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PRESSEKONFERENZ/931: Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 4. Februar 2015
Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2015



Themen: Kabinettssitzung (Karenzzeitregelung, Gesetzentwurf zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten, Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung von Verbraucherschutz im Datenschutzrecht), Treffen des Bundesfinanzministers mit dem griechischen Finanzminister Varoufakis in Berlin, Griechenland, Treffen der Nato-Verteidigungsminister in Brüssel, TTIP-Abkommen, Ukraine-Krise, Aktivitäten der Terrororganisation Boko Haram in Nigeria, Bericht über die Folterpraxis der CIA

Sprecher: StS Seibert, Jäger (BMF), Plate (BMI), Schäfer (AA), Roth (BMVg), Dünow (BMWi), Zimmermann (BMJV)

Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Zunächst hat sich das Kabinett mit einem Thema befasst, das üblicherweise unter der Überschrift Karenzzeitregelung diskutiert wird. Wie Sie wissen, gibt es bisher auf Bundesebene keine Regelungen für Regierungsmitglieder, die nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Erwerbstätigkeit oder eine sonstige Beschäftigung aufnehmen wollen. Die Koalitionsparteien hatten schon im Koalitionsvertrag vereinbart, dass sie hierzu eine angemessene Regelung herbeiführen wollen. Um diese Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag umzusetzen, hat das Bundeskabinett heute einen entsprechenden Gesetzentwurf beschlossen.

Mit diesem Gesetz wird für ausscheidende Minister und Parlamentarische Staatssekretäre oder Staatssekretärinnen eine Anzeigepflicht und, sofern sie nach ihrem Amtsverhältnis eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufnehmen wollen und Interessenkonflikte zu befürchten sind, auch eine Karenzzeit eingeführt. Dies gilt auch für Bundeskanzler oder Bundeskanzlerinnen.

Mit dem Gesetzentwurf schaffen wir ein transparentes Verfahren. Das sieht im Einzelnen so aus: Wollen Mitglieder der Bundesregierung innerhalb von 18 Monaten nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt eine Beschäftigung außerhalb des öffentlichen Dienstes aufnehmen, so müssen sie dies anzeigen.

Die Beschäftigung kann untersagt werden, wenn dadurch öffentliche Interessen beeinträchtigt werden. Diese Untersagung soll im Regelfall den Zeitraum von einem Jahr nicht überschreiten; das ist die Karenzzeit. In Ausnahmefällen kann dieser Zeitraum auch bis zu 18 Monate betragen.

Die Bundesregierung wird die Entscheidung jeweils im Einzelfall treffen, und zwar auf Empfehlung eines beratenden Gremiums. Diesem Gremium sollen Personen angehören, die an der Spitze staatlicher oder gesellschaftlicher Institutionen gestanden haben oder die über Erfahrungen in einem wichtigen politischen Amt verfügen. Die Entscheidungen und Empfehlungen dieses Gremiums werden veröffentlicht.

So weit zu diesem Thema.

Anschließend hat der Bundesjustizminister den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Verfolgung der Vorbereitung von schweren staatsgefährdenden Gewalttaten eingebracht. Das Stichwort dazu heißt "foreign terrorist fighters". Der internationale Terrorismus stellt seit geraumer Zeit eine Bedrohung für die nationale und die internationale Sicherheitslage dar. Gerade in diesen Tagen liefert der IS wieder neue Beispiele seiner mörderischen Gesinnung. Außerdem verfügen terroristische Organisationen über erhebliche finanzielle Mittel.

Insbesondere vor dem Hintergrund des Terrors des sogenannten IS hat der UN-Sicherheitsrat im September vergangenen Jahres eine Resolution verabschiedet, die sich mit den spezifischen Gefahren befasst, die von ausländischen terroristischen Kämpfern - das sind die sogenannten "foreign fighters" - ausgehen. Diese Resolution sieht unter anderem vor, das Reisen in terroristischer Absicht unter Strafe zu stellen. Das Gleiche gilt für die Finanzierung und die vorsätzliche Organisation derartiger Reisen.

Heute hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf beschlossen, mit dem diese UN-Resolution umgesetzt wird. Wir sind damit nach Frankreich in Europa das zweite Land, das diese Umsetzung vornimmt.

Konkret sieht der neue Gesetzentwurf vor, dass die Vorschrift des § 89a des Strafgesetzbuches, die die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat unter Strafe stellt, ergänzt wird. Künftig macht sich auch derjenige strafbar, der eine schwere staatsgefährdende Gewalttat vorbereitet, indem er es unternimmt, aus Deutschland in ein Krisengebiet auszureisen, um sich dort in ein terroristisches Ausbildungslager zu begeben oder sich dort an Anschlägen oder bewaffneten Kämpfen zu beteiligen.

Der Gesetzentwurf setzt außerdem Forderungen der Financial Action Task Force der OECD zur Terrorfinanzierung um. Er stellt sicher, dass alle Formen der Terrorismusfinanzierung nunmehr einheitlich unter Strafe gestellt werden. Diese Regelung soll auch für geringwertige Zuwendungen finanzieller Art gelten. Auch die Finanzierung des Reisens zu terroristischen Zwecken soll in Zukunft unter Strafe gestellt werden.

Ebenfalls vom Bundesjustizminister wurde dem Kabinett der Gesetzentwurf zur besseren Durchsetzung von Verbraucherschutz im Datenschutzrecht vorgelegt. Es handelt sich um einen Gesetzentwurf zur besseren zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften im Datenschutzrecht. Die Bundesregierung verbessert den Schutz von Verbrauchern durch unzulässige Datenerhebungen durch Unternehmen erheblich, indem künftig auch Verbraucherverbände mit Abmahnungen oder Verbandsklagen dagegen vorgehen können.

Häufig erheben und verarbeiten Unternehmen in größerem Umfang Daten, ohne vorherige Einwilligung der Verbraucher, und zwar zu kommerziellen Zwecken, für Werbung, für Markt- und Meinungsforschung, für das Erstellen von Persönlichkeits- oder Nutzerprofilen. Auch wenn dies den Betroffenen, die im Internet surfen oder in sozialen Netzwerken unterwegs sind, oft gar nicht so bewusst ist, so stellt dies doch eine erhebliche Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte dar.

In Zukunft wird es für Verbraucher einfacher sein, zu kündigen oder vergleichbare Erklärungen abzugeben. Es kann da nicht mehr die Schriftform verlangt werden; auch eine bloße E-Mail soll in Zukunft dafür ausreichen.

So weit der Bericht aus dem Kabinett.

Jäger: Ich möchte Ihnen ankündigen, dass es morgen hier in Berlin ein Treffen des Bundesfinanzministers mit seinem griechischen Amtskollegen, Herrn Yanis Varoufakis, geben wird. Die beiden werden sich über aktuelle Fragen beiderseitigen Interesses austauschen. Wir möchten Sie im Anschluss an dieses Treffen, um 12.30 Uhr, in das BMF zu einer Pressekonferenz einladen. Vielleicht hat der eine oder andere ja Interesse dazuzukommen. - Vielen Dank.

Frage: Herr Seibert, was passiert, wenn jemand die Anzeigepflicht missachtet oder sich über die Karenzzeit hinwegsetzt? Welche Sanktionen sieht der Gesetzentwurf vor?

StS Seibert: Wie ich gesagt habe, wird ein Gremium aus besonders eminenten Persönlichkeiten eine Empfehlung für jeden Einzelfall aussprechen. Diese Empfehlung wird auch öffentlich gemacht. Ich denke, man kann davon ausgehen, dass, wenn einer Empfehlung zuwidergehandelt wird, Sie, die Medien, in erheblicher Weise dafür sorgen werden, dass das ein sehr belastendes Thema für diese Person und auch für denjenigen werden wird, der diese Person in Zukunft beschäftigen will. Ich denke, dass man da von einer gewissen Form von Sanktionierung sprechen kann.

Frage: Gilt denn die Annahme, von der Sie gerade gesprochen haben, Herr Seibert, möglicherweise auch für Frau Reiche und den Verband Kommunaler Unternehmen, die beide jetzt vor dem Inkrafttreten des Gesetzes handeln? Denn von 12 oder 18 Monaten ist ja weit und breit nichts zu sehen.

StS Seibert: Ich habe Ihnen hier die transparente Regelung vorgetragen, die die Bundesregierung nun in das parlamentarische Verfahren einbringt. Es werden die üblichen parlamentarischen Diskussionen folgen. Auch aus Rücksicht und Respekt vor dem parlamentarischen Verfahren kann ich nun hier nicht vorgreifen, wie sich das Gesetz im parlamentarischen Verfahren entwickelt.

Ich kann hier aber auch nicht über Einzelfälle sprechen. Frau Reiche ist die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur. Dazu kann ich hier nichts Einzelnes sagen.

Frage: Ich habe eine Verständnisfrage. Habe ich das richtig verstanden, dass die Empfehlung des beratenden Gremiums tatsächlich eine Empfehlung ist und dass sich das Kabinett dann noch darüber hinwegsetzen kann? - Das ist die eine Frage.

Die zweite Frage, etwas erweitert: Im Koalitionsvertrag - da bin ich nicht auf dem neuesten Stand - hieß es auch, man wolle sich um Externe in öffentlichen Verwaltungen kümmern, um mehr Transparenz zu schaffen. Das ist damals so im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Was ist daraus eigentlich geworden?

StS Seibert: Was meinen Sie mit "Externe"? Meinen Sie politische Beamte?

Zusatz: Ich habe nur die Formulierung aus dem Koalitionsvertrag genannt. Dort stand "Externe in der Verwaltung", wenn ich das richtig im Kopf habe.

StS Seibert: Es stimmt, dass die Vereinbarung im Koalitionsvertrag zusätzlich politische Beamte einbezogen hat. Für sie ist allerdings eine gesetzliche Neuregelung nicht nötig, weil es für sie eine solche Anzeigepflicht nach 105 des Bundesbeamtengesetzes schon gibt. Bei ihnen kann schon jetzt bei der Gefahr von Interessenkonflikten eine neue Tätigkeit für eine bestimmte Zeit, für eine Karenzzeit, auch untersagt werden. Aber bisher gab es keine Regelung für Kanzler, Minister und (Parlamentarische) Staatssekretäre. Die wird nun hiermit auf den parlamentarischen Weg gebracht.

Vorsitzender Leifert: Der erste Teil der Frage war die Frage der Empfehlung, ob dies Weisungskraft hat oder ob das wirklich nur eine Empfehlung ist.

StS Seibert: Vielleicht möchte sich das BMI als das Haus, das diese Regelung in das Kabinett eingebracht hat, genauer dazu äußern.

Plate: Der Begriff "Empfehlung" besagt im Prinzip schon das Wesentliche: Das ist eine Empfehlung. Das heißt, das Bundeskabinett kann auch anders entscheiden als die Empfehlung. Aber die notwendige Transparenz über ein Auseinanderfallen zwischen Entscheidung und Empfehlung ist sichergestellt, da dies im Zusammenhang veröffentlicht werden muss, insbesondere auch der Umstand, wenn man gegebenenfalls von einer solchen Empfehlung abweichen würde.

Frage: Herr Seibert, in dem Gesetzentwurf steht, dass dann, wenn dies in den 18 Monaten angezeigt wird, die Bundesregierung die angestrebte Beschäftigung untersagen kann. Warum wird das nicht pauschal untersagt?

StS Seibert: Vielleicht muss man noch einmal darauf hinweisen, dass die Berufsfreiheit in Deutschland ein ziemlich hohes Gut ist und dass die Bundesregierung an diesem hohen Gut festhält. Die Beschäftigung kann untersagt werden, wenn durch eine solche Beschäftigung vor Ablauf einer Karenzzeit ein öffentliches Interesse beeinträchtigt würde. Wenn beispielsweise das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung beeinträchtigt würde - das ist jeweils im Einzelfall auf Empfehlung eines solchen beratenden Gremiums zu prüfen -, dann kann für eine Karenzzeit eine solche Beschäftigung untersagt werden. Das ist aber nicht per se der Fall, sondern immer nur nach Einzelfallprüfung.

Zusatzfrage: Aber es geht doch um Interessenkonflikte, richtig?

StS Seibert: Es ist zu prüfen, ob es Interessenkonflikte gibt. Wir haben jetzt einen Gesetzentwurf eingebracht, der ein Verfahren vorsieht, in dem genau diese Prüfung, nämlich ob es Interessenkonflikte gibt, wie schwerwiegend sie sind und zu welcher Form von Karenzzeit sie führen müssen, vorgenommen werden kann.

Ich will noch einmal sagen: Das gilt für jedwede Erwerbstätigkeit oder sonstige Beschäftigung, die jemand nach dem Ausscheiden aus dem Amt vorhat. Sicherlich wird nicht in jedem Fall ein Interessenkonflikt vorliegen.

Plate: Ich möchte nur ein, zwei präzisierende Sätze zu der Bedeutung des Wortes "kann" in der Rechtssprache hinzufügen. Es ist nicht etwa so zu verstehen, dass das der Bundesregierung freisteht, wie es vielleicht im allgemeinsprachlichen Gebrauch bei dem Wort "kann" ist, sondern das Wort "kann" in der Rechtssprache, in einer Befugnisnorm wie hier, bedeutet nur, dass überhaupt die rechtliche Möglichkeit besteht. Wann von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht werden sollte, vielleicht sogar - fast - müsste, das ist dann im Anschluss geregelt. Sie sehen, wenn Sie in der Folge weiterlesen, dass von einer Beeinträchtigung öffentlicher Interessen in bestimmten Fällen insbesondere auszugehen ist. Dann wird es natürlich sehr schwierig, nicht von dem Recht zur Untersagung Gebrauch zu machen.

Frage: Um noch einmal zu Frau Reiche zurückzukommen: Sieht denn das Kabinett in diesem Fall einen Interessenkonflikt? Darauf werden Sie wahrscheinlich sagen, dazu habe das Gremium nicht getagt, zu Einzelfällen wolle man sich nicht äußern und man habe dies nicht geprüft. Aber wie empfindet denn das Kabinett diese Aktion so kurz vor der Gesetzesbefassung und dem Beschluss? Ist es egal, dass man das macht? Denn man sieht ja in der Öffentlichkeit genau das, was Sie vorhin angedeutet haben, nämlich dass dies Wellen schlägt, was man eigentlich umgehen wollte.

StS Seibert: Ich habe Ihnen hier vorgetragen, wie das Kabinett ein Vorhaben umsetzt, das uns schon bei der Aushandlung des Koalitionsvertrages von beiden Seiten beschäftigt hat. Der Vorschlag ist klar und transparent. Er wird jetzt vom Bundestag und vom Bundesrat entsprechend beraten werden.

Zu Einzelfällen kann ich nichts sagen. Frau Reiche, auf die Sie ja anspielen, ist - Stand jetzt - Parlamentarische Staatssekretärin. Es ist noch keine Wahl zu einer anderen Tätigkeit erfolgt. Ich kann jetzt hier über solche Fälle und Empfindungen in dieser Hinsicht sicherlich nicht sprechen.

Frage: Herr Seibert, ab wann ist für die Bundesregierung eine Beschäftigung ein Interessenkonflikt?

StS Seibert: Genau das wird - dazu kann ich hier keine grundlegenden Regeln aufstellen - im Einzelfall sehr genau zu prüfen sein. Dabei wird es darum gehen: Ist die Beschäftigung in exakt dem Themenfeld, in dem sich die Person auch im Rahmen ihrer Regierungstätigkeit bewegt hat? Das und andere Fragen werden zu klären sein. Deswegen wollen wir ein Gremium von erfahrenen und weisen Menschen zusammenstellen, die das genau prüfen. Denn diesen Anspruch hat die Öffentlichkeit. Diesen Anspruch hat aber auch die Person, um deren berufliche Pläne es da geht.

Zusatzfrage: Das heißt, Herr Pofalla hätte mit dieser Regelung nicht zur Bahn wechseln können?

StS Seibert: Das ist eine hypothetische Frage. Jede Entscheidung ist nach dem rechtlichen Zustand, der zu dem Zeitpunkt geherrscht hat, zu beurteilen. Wir sprechen jetzt über eine rechtliche Regelung, die wir herbeiführen wollen und die hoffentlich auch die Billigung des Bundestages finden wird. Dann haben wir sehr klare Regelungen. Über vergangene Fälle und Einzelfälle kann und werde ich hier nicht reden.

Frage: Da ich kein Jurist bin, noch die Verständnisfrage: Gegen eine Versagung steht ja der Rechtsweg offen, wenn ich das richtig sehe. Steht der Rechtsweg künftig auch gegen eine Öffentlichmachung offen?

StS Seibert: Da auch ich kein Jurist bin, würde ich den Kollegen bitten.

Plate: Ich fange mit dem aus meiner Sicht einfacheren Teil der Frage an. In der Tat ist die Untersagung dem Betroffenen gegenüber zu begründen, damit dieser die Möglichkeit hat, rechtlich gegen die Entscheidung vorzugehen.

Zu der Frage, ob in Bezug auf die Veröffentlichung der Rechtsweg vorgesehen ist, regelt das Gesetz nichts. Das Gesetz hat diesbezüglich aber auch keinen Ermessensspielraum. Es sagt: Es ist zu veröffentlichen. - Welche Art von Veröffentlichung meinen Sie? Sie meinen schon die Veröffentlichung der Entscheidung des Gremiums, oder?

Zusatz: Ja, genau. Es ist ja denkbar, dass ein Betroffener sagt: Erstens möchte ich diesen neuen Job machen. Zweitens möchte ich nicht, dass öffentlich breitgetreten wird, dass ich diesen Job mache. - Da gibt es durchaus Fälle. Die Frage ist, ob er dann auch das Recht hat, vor dem Verwaltungsgericht auf irgendeinem Wege untersagen zu lassen, dass dies öffentlich gemacht wird.

Plate: Dann habe ich das richtig verstanden. Sie meinen die Veröffentlichung der Entscheidung des Kabinetts. - Das Gesetz, wie ich es gerade schon zutreffend gesagt habe, enthält diesbezüglich keinen Ermessensspielraum. Es ist also zu veröffentlichen. Gleichwohl ist es natürlich eine Entscheidung, die möglicherweise als belastender Akt der Verwaltung angesehen werden könnte. Dementsprechend gelten die allgemeinen Grundsätze in Artikel 19 Abs. 4, die Rechtsweggarantie des Grundgesetzes.

Frage: Herr Seibert, anders gefragt: Hat die Bundesregierung aus dem Fall Pofalla vielleicht gelernt?

StS Seibert: Es gab die Absicht aller drei Koalitionsparteien, sich in dieser Legislaturperiode zu einer transparenten gesetzlichen Lösung, die es vorher nicht gab, zu verständigen. Jetzt, etwa ein Jahr nach Aufnahme der Arbeit dieser Bundesregierung, haben wir diese transparente Lösung vor uns liegen.

Frage: Mich würde zuerst interessieren: Hat das Thema Griechenland heute in der Kabinettssitzung eine Rolle gespielt? Hat da möglicherweise der Finanzminister den Stand der Dinge erläutert?

Mich würde zum Zweiten interessieren: Herr Varoufakis hat gesagt - ich glaube, es war am Sonntag -, er würde gerne den deutschen Finanzminister treffen. Nun kommt es dazu. Gab es eine ähnliche Meinungsäußerung möglicherweise von Herrn Tsipras im Hinblick auf die Kanzlerin, dass er signalisiert hat, er würde gerne die Kanzlerin treffen, sodass wir auch so etwas erwarten können?

Zum Dritten interessiert mich vonseiten des Finanzministeriums: Wenn Griechenland nicht mehr an dem laufenden Programm festhält, dann ist ja der Troika praktisch die Arbeit ausgegangen. Ist für die Bundesregierung die Troika mit diesem Namen etwas Unverzichtbares, oder was möchte die Bundesregierung mit Beteiligung der EZB, mit Beteiligung der EU-Kommission und mit Beteiligung des IWF weiterhin?

StS Seibert: Okay, jetzt muss ich das irgendwie bündeln. - Erstens. Nein, heute hat das Thema Griechenland im Kabinett keine Rolle gespielt. Ich glaube, ich nehme dem Kollegen aus dem BMF nichts vorweg, wenn ich sage: Die deutschen Überzeugungen haben sich auch in den letzten Tagen nicht verändert. Deswegen gab es keinen Grund für den Bundesfinanzminister, etwa eine neue deutsche Position im Kabinett vorzutragen. Unsere Positionen sind sehr klar und vielfach öffentlich geäußert worden, und zwar vom Finanzminister und auch von der Bundeskanzlerin.

Zweitens. Mir ist keine Kontaktaufnahme durch das Büro des griechischen Ministerpräsidenten im Kanzleramt bekannt. Wir wissen auch, dass am 12. Februar in Brüssel - das ist nicht mehr sehr lange hin - ein informeller Europäischer Rat stattfinden wird, bei dem es mit Sicherheit zu einer Begegnung - in welcher Form, in welchem Rahmen kann ich jetzt nicht sagen - kommen wird.

Drittens. Morgen gibt es das von Herrn Jäger angekündigte Gespräch zwischen Herr Varoufakis und Herrn Schäuble.

Zusatz : Bitte noch etwas zu der Frage der Troika.

Jäger: Ich habe den Äußerungen von Herrn Seibert, was die Troika angeht, nichts hinzuzufügen. Das war Ihr Thema am vergangenen Montag, wenn ich es richtig sehe. Dazu ist das Wesentliche gesagt worden. Auch da hat sich nichts geändert.

Was den Besuch morgen angeht, so freuen wir uns auf diesen Besuch und sind sehr gespannt auf das, was der griechische Kollege uns berichten wird. Wir haben natürlich in den vergangenen Tagen viel über Griechenland gesprochen und viel gehört, aber das meiste davon aus den Medien. Wir sind jetzt sehr neugierig zu erfahren, was die Position der griechischen Regierung in wesentlichen Fragen sein wird. Eine dieser Fragen ist - Herr Heller, Sie haben darauf angespielt -, wie sich diese Regierung zum laufenden Programm stellt.

Frage: Ich habe eine Frage an den Regierungssprecher. Der neue griechische Premierminister und der neue Finanzminister haben beide eine andere Wortwahl, aber auch einen anderen Kleidungsstil, offenbar ein anderes Verständnis von öffentlichem Auftreten. Inwiefern nimmt die deutsche Bundesregierung das als einen neuen Stil war?

StS Seibert: Die Bundesregierung hat ihre Gesprächspartner noch nie danach beurteilt, ob sie mit oder ohne Krawatte, in Lederjacke oder im klassischen Jackett antreten. Das spielt für uns keine Rolle. Es geht darum - das sagen wir seit Tagen -, dass wir uns darauf freuen, dass wir von der neuen griechischen Regierung allerdings auch erwarten, ihre wirtschafts- und finanzpolitische Gesamtstrategie vorgelegt zu bekommen, vor allem auch, dass die europäischen Institutionen, in denen die bisherigen Vereinbarungen stattfanden, dies vorgelegt bekommen. Ob da dann etwas um den Hals gebunden ist oder nicht, spielt einfach keine Rolle.

Zusatzfrage: Noch eine kurze Frage an Herrn Jäger: Die Stilfrage hat ja vielleicht auch Auswirkungen auf die Gespräche von Finanzminister Schäuble und seinem griechischen Kollegen. Deshalb meine Frage an Sie, wie Herr Schäuble die neuen Stilsignale deutet.

Jäger: Ich darf Ihnen versichern: Wenn Sie in das Bundesfinanzministerium kommen, werden Sie unten keine Tafel mit der Überschrift "Kleiderordnung" finden. Seien Sie da ganz unbesorgt! Wir freuen uns darauf, den griechischen Kollegen bei uns zu empfangen. Das wird ein Besuch sein wie die Besuche zahlloser anderer Finanzminister vorher und auch in der Zukunft. Insofern herrscht, was das angeht, völlige Normalität. Wir sind vielmehr darauf gespannt, was wir inhaltlich miteinander zu besprechen haben. Darum geht es, nicht um andere Fragen.

Frage: Herr Jäger, kann es irgendeine Form weiterer Hilfen für Griechenland geben, wenn das zweite Programm nicht abgeschlossen, nicht richtig offiziell beendet wird?

Die zweite Frage: In Brüssel gehen Nachrichten um, wonach einige griechische Banken auf eine schwierige Situation zulaufen. Sind das Informationen, die auch Sie haben?

Jäger: Zu Letzterem kann ich nichts sagen. Dazu liegen mir keine Informationen vor.

Was Ihre erste Frage angeht: Eine Unterstützung für Griechenland kann aus der Sicht der Bundesregierung nur im Rahmen eines Programms erfolgen. Wir hatten vor Weihnachten über ein alternatives Instrument diskutiert. Sie erinnern sich: Damals war von einer vorsorglichen Kreditlinie die Rede. Das scheint mir im Augenblick nicht mehr aktuell zu sein. Deshalb geht es jetzt vorrangig um die Frage: Was geschieht mit dem bis Ende Februar laufenden Programm, und wie geht es danach gegebenenfalls weiter? Diese Frage zu beantworten liegt nicht an mir. Dazu wird sich sicherlich der griechische Amtskollege morgen äußern. Ich denke, er wird dann auch in der Pressekonferenz Ihnen gegenüber entsprechende Mitteilungen machen.

Wir müssen jetzt einfach abwarten, wie die griechische Seite das Ganze einschätzt. Dies ist im Augenblick - das gebe ich gerne zu - nach verschiedenen Äußerungen aus Athen nicht völlig klar. Aus unserer Sicht ist die Lage eindeutig: Wir haben ein Programm, das bis Ende Februar läuft. Wir müssen uns jetzt mit den griechischen Gesprächspartnern darüber austauschen, wie es dann weitergeht.

Zusatzfrage: Herr Jäger, wenn ich Sie richtig verstehe, ist keine absolute Bedingung, dass das zweite Programm zu Ende gebracht werden muss, also dass alle Bedingungen, die im "review" noch offen sind, erfolgreich beendet werden, um über mögliche Anschlussfinanzierungen zu reden.

Jäger: Darüber will ich jetzt gar nicht spekulieren. Wir können immer nur einen Schritt nach dem anderen tun. Im Augenblick sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass wir ein bis Ende Februar laufendes, verlängertes Programm haben, und das wir uns mit der griechischen Seite erst einmal darüber austauschen müssen, was die Absichten der neuen griechischen Regierung, bezogen auf dieses Programm, sind.

Frage: Herr Seibert, es wurde berichtet, dass die Europäische Kommission und Herr Juncker dazu bereit wären, den Griechen entgegenzukommen. Wie gefällt es der deutschen Regierung, dass ausgerechnet Herr Juncker vielleicht mehr Verständnis für die Griechen zeigt?

StS Seibert: Ich weiß nicht, auf welche Fakten sich solche Berichte stützen. Natürlich gibt es im Moment eine Vielzahl von Gesprächen, auch untereinander, zwischen Brüssel und den verschiedenen europäischen Hauptstädten. In allen diesen Gesprächen vermitteln wir unseren europäischen Partnern die Überzeugung, die Herr Jäger und ich seit Tagen hier äußern. Wir haben den Eindruck, dass es unter unseren europäischen Partnern viel Unterstützung dafür gibt.

Frage: Auch ich muss noch eine Stilfrage stellen, weil der Restant vom Montag noch offen war. Herr Schäfer, duzen sich der griechische und der deutsche Außenminister?

Schäfer: Sie duzen sich.

Frage: In den letzten Tagen gab es eine ganze Reihe von Vorschlägen, auch von neuen Vorschlägen von der griechischen Seite zur Lösung des Schuldenproblems. Nun ist die Bundesregierung auch wegen bilateraler Hilfen direkt Gläubiger Griechenlands, nämlich über die KfW. Wie stellt sich die Bundesregierung zu einem Ansinnen von Umschuldungsgesprächen? Gibt es Raum dafür? Gibt es eine Bereitschaft dafür?

Jäger: Wir haben hier schon verschiedentlich gesagt: Ein Schuldenschnitt ist für die Bundesregierung kein Thema. Das Gleiche gilt für Vorschläge wie etwa eine Schuldenkonferenz.

Was einzelne Elemente angeht, die in den vergangenen Tagen in der Diskussion waren, so werde ich jetzt hier nicht auf eine euphemistische Begriffsdebatte einsteigen. Ich will nur darauf verweisen, dass der griechische Finanzminister morgen in Berlin sein wird und dass wir dann zum ersten Mal von ihm persönlich und konkret hören, was die griechischen Vorstellungen sind. Auf dieser Basis werden wir uns dann eine Meinung bilden und dann gegebenenfalls auch reagieren.

Frage: Herr Seibert, warum ist die Troika für die Bundesregierung noch immer eine gute Sache?

StS Seibert: Man muss erst einmal sagen: Es gibt einen vereinbarten und rechtlichen Rahmen für die Stabilisierungsmaßnahmen, die in den letzten Jahren gegenüber Griechenland stattgefunden haben. Dieser Rahmen ist mit Griechenland auch immer geklärt und vereinbart gewesen. Das ist die Grundlage für das Vorgehen der europäischen Partner. Zu diesem Rahmen gehören die drei Institutionen Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds. Darin ist ganz klar vorgesehen, dass sie aufgrund ihrer Erfahrungen und ihres Fachwissens über solche Fälle eine Rolle spielen.

Vor diesem Hintergrund bleibt es aus unserer Sicht dabei - es bleibt auch sinnvoll -, dass diese drei Institutionen im Austausch mit den betroffenen Mitgliedstaaten auch weiterhin beurteilen, wie die Umsetzung der Programme läuft, und dass die Finanzminister politisch handeln, wenn ihnen diese drei erfahrenen Institutionen einen Bericht vorgelegt haben.

Zusatzfrage: Also befürwortet die Bundesregierung die Troika, weil es einmal so beschlossen wurde und es so vorgesehen ist?

StS Seibert: Weil es sich bewährt hat.

Frage: Herr Michael Roth vom Außenministerium hat sich gestern sehr positiv zu den neuen Vorschlägen von Herrn Varoufakis geäußert. Ich glaube, das war in einem Interview mit dem MDR.

Vorsitzender Leifert: An wen richtet sich die Frage?

Zusatz: An Herrn Schäfer.

Schäfer: Ich kenne diese Äußerung nicht.

Zusatz: Das war in einem MDR-Interview.

Schäfer: Das mag schon sein; deshalb kenne ich sie trotzdem nicht. Wenn Sie diese Äußerung parat haben, kann ich gerne versuchen, sie, soweit mir das möglich ist, zu interpretieren. Ich kann allerdings nicht sehen, dass sich die Äußerungen von Herrn Staatsminister Roth von denen unterscheiden würden - jedenfalls soweit ich das bisher übersehen habe -, die ansonsten aus dem Kreis der Bundesregierung gekommen sind.

Frage: Ich habe eine Lernfrage an das Finanzministerium. Wenn man jetzt die Troika abschaffen oder etwas an diesem Konstrukt ändern wollte, wer müsste das tun?

Jäger: Vielleicht muss man einfach einmal zum Ursprung zurückgehen. Es gibt ein Land, das der finanziellen Unterstützung bedarf. Diese Unterstützung wird ihm von Gebern gewährt. Wir haben es hier mit dem Prinzip "Leistung und Gegenleistung" zu tun; denn die Geber werden natürlich ihre Leistung an bestimmte Bedingungen knüpfen.

Es ist eine absolute Selbstverständlichkeit, dass dann nachgeprüft wird, ob diese Leistungen erbracht worden sind. Das kennen wir alle sehr detailliert aus dem Zusammenhang der Arbeit des Internationalen Währungsfonds, bei dem das seit vielen Jahren mit Erfolg praktiziert wird. Diesen Ansatz hat man im Kontext der europäischen Krise auf die Programmländer übertragen. Hier haben die drei Institutionen - der IWF, die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank - gemeinsam diese Aufgabe. Das ist auch vertraglich festgehalten worden, unter anderem im ESM-Vertrag.

Egal, ob Sie diese Konstruktion Troika oder wie auch immer nennen - es ist erforderlich und wird auch in Zukunft erforderlich sein, dass von Gebern erbrachte und an Bedingungen geknüpfte Leistungen überprüft werden.

Zusatzfrage: Um noch einmal nachzufragen: Wenn man an der Form dieser Aufsicht etwas ändern will - das entnehme ich dem, was Sie gesagt haben -, dann ist das Sache der Geberländer, also der Eurogruppe?

Jäger: Es ist dann vor allem erforderlich, die entsprechenden zugrunde liegenden Vertragstexte zu ändern. Das ist, wie Sie alle wissen, nur auf dem Wege der Einstimmigkeit möglich.

Frage: Ist Berlin dazu bereit, dass Griechenland aus dem Euroraum austritt? Ist der sogenannte Grexit noch immer möglich?

StS Seibert: Ich wiederhole gerne, was wir hier im Grunde genommen schon seit Jahresanfang sehr entschlossen gesagt haben: Unsere gesamte Politik in der Eurozone seit Ausbruch der Krise hat das Ziel gehabt, die Eurozone in ihrer Gesamtheit, mit allen ihren Mitgliedern inklusive Griechenland zu stärken und zu stabilisieren. Dies ist weiterhin das Ziel unserer Arbeit. Darauf wollen wir gemeinsam mit den europäischen Partnern, gemeinsam mit den Griechen weiter hinarbeiten. Wir sind bei der Stabilisierung und Stärkung der Eurozone in den letzten Jahren ein gutes Stück vorangekommen. Das darf man nicht vergessen.

Frage: Herr Roth, Frau von der Leyen fährt morgen nach Brüssel und nimmt an dem Treffen der Nato-Verteidigungsminister teil. Sie tagen auch als Nukleare Planungsgruppe, was wohl keine reine Routineangelegenheit ist. Was bedeutet das, dass sich die Nato in diesen Zeiten auf so hoher Ebene mit ihrer nuklearen Streitmacht befasst? Ist das ein Signal an Russland, und, wenn ja, was für eines?

Roth: Ich kann bestätigen, dass es im Rahmen des Nato-Verteidigungsministertreffens auch eine Tagung der Nuklearen Planungsgruppe gibt. Das ist aber nichts Außergewöhnliches. Diese Tagung findet regelmäßig einmal im Jahr statt. Die letzte hat am 22. Oktober 2013 stattgefunden. Sie ist im letzten Jahr aufgrund des Nato-Gipfels ausgefallen.

Zum Inhalt der Besprechung in der Nuklearen Planungsgruppe kann ich Ihnen nichts sagen, weil sie vertraulich tagt.

Zusatzfrage: Sieht die Verteidigungsministerin aufseiten Russlands eine Art von Eskalation auch auf der nuklearen Seite angesichts von 400 Luftraumverletzungen, die offiziell von der Nato gemeldet worden sind, darunter durchaus auch etlichen mit atomwaffenfähigen Flugzeugen von Russland?

Roth: Bisher gab es keine Verletzungen des Luftraums der Nato-Länder. Aber wir sind dort natürlich auf der Hut. Wir sind uns im Zusammenhang mit dem Air Policing, an dem wir im Baltikum teilnehmen, bewusst, dass es dort eine Steigerung der Flugbewegungen aus Russland gibt. Das haben wir schon im Auge.

Frage: Herr Roth, das Letzte provoziert natürlich die Lernfrage: Gab es nicht zumindest in Estland in mindestens einem Fall eine Luftraumverletzung? Aber das war nur eine Lernfrage.

Mich würde im Hinblick auf das Verteidigungsministertreffen interessieren: Der Generalsekretär hat bei seiner Jahrespressekonferenz vor ein paar Tagen schon einmal die grobe Marschrichtung der Kostenaufteilung für die Umsetzung des Readiness Action Plan vorgezeichnet, nämlich 90 Prozent die Mitgliedsländer und 10 Prozent die Nato über Common Funding. Hat die Bundeswehr schon einmal durchgerechnet, was die doch sehr engagierte Beteiligung an der Response Force an zusätzlichen Kosten verursachen wird?

Roth: Das Grobkonzept dessen, was im Rahmen des Readiness Action Plan auf dem Nato-Gipfel beschlossen worden ist, ist morgen natürlich auch Bestandteil des Nato-Verteidigungsministertreffens. Dem möchte ich nicht vorweggreifen.

Zusatzfrage: Mir war klar, dass Sie dem Treffen nicht vorgreifen möchten. Ich würde das auch nie tun. Aber da ja die Aussage des Generalsekretärs in Bezug auf die Kostenaufteilung 90/10 öffentlich ist. Wird das da erneut debattiert, oder ist das schon eine vereinbarte Größenordnung?

Roth: Ich denke, es wird sicherlich noch einmal Bestandteil auch des morgigen Treffens sein.

Zusatzfrage: Die Aussage des Generalsekretärs ist also noch nicht die endgültige Vereinbarung?

Roth: Ich kann mich nicht weiter dazu einlassen.

Vorsitzender Leifert: Die Eingangsbemerkung kam ein bisschen lapidar daher. Es bleibt aber jetzt trotzdem ein Widerspruch bei den Luftraumverletzungen. Wie war das mit Estland? Gehört der Fall dazu oder nicht?

Roth: Ich kann diesen Fall in Estland jetzt nicht bestätigen, weil mir darüber keine Kenntnisse vorliegen.

Vorsitzender Leifert: Vielleicht kann man noch nachliefern, ob das 400 Luftraumverletzungen waren oder nicht.

Roth: Wir werden das verifizieren.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Dünow. In Brüssel findet derzeit die achte Verhandlungsrunde zum TTIP-Abkommen statt. In der vergangenen Woche ist dazu das Verhandlungs- und Positionspapier an die Öffentlichkeit gelangt. Darin steht unter anderem die sogenannte regulatorische Zusammenarbeit, das heißt, dass in Zukunft, wenn es Gesetzesvorhaben gibt, Wirtschaftsvertreter vorab darüber informiert werden, wie diese aussehen, und dann natürlich auch frühzeitig darauf Einfluss nehmen können. Inwiefern ist der Minister der Auffassung, dass das nicht besonders demokratisch ist, oder wie steht er überhaupt zu dieser regulatorischen Zusammenarbeit?

Dünow: Der Minister hat sich ja genau zu diesem Thema in den letzten Tagen - ich glaube sogar mehrfach - geäußert. Er hat darauf hingewiesen, dass alles, was dazu beiträgt, unnötige Bürokratie abzubauen, auch im Sinne der deutschen Bundesregierung ist, dass aber Eingriffe in das sogenannte "right to regulate" aus Sicht der Bundesregierung natürlich keineswegs akzeptabel sind. Die Vorschläge der Kommission, die in den letzten Tagen Gegenstand der Berichterstattung waren, gehen allerdings - das merkt man, wenn man sie sich genau anschaut - auch bei Weitem nicht so weit, wie das in der Öffentlichkeit gelegentlich suggeriert wird. Es ist aber ganz klar: Die demokratischen Entscheidungsfindungsprozesse in den Mitgliedstaaten in Deutschland werden durch TTIP nicht eingeschränkt werden.

Zusatzfrage: Inwiefern findet er es denn problematisch, dass dann dadurch, dass die Wirtschaftslobbyisten deutlich besser organisiert sind und sich zahlenmäßig auch viel besser auf solche Initiativen vorbereiten können, Wirtschaftsinteressen zum Beispiel über Verbraucherschutzinteressen gestellt werden können?

Dünow: Wenn es so wäre, dann wäre das außerordentlich problematisch. Mein Eindruck bei TTIP ist nicht unmittelbar der, dass sich Verbraucherschutzinteressen in der Öffentlichkeit nicht artikulieren könnten; im Gegenteil, man hat gelegentlich den Eindruck, dass Wirtschaftsinteressen in der öffentlichen Wahrnehmung ein wenig hintanstehen. Nichtsdestotrotz ist es so, dass die Vorschläge der Kommission im Kern auf ein Prozedere hinauslaufen, das wir in Deutschland längst haben, nämlich dass selbstverständlich Anhörungen stattfinden, dass über ausstehende Gesetzesvorhaben informiert wird und dass das Gespräch mit Interessenvertretern, Verbraucherschützern und Umweltschützern genau wie mit Wirtschaftsverbänden gesucht wird. Wenn es nur darum gehen sollte, dann ist das aus unserer Sicht kein Problem. Aber wie gesagt, Einschränkungen der Entscheidungsfindungsprozesse in Deutschland werden wir nicht hinnehmen.

Frage: Herr Dünow oder Herr Schäfer, was ist eigentlich beim Thema Ukraine der Stand hinsichtlich der Lieferung von Deutz-Dieselmotoren? Ich frage deshalb, weil ich wirklich nicht weiß, ob sich das erledigt hat oder ob dieses Thema noch ansteht.

Dünow: Ich kann dazu grob etwas sagen. Wir hatten darüber in der Vergangenheit ja schon häufiger gesprochen. Hinsichtlich dieser Dieselmotoren sind bereits im Januar sogenannte Nullbescheide erteilt worden. Das heißt, diese Ausfuhren waren nicht genehmigungspflichtig.

Zusatzfrage: Das heißt, es gibt auch keinen neuen Anlauf, das ist jetzt so und daran ändert sich auch nichts? Oder wie muss ich das verstehen?

Dünow: Nein, das heißt, wir haben nach intensiver Prüfung den Unternehmen mitgeteilt, dass die Ausfuhren, um die es da geht, nicht genehmigungspflichtig sind.

Zusatzfrage: Dann wüsste ich jetzt gern von Herrn Schäfer oder von Ihnen, Herr Dünow: Bleibt die Bundesregierung auch im Lichte der Entwicklungen in der Ostukraine und der Ukraine insgesamt bei der Haltung, die zu dieser Entscheidung geführt hat?

Dünow: Ich kann das für das BMWi kurz sagen: Es handelt sich dabei nicht um Waffen und es handelt sich auch nicht um sonstige Rüstungsgüter oder Ähnliches, was einer Genehmigungspflicht unterläge. Die Entscheidung ist, wie gesagt, bereits im Januar getroffen worden. Die grundsätzliche Position zum Thema Rüstungsexporte in die Ukraine ist unverändert.

Schäfer: Ich glaube, dazu hat es in den letzten Tagen von gebotener Stelle die notwendigen Äußerungen vonseiten der Bundesregierung gegeben; ich glaube, das brauchen wir hier jetzt nicht noch nachzuarbeiten.

Frage: Herr Schäfer, befürchtet die Bundesregierung jetzt, wo es zu Waffenlieferungen der Amerikaner an die Ukraine kommen soll, einen Stellvertreterkrieg in der Ukraine?

Schäfer: Erst einmal ist das noch nicht ausgemacht. Richtig ist aber, dass es in manchen unserer Partnerstaaten eine Debatte über die Lieferung von Waffen an die Ukraine gibt. Richtig ist auch, dass der ukrainische Präsident und die ukrainische Regierung diese Bitte - und das nicht nur öffentlich - geäußert haben.

Auf die Gefahr hin, dass ich Sie langweile, indem ich das gebetsmühlenartig wiederhole: Seit vielen Monaten sagen wir hier - auch ich von dieser Seite aus -, dass die Gefahren, die mit der Krise in der Ostukraine verbunden sind, sehr groß sind. Wir waren vor einigen Monaten, vor einem knappen halben Jahr, schon einmal in einer Situation, in der man ernsthaft damit rechnen musste, dass es zu einer offenen militärischen Auseinandersetzung zwischen zwei europäischen Staaten kommen kann. Wir sind jetzt wieder in einer Situation, in der die Spannungen mit Händen zu greifen sind - und nicht nur mit Händen zu greifen sind, sondern Tag für Tag auch zu Opfern unter Zivilisten und unter Soldaten beider Seiten führen. Auch da langweile ich Sie wahrscheinlich, wenn ich es noch einmal wiederhole: Wir sind hier der allerfestesten Überzeugung, dass es für die Krise in der Ukraine keine militärische Lösung gibt. Daraus lässt sich dann auch leicht ableiten, dass die Bundesregierung fest davon überzeugt ist, dass die Lieferung von letalen Waffen sicherlich kein geeignetes Mittel ist, um die Krise zu überwinden oder gar zu lösen.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie müssen auch mit den Amerikanern sprechen und sie davon überzeugen? Wie machen Sie das?

Schäfer: Die Amerikaner sind ein souveräner Staat, die werden das tun, was sie für richtig halten. Ich nehme an, Sie haben wie wir die verschiedenen Meinungsäußerungen in der amerikanischen Administration mitverfolgt. Mein letzter Stand ist, dass der amerikanische Präsident wissen lassen hat, dass eine solche Entscheidung über die Lieferung von letalen Waffen in naher Zukunft nicht beabsichtigt sei und dass darüber hinaus dem Gespräch mit der Bundesregierung und der Bundeskanzlerin in der nächsten Woche bei diesen Fragen eine große Bedeutung zukommt. Das ist doch schon einmal ein Wort.

Zusatzfrage: Aber wenn eine befreundete Nation etwas macht, was die Bundesregierung für falsch hält, dann muss die Bundesregierung doch irgendwelche Mittel haben oder irgendwelche Pläne haben, wie sie diese Nation davon überzeugt, das nicht zu tun?

Schäfer: Das beste Mittel der Diplomatie ist immer das Gespräch und das offene Wort. Ich bin mir ganz sicher - aber da mische ich mich in Angelegenheiten von Herrn Seibert ein -, dass die Bundeskanzlerin genau dieses Wort nächste Woche pflegen wird.

Zusatzfrage: Herr Seibert?

StS Seibert: Es liegt auf der Hand, dass die Bundeskanzlerin die Überzeugungen, die sie in den letzten Wochen und Monaten immer vertreten hat, natürlich auch während ihres Aufenthalts in Washington vertreten wird. Wir werden keine letalen Waffen liefern. Wir sind auch davon überzeugt, dass es keine militärische Lösung dieses schon jetzt sehr blutigen Konfliktes geben kann. Wir glauben auch, dass solche Lieferungen die Illusion nähren könnten, dass es eine militärische Lösung geben könnte.

Frage: Herr Schäfer, angesichts der Verschärfung der Lage in der Ukraine wird die Münchner Sicherheitskonferenz ein noch wichtigeres Ereignis als normalerweise sein. Was erwarten Sie, welche Vorstellungen haben Sie vor diesem Wochenende in München?

Schäfer: Ich persönlich bin schon häufig auf der Münchner Sicherheitskonferenz gewesen. Da hat es in den vergangenen Jahren immer wieder Situationen gegeben - zum Beispiel im Zusammenhang mit dem Bürgerkrieg in Syrien, aber auch anderen politischen Entwicklungen -, die die Münchner Sicherheitskonferenz zu einem Treffpunkt von globalen Entscheidungsträgern gemacht haben, an dem dann mit Bezug auf globale Fragen gewissermaßen im Brennglas Entscheidungen getroffen oder Gespräche geführt worden sind. Mit Blick auf die Ukraine-Krise ist das - Sie haben Recht - an diesem Wochenende wohl wieder der Fall; es sind eine ganze Menge Protagonisten dieser Krise vor Ort. Deshalb kann man im Grunde nur hoffen, dass die persönliche Begegnung all dieser Mitspieler einen Beitrag dazu leisten kann, die aktuelle Spannung und auch die Gefahren, die damit verbunden sind, etwas zu entschärfen. Ich glaube aber, Sie werden verstehen, dass es jetzt viel zu früh ist, um schon irgendwelche Linien aufzuzeigen oder zu zeichnen, an denen entlang sich eine solche Entspannung ergeben könnte. Grundsätzlich ist es aber so: Immer dann, wenn sich Verantwortliche treffen, dann ist das auch eine Chance.

Zusatzfrage: Strebt Minister Steinmeier irgendwelche Gespräche an, will er am Wochenende eine Vermittlerrolle übernehmen?

Schäfer: Die deutsche Außenpolitik bemüht sich - ich denke, das werden Sie in den letzten elf Monaten mitverfolgt haben - mit allergrößter Energie darum, in dieser Krise hilfreich zu sein. Wie Sie das nennen - ob Sie das Vermittlung, Hilfe, Fazilitieren oder wie auch immer nennen -, spielt da, glaube ich, gar keine Rolle. Uns geht es darum, zum Beispiel in den Treffen der vier Außenminister, die es in den letzten Monaten gegeben hat, und auch in den vielen Gesprächen, die die Bundeskanzlerin und die der Bundesaußenminister telefonisch mit den handelnden Personen führen, nach Auswegen aus einer Krise zu suchen und immer wieder Vorschläge zu machen, die zu einer Entschärfung beitragen können. Ich denke, das wird auch am Wochenende wieder das Ziel der deutschen Außenpolitik sein.

Frage: Herr Seibert, in den vergangenen Tagen und Wochen sind ja immer wieder Medienberichte westlicher Journalisten und Blogger, die Fotos von russischem Kriegsmaterial in dieser Region vorgelegt haben, und Berichte russischer Soldatenmütter, dass ihre Söhne in die Ukraine entsendet worden und dort verschollen sind, aufgetaucht. Sind diese Journalisten Ihnen da voraus oder haben Sie auch eigene Erkenntnisse - Satellitenaufnahmen usw. - über russisches Kriegsmaterial oder auch russische Soldaten auf ukrainischem Boden?

StS Seibert: Erst einmal finde ich es gut, wenn Journalisten unter den extrem schweren Bedingungen, die für Journalisten in der Ostukraine herrschen, diese mutige Arbeit machen und dokumentieren, was sie an Ort und Stelle vorfinden.

Zweitens. Ich kann Ihnen hier nicht über Erkenntnisse der Bundesregierung im Einzelnen berichten. Ich kann aber sagen, dass wir natürlich aus gutem Grund seit langer Zeit fordern, dass die russische Führung ihre Unterstützung der Separatisten beendet. Wir fordern seit langer Zeit, dass schwere Waffen endlich abgezogen werden. Das heißt, wir haben die wahre Lage am Boden des Geschehens tatsächlich auch im Blick.

Zusatzfrage: Aber wäre es für die deutsche Öffentlichkeit oder zum Beispiel auch für Historiker nicht wichtig, zu erfahren, ob Sie solche Erkenntnisse haben, um später einordnen zu können, welche Kausalitäten in diesem Konflikt vorherrschen? Es ist für uns ja immer schwierig, zu sagen: Es sind prorussische Separatisten. Wenn es so ist, dass sich dort zahlenmäßig auch sehr viele zum Beispiel russische Soldaten aufhalten und Sie Erkenntnisse darüber haben, dann wäre es ja sehr gut, wenn Sie diese Erkenntnisse auch einmal mit uns teilen würden.

StS Seibert: Es gab ja eine ganze Reihe von Aussagen - auch sehr belastbaren Aussagen - von russischen Soldaten selbst über das, was sie auf ukrainischem Gebiet in den letzten Monaten getan haben. Ich bin hier jetzt aber, ehrlich gesagt - bitte haben Sie dafür Verständnis -, nicht so sehr mit der künftigen Aufgabe der Historiker beschäftigt, sondern sage: Die Bundesregierung setzt sich mit allen diplomatischen Mitteln, die sie hat, und mit großem Einsatz dafür ein, dass in dieser entsetzlichen Situation ein diplomatischer, ein politischer, ein friedlicher Ausweg gefunden wird. Dafür muss man auch benennen, was tatsächlich in dem Gebiet los ist, und man muss auf beide Seiten einwirken, dass sie das tun, was sie können, damit endlich ein Waffenstillstand hergestellt wird.

Schäfer: Dass es vielfältige Unterstützung aus Russland für die prorussischen Separatisten um und in Donezk und Lugansk gibt, bestreiten weder die Separatisten noch bestreitet das Russland. Es lohnt sich, einfach einmal in die Minsker Vereinbarungen vom 5. und 19. September zu schauen: Als einer der zwölf Punkte ist da auch der Abzug von ausländischen Kämpfern und Waffen vereinbart worden.

Frage: Herr Schäfer, eine Frage in Richtung Umgang mit Russland: Sind die Visa-Regeln oder die internen Regeln für die Erteilung von Visa an Russen verschärft worden? Es gibt Berichte von Fällen, wo Leute, die bisher immer Sechs-Monats- oder Ein-Jahres-Visa bekamen, auf einmal nur Fünf-Tages-Visa bekommen. Ist das jetzt ein Zufall oder gibt es da eine große Linie?

Schäfer: Mir wäre nicht bekannt, dass es sozusagen neue Runderlasse, also generelle Regelungen über die Erteilung von Sichtvermerken oder Visa an Staatsangehörige der russischen Föderation gäbe. Ich weiß allerdings - ohne dass ich Ihnen dafür jetzt im Detail die Gründe aufzeigen kann -, dass das Visa-Aufkommen aus Russland im Laufe des abgelaufenen Jahres 2014 etwas rückläufig ist - was gegen den Trend ist, denn wir haben viele Partnerländer oder Länder mit Visapflicht, in denen die Zahlen der Reisewilligen und derjenigen, für die wir Visa erteilt haben, im letzten Jahr gestiegen sind.

Zusatzfrage: Also ist es mehr oder weniger Zufall, wenn jemand, der auch regelmäßig nach Deutschland kam, von sechs Monaten oder einem Jahr auf ein Fünf-Tages-Visum heruntergestuft wird?

Schäfer: Zufall möchte ich bei sorgfältig überlegten, abgewogenen Entscheidungen über die Erteilung von Sichtvermerken ausschließen. Ansonsten müssten Sie mich schon mit einem Einzelfall konfrontieren, dann kann ich versuchen, dazu Stellung zu nehmen.

Zusatzfrage: Danke, dass Sie sagen, dass es sorgfältig abgewogen ist. Warum wird dann einer Korrespondentin der Nachrichtenagentur Associated Press, die Russin ist, ein solches verkürztes Visum ausgestellt?

Schäfer: Auch da kann ich nur sagen: Das sind ein bisschen wenig Sachverhaltsinformationen. Wir können das aber gerne beim nächsten Mal ausführlich erörtern, wenn Sie das wünschen - und insbesondere, wenn die Kollegin damit einverstanden ist, denn dabei geht es ja auch um Persönlichkeitsrechte.

Zusatz: Sie hat es öffentlich gemacht.

Schäfer: Na umso besser.

Frage: Herr Schäfer, können Sie sich darum kümmern und diese Informationen nachreichen?

Schäfer: Absolut, klar.

Zusatzfrage: Herr Obama hat am Wochenende bei CNN in Bezug auf den Ukraine-Konflikt und den Machtwechsel in Kiew gesagt, dass die Amerikaner einen Deal zur Machtübergabe ausgehandelt hätten. Welchen Deal haben die Amis da ausgehandelt, Herr Schäfer?

Schäfer: Ich habe keine Ahnung, das entzieht sich total meiner Kenntnis. Aber es wäre ja gut, wenn es einen Deal gäbe, der es gelingen ließe, diese schreckliche Krise - auch diese humanitäre Krise -, dieses Risiko einer offenen militärischen Auseinandersetzung beiseite zu legen. Uns käme es, glaube ich, nicht darauf an, von wem die Initiative für eine solche Lösung ausgeht.

Zusatz: Es ging um den Machtwechsel letztes Jahr.

Schäfer: Das scheint mir abwegig zu sein. Ich hatte selber die Ehre und das Vergnügen, am 20. und 21. Februar den Außenminister in dieser extrem gespannten Situation, während etwa 100 Personen 500 Meter entfernt auf dem Maidan erschossen wurden, in Kiew dabei gewesen zu sein. Ich war also sozusagen Zeuge der Begegnung zwischen dem ukrainischen Präsidenten Janukowitsch und den Vertretern der Opposition, darunter Vitali Klitschko und der jetzige ukrainische Ministerpräsident Jazenjuk. Mir ist in diesen sehr bewegenden 36 Stunden, die der deutsche Außenminister gemeinsam mit dem polnischen und französischen Außenminister dort zugebracht hat, keinerlei Intervention von amerikanischer Seite bekannt geworden. Das ist alles, was ich dazu sagen kann.

Zusatzfrage: Also lügt der US-Präsident? Oder wovon spricht er dann?

Schäfer: Das müssen Sie ihn fragen, nicht mich.

Frage: Herr Schäfer, Sie haben über das Außenministertreffen gesprochen - ich glaube, es war im Mai, als sich die Außenministerkollegen aus Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine getroffen haben. Sie haben mit Bezug auf das Format des Weimarer Dreiecks gesagt, dieses Normandie-Format müsse man ausprobieren. Das letzte Mal, dass sich die deutsche, französische und polnische mit der ukrainischen und russischen Seite getroffen haben, ist aber ein Jahr her. Ist das Format des Weimarer Dreiecks jetzt eigentlich gestorben beziehungsweise hat es sich erledigt?

Schäfer: Sie sprechen jetzt von dem Format, das viele das Normandie-Format nennen?

Zusatz: Genau, es gibt viel mehr Gespräche im Normandie-Format als im Format des Weimarer Dreiecks.

Schäfer: Und Ihre Frage ist: Hat sich dieses Format überlebt, macht das noch Sinn?

Zusatz: Genau: Hat sich das Format des Weimarer Dreiecks erledigt?

Schäfer: Für die Bundesregierung beziehungsweise für den Außenminister kann ich sagen: Er hat da keine besondere Vorliebe für das Normandie-Format der vier Länder. Dieses Format hat sich aus Anlass einer internationalen Begegnung zu den Feierlichkeiten von 70 Jahren D-Day in der Normandie ergeben - deshalb auch der Name. Dieses Format hat sich in dieser Zeit immer wieder als ein nützliches Forum erwiesen, um extrem schwierige Kontakte zwischen Kiew und Moskau durch die Beteiligung Deutschlands und Frankreichs zu ermöglichen, überhaupt erst möglich zu machen. In diesem Zusammenhang hat es einige Telefonate gegeben, die von der Bundeskanzlerin oder vom Außenminister geführt worden sind, und in diesem Zusammenhang hat es insgesamt vier Treffen der Außenminister gegeben, zwei im vergangenen Sommer und zwei Anfang 2015. Das zeigt Ihnen doch im Grunde, dass dieses Format - ohne dass irgendjemand dem größere positive Emotionen entgegenbringt - es mindestens ermöglicht hat, dass die handelnden Konfliktparteien an einen Tisch kommen, miteinander reden und dann auch Vereinbarungen erzielen, die, wie wir jetzt wissen - wie beim Rückzug schwerer Waffen -, leider noch nicht umgesetzt worden sind.

Das Weimarer Dreieck war in der Tat ein Format, das am Ausgangspunkt all der Probleme, über die wir hier jetzt sprechen, also am 20. und 21. Februar, einen ganz wesentlichen Beitrag dazu geleistet hat, aus der Situation auf dem Maidan in dieser Zeit nicht einen offenen Bürgerkrieg in der Ukraine entstehen zu lassen. Der deutsche Außenminister und die deutsche Bundesregierung generell tauschen sich auch auf das Engste mit der polnischen Regierung aus. Das gilt insbesondere für die persönlichen Beziehungen zwischen Herrn Steinmeier und seinem Kollegen Schetyna in Warschau. Ich kann Ihnen auch sagen, dass es jetzt wieder enge Kontakte gegeben hat - zuletzt am Rande des Außenministerrates in Brüssel am vergangenen Donnerstag - und dass es auch Pläne gibt, im Wege einer persönlichen Begegnung ausdrücklich auch noch einmal mit dem polnischen Außenminister über das Thema Ukraine zu beraten.

Zusatzfrage: Ist es so, dass das Format des Weimarer Dreiecks von einer der Seiten - zum Beispiel der russischen Seite - nicht mehr gewünscht ist?

Schäfer: Ich kann nur vonseiten der Bundesregierung sagen: Wir haben überhaupt keine Berührungsängste mit dem Format des Weimarer Dreiecks. Das erkennen Sie ja daran, dass auch im Zuge der Ukraine-Krise - im Übrigen auch schon vor dem 20. und 21. Februar - die Weimarer-Dreiecks-Troika eine große Rolle gespielt hat.

Es ist zurzeit einfach so, dass es ein Format gibt, in dem Kontakte laufen. Wir haben da jetzt leider nicht ein ganzes Potpourri an Möglichkeiten zur Hand, um uns in aller Ruhe gemeinsam zu überlegen, wie wir jetzt vorgehen. Vielmehr haben wir dieses Normandie-Format, in dem es Kontakte gibt und in das wir immer noch die Hoffnung setzen, dass es einen Beitrag zu einer politischen Lösung leisten kann. Das ist das, womit wir arbeiten.

Frage: Herr Schäfer, noch einmal zu Griechenland: Die Deutsche Presseagentur schrieb gestern, das Auswärtige Amt begrüße Varoufakis neue Äußerung, ein Schuldenschnitt sei innerhalb der Europäischen Union nicht konsensfähig, und Staatsminister Michael Roth habe dem Radiosender MDR gesagt, deswegen sei er froh über den griechischen Verzicht.

Schäfer: Und in welcher Weise würde das abweichen von anderen Meinungsäußerungen vonseiten der Bundesregierung?

Zusatz: Dass Sie froh sind, dass Griechenland auf einen neuen Schuldenschnitt verzichtet.

Schäfer: Heißt das, es gibt andere Meinungsäußerungen aus der Bundesregierung, die einen Schuldenschnitt Griechenlands begrüßen würden? Ich kann immer noch keinen Widerspruch erkennen.

Frage: Eine Frage zum Stichwort Nigeria und Boko Haram an Herrn Seibert oder an das Auswärtige Amt: Bei den Treffen mit Goodluck Jonathan hat die Kanzlerin - ich glaube, fast immer - Unterstützung im Kampf gegen Boko Haram zugesagt. Meine Frage ist: Wie sieht diese Unterstützung aus? Wenn es sie schon gibt: Ist daran gedacht, diese Hilfe angesichts der Eskalation der Gewalt in Nigeria auszuweiten?

StS Seibert: Ich denke, das Auswärtige Amt kann dazu gleich mehr sagen. - Es gibt ja aus der Region, aus Westafrika selber, die klare Ansage, dass man mit regionalen Kräften gegen Boko Haram vorgehen will. Die Bundeskanzlerin hat für die Bundesregierung geklärt, dass wir dies natürlich auch unterstützen würden.

Schäfer: Wir begrüßen die Entscheidung der Afrikanischen Union, eine Eingreiftruppe von bis zu 7.500 Mann auf die Beine zu stellen, die das Ziel verfolgt, in Nigeria und womöglich auch in anderen Staaten, die von Boko Haram bedroht sind, auch mithilfe militärischer Mittel gegen diese islamistischen Terroristen vorzugehen. Es gibt innerhalb der Europäischen Union - das hatte ich hier, glaube ich, in der letzten Woche auf eine ähnliche Frage hin bereits angedeutet - bereits konkrete Gespräche und Überlegungen darüber, in welcher Weise sich Europa an diesen Bemühungen der Afrikanischen Union beteiligen würde.

Das ist vom Grundansatz her aus unserer Sicht genau das Richtige: afrikanische Lösungen für afrikanische Probleme. Wir begrüßen es sehr, dass sich die afrikanischen politischen Institutionen dieser Sache annehmen und sie anpacken wollen. Es gehört sich so und es ist auch völlig okay, dass wir dabei behilflich sein können. Das kann viele Gesichter annehmen. In erster Linie geht es, wie bereits in der Vergangenheit anhand von Beispielen praktiziert, zum Beispiel darum, zu überlegen, ob wir finanziell helfen können. Es wird dann auch auf die Gespräche ankommen, die wir etwa mit der Afrikanischen Union in Addis Abeba führen, also darauf, was es etwa für konkrete Hilfsersuchen an Europa geben könnte. Aber, wie gesagt, bereits jetzt, während wir miteinander sprechen, läuft in den Arbeitsgruppen in Brüssel ein Abstimmungsprozess zwischen den 28 Mitgliedern der Europäischen Union, wie wir diese von uns sehr begrüßte Initiative der Afrikanischen Union gegen Boko Haram in Nigeria wirksam und effektiv unterstützen können.

Frage: Herr Seibert, zum US-Folterbericht: Der Bundestag hat, glaube ich, letzte Woche den kompletten Bericht angefordert. Was heißt das jetzt?

StS Seibert: Der Bundestag hat den kompletten Bericht angefordert. Ich bin nicht der Sprecher des Bundestags.

Zusatzfrage: Wurde das abgelehnt? Ich glaube sogar, das wurde abgelehnt.

StS Seibert: Auch unabhängig davon, was der Bundestag im Zusammenhang mit etwas getan hat, bin ich nicht der Sprecher des Bundestags.

Zusatzfrage: Hat die Bundesregierung den kompletten Bericht denn schon angefordert, wenn der Bundestag es nicht tut?

StS Seibert: Ich kann Ihnen, ehrlich gesagt, nicht sagen, ob die Bundesregierung die 500 Seiten oder die 3.000 Seiten hat. Das lässt sich sicherlich klären.

Zusatzfrage: Sie hatten vor, glaube ich, einer Woche gesagt, dass Sie sich immer noch damit auseinandersetzen. Wann kommen Sie denn einmal zu einer Lösung und dazu, was passieren soll?

StS Seibert: Ich weiß nicht ganz, was für Sie eine Lösung und das darstellt, was passieren soll. Dieser Bericht, zu dem wir uns ja auch sehr ausführlich geäußert haben, betrifft Fälle von Folter, die zurückliegen. Die USA haben gemäß einer Erklärung ihres Präsidenten, die an Klarheit nichts zu wünschen übrig lässt, erklärt, dass dies nicht mehr Praxis sein darf. Die Amerikaner müssen im Rahmen ihrer nationalen Debatte entscheiden, wie sie weiter mit diesem Bericht des Senats umgehen. Ich weiß nicht ganz, was jetzt bei uns zu entscheiden wäre.

Zusatzfrage: Herr Seibert, es gibt eine Anti-Folterkonvention. Darin steht, dass jeder, der sie unterschrieben hat - auch Deutschland -, Folter anklagen und verfolgen muss. Jetzt ist bekannt, dass durch den Partner USA Folter geschehen ist, und Deutschland muss sich gemäß dieser UN-Konvention verhalten. Wann wird man das tun?

StS Seibert: Wir haben hier in diesem Zusammenhang auch schon mehrfach - das BMI und das BMJV werden sich erinnern - darauf hingewiesen, dass solche Fragen einer strafrechtlichen Verfolgung von etwas in den Händen der Justiz liegen, nicht in den Händen der Bundesregierung. Danach wäre dann zum Beispiel der Generalbundesanwalt zu fragen, der nicht der Weisung der Bundesregierung unterliegt.

Zusatz: Doch! Der Chef des Generalbundesanwalts ist der Bundesjustizminister. Das heißt, der kann ihn beauftragen, das zu tun.

StS Seibert: Vielleicht möchte das BMJV das noch einmal klären.

Zimmermann: Ich kann dazu im Wesentlichen nur ergänzen, und das wissen Sie ja auch, dass der Generalbundesanwalt den Bericht prüft. Dass wir uns als Bundesjustizministerium jetzt nicht in diese Prüfung des Generalbundesanwalts einmischen, ist, denke ich, auch bekannt. Sobald der Generalbundesanwalt etwas dazu zu verkünden haben wird, wie er mit den Erkenntnissen aus dem Bericht umgeht, wird er dazu sicherlich auch Stellung nehmen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, was heißt es denn für die Bundesregierung, wenn der Deutsche Bundestag Folter nicht verurteilt? Genau das stand nämlich darin.

StS Seibert: Ich muss jetzt noch einmal sagen: Ich bin nicht der Sprecher des Bundestags. Ich kenne den Beschluss, auf den Sie anspielen, nicht wörtlich, und deswegen werde ich Beschlüsse des Deutschen Bundestags hier auch nicht kommentieren.

Zusatzfrage: Sie können den Antrag ja in Erfahrung bringen; der ist ja frei zugänglich. Können Sie Ihre Informationen dann nachreichen oder dazu Stellung nehmen?

StS Seibert: Es entspricht, glaube ich, der Gewaltenteilung in Deutschland zwischen Exekutive und Legislative, dass wir hier nicht als Bundesregierung die Entscheidungen der Legislative bewerten. Dass alle politisch Handelnden in Deutschland eine ganz klare Haltung gegen Folter haben und dass das zu einer der Grundüberzeugungen unserer Außenpolitik gehört, können Sie, glaube ich, uns allen glauben. Das gilt sicherlich auch für den Deutschen Bundestag.

Mittwoch, 4. Februar 2015

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Quelle:
Mitschrift der Regierungspressekonferenz vom 4. Februar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/02/2015-02-04-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Februar 2015


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