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PRESSEKONFERENZ/928: Regierungspressekonferenz vom 28. Januar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 26. Januar 2015
Regierungspressekonferenz vom 28. Januar 2015

Themen: Reise der Bundeskanzlerin nach Budapest, Kabinettssitzung (Jahreswirtschaftsbericht 2015, Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der militärischen Ausbildungsmission der EU in Mali, Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels sowie zum Schutz der Opfer von Menschenhandel, Verordnung zur Einführung von Ausschreibungen der finanziellen Förderung für Freiflächenanlagen sowie zur Änderung weiterer Verordnungen zur Förderung der erneuerbaren Energien, Bericht zur Steuerprogression, 10. Existenzminimumbericht), Anschlag auf ein Hotel in Tripolis, Angriff auf eine israelische Patrouille im libanesisch-syrisch-israelischen Grenzgebiet, Griechenland, EU-Sanktionen gegen Russland, Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten, elektronische Gesundheitskarte, gesetzlicher Mindestlohn, Ausbildungsmission der Bundeswehr im Irak, Einnahmen aus der Pkw-Maut, Entschlüsselung von verschlüsselter Kommunikation durch deutsche Behörden, Vorratsdatenspeicherung, Transatlantisches Freihandelsabkommen, Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Jäger (BMF), Bieringer (BMFSFJ), Roth (BMVg), Berve-Schucht (BMG), Ehrentraut (BMAS), Moosmayer (BMVI), Dimroth (BMI), Alemany (BMWi)



Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Wenn Sie gestatten, komme ich kurz zur Ankündigung eines Termins, und zwar für den kommenden Montag, den 2. Februar. Dann wird die Bundeskanzlerin nach Budapest reisen und dort gegen 11.45 Uhr von Ministerpräsident Victor Orbán empfangen werden. Es wird dann beim Mittagessen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten ein Arbeitsgespräch und eine sich anschließende Pressekonferenz geben. Im Übrigen wird die Bundeskanzlerin auch den ungarischen Staatspräsidenten János Áder treffen, und sie wird mit Vertretern von in Ungarn tätigen deutschen Unternehmen ein Gespräch führen. Am Nachmittag wird sie dann an der deutschsprachigen Andrássy-Universität sein und mit Studenten verschiedener ungarischer Universitäten zu einem Gespräch zusammenkommen. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird ihr außerdem die Ehrendoktorwürde der Universität Szeged verliehen werden. Zum Abschluss ihres Aufenthaltes in Budapest wird die Bundeskanzlerin dann in der Großen Synagoge von Budapest mit Vertretern der jüdischen Glaubensgemeinschaften in Ungarn zusammentreffen. Am Abend wird die Kanzlerin dann nach Berlin zurückkehren.

Nun zu den Themen der heutigen Kabinettssitzung: Ein Thema, das breiten Raum eingenommen hat, war der Jahreswirtschaftsbericht 2015. Da der Vizekanzler und Wirtschaftsminister ihn hier bereits im Detail vorgestellt hat, mache ich es entsprechend kürzer und nenne nur die Kernbotschaften:

Die Bundesregierung geht für 2015 von einer durchschnittlichen Zunahme des Bruttoinlandsprodukts von 1,5 Prozent aus. Die binnenwirtschaftliche Dynamik wird im Wesentlichen von zwei Faktoren getragen, den kräftigen Einkommenssteigerungen auf der einen und dem anhaltenden Beschäftigungsaufbau auf der anderen Seite. Wir erwarten, dass die Erwerbstätigkeit in nahezu allen Wirtschaftszweigen zunehmen wird, und zwar um insgesamt 170.000 Personen. Das könnte dann nach dieser Prognose auf einen erneuten Beschäftigungsrekord von 42,8 Millionen Erwerbstätigen hinauslaufen. Die registrierte Arbeitslosigkeit dürfte im Durchschnitt dieses Jahres leicht abnehmen, nämlich um 40.000 Menschen.

Ein Schlüssel zu höherer Wettbewerbsfähigkeit sind Investitionen und Innovationen. Das führt, wie gesagt, zu höherer Wettbewerbsfähigkeit, zu dauerhaftem Wohlstand und auch zu besserer Lebensqualität für die Menschen in Deutschland und Europa. Deswegen hat sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt, die privaten und die öffentlichen Investitionen in Deutschland und Europa zu stärken.

Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass wir dieses Thema angehen können, ist der erfolgreiche Kurs der Haushaltskonsolidierung. Der Bundeshaushalt 2015 wird wie schon der von 2014 ohne eine Nettoneuverschuldung auskommen. Es gibt also eine solide und weiterhin wachstumsorientierte Finanzpolitik der Bundesregierung, und die wird auch in der Finanzplanung fortgesetzt. Das kommt dadurch zum Ausdruck, dass wir eben auch für die nächsten Jahre ohne eine Neuverschuldung planen. - So viel zum Jahreswirtschaftsbericht 2015 heute im Kabinett.

Anschließend ging es um das Thema "Militärmission der EU in Mali". Die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dieser militärischen Ausbildungsmission in Mali wird fortgesetzt. Damit wird weiterhin ein Beitrag zur Ausbildung der malischen Streitkräfte geleistet. Es bleibt Zielsetzung der Europäischen Union, die malische Regierung und das malische Militär zu befähigen, die Stabilität und die Sicherheit im Land selbst zu gewährleisten.

Die humanitäre Lage in Mali hat sich seit dem Beginn des internationalen Einsatzes zunehmend verbessert. Es wird aber für eine friedliche und stabile Zukunft Malis weiterhin darauf ankommen, dass der Aussöhnungsprozess zwischen den Konfliktparteien vorankommt, dass er gefördert wird und dass die staatliche Integrität glaubwürdig und konsequent gefestigt ist.

Deutschland wird im August dieses Jahres bei dieser europäischen Mission in Mali die Führung übernehmen und auch den Missionskommandeur stellen. Damit wird der substanzielle Beitrag, den Deutschland dort leistet, also noch einmal besonders unterstrichen. Um nun die Aufgaben, die mit der Übernahme dieses Kommandos verbunden sind, auch wirklich erfüllen zu können, soll die Mandatsobergrenze, die Personalobergrenze, erhöht werden. Sie liegt bisher bei 250 Soldatinnen und Soldaten, und sie soll auf bis zu 350 deutsche Soldatinnen und Soldaten erhöht werden.

Das Mandat ist bis zum 31. Mai 2016 befristet. Es wird also eine Verlängerung um 15 Monate vorgesehen. Der Grund ist, dass wir die Laufzeit des Bundestagsmandats und des europäischen Mandats miteinander abgleichen und harmonisieren wollen. Das Ganze steht, wie immer, unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Deutschen Bundestags.

Die Bundesregierung hat dann auf Vorschlag des Bundesjustizministers ein wichtiges Gesetz beschlossen, mit dem die EU-Richtlinie zur Verhütung und Bekämpfung des Menschenhandels und zum Schutz der Opfer von Menschenhandel aus dem Jahr 2011 umgesetzt werden soll. Es ist so, dass das deutsche Recht ganz überwiegend schon jetzt den Erfordernissen dieser europäischen Richtlinie Rechnung trägt. Es soll aber mit dem Gesetzentwurf nun noch Folgendes geregelt werden: Die einschlägigen Strafvorschriften werden dahin gehend erweitert, dass auch Fälle des Menschenhandels strafbar sind, bei denen die Opfer gezwungen werden, strafbare Handlungen zu begehen, Betteleitätigkeiten aufzunehmen oder sich gar ein Organ entnehmen zu lassen. Außerdem wird die Strafandrohung in den Fällen erhöht, in denen das Opfer des Menschenhandels unter 18 Jahre alt ist, sowie in den Fällen, in denen das Leben des Opfers grob fahrlässig gefährdet wird.

Dieser Gesetzentwurf soll ein erster Schritt sein, mit dem die Regelungen zur Bekämpfung des Menschenhandels, die wir im Koalitionsvertrag schon vorgesehen haben, umgesetzt werden. Weitere Regelungen zu damit verwandten Problemen sollen im laufenden Gesetzgebungsverfahren zusammen mit dem heute beschlossenen Gesetzentwurf umgesetzt und verabschiedet werden. Dabei geht es dann noch einmal um die die einschlägigen Strafvorschriften zum Menschenhandel. Die sollen überprüft beziehungsweise überarbeitet werden. Vor allem soll auch das Ausnutzen von Opfern von Menschenhandel zu sexuellen Handlungen unter Strafe gestellt werden. Dafür hat das Bundesjustizministerium bereits interne Eckpunkte erarbeitet, und es erarbeitet derzeit einen Vorschlag für eine gesetzliche Regelung, die dann recht zeitnah nach dieser Beschlussfassung im Kabinett von den Koalitionsfraktionen im Bundestag eingebracht werden kann.

Der nächste Punkt im Kabinett war eine wichtige energiepolitische Entscheidung, die dem Ziel dient, den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, den wir ja wollen, kostengünstiger werden zu lassen. Es handelt sich um die Einführung von Ausschreibungen der finanziellen Förderung für Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Es gibt eine EEG-Novelle, die das bereits beschlossen hat, und nun schafft die Bundesregierung mit dieser Verordnung die rechtliche Grundlage dafür, dass die Bundesnetzagentur jährlich eine Kapazität von 400 Megawatt für Photovoltaik-Freiflächenanlagen offen ausschreiben kann. Das ist eine Pilot-Ausschreibung. Wir wollen Erfahrungen mit diesem Förderinstrument sammeln. Denn in einem zweiten Schritt soll ab 2017 die gesamte finanzielle Förderung grundsätzlich auch für die anderen erneuerbaren Energien auf Ausschreibungen umgestellt werden. Ziel ist wiederum, wie ich schon gesagt habe, dass der weitere Ausbau der erneuerbaren Energien kostengünstiger werden soll.

Der Bundesfinanzminister hat dem Kabinett einen ersten Bericht zur Steuerprogression vorgelegt, und das Kabinett hat diesen Bericht beschlossen. Das ist also ein Bericht, der die Auswirkungen der kalten Progression im Verlauf des Einkommensteuertarifs für die Jahre 2013 bis 2016 einschätzt. Herausgekommen ist, dass die kalte Progression im Jahr 2013 mit 600 Millionen Euro eine geringe Wirkung hatte. Für das Jahr 2014 ergab sich keine kalte Progression. Grund dafür sind die niedrigen Inflationsraten in Verbindung mit den Anhebungen der Grundfreibeträge, die jeweils zu Jahresbeginn 2013 und 2014 stattgefunden haben.

Wie es sich in den Jahren 2015 und 2016 darstellen wird, wird prognostisch für drei verschiedene Szenarien erfasst, je nach Inflationsrate. Man geht von Inflationsraten von 1 Prozent, 1,5 Prozent oder gar 2 Prozent aus, und das würde das Volumen der zusätzlich entstehenden kalten Progression natürlich entsprechend unterschiedlich beeinflussen. Bei einer Inflationsrate von 1 Prozent würde die kalte Progression weniger als 1 Milliarde Euro ausmachen. Bei einer Preissteigerung von 1,5 Prozent ergäben sich Auswirkungen in Höhe von knapp 2 Milliarden Euro. Bei einer Inflationsrate von 2 Prozent würde eine Progressionswirkung von rund 3 Milliarden Euro zu verzeichnen sein. Es ergeben sich aus diesem Bericht keine automatischen Anpassungsverpflichtungen. Diese Entscheidungen bleiben dem Gesetzgeber vorbehalten.

Damit verwandt ist ein weiterer Bericht, den der Bundesfinanzminister vorgelegt hat, nämlich der 10. Existenzminimumbericht. Kurz gefasst: Sowohl beim Grundfreibetrag als auch beim Kinderfreibetrag besteht ab dem Veranlagungsjahr 2015 Erhöhungsbedarf. Das geht aus diesem Bericht, den das Kabinett beschlossen hat, hervor. Zurzeit liegt der Grundfreibetrag für Erwachsene bei 8.354 Euro, der Kinderfreibetrag bei 7.008 Euro.

Wenn ich sage, es gibt Erhöhungsbedarf, dann stellt der sich im Einzelnen so dar: Beim steuerlichen Grundfreibetrag für Erwachsene gibt es für 2015 einen Erhöhungsbedarf von 118 Euro und für 2016 von weiteren 180 Euro, und beim steuerlichen Kinderfreibetrag gibt es einen Erhöhungsbedarf von 144 Euro im Jahr 2015 und von weiteren 96 Euro im kommenden Jahr. Die Bundesregierung kann die begünstigenden Gesetzesänderungen rückwirkend in Kraft setzen. Sie wird bis Ende März dieses Jahres einen entsprechenden Fahrplan vorlegen. Darin einbezogen wird dann auch die Frage einer Kindergeldanhebung sein.

Danke für die Geduld. Das war der Bericht aus dem Kabinett.

Schäfer: Ich habe zweierlei, dass ich Ihnen gerne im Namen der Bundesregierung mitteilen möchte, zunächst zu dem gestrigen Anschlag auf ein Hotel in Tripolis und zur Lage in Libyen:

Dazu möchte ich Ihnen eine Erklärung mitteilen, die die Bundesregierung gemeinsam mit den Regierungen Frankreichs, Italiens, Maltas, Spaniens, des Vereinigten Königreiches, also Großbritanniens, und der Vereinigten Staaten erklärt hat. Diese Staaten, also auch die Bundesregierung, verurteilen in aller Schärfe den gestrigen Anschlag auf das Hotel Corinthia in Tripolis. Wir bringen unser tief empfundenes Mitgefühl mit den Opfern und ihren Familien zum Ausdruck. Mit solchen schrecklichen terroristischen Handlungen darf es nicht gelingen, den libyschen politischen Prozess zu untergraben. Wir unterstützen deshalb weiterhin mit allem Nachdruck die Bemühungen der Vereinten Nationen und ihres Sonderbeauftragten Bernardino León, der sich zum Ziel gemacht hat, eine politische Lösung für die laufenden politischen Probleme und Sicherheitsprobleme in Libyen auf den Weg zu bringen. Wir begrüßen all diejenigen und freuen uns darüber, die sich nach Genf begeben haben, um an den dortigen Verhandlungen über eine politische Lösung teilzunehmen. Wir fordern alle anderen, die das bisher noch nicht getan haben, jetzt auf, sich in aller Ernsthaftigkeit der Krise zuzuwenden und sich daran zu beteiligen, einer weiteren Verschlechterung der humanitären Lage in Libyen entgegenzuwirken. Es geht darum, dass alle Beteiligten von weiteren Handlungen Abstand nehmen, die die Aussichten auf eine erfolgreiche politische Lösung untergraben können.

Das Zweite, das ich Ihnen sagen möchte, betrifft Angriffe auf eine israelische Patrouille im Grenzgebiet zwischen dem Libanon, Syrien und Israel. Die Bundesregierung verurteilte den Angriff auf eine israelische Patrouille, der wohl von libanesischem Gebiet ausging. Wir sind in Sorge über die steigenden Spannungen an genau dieser blauen Linie im Grenzgebiet zwischen Israel, Syrien und dem Libanon. Wir verbinden damit eindrücklich die Aufforderung an alle Beteiligten, die Lage jetzt nicht weiter eskalieren zu lassen und besonnen zu agieren. Vielen Dank.

Frage (zum Besuch der Bundeskanzlerin in Budapest): Herr Seibert, wie wird die Kanzlerin mit einem Regierungschef umgehen, der offen fremdenfeindlich ist?

StS Seibert: In Ihren Fragen stellen Sie immer erst einmal Behauptungen auf. Die muss man ja nicht teilen, wenn man Ihnen antwortet.

Die Bundeskanzlerin wird nach Ungarn reisen, weil ihre letzte Ungarn-Reise nun schon über fünf Jahre zurückliegt. Ungarn ist für uns ein enger europäischer Partner. Die Beziehungen mit Ungarn gehen weit über die Beziehungen zwischen zwei Regierungen hinaus. Das sind sehr enge wirtschaftliche, kulturelle und zivilgesellschaftliche Beziehungen. Das wird sich ja auch in der Vielfalt des Programms, das sie an diesem Tag haben wird, ausdrücken. Im Übrigen sind auch Fragen der innenpolitischen Entwicklungen in Ungarn immer ein Gesprächsgegenstand, wenn die Bundeskanzlerin mit Herrn Orbán zusammentrifft.

Zusatzfrage: Gut, aber das war nicht die Frage. Die Frage war - - -

StS Seibert: Das war aber die Antwort.

Zusatzfrage: Sieht die Kanzlerin denn Fremdenfeindlichkeit in der Politik von Herrn Orbán?

StS Seibert: Die Gefahr von Fremdenfeindlichkeit müssen wir überall, wo sie in Europa auftaucht, erkennen, und wir müssen sie überall in Europa auch ganz klar zurückweisen. Das gilt in Deutschland wie auch in anderen europäischen Ländern. Dem gilt auch immer das ganze Engagement der Bundesregierung.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung denn Fremdenfeindlichkeit in Ungarn erkannt?

StS Seibert: Ich würde einmal sagen: Die Tatsache, dass bei der letzten Wahl eine Gruppierung mit fast 20 Prozent abgeschnitten hat, die sicherlich fremdenfeindliche Elemente enthält, muss uns schon besorgt machen.

Frage: Herr Jäger, wären Sie gerade einmal so nett, aus Ihrer Sicht die Debatte zum Thema "Existenzminimum und Kindergeld" darzustellen? Die SPD scheint relativ fest davon auszugehen, dass es in diesem Jahr 10 Euro mehr geben wird und, wenn der Spielraum vorhanden ist, im nächsten Jahr gerne noch einmal 10 Euro mehr geben wird.

Jäger: Es ist in der Tat so, wie Herr Seibert es eben geschildert hat: Wir haben heute im Kabinett den Bericht zum Existenzminimum vorgestellt. Die darin genannten Grund- und Freibeträge hat Herr Seibert genannt. Daraus ergibt sich, was diese Freibeträge angeht, natürlich ein gesetzlicher Handlungsbedarf. Wir werden im ersten Quartal ein, wenn Sie so wollen, Gesamtpaket schnüren, das möglicherweise auch andere Elemente beinhaltet, die man in diesem Kontext zu diskutieren hat. Dazu wird auch das Kindergeld gehören. Es ist allerdings zu diesem Zeitpunkt definitiv zu früh, um hier jetzt einzelne Beträge zu bestätigen.

Zusatzfrage: Sie sprechen vom gesetzlichen Handlungsbedarf. Der liegt ja deutlich darunter. Können wir also eher davon ausgehen, dass das - ich habe keine Ahnung - bei 4 Euro liegt?

Jäger: Nein, man muss zwei Dinge auseinanderhalten: Es gibt die Freibeträge, den Grundfreibetrag, den Betrag für die Kinder. Da werden wir entsprechende Anpassungen vornehmen, wie im Bericht festgestellt wurde. Das ist gesetzlich geboten. Sie wissen, dass es keinen gesetzlichen Automatismus bezüglich der Freibeträge und des Kindergelds gibt, wiewohl es aber einen politischen Zusammenhang gibt. In diesem Kontext werden wir innerhalb der Bundesregierung in den kommenden Wochen jetzt über konkrete, einzelne Elemente zu diskutieren haben.

Frage: Da diejenigen, die den Freibetrag in Anspruch nehmen, jetzt schon sehr genau wissen, was auf sie zukommt und was sie erwarten können, würden ja wahrscheinlich diejenigen, die Kindergeld bekommen, es auch gerne etwas genauer wissen wollen. Deswegen stelle ich die Frage an das Familienministerium: Was ist denn die aus Ihrer Sicht gebotene Erhöhung des Kindergelds? Wie sieht das innerhalb der Regierung aus, etwa zwischen dem Familienministerium und dem Finanzministerium?

Bieringer: Ich kann mich da, ehrlich gesagt, nur meinem Kollegen, Herrn Schäfer, anschließen: Über Zahlen können wir zurzeit nichts sagen.

Zusatzfrage: Aber verstehen Sie, dass es eine Schieflage ist, dass die einen wissen, was auf sie zukommt, und die anderen noch ein paar Monate aufs Christkind warten müssen?

Bieringer: Ja. Aber wir haben Ihnen ja jetzt gesagt, dass wir bis Ende März zu einer Entscheidung kommen werden. Das ist jetzt sozusagen die Ankündigung dessen, dass wir konkret daran arbeiten, bis Ende März etwas vorzulegen.

Frage: Ich habe eine Frage zum Kindergeld und dann auch eine Frage zur kalten Progression. Die würde ich gerne anhängen, wenn ich darf.

Es ist die Rede von etwa 3 Milliarden Euro, die das kosten würde. Frau Bieringer, ist das richtig, was die Kindergelderhöhung betrifft, oder gehen Sie von anderen Beträgen aus?

Es gibt auch den Vorwurf der Opposition, die sagt, es sei schon grundgesetzwidrig, dass Sie 2014 auf die Erhöhung des Kindergeldes verzichtet haben. Ist da etwas dran?

Bieringer: Ich möchte mich nicht vor eine Antwort drücken, aber ehrlich gesagt ist der Kollege Schäfer dafür zuständig.

Jäger: Der Schäfer heißt Jäger.

Bieringer: Entschuldigung! Entschuldigen Sie bitte vielmals, Herr Jäger!

Jäger: Stellen Sie Ihre Frage bitte noch einmal.

Zusatzfrage: Ich wollte gerne wissen, ob die Zahl, die für die Kindergelderhöhung im Raume steht, also 3 Milliarden Euro, real ist, und ich hätte gerne einen Satz zum Vorwurf der Opposition gehört, die sagt, man hätte die Kindergelderhöhung doch mindestens schon 2014 vornehmen müssen. Dass man das nicht gemacht habe, sei grundgesetzwidrig.

Jäger: Ich knüpfe jetzt an das an, was ich eben gesagt habe: Wir werden hier jetzt nicht Zahlen in den Raum stellen. Gehen Sie davon aus, dass das, was wir am Ende tun werden, solide finanziert sein wird und sich im Rahmen der Haushaltsplanung abbilden lassen wird.

Was das Kindergeld für 2014 angeht, kann ich nur auf das verweisen, was ich eben sagte: Ja, es gibt die Thematik der Freibeträge und auch die rechtlichen Schlüsse, die möglicherweise daraus zu ziehen sind. Es gibt hier aber keinen Automatismus. Sie dürfen unterstellen, dass wir uns bei allem, was wir tun, natürlich und selbstverständlich an den verfassungsrechtlichen Vorgaben orientieren.

Frage: Mich würde interessieren - das betrifft eine Zahl, aber die werden Sie ja nennen können -, wann es das letzte Mal eine Kindergelderhöhung gegeben hat. Sie müssen ja wenigstens, sage ich einmal, eine Daumenzahl haben. Was würden 10 Euro mehr an Kindergeld denn kosten, unabhängig davon, ob es jetzt 10 Euro sein werden? Das ist ja eine Frage, die Sie beantworten können.

Jäger: Es ist ja klar, dass wir solche Dinge berechnen, denn wir sind das Finanzministerium. Wir haben sehr viele Zahlen vorrätig und auch viele Möglichkeiten, Dinge in einem Kontext in die Gesamtrechnung einzufügen. Ich bleibe trotzdem dabei: Ich werde jetzt hier nicht anfangen, hypothetisch zu einzelnen Beträgen Stellung zu nehmen und Dingen vorzugreifen, sondern wir werden uns in aller Ruhe miteinander abstimmen. Wir werden ein solides, gutes Gesamtergebnis zustande bekommen, und das werden wir Ihnen hier Ende dieses Quartals vorstellen. Darauf dürfen Sie sich freuen.

Zusatzfrage: Wann hat es die letzte gegeben? Erfahren wir das auch im März?

Jäger: Das kann ich Ihnen jetzt aus dem Stand nicht sagen, aber die Kollegen, die daheim am Fernseher sitzen, werden mich bestimmt aus dieser Not erlösen und uns noch während dieser Sitzung die Zahlen geben. Ich werde Ihnen das dann nachher sagen.

Frage: Herr Jäger, es ist überhaupt gar keine hypothetische Frage, wie viel eine Erhöhung des Kindergelds um 10 Euro kosten würde, sondern das ist eine reine Faktenfrage. Würden Sie die Antwort, wenn Sie die Frage jetzt nicht beantworten können, vielleicht nachreichen?

Jäger: Ich bleibe dabei: Wir werden uns jetzt ungern an solchen spekulativen, auf Szenarien bezogenen Diskussionen beteiligen, denn wir befinden uns jetzt in einem realen Abstimmungsprozess. Das heißt, es geht jetzt um reale Dinge, die wir gemeinsam mit den Kollegen im Kabinett bis Ende des Quartals in eine Gesamtlösung einfügen müssen. Entsprechend werden wir uns dann sicherlich auch gerne äußern.

Zusatzfrage: Herr Jäger, das ist keine spekulative Frage. Es ist einfach eine Faktenfrage, wie viel eine Kindergelderhöhung um 10 Euro anhand der jetzigen Zahl von Kindern und nach jetzigen Gegebenheiten kosten würde. Das ist weder spekulativ noch sonst etwas. Das ist einfach eine ganz normale Frage, auf die die Antwort in Ihrem Haus sicherlich vorliegt. Würden Sie die bitte nachreichen, wenn das möglich ist?

Jäger: Wenn das möglich ist.

Frage: Diese Frage geht wahrscheinlich auch an Herrn Jäger. Es geht um die kalte Progression. Der Bericht ist ja vorgestellt worden. Die Frage ist nur, was jetzt daraus folgt. Wird es im Laufe dieser Legislaturperiode dabei Änderungen geben? Sehr teuer scheint es ja nicht zu werden.

Jäger: Ich denke, es ist allgemein bekannt, dass wir - das Bundesfinanzministerium gemeinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium - im Jahreswirtschaftsbericht festgehalten haben, dass wir in dieser Legislaturperiode hierfür eine Lösung suchen.

Zusatzfrage: Geht es noch etwas konkreter? Ist man dabei schon etwas weiter?

Jäger: Das konkretisiert sich darin, dass wir in dieser Legislaturperiode einen entsprechenden Vorschlag dazu machen werden, wie das praktisch zu bewerkstelligen sein wird.

Zusatzfrage: Wann könnte dieser Vorschlag kommen?

Jäger: Innerhalb dieser Legislaturperiode.

Frage: Ich habe eine Frage zur Fotovoltaik an das Wirtschaftsministerium. Es gab im Vorfeld die Kritik, dass in diese Ausschreibungen auch Ackerflächen in benachteiligten Gebieten einbezogen werden sollen. Der Vorwurf lautet, dass es dadurch eine Verspiegelung der Kulturlandschaft gebe; diesen Begriff kannte ich vorher auch nicht. Ist das jetzt eigentlich raus, oder ist das drinnen geblieben?

Alemany: Ich kann Ihnen zu Flächenkulissen sagen, dass wir davon ausgehen, dass wir da einen sehr guten Kompromiss gefunden haben und dabei auch unterschiedliche Interessen zum Ausgleich gebracht haben. Die Flächenkulisse wird maßvoll erweitert - das ist in der Tat richtig -, sodass in einem maßvollen Ausmaß auch Ackerflächen genutzt werden dürfen. Die Flächenkulisse, auf der künftig freiflächige Anlagen errichtet werden dürfen, bleibt also im Jahr 2015 erst einmal unverändert. Das bedeutet, dass Freiflächenanlagen nur auf Konversionsflächen, versiegelten Flächen und an Seitenrandstreifen von Autobahnen und Schienenwegen angelegt werden dürfen.

In der zweiten Stufe wird die Flächenkulisse 2016 und 2017 dann maßvoll auch um solche Ackerflächen in sogenannten benachteiligten Gebieten - sie haben es ja gerade schon angesprochen - erweitert, die im Eigentum des Bundes stehen und durch die Bundesagentur für Immobilienaufgaben, also die sogenannte BImA, verwaltet werden.

Vielleicht noch als Erklärung zu diesen benachteiligten Gebieten: Dabei handelt es sich um Gebiete mit niedrigen Bodengüten, sodass die Inanspruchnahme von hochwertigen Ackerböden vermieden werden kann.

Jäger: Ich könnte die Antwort jetzt nachliefern: Die letzte Kindergelderhöhung - ich darf Sie darüber informieren - gab es zum Jahresbeginn 2010. Erhöht wurde von 164 Euro auf 184 Euro.

Ihre Frage, was eine Erhöhung um 10 Euro kosten würde, kann ich Ihnen so jetzt nicht beantworten. Aber ich darf Ihnen sagen, dass die Erhöhung des Kindergelds um 1 Euro im Monat gesamtstaatlich etwa 200 Millionen Euro ausmachen würde.

Frage: Ich würde gerne etwas zum Thema Mali fragen. Angesichts der Tatsache, dass Deutschland dort sein Engagement erhöhen und die Führung dieser Trainingsmission übernehmen wird, aber auch angesichts der Tatsache, dass dort bereits 9.000 Blauhelmsoldaten stehen und die Sicherheitslage trotzdem nicht besonders gut ist, gerade im Norden des Landes, stellt sich natürlich die Frage nach dem Sinn dieser Mission. Welche Erfolge hat es dabei also bislang aus Sicht der Bundesregierung gegeben? Was will die Bundesregierung dort erreichen? Was kann sie dort erreichen?

Schäfer: Deutschland engagiert sich in Mali in einem großen Kreis von Partnern. Deshalb unterscheiden sich unsere Ziele hinsichtlich unseres Einsatzes in Mali nicht von den Zielen der internationalen Staatengemeinschaft. Wir finden es richtig und gut, dass es eine große Gruppe von afrikanischen Soldaten gibt, die von afrikanischen Staaten nach Mali entsandt worden sind, um dort zur Stabilisierung beizutragen und auf diese Art und Weise Zeit zu gewinnen, eine politische Lösung zu erreichen. Wir beteiligen uns im Kreise unserer Partner in der Europäischen Union daran, das zu unterstützen, indem wir die malische Armee ausbilden und ertüchtigen wollen, um ihrer Sicherheitsaufgabe zum Schutze des malischen Territoriums gerecht werden zu können.

Es ist richtig, dass wir in der Zeit, in der unser Engagement und das Engagement der internationalen Staatengemeinschaft bereits laufen, noch nicht in eine Situation gekommen sind, die es möglich gemacht hätte, das Engagement der internationalen Gemeinschaft zurückzufahren. Das überrascht jedenfalls uns innerhalb der Regierung eigentlich nicht, denn es war eigentlich von Anfang an klar, dass es eine ganz schwierige politische Situation in Mali gibt und es eher unwahrscheinlich ist, dass es, sagen wir einmal, innerhalb von wenigen Monaten gelingen kann, eine Lösung für die Probleme, die Verhärtungen und auch die Schwierigkeiten im Ausgleich zwischen den Bevölkerungsgruppen im Norden des Landes und denen in der Hauptstadt oder im Süden des Landes auf die Schnelle auf die Beine zu stellen.

Wir engagieren uns mit dem heute im Kabinett beschlossenen militärischen Einsatz weiter, aber unser Engagement geht natürlich darüber hinaus. Wir engagieren uns etwa auch über unsere Botschaft oder über einige Projekte, die dort laufen, auch dabei, den Versöhnungsprozess zwischen den Bevölkerungsgruppen im Norden und der Regierung in Mali zu befördern und damit eine Atmosphäre zu schaffen, in der es möglich ist, eine politische Lösung hinzubekommen.

Frage: Hat es denn im politischen Versöhnungsprozess Fortschritte gegeben? Das, was man liest, geht ja eher in die andere Richtung, dass sich die Fronten eher verhärten.

Schäfer: Ja, Sie haben recht. Wir sind weit davon entfernt, da von einem Durchbruch sprechen zu können. Das ist ein komplizierter Prozess, weil es nicht nur eindimensional zugeht, sondern vielschichtige Probleme gibt, die politischer Natur sind, die sozialer Natur sind und die auch ökonomischer sowie zum Teil ethnischer Natur sind. Ich kann nur noch einmal wiederholen und bekräftigen, dass wir der malischen Regierung mit den Partnern Europas und auch der Afrikanischen Union gemeinsam dabei helfen wollen, dieses Problem in den Griff zu bekommen.

Ich räume ein: Es hat Fortschritte gegeben, und es hat dann auch immer wieder Rückschläge gegeben. Davon lassen wir uns hier aber nicht entmutigen. Das sehen Sie an dem Beschluss des Kabinetts. Dieses gemeinsame Engagement für Mali wird von allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union geteilt, weil einfach auch die Stabilitätsinteressen und die Sicherheitsinteressen, die wir in Europa haben, eine ganze Menge mit Mali zu tun haben. Letztlich sind nur zwei Grenzen zu überwinden, bevor, sagen wir einmal, Probleme, die aus der Sicherheitslage Marlies erwachsen können, auch uns in Europa erreichen können.

StS Seibert: Wenn ich das ergänzen darf: Mali ist ja auch ein gutes Beispiel für den vernetzten Ansatz, den wir in unserer Politik haben. Es gibt diese militärische Komponente, also konkret die Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Ausbildung der malischen Armee, es gibt den politischen Ansatz, und es gibt eine intensive entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit Mali, die Mali bei den Themen "gute Regierungsführung", "Dezentralisierung" und "nachhaltige Landwirtschaft" unterstützt. Ich glaube, man muss alle drei Komponenten sehen, und in Bezug auf alle drei Komponenten sind wir engagiert.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben gerade die verschiedenen Bevölkerungsgruppen angesprochen. Werden denn alle Bevölkerungsgruppen militärisch ausgebildet?

Schäfer: Nein, es wird natürlich um eine Unterstützung bei der Ausbildung der offiziellen malischen Sicherheitskräfte gehen.

Zusatzfrage: Woraus bestehen die? Bestehen diese malischen Sicherheitskräfte aus allen Bevölkerungsgruppen?

Schäfer: Ein Versöhnungsprozess in Mali wird es ganz bestimmt mit sich bringen, dass auch in den Sicherheitsstrukturen alle Bevölkerungsgruppen angemessen vertreten sind. Aber das ist sozusagen alles ein Teil der Gespräche und der politischen Verhandlungen, um die es jetzt geht, um eine Lösung zu schaffen, die sozusagen nachhaltig Frieden für Mali schaffen kann.

Frage: Steht das jetzt im Zusammenhang mit einer neuen Afrikapolitik? Wird hier ein neuer Schwerpunkt gesetzt, oder geht es darum, dass Deutschland auch einmal Engagement zeigt beziehungsweise Führung in einer solchen internationalen Mission übernimmt, wie ja auch schon oft im Ausland gefordert wurde?

Schäfer: Die Bundesregierung hat sich vor einiger Zeit - im Laufe des letzten Jahres - neue Afrika-Leitlinien gegeben. Unser Engagement für Frieden und Stabilität in Mali ist ein Teil unseres Engagements für Afrika. Aber damit schließen wir nicht ab. Für uns ist Afrika auch ein Kontinent der Möglichkeiten und der Chancen. Das gilt für einige Regionen Afrikas, in denen es sehr vielversprechende und auch ermutigende politische und wirtschaftliche Entwicklungen gibt, die im Übrigen auch neue und ertragreiche Chancen für die deutsche Wirtschaft bieten. Aber unser Engagement für Afrika bedeutet auch, die zunehmenden Bemühungen der Afrikanischen Union und der afrikanischen Regionalorganisationen darum, sich ohne Hilfen von außen selbst um die eigenen Problemen kümmern zu können, soweit das nur irgend geht, zu unterstützen. Das tun wir in Mali. Das tun wir, indem wir der Afrikanischen Union und auch einigen Regionalorganisationen Afrikas zur Seite stehen. Deshalb passt das in ein kohärentes und auch umfassendes Konzept, mit dem sich Deutschland und Europa mit dem Nachbarkontinent Afrika auseinandersetzen.

Frage: Zum Libanon: Herr Schäfer, befürchtet die Bundesregierung, nachdem durch israelischen Beschuss ein UN-Blauhelmsoldat in dem Konflikt ums Leben gekommen ist, Auswirkungen auf den dortigen Blauhelm-Einsatz? Wird sie möglicherweise direkt Kontakt zur israelischen Regierung ergreifen, um auf eine Beruhigung dieses Konflikts hinzuwirken?

Schäfer: Ich habe gerade eben schon einmal gesagt, dass die Bundesregierung alle Beteiligten eindringlich auffordert, jetzt die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen und besonnen zu agieren. Ich habe, während diese Pressekonferenz läuft, genau wie Sie vielleicht die Agenturmeldung gesehen, der gemäß es tatsächlich zu einem Todesfall eines Soldaten der UNIFIL-Mission gekommen sein soll. Das ist ohne jeden Zweifel ein tragischer Vorfall, den wir sehr bedauern und unser Mitgefühl gilt natürlich den Angehörigen der Opfer. Ich bin aber jetzt, einfach weil für mich die Information genauso frisch ist wie für Sie, gar nicht in der Lage, das aus dem Stand zu analysieren und zu bewerten. Es kommt natürlich darauf an, wo, in welchem Kontext und wann das geschehen ist.

Klar ist aber, dass wir in Sorge darüber sind - auch das möchte ich noch einmal wiederholen und bekräftigen -, dass das, was zurzeit an der Südgrenze des Libanon und an der Nordgrenze Israels passiert, uns in Sorge versetzt und es schrecklich wäre, wenn die gewaltsamen Auseinandersetzungen und die Anschläge, die es gegeben hat, nur der Auftakt zu groß angelegten militärischen Operationen wären. Wir können davor nur warnen. Das hilft niemandem und würde wahrscheinlich auf allen Seiten nur zusätzliche schwere Folgerungen und einen hohen Blutzoll auslösen, vor dem man nur warnen kann.

Frage: Ich habe eine Frage zu Griechenland. Herr Seibert, der neue griechische Ministerpräsident ist mittlerweile drei Tage im Amt. Gestern gab es eine Pressemitteilung aus Athen, die auf Distanz zu dem EU-Beschluss zur Russland-Politik gegangen ist. Gleichzeitig werden Tausende von Beamten wieder neu eingestellt. Wie bewertet die Bundesregierung eigentlich die Performance von Herrn Tsipras in den ersten drei Tagen? Hat sie noch die Hoffnung, dass man mit Herrn Tsipras zu einem, wie auch immer gearteten konstruktiven Ergebnis kommt?

StS Seibert: Ich möchte erste innenpolitische Maßnahmen der neuen griechischen Regierung erst einmal überhaupt nicht bewerten. Ich gehe davon aus - und das tun alle europäischen Partner Griechenlands -, dass die neue Regierung den europäischen Partnern recht bald ihre wirtschafts- und finanzpolitische Gesamtstrategie und ihre klaren Vorstellungen vorlegen wird, wie es mit dem Abschluss des laufenden Programms, mit der Erfüllung der Pflichten, die Griechenland übernommen hat, weitergehen soll. Auf der Basis solcher konkreter Vorschläge, die den europäischen Partnern zu machen sind, wird dann zu diskutieren sein.

Frage: Herr Seibert, Herr Jäger, der neue Ministerpräsident hat heute bei der ersten Sitzung des Kabinetts gesagt, dass eines der vier vorrangigen Ziele seiner Regierung eine Neuverhandlung mit den Partnern für eine faire, nachhaltige, notwendige und tragfähige Lösung ist. Sehen Sie einen Spielraum für Neuverhandlungen?

StS Seibert: Ich wiederhole noch einmal, was ich gesagt habe. Ich sehe die Notwendigkeit, dass die neue griechische Regierung ihren europäischen Partnern ihre Vorstellungen konkret vorlegt und vorträgt. Darüber wird dann zu sprechen sein. Die Grundlage der Zusammenarbeit - das haben wir hier am Montag sehr ausführlich diskutiert -, die in den letzten Jahren gegolten hat, als Griechenland erhebliche europäische Solidarität gegenüber Eigenanstrengungen erfahren hat und zu denen es sich verpflichtet hat, besteht weiter.

Zusatzfrage: Es gibt aber eine neue Regierung in Griechenland, die frisch gewählt worden ist. Der neue Finanzminister hat einen Vorschlag für eine Zwischenvereinbarung unterbreitet, und zwar zwischen dem, was es bis jetzt in Sachen Programm für Griechenland gegeben hat, und dem neuen Programm, das durch die Verhandlungen dann zum Abschluss kommen wird. Ist für die Bundesregierung eine solche Zwischenlösung denkbar?

StS Seibert: Ich kann nur wiederholen: Die Vorstellungen der neuen griechischen Regierung, auch des neuen griechischen Finanzministers, wird er sicherlich bald den europäischen Partnern vorlegen. Auf der Ebene werden sie dann natürlich auch mit ihm diskutieren.

Frage: Zwei Vorstellungen der Regierung, Herr Seibert, sind ja ganz konkret und sind Ihnen sozusagen vorgestellt worden, nämlich die Nicht-Privatisierung des Hafens von Piräus und des Energieversorgers. Das sind im Hilfsprogramm verankerte Maßnahmen, hinter denen der europäische Steuerzahler im Fall des Hilfspakets auch steht. Mich würde schon einmal interessieren, was Sie zu diesen beiden konkreten Punkten sagen und ob Sie sie hilfreich finden.

StS Seibert: Jetzt beginnen wir uns ein bisschen im Kreise zu drehen. Ich wiederhole - im Übrigen ist das auch das, was Herr Dijsselbloom, der Vorsitzende der Eurogruppe auch gestern gesagt hat -: Wir rechnen damit - und wir erwarten auch -, dass die neue griechische Regierung ihre Vorstellungen an uns heranträgt. Auf der Ebene werden wir mit ihr sprechen, was unsere Vorstellungen sind. Was unsere Überzeugungen sind, was das Konzept unserer Zusammenarbeit mit Griechenland in den vergangenen Jahren war, ist Ihnen bekannt. Dass sich an dem Konzept aus unserer Sicht nichts geändert hat, wissen Sie auch.

Ich weiß nicht, ob Herr Jäger das ergänzen möchte.

Jäger: Der Punkt ist doch der: Wir werden mit der griechischen Regierung direkt zu reden haben und hier nicht Medienberichte, die uns aus Athen natürlich auch übermittelt werden, kommentieren.

Im Kern geht es jetzt darum, dass wir gemeinsam einige anstehende, sehr konkrete, sehr praktische Fragen lösen. Hier ist zuallererst die Frage zu nennen, wie es jetzt gelingen kann, das laufenden Hilfsprogramm zu einem Abschluss zu bringen, denn von diesem Abschluss sind weitere denkbare Folgeschritte abhängig.

Zusatzfrage: Es ehrt Sie ja, dass Sie sagen, dass Sie direkt mit der griechischen Regierung sprechen wollen. Tatsache ist aber, dass die griechische Regierung Entscheidungen verkündet und offenbar nicht direkt mit Ihnen gesprochen hat. Meine Frage an Herrn Seibert ist, ob es mittlerweile eigentlich einen Kontakt zwischen Frau Merkel und Herrn Tsipras gegeben hat.

StS Seibert: Nein, den hat es noch nicht gegeben. Aber Sie wissen, dass die Bundeskanzlerin gestern Vormittag Herrn Tsipras schriftlich zu seiner Wahl und zur Übernahme der Regierungsverantwortung gratuliert hat.

Zusatzfrage: Und zur Frage des Vorgehens der griechischen Regierung? Sie sagten eben, man spreche nicht über die Medien miteinander, sondern direkt.

StS Seibert: Um es noch einmal zu sagen: Die griechische Regierung hat keine bilateralen Verabredungen mit Deutschland oder mit Frankreich oder mit Spanien oder anderen Euro-Ländern, sondern sie hat Verabredungen mit den Mitgliedstaaten der Eurozone. Auf dieser Ebene werden auch die notwendigen Gespräche zu führen sein.

Frage: Ich habe eine Verständnisfrage zu der gestrigen Erklärung der Staats- und Regierungschefs zur Ukraine und zu Sanktionen. Ist das eine Erklärung der 28 inklusive Griechenlands oder ist es eine Erklärung von 27 minus Griechenland? In welcher Rolle war Griechenland eingebunden und inwieweit hat die Erklärung auch für Griechenland Gültigkeit?

StS Seibert: Das ist natürlich zunächst einmal eine Frage, die Sie dem Ratssekretariat zu stellen hätten. Nach Kenntnis der Bundesregierung fand diese vom EU-Ratspräsidenten veranlasste und vom Sekretariat durchgeführte Abstimmung der Erklärung im üblichen Umlaufverfahren statt. Das ist das Umlaufverfahren, das alle einschließt. Aber ich würde wirklich bitten, Detailfragen an das Ratssekretariat zu stellen, was das betrifft.

Im Übrigen wissen Sie, dass schon morgen die Außenminister - dann natürlich auch der neue griechische Außenminister - über die weitere und die derzeitige Entwicklung in der Ukraine miteinander beraten werden.

Frage: Ich habe eine Wissensfrage an Herrn Jäger. Sie sagen, dass zunächst einmal die Haltung Griechenlands zum laufenden Programm geklärt werden muss. Wenn die neue griechische Regierung so eine Verlängerung beantragen würde, würde sie sich eigentlich damit schon in irgendeiner Form den Auflagen dieses Programms unterwerfen oder könnte sie das beantragen, ohne sich in irgendeiner Form zu diesem Programm zu committen? Es ist ja wohl das Problem, dass die neue griechische Regierung dieses Programm eigentlich gar nicht mehr will.

Jäger: Zunächst ist festzuhalten, dass - soweit mein Wissen und Kenntnisstand, und so war das auch gestern in Brüssel -, bis dato ein solcher Antrag Griechenlands nicht vorliegt. Wenn er denn kommen sollte, wäre dieser Antrag selbstverständlich in einem inhärenten Gesamtzusammenhang zu sehen.

Frage: Herr Seibert, können Sie schon etwas zu den Erwartungen der Bundeskanzlerin im Zusammenhang mit Griechenland sagen, was das Treffen mit Herrn Tusk heute Abend angeht? Dann wird sicher auch über das Thema Griechenland geredet und auch darüber, wie es weiter geht. Können Sie dazu etwas sagen?

StS Seibert: Das Gespräch mit Herrn Tusk findet im Rahmen eines informellen Treffens statt. Es wird ein Austausch über alle anstehenden europapolitischen Themen sein, über Themen, die der nächste Europäische Rat Mitte Februar zu besprechen hat. Zum Thema Griechenland habe ich hier, glaube ich, für die Bundesregierung heute alles gesagt.

Frage: Noch einmal zum Komplex Griechenland, Ukraine und Russland-Sanktionen. Wie bewertet man die Haltung von Griechenland? Befürchtet man einen Riss in der Geschlossenheit der Europäer, was die Sanktionen gegenüber Russland angeht?

StS Seibert: Ich mache es nur kurz und dann sagt Herr Schäfer sicherlich auch etwas dazu.

Zunächst einmal treffen sich, wie gesagt, morgen die Außenminister. Auch der neue griechische Außenminister wird - das erwarte ich jedenfalls - dabei sein und dann gibt es Gelegenheit, sich miteinander auszutauschen. Diese Gelegenheit hat es bisher ja noch gar nicht gegeben.

Ich will nur ganz grundsätzlich sagen, dass aus Sicht der Bundesregierung die Einmütigkeit, mit der Europa bisher auf die Herausforderungen durch den Konflikt in der Ukraine reagiert hat, ein Wert ist und dass wir dafür arbeiten werden, dass wir diese Einmütigkeit auch in Zukunft bewahren.

Schäfer: In den letzten zehn Monaten hat es - ich weiß gar nicht, wie viele; vielleicht weiß Herr Seibert die Zahl - Außenminister-Räte der Europäischen Union zum Thema Ukraine und Beziehungen zu Russland sowie mehrere Europäische Räte gegeben, die sich diesem Thema vordringlich gewidmet haben. Das waren häufig genug schwierige Momente, weil es genau auf das ankam, was Herr Seibert gerade für die Bundesregierung herausgestellt hat, nämlich die Geschlossenheit Europas sicherzustellen. Es war immer wieder an verschiedenen Wegmarken der Reaktion Europas auf die Ereignisse in der Ostukraine erst auf die Annexion der Krim und dann auf die Geschehnisse in der Ostukraine eine Herausforderung und auch nicht immer leicht, diese europäische Geschlossenheit herzustellen.

Das ist auch gar nicht überraschend, denn die 28, die die Europäische Union ausmachen, haben allesamt ihren eigenen nationalen Blick auf die Ereignisse in der Ostukraine und auf die Beziehungen zu Russland, die unbestreitbar durch eigene historische Erfahrungen geprägt sind. Die historischen Erfahrungen der baltischen Länder mit Russland sind völlig andere als die Erfahrungen Spaniens, Portugals und Maltas, vielleicht auch Griechenlands. Es war immer ein übergeordnetes Ziel der Politik der Bundesregierung, trotz dieser offensichtlichen Unterschiede, die niemand wegdiskutieren kann und auch nicht wegdiskutieren braucht, eine gemeinsame Haltung zu finden. Das ist uns bislang immer gelungen. Wir sind fest überzeugt, dass uns das auch in Zukunft gelingen kann und wir nehmen uns das auch vor. Das gilt natürlich auch morgen für die Reise des Außenministers nach Brüssel zum Außenminister-Rat, der sich ausschließlich mit der Lage in der Ukraine befassen wird. Das wird uns auch gelingen; da sind wir sehr zuversichtlich.

Der Außenminister hat bereits gestern Abend ein Glückwunschschreiben an seinen neuen griechischen Kollegen, Herrn Kotzias, versandt. Er freut sich auf die morgige Begegnung am Rande des Sonderrats der Außenminister der Europäischen Union auf eine persönliche Begegnung mit seinem neuen griechischen Kollegen.

Frage: Herr Jäger, Sie sagten eben, dass so ein Antrag in einem inhärenten Zusammenhang zu sehen sei. Was genau meinten Sie damit? Können Sie das in zwei, drei Sätzen ausführen?

Jäger: Der Sachverhalt ist doch der folgende: Wir haben ein laufendes Hilfsprogramm, das nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, Ende vergangenen Jahres abgeschlossen werden konnte, weil seitens Griechenland noch einige Leistungen zu erbringen waren. Wir haben daraufhin im Kreis der europäischen Finanzminister, der Eurozonen-Finanzminister eine Verständigung erzielt, dass dieser Programmabschluss bis Ende Februar nach hinten geschoben, verlängert wird. Die Aufgabenstellung, vor der wir heute stehen, ist exakt dieselbe wie im Dezember.

Frage: Ich möchte an das anknüpfen, was Herr Schäfer gesagt hat. Das ist eine reine Wissensfrage. Ist es eigentlich möglich, EU-Sanktionen zum Beispiel gegen Russland gegen das Votum eines Mitgliedstaates zu verhängen?

Schäfer: Nein, solche Entscheidungen fallen einstimmig. Die Sanktionen, die Maßnahmen, die die Europäische Union in der Zeit von März 2014 bis September 2014 verhängt hat, sind, wie das bei diesen Sanktionen politisch vernünftig und rechtlich geboten ist, befristet, sind, wenn ich richtig informiert bin, allesamt auf einen Zeitraum von zwölf Monaten vereinbart worden, sodass jetzt im Laufe der nächsten Monate sukzessive die Maßnahmen, die die Europäische Union ergriffen hat, an ihr zunächst im letzten Jahr vereinbartes Ende nach Ende der zwölf Monate gelangen und es dann erneuter politischer Entscheidungen bedarf, wie damit umgegangen wird.

Frage: Herr Seibert, gestern hat der französische Präsident Hollande Herrn Tsipras nach Paris eingeladen. Die Bundesregierung hat noch nicht mit Herrn Tsipras telefoniert. Frankreich ist Herrn Tsipras gegenüber im Moment ganz freundlich, und die Bundeskanzlerin hat nur ein Telegramm geschickt. Sehen Sie eine neue Eiszeit, was die Beziehungen zwischen Griechenland und Deutschland angeht?

StS Seibert: Ein Glückwunschtelegramm, das dem Empfänger des Telegramms Kraft und viel Erfolg wünscht und das ansonsten von der tiefen und guten Freundschaft unserer beiden Völker spricht, kann ich nicht als einen Beleg für eine Eiszeit sehen.

Zusatzfrage: Noch einmal: Herr Hollande hat Herrn Tsipras nach Paris eingeladen. Das ist eine ganz andere Geste als nur ein Telegramm.

StS Seibert: Ja, um diese Geste zu erklären, müssten Sie allerdings meine französische Kollegin befragen. Die Bundeskanzlerin hat ein ehrlich gemeintes Glückwunschtelegramm geschickt und das hat auch der Außenminister an seinen Amtskollegen. Ich bin sicher, dass es auch zum Beispiel beim kommenden Europäischen Rat eine erste Begegnung mit dem neuen griechischen Ministerpräsidenten geben wird.

Frage: Gab es ein ähnliches Telegramm von Herrn Schäuble an seinen neuen griechischen Finanzministerkollegen?

Jäger: Anders als im Fall von Herrn Tsipras wissen wir erst seit Kurzem, dass Herr Varoufakis der neue Finanzminister Griechenlands sein wird. Sie dürfen fest davon ausgehen, dass Herr Schäuble ihm, wie er das in allen anderen Fällen auch tut, ein entsprechendes Schreiben übermitteln wird. Wir sehen der Zusammenarbeit mit Interesse entgegen.

Zusatzfrage: Ich wollte etwas anderes fragen beziehungsweise Sie um etwas bitten, nämlich Ihre vorherige Antwort dahingehend zu präzisieren, ob die Gespräche über eine etwaige Verlängerung des jetzigen Programms im Rahmen der bisherigen Abkommen stattfinden müssen oder ob das auch sozusagen auf abkommenneutralem Boden stattfinden kann?

Jäger: Aus unserer Sicht gelten die bislang getroffenen Absprachen.

Frage: Ein letztes Wort zu Glückwunschtelegrammen. Ich wollte wissen, ob die Bundesverteidigungsministerin ihren griechischen Kollegen beglückwünscht hat.

Roth: Darüber liegen mir zurzeit keine Kenntnisse vor.

Vorsitzender Mayntz: Wenn Sie die haben, könnten Sie die bitte nachreichen.

Roth: Das werde ich tun.

Frage: Herr Jäger, anknüpfend an Ihre Bemerkung, dass die Programmerfüllungsdeadline Ende Februar ist: Vor einer Stunde hat der Wirtschaftsminister hier zum Thema Griechenland ausgeführt - wenn ich mich nicht falsch erinnere, man möge mich korrigieren -, ein Schuldenschnitt sei für ihn nicht denkbar, Modifikationen im Rahmen der laufenden Programme allerdings bei eigenen griechischen Leistungen wohl doch. Das scheint anders zu klingen als die Aussage: Ende Februar steht fest.

Jäger: Sie müssen jetzt zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine ist der Schuldenschnitt, der immer wieder in die Diskussion gebracht wird, der in keinem Zusammenhang mit dem laufenden Programm steht. Das muss man ausdrücklich festhalten. Die Bundesregierung hat bei verschiedenen Gelegenheiten darauf hingewiesen, dass eine Diskussion über einen Schuldenschnitt kein Thema für uns ist. Das ist das eine.

Zum anderen müssen wir jetzt die Situation des Programmabschlusses betrachten. Ein Programm ist eine Vereinbarung auf Gegenseitigkeit. Das heißt, wir waren und sind gerne bereit, Griechenland zu unterstützen. Im Gegenzug hat die griechische Seite uns in der Vergangenheit zugesagt, bestimmte Leistungen im Sinne einer Reform des Landes - Konsolidierung des Haushalts und all diese Dinge, die wir hier schon oft diskutiert haben - zu erbringen.

Ich habe nur darauf hingewiesen, dass wir zum einen noch keinen Verlängerungsantrag seitens Griechenland vorliegen haben und dass wir davon ausgehen, dass, wenn ein solcher Antrag vorliegen sollte, wir uns natürlich weiterhin in einem bestimmten Kontext befinden. Wir haben im Dezember bis Ende Februar verlängert. Ich will jetzt nicht spekulieren. Das setzt wirklich einen Antrag Griechenlands voraus. Noch einmal: Dieser Antrag liegt nicht vor. Wenn ein solcher Antrag vorliegen würde, könnten wir nicht einfach bei Null anfangen.

Frage: Herr Seibert, eine Wissensfrage zu den Sanktionen. Die Sanktionen wurden in mehreren Runden verhängt. Welche genau stehen denn jetzt im März zur Disposition? Wenn ich mich recht erinnere, gab es nur Sanktionen im Zusammenhang mit der Krim, die nicht wirtschaftlicher, sondern rein politischer und personeller Natur waren. Im März wird nur über dieses Paket oder eventuell über andere Sanktionen abgestimmt?

Schäfer: Ich bin Ihnen dankbar für die Frage, denn sonst hätte ich selber noch nach einer Gelegenheit gesucht, dazu nur ein paar Worte zu sagen.

Ich sehe nämlich gerade, dass es eine Agenturmeldung offensichtlich auf der Grundlage eines Entwurfs von Ratsschlussfolgerungen für die morgigen Beratungen der 28 EU-Außenminister gibt. Sie wissen, dass die Entscheidung über das morgige Treffen erst am Wochenende gefallen ist. Das ist, anders als bei diesen Ratstreffen der Außenminister üblich, eine kurze Frist. Die Hohe Beauftragte Frau Mogherini hält sich derzeit auch gar nicht in Brüssel auf. Sie ist, wenn ich das richtig weiß, transatlantisch auf Reisen. Die Ratsschlussfolgerungen, die durch die Medien geistern, sind nichts anderes als ein allererster Entwurf der Mitarbeiter von Frau Mogherini. Der Prozess der Abstimmung zwischen den EU-Außenministern beginnt erst. Ich glaube, während wir hier miteinander sprechen, treffen sich die Botschafter im Politischen und Sicherheitspolitische Komitee, dem PSK. Heute Nachmittag werden die EU-Botschafter im Ausschuss der Ständigen Vertreter zu dieser Frage zusammentreten.

Was dann tatsächlich morgen Nachmittag, dann, wenn die 28 Außenminister zusammentreten, den Ministern von den Beamten zur Entscheidung vorgelegt wird und wie viele eckige Klammern es dann noch gibt, wie viel Diskussions- und Beratungsbedarf es unter den Ministern gibt, kann ich noch nicht vorhersehen. Sicher kann ich aber sagen, dass das, was zurzeit vorliegt und ganz offensichtlich auch von irgendjemandem an die Medien gegeben worden ist, nichts anderes als ein Entwurf ist, nicht mehr und auch nicht weniger. Die Haltung der Bundesregierung, auch die Haltung des Außenministers zu den anstehenden Fragen, kennen Sie. Wir haben vorgestern hier ausführlich darüber gesprochen.

Ich will noch einmal das sagen, was Herr Seibert gerade schon gesagt hat: Morgen geht es wirklich darum, dass die Europäische Union weiter eine geschlossene Haltung zeigt. Das wird auch unser Ansatz bei den morgigen Beratungen sein.

Zusatzfrage: Welche Sanktionen laufen im März genau aus?

Schäfer: Ich habe ausdrücklich so geantwortet, wie ich geantwortet habe, weil sich dem Text ausweislich der Agenturmeldung dazu auch Inhalt entnehmen lässt. Ich würde das nicht überbewerten, sondern das ist eine politische Frage, die ganz sicher von den Außenministern besprochen werden wird.

Was wir an Sachlage zurzeit haben, ist, dass es eine Kadenz von verschiedenen Maßnahmen gibt, die von März 2014 bis September 2014 gelaufen sind. Ob, wie und wann diese Maßnahmen gegebenenfalls auslaufen oder verlängert werden, ist eine politische Frage, die von den Außenministern oder den Staats- und Regierungschefs und jedenfalls nicht im Wege eines Entwurfs von Ratsschlussfolgerungen geklärt wird.

Zusatzfrage: Ich bin jetzt ganz durcheinander. Sie sagten doch eben, die Maßnahmen, die Sanktionen, seien für zwölf Monate beschlossen wurden.

Schäfer: Genau.

Zusatzfrage: Das heißt, nach zwölf Monaten laufen sie automatisch aus?

Schäfer: So ist es, das ist richtig.

Zusatzfrage: Und jetzt sagen Sie, es stehe eine neue politische Entscheidung darüber an, ob die auslaufen oder nicht?

Schäfer: Nein, die politische Entscheidung ist, ob man sie auslaufen lässt, ohne sie zu verlängern. Bei der politischen Entscheidung geht es also um die Frage: Was macht man damit, wenn sie auslaufen?

StS Seibert: Die Verhängung von Sanktionen hatte ja bestimmte Ursachen. Sanktionen können nach unserer festen Überzeugung dann auch aufgehoben werden, wenn die Ursachen beseitigt sind. Das ist das, was zu prüfen sein wird.

Schäfer: Nehmen wir einmal an - das ist ein ganz theoretischer Fall -, eine bestimmte Maßnahme der Europäischen Union liefe am 23. März aus. Dann ist es eine politische Entscheidung der Europäischen Union, ob man nichts tut und sie laufen aus, ober ob man etwas tut und einen förmlichen Beschluss fasst, um sie zu verlängern. Diese Entscheidung ist keine Entscheidung, die Beamte treffen, sondern die die nach den EU-Verträgen dafür vorgesehenen Gremien treffen. Das werden in diesem Fall eine Ratsformation der Außenminister oder andere tun.

Frage: Herr Seibert, noch einmal zu dem Telefonat der Bundeskanzlerin mit dem US-Präsidenten: Ich glaube, dazu gab es bis jetzt ja nur eine Mitteilung vom Weißen Haus und nicht vonseiten der Bundesregierung. In diesem Telefonat wurde wohl auch über eine Aufstockung der Finanzhilfe für die Ukraine gesprochen. Können Sie irgendetwas dazu sagen? In welchem Größenmaßstab soll die Finanzhilfe aufgestockt werden?

StS Seibert: Zunächst einmal kann ich Ihnen sagen, dass es gestern, am 27. Januar, tatsächlich ein Telefonat zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Obama gab. Ein wichtiger Gesprächsgegenstand war die Situation in der Ostukraine nach dem Beschuss von Mariupol mit beklagenswerten zivilen Opfern, einem Beschuss, der aus dem von den Separatisten kontrollierten Gebiet vorgenommen wurde. Es gibt absolute Übereinstimmung in der Einschätzung, dass die Grundlage für eine friedliche Lösung des Konflikts - die wir wollen und zu der wir beitragen wollen - eine Umsetzung der Minsker Vereinbarungen ist. Es gab ebenso klare Übereinstimmung darin, dass die russische Regierung aufgerufen ist, ihre Unterstützung für die Separatisten einzustellen und auch die im Minsker Abkommen eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten, zu beachten.

Beide Gesprächspartner, die Bundeskanzlerin und der US-Präsident, haben tatsächlich eben auch über die Notwendigkeit gesprochen, zur Unterstützung der Ukraine ein robustes Finanzpaket aufzustellen. Sie sind sich einig, dass rasch Hilfe an die Ukraine geleistet werden muss. Dabei müssen natürlich Institutionen wie die IWF und die EBRD und weitere Geber zusammenwirken. Darüber hinaus kann ich hier keine Details nennen.

Frage: Herr Seibert, noch eine Frage zum Gespräch mit Herrn Obama: Wurden auch andere Themen angesprochen, US-Folter zum Beispiel?

StS Seibert: Das Gespräch diente dem Austausch über die sehr beunruhigende Situation in der Ukraine.

Zusatzfrage: Darüber hinaus gab es keine Gründe für andere Themen?

StS Seibert: Das war das, worum es bei dem Gespräch ging.

Frage: Eine Frage an das Gesundheitsministerium zur elektronischen Gesundheitskarte, die heute Thema im Gesundheitsausschuss im Bundestag war: Nach dem, was ich gelesen habe, haben die Sachverständigen übereinstimmend gesagt, dass die Komplexität durch die Industrie, die das umsetzen muss, unterschätzt worden sei, dass also alles viel komplizierter sei als ursprünglich gedacht. Meine Frage ist: Wie passt das zum Ansinnen des Gesundheitsministers, dieses Projekt jetzt schneller voranzubringen und zu beschleunigen?

Berve-Schucht: Zu den Stellungnahmen der Experten kann ich im Moment nichts sagen. Das ist ja auch ein Gremium des Bundestages. Ich kenne die Stellungnahmen auch nicht; ich weiß nicht, ob unser Haus sie kennt. Das wird zu gegebener Zeit zu bewerten sein.

Zusatzfrage: Können Sie mir sagen, warum die Ärzte im Zuge dieser elektronischen Gesundheitskarte, wenn sie sich beteiligen, mehr Geld bekommen sollen beziehungsweise überhaupt Geld bekommen sollen, wo für die Ärzte doch eigentlich eine Entlastung mit der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte einhergehen soll?

Berve-Schucht: Das entsprechende Gesetz, das E-Health-Gesetz, liegt jetzt als Referentenentwurf vor und wird jetzt von den Verbänden bewertet. Ich kann dazu inhaltlich noch nichts sagen.

Frage: Ich habe eine Frage zu dem Antrag zum Mindestlohn, der gestern in der Unionsfraktion eine Mehrheit gefunden hat. Was wird die Ministerin damit jetzt machen? Wird sie das einfach ignorieren oder wird sie dazu noch einmal das Gespräch suchen?

Ehrentraut: Wie Sie schon richtig sagten, handelt es sich um einen Antrag. Dieser Antrag soll sicherlich im Parlament eingebracht werden, und das ist dann Sache des Parlaments. Erster Ansprechpartner in dieser Sache wäre dann der Koalitionspartner, das heißt, die SPD-Fraktion.

Zusatzfrage: Nun ist Ihre Ministerin ja die zuständige Ministerin. Von daher könnte man sich ja vorstellen, dass sie diesbezüglich, wenn ihr das Thema am Herzen liegt, noch einmal das Gespräch suchen möchte.

Ehrentraut: Die Ministerin hat in der Vergangenheit ja schon häufiger betont, dass aus unserer Sicht kein Änderungsbedarf besteht. Die Dokumentationspflichten haben einen wichtigen Grund; sie sind notwendig, um vor Missbrauch zu schützen, um die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schützen, um eben auch durchzusetzen, dass ein Mindestlohn von 8,50 Euro auch bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommt.

Zusatzfrage: Die Union stößt sich ja auch an der Höhe der Grenze, bis zu der man dokumentieren muss, also diesen ca. 3.000 Euro. Können Sie noch einmal erklären, warum diese Grenze so hoch ist? Das ist ja schon deutlich mehr, als man mit 8,50 Euro normalerweise im Monat verdient; die Union rechnet gerne vor, man müsse 29 Tage lang 12 Stunden am Tag arbeiten, um an die 3.000 Euro zu kommen.

Ehrentraut: Genau. Es ist eine Grenze von 2.958 Euro. Diese Grenze ist eine rein theoretische Grenze. Unter Ausschöpfung aller arbeitsrechtlichen Möglichkeiten und Ausnahmeregelungen ist es möglich, an 29 Tagen im Monat 12 Stunden lang zu arbeiten. Das ist eine fixe Größe und eine theoretische Größe. Das heißt, wenn ein Arbeitnehmer mehr als 2.958 Euro verdient, kann man sagen, dass dieser Arbeitnehmer garantiert den Mindestlohn erhält. Es ist nicht gesagt, dass die Arbeitnehmer wirklich so viel arbeiten, aber es ist eine theoretische Grenze, bei deren Überschreitung man klar sagen kann: Hier wird mindestens der Mindestlohn verdient.

Zusatzfrage: Es ist also theoretisch möglich, an 29 Tagen im Monat zwölf Stunden zu arbeiten und dann so viel zu verdienen?

Ehrentraut: Unter Ausschöpfung aller arbeitsrechtlichen Ausnahmeregelungen. Dann müssten Sie natürlich im nächsten Monat entsprechende freie Tage bekommen, aber das ist theoretisch möglich. Ich hoffe sehr, dass niemand so viel arbeiten muss, aber es geht hier eben darum, sicher festzustellen, ob der Mindestlohn bezahlt worden ist oder nicht. Wenn das Gehalt über dieser Grenze liegt, können Sie eben davon ausgehen, dass der Mindestlohn bezahlt wurde.

Frage: Herr Roth, zur Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nordirak, die voraussichtlich morgen vom Bundestag beschlossen wird: Ich würde Sie bitten, uns noch einmal zu erklären, wie man sich diese Ausbildung in der Ausplanung vorstellen muss. Im Mandatstext heißt es ja, dass es um eine Durchführung von militärischen Ausbildungslehrgängen im Nordirak mit Schwerpunkt im Raum Erbil gehe. Weiter unten im Mandatstext heißt es, dass es auch in anderen Regionen des Irak Konsultations- und Koordinierungsaufgaben geben kann, die zu erfüllen sind. Mich würde interessieren: Wie findet diese Ausbildung unter dem neuen Mandat statt? Findet das in einem Klassenraum oder in einem Kasernenhof statt? Gibt es möglicherweise auch so etwas wie Mentoring, so wie wir das aus den Ausbildungsbemühungen in Afghanistan kennen?

Roth: Wir befinden uns zurzeit natürlich in den Ausplanungen darüber, wie die Ausbildung genau aussehen soll - auch mit unseren Partnernationen, die sich dort einbringen werden. Das heißt, es wird Konzepte geben beziehungsweise es gibt Konzepte, die eben vorsehen, die nordirakischen Streitkräfte, also die Peschmerga, im Großraum Erbil auszubilden. Das wird natürlich in erster Linie normale Ausbildung sein: Einweisung an Waffen, aber auch taktische Ausbildung, das heißt, wie diese Waffen einzusetzen sind.

Zusatzfrage: Ich frage auch vor dem Hintergrund, dass es in der vergangenen Woche Meldungen über kanadische Soldaten gab, die im Rahmen einer Ausbildungsmission, die vom Konzept her zunächst einmal so klingt wie die der Bundeswehr, in Frontnähe unter Beschuss durch Truppen des sogenannten Islamischen Staates geraten sind. Ist so etwas unter den künftigen Möglichkeiten und unter den künftigen Aufgaben, die die Bundeswehr dort haben wird, auch denkbar, oder ist sichergestellt, dass sich deutsche Ausbilder immer mindestens soundso weit von tatsächlichen Kampflinien entfernt aufhalten? Ist es möglich, dass die mit kurdischen Verbänden zusammen sozusagen bis zur Front vorrücken? Wie muss man sich das vorstellen?

Roth: Hier handelt es sich ja um eine Ausbildungsunterstützungsmission; das ist ganz klar kein Kampfeinsatz. Es wird auch kein Mentoring in der Form geben, dass dort Verbände der Peschmerga zu Einsätzen begleitet werden, sondern es ist wirklich eine reine Ausbildungsunterstützungsmission, die in einem Ausbildungslager im Raum Erbil stattfindet. Dort werden die Peschmerga also ausgebildet.

Ich habe noch einen Nachtrag bezüglich der Frage zur Gratulation der Ministerin an ihren griechischen Verteidigungsministerkollegen: Sie ist noch nicht erfolgt, es ist aber beabsichtigt, dass es eine Gratulation geben wird.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium: Frau Moosmayer, nach Angaben der "ZEIT" hat das Verwaltungsgericht Berlin gestern entschieden, dass Ihr Ministerium offenlegen muss, wie die Mauteinnahmen berechnet werden. Werden Sie das tun oder werden Sie Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen?

Moosmayer: Da der Beschluss erst gestern ergangen ist, würde ich darum bitten, dass wir uns das erst einmal in Ruhe angucken dürfen. Dann werden wir entscheiden, wie wir damit im weiteren Verfahren umgehen werden.

Zusatzfrage: Es ist noch keine Entscheidung gefallen?

Moosmayer: Nein.

Frage: An das Innenministerium zum Themenkomplex Verschlüsselung: Herr de Maizière hat letzte Woche erklärt, warum die Entschlüsselung von verschlüsselter Kommunikation teilweise gerechtfertigt sei usw. Ich zitiere ihn einmal:

Man soll sein Haus verschließen, eine Alarmanlage einbauen, ein sicheres Auto kaufen, und trotzdem hat die Polizei selbstverständlich das Recht, unter bestimmten rechtsstaatlichen Voraussetzungen in ein Haus auch einzudringen ...

Nun ist das beim verschlossenen Haus okay; da muss es einen Richter geben, der sagt, dass die Polizei eindringen kann. Im Digitalen sollte das aber grundlegend anders funktionieren, denn da hat die Polizei doch längst eine Kopie von meinem Haustürschlüssel. Ich kann doch gar nicht wissen, ob sie dann zwischendurch, wenn ich nicht zu Hause bin, einmal in mein Haus kommen. Insofern macht dieser Vergleich, den der Herr Innenminister da macht, doch gar keinen Sinn.

Dimroth: Sie können sich vorstellen, dass ich das naturgemäß anders sehe. Das will ich Ihnen auch gerne begründen. Selbstverständlich ist es so, dass auch im digitalen Bereich rechtsstaatliche Voraussetzungen für jedweden Grundrechtseingriff vorgesehen und auch in den dafür einschlägigen Gesetzen etabliert sind und dass nur unter den dort vorgegebenen Voraussetzungen beispielsweise auf Ihre Telekommunikation zugegriffen werden kann oder auf andere personenbezogene Daten zugegriffen werden kann. Diese Voraussetzungen müssen in jedem Einzelfall erfüllt sein, und in bestimmten Bereichen - da wo es um entsprechend sensible Grundrechtseingriffe geht - gibt es auch vergleichbare Hürden, die überwunden werden müssen, wie beim gerade von Ihnen genannten Beispiel der Wohnraumüberwachung.

Zusatzfrage: Aber wenn Sie das machen wollen, muss es ja die Voraussetzung geben, dass es machbar ist, das zu entschlüsseln. Mir ist aber nicht bekannt, dass zum Beispiel britische, russische, chinesische oder US-Behörden in mein Haus eindringen können; das können nur deutsche Behörden. Im Digitalen ist das für alle ausländischen Behörden- und Spionagetätigkeiten möglich.

Dimroth: Auch da gibt es im Prinzip keinen Unterschied zu der realen Welt. Selbstverständlich ist eine entsprechende Befugnisnorm nur eine solche, die eine deutsche Behörde befugt - beispielsweise eine Strafverfolgungsbehörde - , in Deutschland tätig zu werden und entsprechende Grundrechtseingriffe vorzunehmen, die dann gerechtfertigt sind, wenn die dafür etablierten Voraussetzungen vorliegen.

Ganz allgemein will ich vielleicht auch noch einmal sagen, dass die Äußerungen des Bundesinnenministers in Lille, die Sie letztlich referenzieren - die er dann in der Äußerung, die Sie gerade zitiert hat, noch einmal etwas konkretisiert hat -, letztlich nichts Neues sind. Denn dass selbstverständlich Telekommunikation überwacht wird, wenn die Voraussetzungen vorliegen, wenn ein richterlicher Beschluss vorliegt, ist ja tagtägliche Praxis, die stattfindet; das ist etwas, was Strafverfolgung tut. Und wenn festgestellt wird, dass entsprechende Daten, die dort abgefangen werden, kryptiert sind, dann kann Strafverfolgung natürlich auch heute schon den Versuch unternehmen, diese Kryptierung dahingehend zu entschlüsseln, dass die Daten für die Strafverfolgungszwecke auch verwendet werden können. Das ist alles nicht neu.

Grundlage, Referenz und Ausgangspunkt für die Bundesregierung sind die sogenannten Krypto-Eckpunkte der Bundesregierung, die Bestand haben. Daran will auch keiner etwas ändern. Insofern ist diese Debatte auch ein Stück weit außerhalb dessen entstanden, was der Bundesinnenminister dazu eigentlich gesagt hat. Das ist alles nicht neu und das ist alles sozusagen Gegenstand tagtäglicher Praxis - mit allen damit verbundenen Schwierigkeiten. Aufgrund dieser Schwierigkeiten, die eben bestehen, weil bestimmte Verfahren für Sicherheitsbehörden nicht ohne Weiteres Sichtbarkeit und Lesbarkeit ermöglichen, diskutieren wir über Maßnahmen, die genau dieses Problem adressieren, wie beispielsweise die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, also den Ansatz von Telekommunikationsüberwachung am sendenden Rechner vor Verschlüsselung oder am empfangenden Rechner nach Entschlüsselung. Das ist genau eine solche Maßnahme, die aber im BKA-Gesetz auch schon gesetzlich vorgesehen ist und die ebenso unter hohen rechtsstaatlichen Voraussetzungen in den dafür einschlägigen Einzelfällen zum Einsatz kommen kann.

Zusatzfrage: Der CCC, der Chaos Computer Club, hat jetzt gefordert, dass jegliche unverschlüsselte Kommunikation verboten wird. Wie steht das Innenministerium dazu?

Dimroth: Ich habe dazu keine abschließende Position hier mitzuteilen. Ganz grundsätzlich würde ich zunächst einmal etwas skeptisch sein, auf jede Art von Lebenssachverhalten mit Verboten zu antworten. Das würde ganz grundsätzlich erst einmal auch für diesen Vorschlag gelten. Ich würde Sie aber bitten, das jetzt nicht so mitzunehmen, als ob das eine abschließende Bewertung dieses Vorschlags wäre, den ich auch nur in der Kürze, wie Sie ihn gerade vorgetragen haben, kenne. Aber ganz grundsätzlich würde ich zunächst einmal denken, dass man nicht jeden Lebenssachverhalt mit Verboten sozusagen durchregulieren sollte, wenn man meint, dass da bestimmte Handlungsbedarfe bestehen.

Zusatzfrage: Das Bundesverfassungsgericht hat im Urteil zum Staatstrojaner gesagt, dass Verschlüsselung explizit ein legitimes Mittel des digitalen Selbstschutzes ist. Warum will die Bundesregierung das jetzt als illegitimes Mittel behandeln?

Dimroth: Das ist jetzt wiederum eine Behauptung, die Sie unterstellen, die - -

Zusatz: Das ist ein Urteil.

Dimroth: Die Behauptung, dass die Bundesregierung etwas wolle, was sie offensichtlich gar nicht will, ist aber kein Urteil, sondern das ist Ihre Behauptung, und die ist schlicht falsch.

Zusatz: Sie sagen doch selbst, dass Sie das entschlüsseln wollen.

Dimroth: Ich referenzierte gerade auf die Eckpunkte des Bundeskabinetts zur Kryptopolitik der Bundesregierung. Diese haben Bestand, und daran will derzeit auch keiner etwas ändern. Insofern weiß ich nicht, woher Sie die Behauptung nehmen, dass man sich gegen diese Grundsatzthese des Bundesverfassungsgerichts stellen wolle. Das ist so nicht.

Zusatzfrage: Aber das Bundesverfassungsgericht sagt: Ich habe das Recht zu verschlüsseln und das Recht darauf, dass der Staat das nicht entschlüsseln darf. Sie wollen das entschlüsseln.

Dimroth: Das hat das Bundesverfassungsgericht so nicht gesagt, das ist schlicht nicht richtig.

Frage: Noch einmal an Herrn Dimroth zur Vorratsdatenspeicherung: Stimmt es, dass die Bundesregierung im EU-Rat eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie vorantreibt?

Dimroth: Dazu ist auch schon relativ viel gesagt worden - nicht nur von unserem Haus, sondern von verschiedenen Stellen auch innerhalb der Bundesregierung. Die Position des Bundesinnenministers zum Thema Vorratsdatenspeicherung ist hinreichend bekannt: Er hält eine solche Maßnahme für erforderlich, und zwar nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den schrecklichen Ereignissen von Paris, sondern vorher ebenso wie nachher. Wie zu einer Reihe von anderen Dingen sicherheitspolitischer Natur finden auch hierzu Gespräche innerhalb der Bundesregierung statt. Dass das in anderen Bereichen auch schon entsprechende Erfolge zeitigt, sieht man ja an den Maßnahmen, die das Bundeskabinett jüngst hierzu beschlossen hat beziehungsweise die hierfür in der Vorbereitung sind.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob es stimmt, dass Sie das im EU-Rat vorantreiben.

Dimroth: Ich sagte ja gerade: Die Position des Bundesinnenministeriums dazu ist bekannt. Die Kommission selbst hat sich jüngst erst dazu geäußert und - Sie haben das vermutlich mitgelesen - eher dahingehend eingelassen, dass von dort aus keine zeitnahe neue Initiative für eine entsprechende Richtlinie zu erwarten ist. Die Position des Bundesinnenministers ist, dass eine solche Maßnahme, eine solche gesetzliche Vorgabe grundsätzlich richtig ist, und er wird sich auch weiterhin dafür einsetzen.

Frage: An das Wirtschaftsministerium: Wirtschaftsminister Gabriel hat versprochen, in Sachen TTIP Transparenz sicherzustellen usw. Kann das Wirtschaftsministerium vielleicht einmal sagen, wie die Bundesregierung Transparenz definiert?

Alemany: Können Sie diese allgemeine Frage vielleicht etwas präzisieren?

Zusatzfrage: Es ging um TTIP. Um in der Bevölkerung die Sorgen in Sachen TTIP abzubauen, hat der Wirtschaftsminister versprochen, mehr Transparenz herzustellen. Nur ist diese Transparenz aus meiner Sicht immer noch sehr schwer auszumachen. Wie definiert das Wirtschaftsministerium Transparenz?

Alemany: Ich denke, das ist relativ einfach. Transparenz bedeutet unter anderem, dass wir ein ausführliches Angebot auf unserer Homepage anbieten, dass wir NGOs treffen, dass wir große Veranstaltungen machen, um die Bevölkerung über TTIP und den Fortschritt über die Verhandlungsrunden zu informieren, und dass wir auch auf EU-Ebene seit Monaten in allen Gesprächen, die der Minister und die unser Staatssekretär Machnig führen, immer wieder für mehr Transparenz auf allen Ebenen werben. Da gibt es also einen breiten Strauß an Informationen, die Transparenz beinhalten, und ich nehme an, dass der Minister diese Art von Transparenz meinte - einfach weil es wichtig ist, dass TTIP in der Bevölkerung sachlich debattiert wird und dass die Vorteile und die Dinge, die besprochen werden müssen, einfach auch offiziell verhandelt und im Dialog besprochen werden können. Transparenz bedeutet aber zum Beispiel auch, dass es einen TTIP-Beirat gibt, den der Minister einberufen hat, der ganz heterogen besetzt ist und der den Minister in allen Fragen, die zu TTIP anstehen, berät. Ich könnte noch zehn Minuten referieren - TTIP-Transparenz ist einfach ein oberstes Gebot für uns.

Zusatzfrage: Aber Transparenz ist doch nicht, wenn von Regierungsseite beschlossen wird, welche Informationen zu diesem Komplex transparent gemacht werden, sondern Transparenz heißt doch: Alles wird offengelegt.

Alemany: Ja, grundsätzlich sind wir für einen möglichst breiten Ansatz von Transparenz. Es gibt da auch erste Bewegungen innerhalb der EU-Kommission. Es gibt die Leseräume, in denen man Verhandlungsdokumente einsehen kann, es gibt die Zugeständnisse von Frau Kommissarin Malmström, verschiedene Texte zu verschiedenen Stadien schon früher den Mitgliedstaaten und dem Bürger kenntlich zu machen. Es gibt da also einen ganzen Prozess an Transparenz, den wir als Wirtschaftsministerium immer begrüßen.

Vorsitzender Mayntz: Wir kommen noch einmal zu Griechenland zurück.

Frage: Herr Seibert, ganz kurz: Wie beurteilen Sie den Umstand, dass an der neuen griechischen Regierung eine Partei beteiligt ist, die offen homophob, xenophob, antisemitisch, rassistisch und auch europafeindlich ist? Wie beurteilen Sie so eine Regierung?

StS Seibert: Ich möchte die Wahl des Koalitionspartners, die der neue Ministerpräsident getroffen hat, nicht kommentieren.

Frage: An Herrn Schäfer zu Saudi-Arabien: Sie haben am Montag gesagt, dass es gute Gründe gebe, warum wir Kontakte mit Saudi-Arabien pflegen. Welche sind das?

Schäfer: Das habe ich und das haben andere an dieser Stelle in den letzten Jahren sicherlich schon ein Dutzend Mal ausgeführt. Saudi-Arabien ist ohne jeden Zweifel eine Regionalmacht, die großen Einfluss auf die Ereignisse und Geschehnisse und Entwicklungen im gesamten Nahen und Mittleren Osten hat, und zwar nicht nur aus unserer Sicht, sondern aus Sicht aller Beteiligten. Saudi-Arabien ist auch für die Weltwirtschaft als größtes Produktionsland von Energieressourcen ein wichtiges Land. Des Weiteren hat Saudi-Arabien als Hüterin der heiligen Stätten des Islam auch für Menschen islamischen Glaubens große Bedeutung. Das sind alles Faktoren - politische, ökonomische, auch kulturelle Faktoren -, die für uns dabei eine Rolle spielen und auch für mich die Grundlage dafür gewesen sind, zu sagen, dass die Beziehungen zu Saudi-Arabien für Deutschland und für Europa - wie eigentlich für alle anderen Staaten auch - wichtig und von Bedeutung sind.

Zusatzfrage: Es gab in den letzten Tagen einen schönen Vergleich zwischen den Strafen, die in Saudi-Arabien verhängt werden, und den Strafen, die von ISIS verhängt werden - die sind nahezu identisch. Warum sind die einen die größte Gefahr für die freie Welt und die anderen unser guter Freund, Handelspartner und Waffeneinkäufer?

Schäfer: Ich glaube, die Haltung der Bundesregierung zur Lage der Menschenrechte in Saudi-Arabien ist an dieser Stelle von mir und auch von anderen - auch von Herrn Seibert - schon ausführlich kommentiert worden; das möchte ich hier jetzt nicht wiederholen. Ich glaube aber, es macht schon einen Unterschied, ob wir es zu tun haben mit einem Staat, einem Mitglied der internationalen Staatengemeinschaft, einem Mitglied der Vereinten Nationen, oder mit einer Terrorbande, die ganze Landstriche in Syrien, im Irak und inzwischen auch in anderen Ländern unsicher macht. Das eine können Sie nun wahrlich nicht mit dem anderen vergleichen.

Zusatz: Aber das eine ist eine Terrorbande und das andere ist eine Diktatur.

Schäfer: Ich glaube, niemand auf dieser Bank bestreitet, dass Saudi-Arabien keine Demokratie im westlichen Sinne und in Ihrer Vorstellung ist. Das ist es nicht. Das hat, glaube ich, an dieser Stelle auch noch niemand behauptet.

Zusatzfrage: Sondern was?

Schäfer: Das ist ein Königreich, an dessen Spitze ein König steht. König Abdullah ist in der vergangenen Woche verstorben. Sein Nachfolger ist der bisherige Kronprinz, König Salman. Der ist jetzt das Staatsoberhaupt von Saudi-Arabien.

Zusatzfrage: Aber Diktatur wollen Sie es nicht nennen?

Schäfer: Ich nenne es Königreich.

Mittwoch, 28. Januar 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. Januar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/01/2015-01-28-regpk.html;jsessionid=6754FCF156A108C98A5057B9B419316B.s3t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2015


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