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PRESSEKONFERENZ/942: Regierungspressekonferenz vom 18. Februar 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 18. Februar 2015
Regierungspressekonferenz vom 18. Februar 2015

Themen: Personalie, Lage in der Ukraine, neuer Geschäftsführer des BER, Treffen des Bundesaußenministers mit humanitären Hilfsorganisationen im Auswärtigen Amt, Reise des Bundesaußenministers nach Afrika, finanzielle Lage Griechenlands, Tarifkonflikt bei der Bahn, Kommunikationsplattform "YouNow", CIA-Folterbericht, Sicherheit jüdischer Einrichtungen und jüdischer Bürger in Deutschland, Expertentreffen im BMVI zu den Themen "MPU" und "Alkohol-Interlocks"

Sprecher: StS Seibert, Maschke (BMG), Schäfer (AA), Strater (BMVI), Jäger (BMF), Kempe (BMFSFJ), Zimmermann (BMJV), Dimroth (BMI)


Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert und die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Maschke: Mein Name ist Jasmin Maschke. Ich bin seit Mitte November neue Sprecherin in der Pressestelle des Bundesgesundheitsministeriums und komme ursprünglich aus München. Ich freue mich sehr hier zu sein, und ich freue mich auf die Zusammenarbeit. Danke schön.

Vors. Detjen: Auch wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit Ihnen. Sie werden viele interessante, anregende, spannende Fragen bekommen. Alles Gute in Ihrer neuen Tätigkeit!

StS Seibert: Meine Damen und Herren, guten Tag! Ich möchte gern zum Thema Ukraine zu Ihnen sprechen. Die Bundesregierung verurteilt entschieden das militärische Vorgehen der Separatisten auf Debalzewe. Es ist eine massive Verletzung der seit Sonntag geltenden Waffenruhe. Es ist ein Verstoß gegen das gerade am letzten Donnerstag unterzeichnete Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Vereinbarungen aus dem September. Dieses militärische Vorgehen auf Debalzewe bringt ohne jede Rücksicht großes Leid und weitere große Not über die Bevölkerung der Region. Es ist natürlich auch eine schwere Belastung für das Abkommen wie für die Friedenshoffnungen für die Ostukraine insgesamt.

Die Bundesregierung begrüßt, dass es jetzt eine einstimmig verabschiedete Resolution des UN-Sicherheitsrates gibt, also eine auch mit den Stimmen Russlands verabschiedete Resolution. Diese stellt sich ausdrücklich hinter die Vereinbarungen von Minsk, bekennt sich also ausdrücklich zu dem Versuch, mit diesem Maßnahmenpaket, das Russland, die Ukraine, die Separatisten und die OSZE unterzeichnet haben, endlich umzusetzen, was im Prinzip im September in Minsk schon beschlossen worden war. Das ist ein gutes Signal, das die UN dort gesendet hat.

Frage: Herr Seibert, ist aus Ihren Worten zu lesen oder zu hören, dass der Fall Debalzewe nicht bedeutet, dass die Bundesregierung "Minsk II" für gescheitert ansieht?

StS Seibert: Ich kann verstehen, dass Sie und sicher auch andere jetzt nach dem Scheitern fragen. Ich kann Ihnen diese Frage - ehrlich gesagt - heute weder mit einem klaren Ja noch mit einem klaren Nein beantworten. Die Kanzlerin hat in Minsk und danach gesagt: Wir haben hier einen Hoffnungsschimmer - nicht mehr und nicht weniger.

Auf deutscher Seite - ich denke, ich kann auch sagen: auf deutscher und auf französischer Seite - hat immer die Erwartung geherrscht, dass die Umsetzung der Vereinbarungen äußerst schwierig werden könnte. Tatsächlich muss man heute sagen, dass die bisherige Bilanz der Umsetzung ernüchternd ist.

Ich verweise trotzdem noch einmal auf diese UN-Sicherheitsratsresolution, die ja eine weitere Chance gibt, Russland, das sich in dieser Resolution auch vor der Weltgemeinschaft ein weiteres Mal zu den Minsker Vereinbarungen bekannt hat, beim Wort zu nehmen. Russland geht eine weitere Verpflichtung ein, für die Minsker Vereinbarungen, für den Frieden zu arbeiten. Wir und sicherlich viele andere werden die russische Führung in diesen Tagen daran erinnern müssen.

Zusatzfrage: Die erweiterten Sanktionen von diesem Montag wurden ja eingeführt als Antwort auf den Beschuss von Mariupol. Debalzewe wurde nicht nur beschossen, sondern offensichtlich auch eingenommen. Gedenkt die Bundesregierung, jetzt für eine neue Sanktionsrunde der EU als Antwort auf Debalzewe zu plädieren?

StS Seibert: Wie Sie gesagt haben: Die Europäische Union hat erst am Montag ihre Sanktionen erweitert. Weitere neun Einrichtungen, weitere - ich glaube - 19 Personen wurden mit Vermögens- und Einreisesperren belegt. Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben am vergangenen Donnerstag und auch am Montag wieder klar gemacht, dass sie in der Sanktionsfrage Kurs halten. Das heißt, dass bei weiterer Eskalation auch weitere Maßnahmen nötig werden könnten. Die Bereitschaft, in diese Richtung zu denken, ist da. Sie hängt von der Entwicklung in der Ostukraine ab.

Frage: Es wurden heute die UN-Resolutionen von der amerikanischen Botschaft anders beurteilt als von Ihnen. Also sie hat schon deutlich gemacht, dass sie es für eine merkwürdige Art und Weise hält, wie die Russen damit umgehen. Können Sie das so bestätigen? Sie haben gerade deutlich gemacht, dass Sie das sehr positiv sehen, also den Einschluss Russlands.

StS Seibert: Ich kenne die Äußerungen der amerikanischen Botschafterin nicht und kann im Übrigen ja hier auch nur für die Bundesregierung sprechen. Ich habe gesagt, dass bei aller Besorgnis über das, was in den letzten Tagen in der Ostukraine - ganz besonders in und um Debalzewe - geschehen ist, wir dennoch ein positives Signal in dieser UN-Resolution sehen. Denn es haben sich alle Unterzeichner einstimmig zu dem Prozess von Minsk, zu dem Maßnahmenpaket zur Umsetzung der Minsker Beschlüsse, bekannt.

Wir sind in keiner Illusion darüber, dass die Umsetzung nicht gleichbedeutend ist mit der Unterschrift oder dem Ja zu einer Resolution. Dennoch gibt es etwas, woran man Russland auch in den nächsten Tagen wird messen können. Denn es hat sich zu diesem Minsker Maßnahmenpaket ein weiteres Mal vor der Weltöffentlichkeit bekannt.

Frage: Mich würde noch einmal Ihre Einschätzung interessieren, wenn jetzt Debalzewe eingenommen worden ist, es aber in der Folge trotzdem zu einer Waffenruhe kommen sollte, inwiefern Minsk dann noch gültig ist.

StS Seibert: Ich möchte jetzt nicht über "wenn - dann" sprechen. Sie haben, glaube ich, aus dem, was ich gesagt habe, entnehmen können, dass wir durchaus den Prozess von Minsk für belastet, vielleicht auch für verletzt, halten, dass wir aber dennoch glauben, dass es sich lohnt weiter zu arbeiten und dass die UN-Resolution uns in dieser Hinsicht ein Signal in die richtige Richtung zu sein scheint. Dennoch sind wir sehr besorgt über das, was dort passiert, und verurteilen ganz klar das militärische Vorgehen der Separatisten, das ein Bruch des vereinbarten Waffenstillstandes ist.

Frage: Herr Seibert, was sollte denn mit den ukrainischen Soldaten geschehen, die da entweder eingekesselt oder vielleicht schon in Gefangenschaft sind? Hat die Bundesregierung dazu irgendeine Meinung? Die Russen haben ja eigentlich kein Geheimnis daraus gemacht, dass sie im Grunde auf eine Verzögerung des Waffenstillstands, der ja nicht direkt in Minsk beschlossen wurde, sondern erst ein paar Tage später in Kraft treten sollte, bestanden haben, weil sie offenbar vorher noch Debalzewe einnehmen wollten. Deswegen noch einmal die Frage: Wäre das etwas, mit dem man sich am Ende abfinden könnte, also dass man sagt "Gut, das kriegen sie jetzt noch, und dann ist Schluss"?

StS Seibert: Der Zeitpunkt des Waffenstillstandes - Beginn: Sonntag 0 Uhr - wurde in Minsk beschlossen und ist der erste Teil des Maßnahmenpakets, das dort unterzeichnet wurde. Aber es ist richtig, dass das Inkrafttreten am Sonntag um 0 Uhr geschieht.

Es ist doch selbstverständlich, dass ich für die Bundesregierung nicht territoriale Fragen in der Ostukraine entscheiden kann. Das verbietet sich. Das haben wir auch vor den Gesprächen und Verhandlungen von Minsk schon mehrfach gesagt.

Ich kann nur noch einmal wiederholen: Wir haben es jetzt mit einer schweren Belastung für die Hoffnungen, die sich vielleicht mit Minsk verbanden, zu tun. Wir müssen darauf dringen, dass das Maßnahmenpaket umgesetzt wird. Wir empfinden auch die einstimmig beschlossene UN-Resolution als ein Drängen in diesem Sinne und werden die nächsten Tage weiterarbeiten mit den Möglichkeiten, die wir haben.

Zuruf : (akustisch unverständlich)

StS Seibert: Als Sprecher der Bundesregierung möchte ich keine Aussagen über Bewegungen machen, die ukrainische Soldaten vollziehen. In dieser sehr schwierigen Situation, in der sich die Ukraine jetzt befindet, wird die ukrainische Führung Entscheidungen treffen müssen, die ich hier aber nicht bewerten kann.

Frage: Ich möchte noch einmal auf die Frage der Sanktionen zurückkommen. Mir ist nicht so ganz klar, warum der Beschuss von Mariupol Ende Januar ein ausreichender Grund war, um die Sanktionen gegen bestimmte Personen zu erweitern und der Beschuss und die Eroberung von Debalzewe noch zu einer weiteren Diskussion - so habe ich Sie verstanden - führen soll.

StS Seibert: Ich habe gesagt, was auch vorher galt, dass die Europäische Gemeinschaft, die transatlantische Partnerschaft, bereit bleibt, über weitere Maßnahmen nachzudenken und auch weitere Maßnahmen zu beschließen. Dass wir dazu einstimmig in der Lage sind, das haben wir in den letzten Monaten mehrfach bewiesen. Nun ist die Situation zu beobachten.

Frage: Erwarten Sie, dass aufgrund der Entwicklung in Debalzewe jetzt auch die Diskussion über US-Waffenlieferungen wieder neu an Fahrt gewinnen wird?

StS Seibert: Das zu sagen ist nicht an der Bundesregierung. Die Bundesregierung hat ihre Haltung zur Lieferung letaler Waffen klargemacht. Diese Haltung hat sich nicht verändert.

Frage: Gestern hieß es, die Bundeskanzlerin habe mit Putin und Poroschenko konkrete Schritte vereinbart, um die Beobachtung in Debalzewe durch die OSZE sicherzustellen. Ist das damit jetzt vom Tisch oder ist man da weiter? Was könnten konkrete Schritte sein?

StS Seibert: Ich habe hier über dieses Telefonat hinaus, das die Kanzlerin bereits am Montag geführt hat, jetzt nichts Weiteres zu sagen. Alle Bemühungen, die wir und alle an diesem Minsker Prozess beteiligten Partner unternehmen, müssen der Aufgabe dienen, den Waffenstillstand, der eigentlich ab Sonntag, 0 Uhr, gelten sollte, auch wirklich durchzusetzen. Daran arbeiten wir. Ich möchte hier nicht in Details gehen.

Die Forderung, dass die OSZE mit ihren Beobachtern Zugang nach Debalzewe und den dort Not leidenden Menschen erhält, besteht, und die ist natürlich weiterhin gültig.

Frage: Ich wollte noch einmal um etwas Nachhilfe bitten, und zwar zu der Vereinbarung "Minsk II": Ist Debalzewe darin konkret angeführt oder in irgendeiner Weise konkret benannt worden, oder subsummiert sich dieser Prozess letztendlich unter anderen Überschriften?

Zum Zweiten hätte ich gerne gewusst, auf welcher Ebene im Moment die Gespräche der Beteiligten ablaufen, möglicherweise zwischen den Außenministern, wie ich mir vorstellen könnte. Vielleicht können Sie dazu etwas sagen.

StS Seibert: Ich will, wenn Sie von "Minsk II" sprechen, nur eine kurze Vorbemerkung machen, wenn ich das tun darf: Das, was am vergangenen Mittwoch und Donnerstag in Minsk verhandelt wurde, dient der Umsetzung und dem Mit-Leben-Erfüllen dessen, was in Minsk bereits im September 2014 beschlossen und schon einmal unterzeichnet worden war. Da sind keine völlig neuen Themen aufgegriffen worden, sondern die Themen von "Minsk I" aus dem September 2014, wenn Sie so wollen - es gibt nur "Minsk I" -, sind detailliert konkretisiert worden. Das ist jetzt nur eine Begriffserklärung, wenn Sie mir das erlauben.

Herr Schäfer kann Ihnen, glaube ich, auf die zweite Frage antworten.

Schäfer: Einfach nur vielleicht zu dem, was am letzten Donnerstag in Minsk tatsächlich vereinbart und verabschiedet worden ist: Das ist ja auch eine Anlage des Beschlusses des Sicherheitsrats von gestern Abend und insofern auch in seiner Totalität vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gestern indossiert worden. Es gibt eine Erklärung der drei Staatschefs und der Bundeskanzlerin vom 12. Februar in Minsk, die gewissermaßen das politische Dach eines Maßnahmenpaketes bildet, das nicht formal von den Staats- und Regierungschefs im Normandie-Format ausgehandelt worden ist. Das ist vielmehr eine Erklärung, die die Kontaktgruppe unterzeichnet hat - "Kontaktgruppe" heißt in diesem Fall "unter dem Dach und dem Vorsitz der OSZE" -, die von Vertretern der Separatisten unterzeichnet wurde, von der Regierung der Russischen Föderation sowie von der Regierung der Ukraine. In diesen beiden Texten suchen Sie das Wort Debalzewe vergeblich. Es gibt auch keinen anderen Ortsnamen oder konkreten Fall, der dort Erwähnung gefunden hätte, sondern es handelt sich, wie Ihnen Herr Seibert ja gerade schon genau erläutert hat, um eine Sequenzierung von unterschiedlichen Maßnahmen auf der Grundlage der Vereinbarungen von Minsk vom 5. und vom 19. September.

StS Seibert: Um es ganz klar zu sagen: Kein Ort ist in dem Maßnahmenpaket von Minsk von der Forderung eines Waffenstillstands ab 0 Uhr und von einem ab Dienstag beginnenden Abzug schwerer Waffen ausgenommen. Deswegen ist das Vorgehen der Separatisten in Bezug auf Debalzewe ein ganz klarer Verstoß gegen diese Vereinbarung.

Zusatzfrage : Sagen Sie mir bitte noch, auf welcher Ebene im Moment die Gespräche geführt werden, Herr Schäfer?

Schäfer: Ja, ich kann Ihnen davon berichten: Der Außenminister telefoniert täglich, heute Morgen auch angesichts der jetzt von uns besprochenen Lage in Debalzewe. Die scheint im Übrigen aus unserer Sicht jetzt nicht so deutlich zu sein, wie manche von Ihnen es vielleicht unterstellen. Wir müssen davon ausgehen, dass die Kämpfe dort noch weitergehen werden und dass letztlich für uns - jedenfalls von hier aus - nicht recht übersehbar ist, wie die faktische Lage vor Ort tatsächlich ist, etwa, was die Zahl der Opfer, die Zahl der Verletzten oder die tatsächliche Lage innerhalb dieser kleineren Ortschaft angeht.

Der Außenminister hat heute Morgen unter anderem mit dem russischen Außenminister im Lichte der Ereignisse gesprochen. Sie können sich sicherlich denken, dass er genau das, was Herr Seibert hier gerade für die Bundesregierung vorgetragen hat, nämlich die feste Überzeugung der Bundesregierung, dass das, was die Separatisten dort getan haben, ein Verstoß gegen die Vereinbarung von Minsk ist, auch dem russischen Außenminister mitgeteilt hat, verbunden mit der Aufforderung, den Einfluss Moskaus geltend zu machen, damit genau das unterbleibt.

Frage: Herr Schäfer, um ganz klar zu sein: Hat kein Monitoring seitens der OSZE in Debalzewe stattgefunden?

Schäfer: Wir können natürlich von hier aus nicht für die OSZE sprechen. Aber sagen kann ich, dass die OSZE von Tag 1 des Inkrafttretens des Waffenstillstands an, nämlich von Sonntag an, nach den Vereinbarungen der Kontaktgruppe, die in Minsk geschlossen worden sind, die Rolle übernommen hat, diesen Waffenstillstand und auch den Rückzug schwerer Waffen zu überwachen. Dieser Rolle versucht die OSZE nach besten Kräften und Einsatzmöglichkeiten nachzukommen. Das ist auch an vielen Orten, an denen der Waffenstillstand tatsächlich hält, bereits geschehen. Entsprechend hat die OSZE auch an die Mitgliedstaaten berichtet. Aber soweit ich informiert bin, ist es in der Tat so, dass es wegen der Weigerung der Separatisten noch nicht zu einer konkreten Überwachung der Lage in Debalzewe durch die OSZE gekommen ist.

Frage: Herr Seibert, plant die Bundeskanzlerin eine Initiative, um ein drohendes Massaker an ukrainischen Soldaten zu verhindern?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin ist auch seit ihrer Abreise aus Minsk nahezu täglich mit der weiteren Entwicklung befasst, und so ist es auch der französische Staatspräsident. Wir sind Teilnehmer dieser Minsker Verhandlungen und sehen deswegen natürlich auch unsere Verpflichtung, uns weiter um eine Einhaltung dessen, was da vereinbart worden ist, zu bemühen.

Zusatzfrage: Entschuldigung, aber da sich die Lage, wie immer sie zu dieser Minute ist, ja zuspitzt, war die Frage, die sich ja aufdrängt: Gibt es eine konkrete Initiative der Kanzlerin, um ein drohendes, befürchtetes Massaker zu verhindern, oder belässt man es bei dem normalen Krisenreaktionsmechanismus, der läuft?

StS Seibert: Nichts ist normal in dieser Krise. Es gibt natürlich intensive Arbeit, um diplomatisch voranzukommen, obwohl wir eine Belastung des Prozesses sehen. Sie haben gerade gehört, dass Außenminister Steinmeier mit seinem russischen Kollegen Lawrow telefoniert hat. In diesen Telefonaten geht es ja um genau die Sachverhalte, die Sie gerade beschreiben. Wenn es etwas Neues von der Bundeskanzlerin zu berichten gibt, dann werde ich Ihnen das auch weiterhin gerne berichten.

Schäfer: Vielleicht kann ich das nur ergänzen, Herr Wonka: Das humanitäre Völkerrecht, also der Umgang der Nationen und ihrer Armeen miteinander im Kriegsfall, ist sozusagen seit Ende des 19. Jahrhunderts ein wichtiges Anliegen der Staatengemeinschaft gewesen. Völlig unabhängig von der Frage, ob dieses humanitäre Völkerrecht jetzt in dieser besonderen Situation im Osten der Ukraine Anwendung findet oder nicht, ist es ein absolutes Ding der Selbstverständlichkeit - dem dient auch unsere Aufforderung und unser dringender Appell an alle Konfliktparteien, die dort kriegerisch oder militärisch miteinander ringen -, dass sie sich an diese Regeln halten und dass sie sich, so schlimm das im Krieg ist, eben im Sinne des humanitären Völkerrechts in der Weise mit dem Gegner beschäftigen, wie sich das gehört, und ihn mit Würde behandeln. Das ist selbstverständlich auch unser Appell an diejenigen gewesen, die in Minsk dabei gewesen sind.

Im Übrigen ist die Lage in Debalzewe - ich kann das nur noch einmal wiederholen - auch im Gespräch zwischen Außenminister Steinmeier und Außenminister Lawrow zur Sprache gekommen, auch im Hinblick auf diese Frage, nämlich des Umgangs der ukrainischen Sicherheitskräfte einerseits und der Rebellenkräfte andererseits miteinander.

Frage : Herr Schäfer, noch eine Frage zu Debalzewe: In diesem Maßnahmenkatalog ist hier die Rede von zwei Frontlinien, zum einen der faktischen Linie und zum anderen der Linie, die am 19. September gezogen wurde. Ich gehe davon aus, dass auf dem Tisch eine Karte lag, auf der diese zwei Linien irgendwie gezogen oder markiert wurden. Können Sie uns sagen, ob es diese Karte überhaupt gibt? Ist die "top secret"? Zu welcher Zone gehört denn auf dieser Karte Debalzewe oder das Gebiet rund um Debalzewe?

Schäfer: Der Frontverlauf in der Zeit der ersten Septemberhälfte ist in der Tat Gegenstand dieses Maßnahmenpakets, das die Kontaktgruppe vereinbart hat. Die Daten, die dafür erforderlich sind, sind allen Seiten bekannt und im Grunde auch unstreitig. Allerdings handelt es sich bei dieser "touchline" oder wie immer Sie das nennen nicht um ein sozusagen öffentlich zugängliches Dokument. Das ist sozusagen der erste Teil.

Der zweite Teil: Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich die Parteien in Minsk getroffen haben, haben sie sich, wie Sie ja wissen, auf einen Waffenstillstand geeinigt, der 60 Stunden in der Zukunft lag, nämlich ab dem Zeitpunkt "Samstagnacht um Mitternacht ukrainischer Zeit", sodass zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Vereinbarung getroffen worden ist - eben über einen Waffenstillstand, der in der Zukunft stattfinden sollte -, der genaue Verlauf der Frontlinie mangels eines Waffenstillstands natürlich überhaupt nicht festgelegt werden konnte. Insofern haben Sie es mit einer Linie zu tun, über die ich Ihnen hier jetzt nicht öffentlich Rechenschaft ablegen kann. Die ist nicht öffentlich. Eine andere Linie ist die, wie sie sich dann zu dem Zeitpunkt "Mitternacht von Samstag auf Sonntag" tatsächlich als Ergebnis der militärischen Auseinandersetzungen dargestellt hat. Da gibt es in der Tat Unterschiede.

Diese beiden Unterschiede finden in dem Maßnahmenpaket in doppelter Hinsicht Erwähnung, zum einen mit Bezug auf den Rückzug schwerer Waffen. Diesbezüglich ist nämlich vereinbart worden, dass sich die ukrainischen Sicherheitskräfte einerseits und die Rebellenkräfte andererseits von unterschiedlichen Linien zurückziehen. Das ist im Ergebnis eine Lösung, die einer möglichen Waffenruhe sogar noch besser dienlich sein kann als die bisherige Lösung, weil auf diese Art und Weise die Pufferzone breiter werden würde, als sie es nach den Vereinbarungen von Minsk gewesen wäre. Zum anderen findet die tatsächliche Demarkationslinie, nämlich die von September, in einem anderen Punkt dieses Maßnahmenpakets Berücksichtigung, nämlich in demjenigen Punkt, bei dem es um die Frage geht, in welchem Territorium womöglich auf der Grundlage eines Sondergesetzes der Ukraine die Lokalwahlen stattfinden können, mit denen das Ziel angestrebt wird, dass sozusagen unter dem Dach der ukrainischen Souveränität Legitimation für gewählte Vertreter in den zur Zeit von der Separatisten beherrschten Gebieten wiederhergestellt werden soll.

Frage: Herr Schäfer, habe ich Sie richtig verstanden, dass die Demarkationslinie aus dem September also eine Rolle bei den Gebieten spielt, die dann irgendwann einmal auch diesen autonomen Status erhalten sollen?

Schäfer: Ja, genau. Das ist der Punkt 4, Absatz 2, in dem Maßnahmenpaket zur Anwendung der Minsker Vereinbarungen vom September. Das können Sie dort nachlesen.

Frage: Eine Frage an das Verkehrsministerium: Heute wird berichtet, ein Nachfolger von Herrn Mehdorn solle am Freitag gefunden werden. Dazu habe ich die Frage: Gibt es eine Verständigung der drei Gesellschafter - also des Bundes, Berlins und Brandenburgs - auf eine Person, sodass diese Entscheidung getroffen werden kann? Welche Anforderungen müsste ein solcher Kandidat aus Sicht des Bundes erfüllen?

Strater: Zu Ihrer ersten Frage: Es gibt bisher keine Verständigung auf eine Personalie. Ob es am Freitag eine Einigung geben wird, ist offen. Der Minister hat am Wochenende ja auch noch einmal deutlich gemacht, dass es keinen Zeitdruck gibt. Herr Mehdorn hat angeboten, bis Mitte des Jahres im Amt zu sein. Insofern ist Zeitdruck aus Sicht des Bundes nicht vorhanden.

Ich möchte hier jetzt aber keine Jobbeschreibung abgeben. Sie können sich doch selbst denken, dass das ein schwieriges Großprojekt ist, bei dem noch viel zu tun ist. Wir müssen auf eine Inbetriebnahme hinarbeiten. Das müssen alle gemeinsam machen. Derjenige, der da an der Spitze steht, hat große Herausforderungen vor sich. Dazu, was er nun im Einzelnen erfüllen muss, mag ich mich hier aber nicht äußern.

Zusatzfrage: Aber das Flughafenmanagement sollte aus Ihrer Sicht vielleicht dazu gehören, oder nicht?

Strater: Sie kennen ja die Situation in Berlin: Wir haben hier Flugverkehr, und der muss natürlich auch abgewickelt werden.

Schäfer: Bevor ich eine Reiseankündigung mache, möchte ich nur noch einen Satz im Hinblick auf eine Presseerklärung sagen, die wir bereits gestern Abend herausgegeben haben:

Herr Steinmeier wird sich heute Nachmittag um 15 Uhr mit vielen - eigentlich den wesentlichen - humanitären Hilfsorganisationen im Auswärtigen Amt treffen. Die hat er mit dem Ziel eingeladen, die angesichts der fortgesetzten Kampfhandlungen nicht nur in Debalzewe schwierige humanitäre Lage in der Ukraine noch einmal mit deutschen und internationalen Hilfsorganisationen zu besprechen. Ziel des Gesprächs ist es, zu schauen, wie man auch angesichts einer schwierigen Sicherheitslage den mehreren Millionen schwer gebeutelter, geschundener Menschen im Donbass, um die sich jedenfalls die Separatistenführer nicht vernünftig kümmern - die führen Krieg, aber sie kümmern sich nicht um ihre Leute -, auf eine effiziente, nützliche und vernünftige Art und Weise Hilfe zukommen lassen kann, ohne dabei die wirklich gefährliche Sicherheitslage außer Acht zu lassen. Aus diesem Anlass wird Herr Steinmeier dann auch für diejenigen, die das interessiert, noch einmal ein öffentliches Statement zur aktuellen Lage abgeben.

Jetzt komme ich zur eigentlichen Reiseankündigung: In der Tat, auch wenn die Krisendiplomatie in Sachen Ukraine den Außenminister in den nächsten Tagen sehr stark in Anspruch nehmen wird, geht gleichwohl das sozusagen gewöhnliche diplomatische Geschäft weiter. Herr Steinmeier beabsichtigt deshalb, heute am späten Abend - eigentlich über Nacht - zu einer Reise nach Afrika aufzubrechen. Er wird drei Länder besuchen; so ist es jedenfalls geplant. Wir hoffen, dass die aktuelle Krise in der Ukraine ihm dabei nicht einen Strich durch die Rechnung machen wird.

Es wird zunächst in den Kongo, in die Hauptstadt Kinshasa, und dann nach Goma im Ostkongo gehen. Er wird dann auf dem Weg nach Norden Station in Ruanda machen und plant, auch Kenia einen Besuch abzustatten. Dabei ist natürlich jederzeit sichergestellt, dass der Außenminister auch im Hinblick auf die aktuelle Lage in der Ukraine handlungsfähig ist. Das Programm ist entsprechend so gestrickt, dass er jederzeit und regelmäßig unterrichtet werden kann und vor allen Dingen auch seine Gespräche telefonisch fortsetzen wird.

Er wird von einer sehr großen Delegation aus Vertretern der deutschen Wirtschaft und der deutschen Kulturlandschaft begleitet werden. Das drückt einfach noch einmal aus, dass unser Nachbarkontinent Afrika für uns sozusagen ein Gesprächspartner ist, mit dem wir einen möglichst breit angelegten Dialog führen wollen. In allen drei Ländern, die der Außenminister besuchen wird, gibt es eine Menge wirtschaftlicher Chancen, von denen wir uns wünschen, dass die deutsche Wirtschaft sie ergreift. Gleichzeitig gibt es aber auch den Wunsch und die Bereitschaft, den gesellschaftlichen, zwischengesellschaftlichen und kulturellen Austausch mit diesen Ländern zu intensivieren.

Ich will gar nicht im Detail ausführen, um was es an den verschiedenen Stationen gehen wird. Es gibt eine relativ große Journalistendelegation, die ebenfalls dabei sein wird. Das war es.

Frage: Herr Schäfer, ich weiß nicht genau, ob ich es überhört habe oder ob Sie es nicht gesagt haben: Wann wird das öffentliche Statement von Herrn Steinmeier - - -

Schäfer: 15 Uhr!

Frage: Ich wollte das Finanzministerium nach dem aktuellen Stand der Informationen fragen: Haben Sie inzwischen Post aus Athen bekommen beziehungsweise etwas Beleihbares in der Hand?

Gibt es im Moment so etwas wie ein Sondertreffen, dass der österreichische Finanzminister gestern, glaube ich, für allzeit möglich erachtet hat?

Dann brauche ich noch eine Interpretationshilfe: Wenn der Minister gestern in Brüssel davon sprach, dass am Freitag, 24 Uhr, "over" ist, können Sie mir erklären, für wen das gilt und was er damit konkret gemeint hat?

Jäger: Ich fange mit dem letzten Punkt an: Der Minister hat noch einmal darauf hingewiesen, dass am 28. Februar - wir haben nämlich in diesem Jahr kein Schaltjahr - um Mitternacht der Monat Februar enden wird und damit auch das laufende Hilfsprogramm für Griechenland, sofern bis dahin nicht ein Antrag auf Verlängerung seitens Griechenlands gestellt worden ist und dieser Antrag Zustimmung in der Eurogruppe gefunden hat. Das ist der eine Punkt.

Dann haben Sie gefragt, ob wir heute Post bekommen haben: Nein. Ich bin extra, bevor ich hier herkam, noch einmal am Briefkasten vorbeigegangen, und da war noch nichts drin. Das erwarten wir auch nicht. - Spaß beiseite: Die griechische Regierung hat angekündigt, dass sie beabsichtigt, einen solchen Antrag zu stellen. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Der entsprechende Brief würde aber nicht bei uns eingehen, sondern bei Herrn Dijsselbloem, dem Vorsitzenden der Eurogruppe.

Zusatzfrage: Ist im Moment schon irgendetwas in Sachen Sondertreffen absehbar?

Jäger: Es besteht natürlich immer die Möglichkeit, dass es zu einem Sondertreffen der Eurogruppe kommt. Die Minister sind stets handlungsfähig. Es gibt aber noch keine Einladung des Vorsitzenden zu einem solchen Sondertreffen.

Frage: Herr Jäger, ist eigentlich der Bundesfinanzminister in seiner Entscheidung frei - jenseits der Festlegung durch den Bundestag -, mögliche zusätzliche Hilfsleistungen für Griechenland zu genehmigen, oder müsste er den Bundestag um ein Votum bitten, ehe er sich festlegt?

Jäger: Wir reden hier im Augenblick von einer möglichen Verlängerung des existierenden Programms. Eine solche Verlängerung wäre aus unserer Sicht notwendigerweise dem Bundestag vorzulegen und muss die Zustimmung des Bundestages finden. Ohne diese Zustimmung könnte der Bundesfinanzminister in der Eurogruppe kein deutsches Placet für eine solche Verlängerung geben.

Zusatzfrage: Deswegen verstehe ich Ihren Hinweis auf den 28. Februar nicht. Jede Veränderung des Programms kann erst Gültigkeit haben, wenn der Bundestag entschieden hat, also ist am 28. over und vorbei, wenn auch nur ein Komma am Hilfsprogramm geändert wird, verstehe ich das richtig?

Jäger: Nein, das Programm ist terminiert bis Ende Februar und würde dann automatisch auslaufen, wenn es bis dahin nicht verlängert wird. Das heißt, wenn jetzt niemand einen Antrag stellt, wenn keine Beschlüsse in Brüssel gefasst würden, dann wäre das Programm Ende Februar zu Ende, und alle damit verbundenen Leistungen könnten nicht realisiert werden. Alles, was dann noch ausstünde, würde dann also sozusagen verfallen. Eine technische Verlängerung des Programmes wäre aus unserer Sicht dennoch eine wesentliche Änderung. Das wiederum bedarf, bevor wir in der Eurogruppe seitens der Bundesregierung zustimmen, der Zustimmung des Bundestages.

Frage: Herr Jäger, es gibt seit gestern einen neuen Vorschlag - ich meine, das wird heute publik gemacht -, den Herr Schäuble gestern in einem Interview mit dem ZDF schon abgelehnt hat - ohne ihn zu lesen. War das ein bisschen zu früh?

Jäger: Nein, nein, da müssen wir die Dinge jetzt schon in der richtigen Reihenfolge sehen. Herr Schäuble hat den Vorschlag nicht kommentieren können, denn er liegt ja noch nicht vor. Wir wissen nicht, wie der Antrag auf Verlängerung seitens der griechischen Regierung aussieht, wenn er denn gestellt wird. Worauf der Bundesfinanzminister gestern Abend noch einmal hingewiesen hat, ist, dass es nach Beschlusslage der Eurogruppe sehr klare Anforderungen an einen solchen griechischen Antrag gibt. Die Eurogruppe hat sich am Montag darauf verständigt, dass Griechenland erstens einen solchen Antrag stellen muss, wenn es eine Verlängerung des laufenden Programms wünscht, und hat klargestellt, dass ein solcher Verlängerungsantrag bestimmten Kriterien genügen muss. Diese fünf Kriterien hat Herr Dijsselbloem in der Pressekonferenz am Montag in Brüssel vorgestellt. Diese Bedingungen gelten. Sollte ein Antrag aus Athen eintreffen, wird das technisch so laufen, dass sich zunächst die Troika oder die Institutionen - die EZB, der IWF und die Europäische Kommission - diesen Antrag anschauen und dann eine Einschätzung abgeben den fünf Kriterien, die am Montag aufgestellt worden sind, genügt.

Frage : Herr Jäger, wäre denn die Bundesregierung bereit, über diese Bedingungen noch einmal zu reden, also vielleicht das eine oder andere noch abzuändern, oder sind diese Bedingungen sozusagen für alle Ewigkeit in Eisen gegossen?

Jäger: Nein, dann hätten wir uns ja nicht auf diese Bedingungen einigen müssen. Es ist am Montag eine klare Übereinkunft von 18 Mitgliedern der Eurogruppe gewesen, diese Kriterien so, wie sie stehen, zu formulieren. Das ist der Maßstab, an dem ein griechischer Antrag gemessen wird. Davon gibt es überhaupt nichts zurückzunehmen.

Frage: Offensichtlich geht es in der Debatte ja auch darum, ob es eine Kreditvereinbarung oder ein Hilfsprogramm sein soll. Wenn man jetzt eine Verlängerung beantragt, kann man dann - juristisch gesehen - überhaupt nur diese Kreditvereinbarung des Programms akzeptieren, oder wird man automatisch dazu verpflichtet, auch die Auflagen mit zu erfüllen?

Jäger: Es gibt hier juristisch einen ganz klaren, nicht auflösbaren Zusammenhang zwischen einer Verlängerung der Fazilität und dem MoU, dem Memorandum. Im Memorandum ist die Konditionalität ausbuchstabiert, und das gilt notwendigerweise. Das heißt, es kann nicht sein - und es wird nicht sein -, dass man hier in irgendeiner Weise eine Verlängerung in Angriff nimmt, ohne die zugesagten Reformmaßnahmen einzulösen. Beides ist untrennbar verbunden.

Frage: Die unterschiedlichen Standpunkte sind offensichtlich nicht vereinbar. Wäre es nicht ratsam, eine Schiedskommission einzurichten - zum Beispiel unter Beteiligung von Paul Krugman oder Peter Bofinger -, sodass man zu einem Kompromiss kommen kann?

Jäger: Ich glaube, das wäre einigermaßen komisch, das kann überhaupt kein Thema sein; ich nehme das jetzt als einen Hinweis, den ich nicht weiter kommentieren will. Wir haben die Eurogruppe. Wir haben es bisher noch immer geschafft, uns in der Eurogruppe zu einigen. Das ist das Gremium, in dem diskutiert und in dem auch entschieden wird, und nirgendwo sonst.

Frage: Herr Jäger, droht denn nach Ihrer Einschätzung Griechenland die Zahlungsunfähigkeit, wenn dieses Programm nicht verlängert wird, oder käme das Land dann mit ein paar Tricks, EZB-Geldern usw. auch erst einmal weiter über die Runden?

Jäger: Das ist eine Frage, die Sie an die griechische Regierung in Athen richten müssen.

Zusatzfrage: Ich habe ja nach Ihrer Einschätzung gefragt. Sie beobachten ja auch, was in der Welt passiert, und äußern sich auch zu Vielem. Ist das eine reale Gefahr oder besteht diese Gefahr nicht? Denn das hätte ja auch Folgen für Deutschland, wenn der Fall eintreten würde.

Jäger: Ich habe dazu keine Einschätzung.

Frage: Herr Jäger, sind eigentlich Herr Schäuble und der griechische Finanzminister inzwischen beim "Du" angelangt, weil sie sich so inniglich auseinandergesetzt haben, oder legt Herr Schäuble Wert auf das distanzierte "Sie"?

Jäger: Nein, es ist so, dass alle Finanzminister im Rat sich duzen. Das gilt auch für Herrn Schäuble und Herrn Varoufakis.

Zusatzfrage: Da Sie das jetzt bestätigt haben: Hat Herr Schäuble - er ist ja der Ältere - dem Griechen das "Du" angeboten, oder sagt man, wenn man da reingeht, automatisch "Du"?

Jäger: Nein, es ist tatsächlich so, dass entsprechend den Gepflogenheiten in der Eurogruppe und im Ecofin Herr Schäuble beim Gespräch in Berlin Herrn Varoufakis angeboten hat, sich auf Basis der Vornamen anzusprechen.

Frage: Herr Seibert, kann Deutschland oder kann Europa insgesamt es sich leisten, Griechenland geopolitisch zu verlieren?

StS Seibert: Ich vermute jetzt einmal, was Sie mit dieser Frage meinen. Meine Antwort ist: Die Frage stellt sich doch gar nicht. Es gibt jetzt ein ganz klares Verfahren, das eingehalten werden sollte, das der Chef der Eurogruppe, Herr Dijsselbloem, nach der letzten Sitzung der Eurogruppe klar skizziert hat. Da ist nun Einigung herzustellen - hoffentlich wird es gelingen - über einen Antrag auf Verlängerung des auslaufenden Hilfsprogramms. Weitere Fragen stellen sich jetzt gar nicht. Insofern müssten Sie schon genauer erklären, was Sie damit meinen.

Zusatzfrage: Ich meine damit, dass ein "Grexit" Griechenland zum Beispiel geopolitisch in eine total andere Welt führen kann.

StS Seibert: Ich wiederhole hier gerne noch einmal: Das Ziel der Bundesregierung war seit Beginn der Krise, die Eurozone insgesamt zu stärken und zu stabilisieren und auf einen nachhaltigen Pfad zu bringen. Das beinhaltet natürlich auch das Eurozonenmitglied Griechenland.

Frage: Ich habe noch eine Frage zum Ablauf der Bekanntgabe dieses Antrages und seines Inhalts sowie der Form, also was es dann eigentlich ist: Der Antrag - wenn er denn kommt - geht also nach Brüssel beziehungsweise an den Eurogruppenvorsitzenden, Herrn Dijsselbloem, und wird dann verteilt an die Mitgliedsländer, sodass die auch einmal draufgucken können, und Sie würden sich danach dann dazu äußern, oder wie müssen wir uns das vorstellen?

Jäger: Nein, es ist am Montag in der Eurogruppe verabredet worden, dass, wenn ein solcher Antrag aus Athen eintrifft, er zunächst von den drei Institutionen begutachtet, eingeschätzt und bewertet wird und sich auf dieser Basis dann die Mitglieder der Eurogruppe austauschen werden.

Zusatzfrage: Und erst danach lernen Sie den Antrag kennen? Das glaube ich nicht.

Jäger: Der Antrag ist nicht da - mag sein, dass wir ihn vorher bekommen, aber wir werden uns dazu sicherlich nicht vorher äußern. Vielmehr werden alle so, wie verabredet, am Montag zunächst einmal abwarten, was die Einschätzung der drei genannten Institutionen sein wird.

Frage: Herr Jäger, Sie sagten, dass es bei den Konditionalitäten einen gewissen Spielraum gebe. Können Sie diesen Spielraum angeben? Geht es zum Beispiel um das Arbeitsrecht, das in den letzten Jahren ziemlich geändert worden ist, geht es um den Sozialstaat, der durch das Memorandum ebenfalls ziemlich ramponiert worden ist? Können Sie ungefähr angeben, worüber man eine Einigung erzielen könnte?

Jäger: Der Vorsitzende der Eurogruppe hat darauf hingewiesen, dass es im Rahmen des bestehenden Hilfsprogramms gewisse Flexibilitäten gibt. Die gab es übrigens auch schon in der Vergangenheit; das ist ja nicht das erste Mal, dass eine solche Diskussion geführt wird. Es macht jetzt aber wenig Sinn, da auf einzelne Maßnahmen Bezug zu nehmen. Ich muss nur noch einmal in aller Deutlichkeit festhalten: Voraussetzung ist, dass ein Antrag auf Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms gestellt wird, und in diesem Rahmen, innerhalb des Hilfsprogramms, lässt sich dann über solche Dinge reden.

Ich möchte einmal in Erinnerung rufen, was die Kriterien waren, die Herr Dijsselbloem am Montag im Namen der 18 Mitglieder der Eurogruppe genannt hat:

Das erste Kriterium war, dass die Eurogruppe von Athen erwartet, dass bereits beschlossene Reformen nicht zurückgedreht werden, dass es also kein sogenanntes Roll-back gibt.

Es ist als zweites Kriterium auch sehr deutlich gesagt worden, dass neue Maßnahmen in Absprache mit den drei Institutionen haushaltsneutral umgesetzt werden müssen. Es sind jetzt für Samstag in Athen Abstimmungen zu Maßnahmen im Parlament angesetzt; das ist sicherlich auch im Kontext dieses zweiten Kriteriums zu sehen.

Um die Liste noch zu komplettieren: Herr Dijsselbloem hat außerdem darauf hingewiesen, dass sich Griechenland - drittes Kriterium - selbstverständlich auch künftig verpflichten muss, seine Kredite zurückzuzahlen, und zwar an alle Gläubiger.

Es ist viertens noch einmal unterstrichen worden, dass Griechenland auch in der Zukunft mit den drei Institutionen zusammenarbeiten wird.

Der fünfte Punkt ist ebenfalls ein sehr wichtiger: Es ist noch einmal klargemacht worden, dass eine Verlängerung von der Eurogruppe nur mitgetragen wird mit dem Ziel, das Programm erfolgreich abzuschließen. Eine Verlängerung, die allein dem Zwecke dienen würde, eine Art Brücke zu bauen oder einen Schirm aufzuspannen, nur um eine Zeit zu überbrücken, ist für die Eurogruppe nicht akzeptabel. Wir sind bereit, auf griechischen Antrag über eine Verlängerung zu reden, aber nur, wenn dies seitens Griechenlands klar beinhaltet, dass man beabsichtigt, dieses Programm erfolgreich abzuschließen.

Frage: An das Justiz- beziehungsweise an das Innenressort: Wenn die Verfahren für Asylsuchende aus dem Kosovo jetzt deutlich verkürzt werden und man davon ausgeht, dass weiterhin über 99 Prozent als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, bleibt ja doch die Möglichkeit für jeden Betroffenen, Rechtsmittel einzulegen. Sind auch Maßnahmen geplant, um diese juristischen Verfahren, die ja häufig sehr lange dauern, ebenfalls zu verkürzen, damit die Leute tatsächlich wieder das Land verlassen?

Eine Frage zu den Zahlen: Wie viele Asylsuchende haben bereits Anträge gestellt und wie viele Kosovaren sind zurzeit in Deutschland?

Dimroth: Zum ersten Teil Ihrer Frage darf ich zunächst für das BMI antworten. Ich hatte hier ja schon Gelegenheit - vor allem am vergangenen Freitag -, recht weit zu den Maßnahmen auszuführen, die ergriffenen worden respektive geplant sind, um dem Massenzustrom aus dem Kosovo passgenaue Antworten entgegenzusetzen. Ich hatte in diesem Rahmen auch auf die Frage von gesetzlichen Veränderungen Bezug genommen.

Ganz konkret zu Ihrer Frage: Die Dauer der Verwaltungsverfahren obliegt natürlich nicht der Hoheit des Innenministeriums, insofern können und werden wir darauf keinen Einfluss nehmen. Die Dauer der Verwaltungsverfahren liegt in der Hoheit der Justiz, das ist gut und richtig so. Insofern gibt es hier keine Maßnahmen, die auf die Verfahrensdauer bei den Verwaltungsgerichten zielen.

Zu den Zahlen: Wenn Sie die tagesaktuellen Zahlen haben möchten - ich habe sie jetzt nicht dabei, das ist ein sehr dynamischer Prozess -, dann kann ich die gerne nachliefern; das kann ich gerne zusagen. Es ist so - das kann ich hier vielleicht sagen -, dass wir im Trend einen geringfügigen Rückgang feststellen. Das sage ich so vorsichtig, weil das natürlich, wie ich bereits erwähnt habe, ein sehr dynamischer Prozess ist. Wir erkennen, dass viele Maßnahmen greifen. Wir erkennen, dass Maßnahmen auch der kosovarischen Regierung vor Ort greifen. Die 20 Bundespolizisten sind im Einsatz an der serbisch-ungarischen Grenze und unterstützen dort die Grenzsicherung. Die Verfahrensverkürzung wird ab heute greifen, das heißt, Anträge, die ab heute gestellt werden, werden innerhalb von 14 Tagen entschieden. Wir sind also ein gutes Stück weiter und erkennen, dass der Trend leicht rückläufig ist. Es ist aber ein Trend, insofern wäre ich - jedenfalls heute - noch sehr vorsichtig mit Erfolgsmeldungen. Aber immerhin sind wir sehr froh, dass die Maßnahmen jetzt alle umgesetzt werden konnten und wir diesen Trend erkennen.

Zusatzfrage: Bei den Zahlen irritiert mich so, dass im Januar 3.630 Asylanträge gestellt wurden und dann immer gesagt wird, zwischen Januar und dem 12. Februar wären 18.000 Asylsuchende nach Deutschland gekommen. Das funktioniert für mich nicht so richtig.

Dimroth: Nein, das funktioniert auch nicht so, weil die Zahlen so auch nicht sind. 18.000 ist die Zahl derjenigen, die vor vergangenem Freitag insgesamt aus dem Kosovo mit der Absicht nach Deutschland gekommen sind, einen Asylantrag zu stellen. Ich gebe zu, das ist eine etwas feinsinnige Unterscheidung, die aber mit dem bestehenden System zu erklären ist. Das funktioniert so: Ein Mensch betritt deutschen Boden und begehrt Asyl. Dann wird ein Verteilungsprozess nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel in Gang gesetzt, nämlich um die Frage zu klären: Wo in Deutschland wird er in eine Erstaufnahmeeinrichtung kommen, um sein Asylverfahren zu durchlaufen? Erst, wenn er dort angekommen ist, stellt er einen formalen Asylantrag. Wenn das geschieht, ist er offiziell in der Statistik als ein Mensch, der in Deutschland einen Asylantrag gestellt hat. Das sind die Zahlen, die Sie von uns kennen und regelmäßig bekommen.

Die Zahlen aus der Erstaufnahme in das System, das sogenannte ISI-System, sind für die Öffentlichkeit normalerweise nicht besonders relevant, weil sie denen der tatsächlichen Antragsteller bei weniger dynamischen Entwicklungen weitestgehend entsprechend. Wenn aber der Zustrom aus einer bestimmten Richtung so stark zunimmt, wie wir das jetzt gerade aus dem Kosovo beobachten konnten, dann divergieren diese Zahlen; denn es bedarf eben einer gewissen Zeit zwischen erstmaligem Betreten und Inkontakttreten mit deutschen Behörden auf deutschem Boden bis zum Ankommen in der zuständigen Erstaufnahmeeinrichtung und dem Stellen des förmliches Asylantrages. So ist also diese Differenz bei den ISI-Zahlen - die wir normalerweise nicht veröffentlichen, weil, wie gesagt, die Differenz normalerweise nicht bemerkenswert ist - zu erklären. In einem Fall einer solch dynamischen Entwicklung ist die Differenz bemerkenswert, und wir haben diese Zahlen verwendet, um darauf hinzuweisen, dass die offiziellen Statistikzahlen für den Februar und die Folgemonate - prognostisch jedenfalls - sehr viel höher liegen werden als noch für den Januar. Um da von vornherein ein klares Bild in der Öffentlichkeit entstehen zu lassen, haben wir diese vorläufigen Zahlen verwendet, die sich so erklären, wie ich es gerade jedenfalls zu erklären versucht habe.

Frage: Sie sagten, dass Sie seitens des Innenministeriums aufgrund der Rechtslage keinen Einfluss auf das Verwaltungsverfahren hätten. Aber Sie haben doch bestimmt Kenntnisse über die durchschnittliche Dauer dieser Verwaltungsverfahren?

Dimroth: In Bezug auf das Phänomen, was wir hier gerade besprechen, wird es solche Erfahrungen kaum geben können, denn die Menschen sind ja nun gerade erst einmal nach Deutschland gekommen. Was die grundsätzliche Frage anbetrifft, werde ich gerne nachfragen. Für die vergangenen Jahre jedenfalls gehe ich davon aus, dass es entsprechende Zahlen und Erfahrungen gibt. Nur sind diese - deswegen haben ich jetzt diesen Vorsatz gemacht - für die aktuelle Situation nicht besonders relevant, weil natürlich auch die Frage der Verfahrensdauer je nach Herkunftsstaat sehr stark divergieren kann.

Es ist ja nicht erst seit dem Phänomen Kosovo so, dass das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge priorisiert und clustert; vielmehr ist bereits im vergangenen Jahr der Versucht unternommen worden, in beiden Fällen, also in Fällen, in denen man von einem besonders unsichtbaren Herkunftsland ausgehen darf - ich nenne das Beispiel Syrien -, ebenso wie in Fällen, in denen man von einem sicheren, insbesondere von einem vom Gesetzgeber als sicher eingestuften Herkunftsland ausgehen darf, zu priorisieren, zu clustern und die Verfahren zu beschleunigen.

Insofern werden diese Zahlen ein allgemeines Gefühl dafür geben können, wie lange verwaltungsgerichtliche Verfahren in diesem Themenspektrum dauern; für das Phänomen, über das wir heute sprechen, werden sie aber nur bedingt weiterhelfen.

Frage: An das Verkehrsministerium: Herr Minister Dobrindt hat ja im Zusammenhang mit dem Tarifkonflikt bei der Bahn immer wieder gemahnt, in puncto Streikrecht das Maß zu wahren. Was ist denn jetzt die Einschätzung, nachdem die Lokführergewerkschaft vier Tage Streik angedroht oder angekündigt hat?

Strater: Ist das eine aktuelle Meldung oder ist das jetzt nur auf die allgemeine Lage bezogen?

Zusatz: Das ist soweit vonseiten der GDL avisiert.

Strater: Die Spitzen der Tarifparteien treffen sich ja heute, ich kenne da also keine Ergebnisse und werde mich hier jetzt auch nicht ad hoc zu Bewertungen hinreißen lassen. Der Minister hat sich ja schon im vergangenen Jahr, als es schon einmal zu einem Lokführerstreik kam, auch bezüglich der hohen gesellschaftlichen Verantwortung, die diese Tarifparteien tragen geäußert. Das können Sie alles noch einmal nachlesen, das ist auch alles noch gültig. Ich möchte das hier jetzt aber nicht aktuell auf die derzeit laufenden Verhandlungen beziehen, weil ich die Lage dort im Moment nicht kenne.

Frage: Ich habe zwei Fragen an das Familienministerium. Herr Kempe, Ihr Ministerium warnt vor dem Jugendportal "YouNow". Können Sie noch einmal sagen, welche Gefahren Sie von dem Portal ausgehend sehen, wen Sie für besonders gefährdet halten?

Die zweite Frage: Sie warnen, Sie appellieren. Kann es dabei bleiben? Haben Sie eine Handhabe für mehr als eine Warnung?

Kempe: Vielen Dank für Ihre Frage. Die Bundesfamilienministerin nimmt dieses Thema sehr ernst. Kommunikationsplattformen wie "YouNow" sind hoch problematisch, weil sie Kinder und Jugendliche verleiten können, tiefe Einblicke in ihre Privatsphäre zuzulassen. Die personenbezogenen Daten lassen eine eindeutige Identifizierung zu und erleichtern so Mobbing durch Gleichaltrige und sexuelle Belästigung durch Erwachsene. Vielen Jugendlichen sind diese Gefahren nicht bekannt.

Zu Ihrer zweiten Frage kann ich Ihnen sagen: Wir arbeiten zurzeit an Lösungen, um Jugendliche besser vor den Gefahren zu schützen. Wir loten aus, welche Möglichkeiten es da gibt. Sie wissen aber, dass das Internet ein besonders schwieriges Terrain ist, was das betrifft. Insofern muss ich Sie da noch um Geduld bitten.

Frage: Die Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Frau Künast, hat die Bundesregierung dafür kritisiert, dass sie sich nicht mit genug Nachdruck dafür einsetzt, von der amerikanischen Regierung den kompletten CIA-Folterbericht zu bekommen. Es gab offenbar eine etwas schmallippige Reaktion vonseiten des Bundesjustizministeriums, die besagt, dass man sich zu gegebener Zeit dafür einsetzen wolle. Was heißt das denn jetzt konkret? Wird jetzt der Druck auf die Amerikaner erhöht, dass der Bundestag tatsächlich die 5.000 oder 6.000 Seiten komplett bekommt?

Zimmermann: Ich kann Ihnen hier an dieser Stelle nichts Weiteres dazu sagen. Es liegt beim Generalbundesanwalt ein Prüfverfahren in dieser Sache vor. Die Antwort aus unserem Haus - das ist richtig - hat klargestellt, dass derzeit keine Möglichkeit gesehen wird, dass die Amerikaner den kompletten ungeschwärzten Bericht herausgeben. Wie auch aus der Antwort hervorgeht, wird zu gegebener Zeit zu erwägen sein, welche Folgen sich aus dieser eindeutigen Haltung der US-amerikanischen Regierung ergeben werden. Ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nichts Weiteres dazu sagen.

Frage: Eine Frage an Herrn Seibert und vielleicht auch an das Innenministerium. Die Bundeskanzlerin hat am Montag versprochen, dass die Bundesregierung und auch die Landesregierungen alles dafür tun werden, dass die Sicherheit jüdischer Einrichtungen und jüdischer Bürger in Deutschland gewährleistet ist. Was heißt denn das eigentlich in der Praxis?

StS Seibert: Was die Praxis von Sicherheitsmaßnahmen angeht, müsste ich natürlich die Kollegen des Innenministeriums hinzuziehen. Das wird auch in häufigen Fällen Ländersache sein.

Es war jedenfalls erneut das ganz klare Bekenntnis der Bundeskanzlerin, der gesamten Bundesregierung dazu, dass in Deutschland kein Platz für Extremismus, für Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus ist. Es war das ganz klare Bekenntnis dazu - ich kann es nur noch einmal wiederholen -, dass wir sehr froh darüber sind, dass weit mehr als 100.000 jüdische Mitbürger hier in Deutschland wieder sind, dass jüdisches Leben in vielen jüdischen Gemeinden blüht und dass wir das besonders vor dem Hintergrund unserer Geschichte als eine wunderbare Bereicherung, auch als ein Geschenk für Deutschland betrachten und dass wir alles dazu tun werden, dass in der Gesellschaft - ich glaube, dass das von den allermeisten Menschen auch geteilt wird - eine ganz klare Verurteilung von jeder Form von Antisemitismus herrscht. Das ist das politische Bekenntnis, das sich dann auch in vielerlei staatlichen Maßnahmen niederschlägt.

Dimroth: Ganz konkret heißt das, dass - darauf möchte ich hinweisen - unabhängig und auch vor Paris und Kopenhagen die Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern hochsensibel sind, was dieses Thema angeht und in einem sehr engen und kontinuierlichen Austausch stehen, was Gefährdungsbewertungen betrifft.

Herr Seibert hatte richtigerweise darauf hingewiesen, dass, was den Schutz von jüdischen Einrichtungen, Objekten etc. betrifft, die konkreten Maßnahmen in der Verantwortung der Länder liegen. Es gibt aber, wie gesagt, einen regen und kontinuierlichen Austausch zwischen den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zu diesem Thema. Dieser Austausch findet natürlich auch vor dem Hintergrund, den wir jetzt erleben mussten, weiterhin statt. Noch einmal: Er findet aber kontinuierlich statt und findet auch im Gespräch mit den Vertretern der jüdischen Glaubensgemeinschaften hier in Deutschland statt.

Ein solches Gespräch wird beispielsweise am nächsten Dienstag im Bundesinnenministerium stattfinden. Der Präsident des Zentralrats der Juden wird beim Bundesinnenminister zu Gast sein. Es ist ein schon länger verabredetes Gespräch, das aber sicher auch dazu genutzt wird, um das Thema Sicherheit anzusprechen.

Zusatzfrage : Haben Sie denn das Gefühl, dass die jüdischen Gemeinden glauben, dass das ausreicht? Es gab am Montag ein Interview mit dem Schriftsteller Rafael Seligmann im Deutschlandfunk, der ziemlich deutlich gesagt hat, dass die Juden in Europa in Angst und Schrecken leben, weil einfach nichts oder fast nichts zu ihrem Schutz getan wird. Offensichtlich kommt das Schutzversprechen bei den Betroffenen nicht wirklich an.

Dimroth: Diesen Eindruck, den Sie oder derjenige, den Sie gerade zitieren, gewonnen hat, kann ich nicht teilen. Nach dem, was wir hören - auch aus den Gesprächen mit den Vertretern der jüdischen Glaubensgemeinschaften -, kennen wir diese Beschwerden nicht. Selbstverständlich ist es so, dass uns die Entwicklungen, die wir alle gegenwärtigen, alle besorgen. Da geht es insbesondere um den Schutz jüdischer Einrichtungen und hier lebender Gläubige. Es geht dabei natürlich auch um viele andere Fragen, die uns sehr besorgen, die wir sehr ernst nehmen und auch eine Reihe von Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden, zur Folge hatten. Insofern kann ich eine Grundsorge selbstverständlich nachvollziehen. Ich kann nicht bestätigen, dass wir aus den Gesprächen mit den Vertretern jüdischer Glaubensgemeinschaften ein besonders pointiertes Defizit in Bezug auf die ergriffenen Maßnahmen erkennen können.

Frage: Dass der Austausch von Informationen und Maßnahmen über die Ländergrenzen hinausgeht, haben Sie dargelegt. Gibt es auch über Maßnahmen die Landesgrenze hinaus? Werden zum Beispiel konkret mit französischen zuständigen Stellen und Behörden Informationen und die Überlegungen in Bezug auf Maßnahmen ausgetauscht?

Dimroth: Da gilt das, was ich gerade gesagt habe, in einem anderen Rahmen. Selbstverständlich wird insoweit phänomenspezifisch, aber auch ganz allgemein zu dem Thema des islamistischen Terrorismus ein sehr reger Informationsaustausch gepflegt. Dieser umfasst selbstverständlich auch das von Ihnen angesprochene spezifische Phänomen von antisemitischen Übergriffen. Soweit Sie konkrete einzelne, personenbezogene Informationsflüsse oder -austausche ansprechen, finden auch diese selbstverständlich statt. Es gibt einschlägige Gesetze in den Polizeigesetzen von Bund und Ländern, unter welchen Voraussetzungen ein solcher personenbezogener Austausch stattfindet. Im Rahmen dieser gesetzlichen Übermittlungsbefugnisse findet auch dazu ein Austausch statt.

Frage: Ich wollte kurz aufgrund der Aktualität zum Thema Ukraine zurückkommen. Herr Seibert, ist es richtig, dass es heute Abend eine Telefonkonferenz der Bundeskanzlerin mit Herrn Hollande, Herrn Putin und Herrn Poroschenko gibt? Wenn ja, wer hat denn die Initiative für diese Telefonkonferenz ergriffen? Waren das die Bundeskanzlerin und Herr Hollande?

StS Seibert: Herr Heller, wir bleiben dabei, dass wir über Telefonate und Gespräche berichten, die stattgefunden haben und wenn sie stattgefunden haben, und ansonsten dazu keine Ankündigungen machen.

Frage : Ich habe eine Frage an das Verkehrsministerium zu diesem runden Tisch, der morgen mit Experten stattfinden soll, wo es unter anderem wohl um das Thema - ich nenne es einmal so; ich weiß, dass Sie mich gleich verbessern werden - "Idiotentest" und "Alkolocks" gehen soll. Können Sie einmal sagen, was bezüglich der beiden Themen genau die Vorschläge sind, die auf dem Tisch liegen?

Strater: Der sogenannte "Idiotentest" heißt in der Fachsprache medizinisch-psychologische Untersuchung. Da müssen Sie hin, wenn Sie zum Beispiel mit 1,6 Promille ein Kraftfahrzeug geführt haben und aus manchen anderen Gründen mehr.

Es sind zwei Komplexe. Zum einen wird die MPU überarbeitet, was auch so im Koalitionsvertrag steht. Der Reformprozess geht eine Weile zurück, zum Beispiel auf Vorschläge des Verkehrsgerichtstages. Wir haben dazu eine Projektgruppe eingerichtet, die jetzt Vorschläge vorgelegt hat und die auf dem Expertentreffen, das morgen bei uns im Haus stattfinden wird, vorgestellt werden. Sie haben darüber vielleicht schon einiges gelesen.

Es geht um die Ziele mehr Qualität, mehr Transparenz, mehr Akzeptanz. Das resultiert daraus, dass viele Betroffene sich in diesem bestehenden System nicht recht auskennen, Informationen nicht bekommen, die sie brauchen, und viele Dinge mehr. Dazu sind verschiedene Vorschläge gemacht worden: Wir wollen bessere Informationen für die Betroffenen; wir wollen ein klareres Regelwerk; wir wollen eine unabhängige Stelle zur Überprüfung der Verfahren; wir wollen eine amtliche Anerkennung von Fahreignungsberatern, einen einheitlichen Fragenkatalog, Obergutachter als Beschwerdestellen und die Klärung rechtlicher Fragen bezüglich möglicher Ton- oder Videoaufzeichnungen.

Das ist der Komplex MPU, der jetzt angepackt und in dieser Legislaturperiode auch umgesetzt werden soll.

Dann gibt es Vorschläge, die wir zum Thema "Alkohol-Interlocks" machen, also Alkoholwegfahrsperren für alkoholauffällige Kraftfahrer, die eben aus bestimmten Gründen zur MPU müssen, die ihren Führerschein wiederbekommen sollen, nachdem sie zuerst eine Alkolock-Maßnahme gemacht haben. Das ist also der Einbau von solchen Geräten, die Sie benutzen müssen, indem Sie hineinpusten und vorher startet das Fahrzeug nicht. Das ist eine Maßnahme, die wir vorschlagen, um einen Lerneffekt bei solchen Trunkenheitsfahrten zu erreichen. Wir wollen, dass diese Fahrer wieder verantwortungsvoll am Straßenverkehr teilnehmen und wollen dazu einen Modellversuch starten, der morgen mit den Experten besprochen werden und die weiteren Schritte einleiten soll.

Zusatzfrage: Wenn ich das richtig verstehe, ist die Runde morgen nicht öffentlich. Sind irgendwelche Statements des Ministers geplant?

Strater: Bisher nicht. Das liegt auch daran, dass der Minister an dieser Runde gar nicht teilnimmt. Es ist nämlich eine Expertenrunde, wo die Vorschläge des Ministers eingebracht werden und mit den verschiedenen Teilnehmern diskutiert werden. Ich kann Sie hier nennen: Verkehrssicherheitsverbände, Begutachtungsstellen, Verkehrspsychologen, Anbieter von solchen Geräten, Automobilindustrie, Automobilverbände, Datenschützer usw. Sie werden das fachlich diskutieren, und wir werden im Anschluss die weiteren Schritte gehen.

Frage: In welcher "Trunkenheitsmetropole" soll dieser Modellversuch denn stattfinden? In Bayern?

Strater: Ich glaube nicht, dass man das regional festmachen kann. Die Zielgruppe wird im Anschluss an die Fachveranstaltung festgelegt. Das steht noch nicht fest.

Mittwoch, 18. Februar 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. Februar 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/02/2015-02-18-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2015

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