erwartung gehört, dass es eine Antwort auf das verstärkte Muskelspiel Moskaus geben könnte, sollte, müsste?

Schäfer: Klar. Das ist aber ein Thema, das jetzt nicht durch Interviewäußerungen eines deutschen Nato-Generals aufgekommen ist; das ist vielmehr ein Thema, das uns seit vielen Monaten bewegt. Der Außenminister und auch andere Mitglieder der Bundesregierung haben sich dazu in den letzten Monaten öffentlich geäußert. Im Grunde war genau das das Leitmotiv des Nato-Gipfels in Newport, in Cardiff in Wales. Da ist mit dem Readiness Action Plan auch die Entscheidung getroffen worden, ganze Maßnahmenpakete auszuarbeiten, die auch dem Ziel dienen sollen, die völlig zu Recht in Sorge befindlichen östlichen Bündnispartner in Polen, in den baltischen Staaten und auch in Mittel- und Osteuropa dadurch unserer Solidarität zu versichern, dass wir uns auf solche Maßnahmenpakete geeinigt haben.

Frage: An das Arbeitsministerium zum Thema Bahnstreik/GDL: Aus der Union kommen Forderungen, dass über das Gesetz zur Tarifeinheit hinaus auch Eingriffe oder gesetzliche Änderungen beim Streikrecht in bestimmten Bereichen - nämlich der Daseinsvorsorge - gemacht werden müssten. Wie beurteilen Sie das? Sehen Sie die Notwendigkeit, auch dort gesetzlich vorzugehen?

Ehrentraut: Sie wissen ja, dass wir einen Referentenentwurf zur Tarifeinheit vorgelegt haben. Der befindet sich jetzt in der Ressortabstimmung. Die Ministerin hat bei der Vorstellung des Referentenentwurfs deutlich gemacht, dass damit keine Einschränkung des Streikrechts einhergeht und auch nicht geplant ist, Kleinstgewerkschaften zu verbieten. Der Referentenentwurf zielt darauf ab, Tarifpluralität in geordnete Bahnen zu lenken. Daran wird auch festgehalten.

Zusatzfrage: Ich fragte jetzt explizit nicht nach dem Tarifeinheitsgesetz, sondern danach, ob es notwendig ist, über dieses Gesetz hinaus noch im Bereich der Daseinsvorsorge neue Regelungen zu treffen, was das Streikrecht angeht.

Eherentraut: Derzeit sind darüber hinaus keine weiteren Maßnahmen geplant.

Frage: Eine Frage an Frau Wirtz und Herrn Schäfer: Die deutschen Exporte in den Iran haben wieder sehr stark zugelegt, nachdem sie in den letzten Jahren eher gesunken sind. Vor einigen Monaten hat es schon einmal eine Debatte und warnende Stimmen in der Bundesregierung gegeben, dass sich die deutsche Wirtschaft nicht zu früh wieder auf das Irangeschäft stürzen sollte, weil das möglicherweise auch die Verhandlungen um das Atomprogramm behindern oder unterlaufen könnte. Gibt es bei Ihnen Besorgnis, dass dieser wachsende Handel für die politischen Gespräche problematisch sein könnte, sehen Sie das kritisch?

Schäfer: Ich habe diese Zahlen auch gesehen. Wenn ich das richtig verfolgt habe, sind es vorläufige Zahlen. Ich will aber gar nicht bestreiten, dass es das geben mag; ich will es allerdings auch nicht bestätigen, denn mir liegen dazu keine Zahlen vor. Sie haben allerdings mit dem Teil Ihrer Ausführungen Recht, in dem Sie darauf hinweisen, dass das jetzt wirklich eine ganz entscheidende Phase nicht nur für die Beziehungen der Welt mit dem Iran, sondern vielleicht auch für die nähere Zukunft des Nahen und Mittleren Ostens insgesamt ist.

Am 24. November, also heute in 17 Tagen, läuft der gemeinsame Aktionsplan aus, der im vorigen Jahr am gleichen Tag von den E3+3 mit dem Iran ausgehandelt worden ist. In diesem gemeinsamen Aktionsplan hat man sich darauf geeinigt, einen kleinen Teil der gegenüber dem Iran verhängten Sanktionen übergangsweise zu reduzieren beziehungsweise zu lockern. Im Gegenzug hat sich die iranische Seite bereiterklärt, übergangsweise einem Teil der Forderungen der E3+3 bei all den Fragen im Zusammenhang mit dem iranischen Atomprogramm nachzukommen. Das ist nur eine Zwischenlösung. Was es braucht, ist eine dauerhafte Lösung, die es allen Beteiligten - der Weltgemeinschaft auf der einen Seite, vertreten durch die E3+3, und dem Iran auf der anderen Seite - ermöglicht, diesen inzwischen länger als ein Jahrzehnt andauernden politischen Konflikt hinter sich zu lassen.

Die Bundesregierung hat in allen ihren öffentlichen Äußerungen in den letzten Monaten, aber natürlich auch in den Gesprächen mit der deutschen Wirtschaft immer wieder darauf hingewiesen, wie wichtig es ist, dass die globalen Sanktionen, die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen bereits vor Jahren verhängt worden sind, aber auch die Sanktionen, die von der Europäischen Union zusätzlich verhängt worden sind, eingehalten werden. Deshalb gehe ich davon aus, dass auch die Zahlen, die die Grundlage der Frage sind, die Sie gestellt haben, nicht etwa Anzeichen dafür wären, dass sich die deutsche Wirtschaft oder die Wirtschaften anderer Nationen nicht an diese Regelungen halten würden. Wir sind da in einem engen und regen Austausch mit der deutschen Wirtschaft.

Sollte es gelingen, tatsächlich um den 24. November herum eine Einigung mit dem Iran zu finden, so würde das in der Tat dazu führen - je nachdem, wie die konkreten Regelungen aussehen -, dass das Sanktionsregime, das heute gegenüber dem Iran besteht, Schritt für Schritt abgebaut werden würde. Das bedeutet natürlich für den Iran - insbesondere für die Menschen im Iran, die ja seit vielen Jahren mit diesem Sanktionsregime zu leben haben - ganz erhebliches neues Potenzial für Wachstum und damit natürlich auch Chancen für zusätzlichen Austausch mit der internationalen Wirtschaft - und dann selbstverständlich auch mit der deutschen Wirtschaft.

Frage: Ich habe noch eine kurze Frage an das Wirtschaftsministerium. Es geht um einen geplatzten Deal des Gesundheitskonzerns Fresenius in Russland. Gibt es da politische Hintergründe? Drängt die Bundesregierung darauf, dass bestimmte Kooperationen mit russischen Partnern derzeit nicht mehr stattfinden?

Moiteaux: Zu diesem konkreten Vorgang kann ich keine Angaben machen, aber wir hatten hier ja bereits diese Frage nach einem Treffen von Wirtschaftsvertretern aus Deutschland mit der russischen Regierung vor gut zwei Wochen. Auch hier gilt: Die Bundesregierung verhindert nicht, dass Unternehmen den Gesprächsfaden fortführen. Insofern sehe ich keine Beschränkung.

SRS'in Wirtz: Vielleicht kann ich noch einmal kurz die Haltung der Bundesregierung ergänzen. In der Tat ist es so, dass wir diese Linie hier schon oft klar gemacht haben: Es gibt Sanktionen, es gibt Beschränkungen des Wirtschaftsverkehrs zwischen der EU und Russland. Nichtsdestotrotz ist es so, dass die Bundesregierung natürlich auch beobachtet, dass es trotzdem Gespräche zwischen deutschen und russischen Unternehmen beziehungsweise Unternehmensvertretern gibt. Die Bundesregierung geht davon aus, dass diese Handelsbeziehungen von den Unternehmensvertretern auch mit dem nötigen Verantwortungsbewusstsein weiter geführt werden.

Vorsitzender Leifert: Herr Schäfer, Sie haben uns noch eine nachgereichte Information anzubieten?

Schäfer: Ja, mit einem herzlichen Gruß an die Kollegen, die das jetzt am Bildschirm mitverfolgt haben, würde ich gerne etwas noch zu der Frage zum Iran ergänzen. - Der Anstieg der Exportzahlen aus Deutschland in den Iran ist im Wesentlichen zurückzuführen auf die Ausweitung von Nahrungsmittelexporten, im Wesentlichen den Export von Weizen. Das ist erstens ein Gut, das man für ein Atomprogramm nicht verwenden kann, und zweitens ein Gut, das für die Versorgung der iranischen Bevölkerung von großer Bedeutung ist. Deshalb steht das, glaube ich, in überhaupt keinem politischen Zusammenhang mit den wirklich schwierigen, geradezu weltpolitischen Fragen, die in den nächsten Wochen anstehen.

Bei der Konzeption der globalen, aber auch der EU-Sanktionen gegenüber dem Iran war es immer das Ziel, die iranische Bevölkerung nicht zu bestrafen, sondern sicherzustellen, dass das iranische Atomprogramm nicht konspirativ oder im Stillen hinter den Kulissen weiter ausgebaut werden kann. Dabei bleibt es. Deutschland - und das kann ich, glaube ich, guten Gewissens auch für die gesamte E3+3 sagen - hat überhaupt nichts gegen die iranische Bevölkerung, ganz im Gegenteil. Wenn sich das darin widerspiegelt, dass es zusätzliche Nahrungsmittelexporte gibt, dann ist dagegen nichts zu sagen. Im Gegenteil: Das ist gut und richtig so.

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Quelle:
Mitschrift der Pressekonferenz vom 7. November 2014
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2014/11/2014-11-07-regpk.html;jsessionid=E94EA1E8BD489015AA245D1905CD4EBB.s1t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. November 2014