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PRESSEKONFERENZ/952: Regierungspressekonferenz vom 11. März 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 11. März 2015
Regierungspressekonferenz vom 11. März 2015

Themen: Terminankündigung (Treffen der Bundeskanzlerin mit dem ukrainischen Präsidenten), Kabinettssitzung (Forschungsrahmenprogramm zur IT-Sicherheit "Sicher und selbstbestimmt in der digitalen Welt"), Hilfsprogramm des IWF für die Ukraine, Forderung Griechenlands nach Reparationen für NS-Verbrechen, Feierlichkeiten zum Weltkriegsgedenken in Moskau, Euro-Kursentwicklung, Mindestlohn, Verhandlungen über iranisches Nuklearprogramm, Rückzug Russlands aus den Beratungen zum KSE-Vertrag

Sprecher: StS Seibert, Jäger (BMF), Chebli (AA), Scholz (BMJV), Moosmayer (BMVI), Dünow (BMWi), Westhoff (BMAS)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich habe eine Terminankündigung: Am nächsten Montag wird die Bundeskanzlerin um 13 Uhr den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko im Bundeskanzleramt zu einem Arbeitsmittagessen empfangen. Dem schließt sich eine gemeinsame Begegnung mit der Presse gegen 14 Uhr an. Wie man sich vorstellen kann, werden die Themen der Unterredung die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen und die ukrainische Reformagenda sein. Das also am Montag, den 16. März, um 13 Uhr.

Das Kabinett hat sich heute im Wesentlichen auf ein Thema konzentriert, und zwar auf das von der Bundesbildungs- und Forschungsministerin vorgelegte Forschungsrahmenprogramm zur IT-Sicherheit. Es trägt den Titel "Sicher und selbstbestimmt in der digitalen Welt - 2015 bis 2020". Das Bundeskabinett hat diesem Rahmenprogramm zugestimmt. Ziel ist es, über Forschung zu sicheren und innovativen IT-Lösungen für die Bürger, für die Wirtschaft, für den Staat zu kommen.

Es ist ja so, dass Cyber-Attacken immer häufiger, auch immer professioneller werden, dass lebenswichtige Infrastrukturen, beispielsweise die Strom- und Wasserversorgung, durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung immer schutzbedürftiger gegen solche Attacken sind. Deshalb investiert die Bundesregierung gezielt in neue Ansätze, um vorausschauend IT-Systeme sicher zu gestalten und die digitale Selbstbestimmung zu stärken. Dieses ressortübergreifende Programm läuft bis 2020. Allein das Bundesministerium für Bildung und Forschung wird in dieser Zeit 180 Millionen Euro für die Forschung in sichere IT-Systeme investieren. - So viel dazu.

So viel zum Kabinett.

Frage : Wenn wir schon das Thema Ukraine mit Herrn Poroschenko haben, eine Lernfrage von mir: Es war dieses internationale 40 Milliarden-Hilfsprogramm für die Ukraine im Gespräch. Hat die Bundesregierung a) inzwischen Erkenntnisse oder Schätzungen, die sie erwarten lässt, dass möglicherweise einiges mehr an Finanzbedarf in der Ukraine besteht?

Zum Zweiten könnten Sie mir noch einmal Nachhilfe geben: Wie groß ist der deutsche Anteil an diesem 40 Milliarden-Programm? Ich habe immer einen Betrag von 500 Millionen im Kopf. Gibt es darüber hinaus noch irgendetwas auf deutscher Seite, auf bilateraler Seite, das in dieses 40 Milliarden-Programm eingerechnet werden muss?

StS Seibert: Zu Details ist sicher auch gleich das Bundesfinanzministerium aussagefähig.

Zunächst einmal kann ich sagen, dass die Bundesregierung in sehr engem Kontakt mit dem Internationalen Währungsfonds steht. Dessen Direktorin, Frau Lagarde, ist heute auch im Kanzleramt zusammen mit den Chefs der anderen internationalen Organisationen. Also auch bei diesem Spitzengespräch ist es möglich, dass das Thema "Hilfe für die Ukraine" angesprochen wird.

Für uns ist klar: Schon vor der gegenwärtigen Krise hatte die Ukraine erhebliche strukturpolitische Herausforderungen. In der Programmkonditionalität des IWF werden diese Herausforderungen ja auch aufgegriffen. Nun hat sich das natürlich durch die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, durch die Krise im Donbass, noch einmal zusätzlich ganz erheblich verschärft. Vor diesem Hintergrund ist die internationale Gemeinschaft aufgerufen, tatsächlich alles zu tun, um die schwierige Situation der Menschen in der Ukraine zu verbessern. Deutschland hat dem u. a. dadurch Rechnung getragen - das ist das, was Sie bereits erwähnten -, dass wir bilateral einen zusätzlichen Kreditrahmen in Höhe von 500 Millionen Euro zugesagt haben. Wir unterstützen also die Bemühungen des IWF, der internationalen Gemeinschaft, ausdrücklich, auch in unserer Rolle als aktueller G7-Vorsitz. Eines ist dabei auch klar: Diese finanzielle Unterstützung von IWF und Europäischer Union kann nur unter der Maßgabe geleistet werden, dass die Ukraine die dringend notwendigen Reformen auch beschließt und umsetzt.

Zu den einzelnen Zahlen kann vielleicht noch das Bundesfinanzministerium etwas zur Verdeutlichung sagen.

Jäger: Da gibt es gar nicht so viel zu ergänzen. Im Kern geht es darum, dass der IWF sein Hilfsprogramm für die Ukraine umstellt von einem Stand-by Agreement zu einer Extended Fund Facility, einem EFF. Das führt dazu, dass die Laufzeit des Programms insgesamt verlängert wird. Wir sprechen von einem Programmvolumen insgesamt von 17,5 Milliarden US-Dollar. Dieses neue Programm beinhaltet neben den Mitteln, die der IWF bereitstellt, zusätzliche Unterstützung aus den Reihen der G7. Dafür haben wir als G7-Vorsitz in den letzten Wochen sehr intensiv geworben. Es ist hier aber auch schon das mit einbezogen, was die Europäische Union zusätzlich leisten wird. - Diese Diskussion haben Sie verfolgt. Das muss ich hier nicht noch einmal referieren.

Im Kern geht es jetzt darum, dass wir die Ukraine in einer schwierigen Situation stabilisieren. Wir müssen die Ukraine nicht nur für den Tag stabilisieren, sondern ihr eine wirtschaftliche tragfähige Perspektive geben. Wir denken, dass damit ein sehr guter Anfang gemacht worden ist. Auf dieser Basis werden wir natürlich weiter sehr eng mit der Ukraine kooperieren. Der Bundesfinanzminister ist dazu auch in einem engen bilateralen Austausch mit der ukrainischen Finanzministerin, Frau Jaresko.

Was die 500 Millionen angeht, die Sie angesprochen haben: Das ist ein Kreditrahmen. Hier sprechen wir von Bürgschaften. Hier geht es vorrangig darum, den Wiederaufbau im Land zu unterstützen. Das soll über die Förderung und Unterstützung von Projekten abgewickelt werden.

Zusatzfrage : Darf ich noch kurz nachfragen, weil immer von einem 40 Milliarden-Programm die Rede ist: Ist das eher ein loser Zusammenhang oder baut der eine Teil dieses 40 Milliarden-Programms auf den anderen auf? Ich frage deshalb, weil darin ja auch ein Anteil enthalten ist, den die Gläubiger zu erbringen haben, der noch sehr in den Sternen steht. Wenn dieser Anteil der Gläubiger in Form eines Forderungsverzichts oder Ähnlichem nicht zustande kommen sollte, sind dann auch die anderen Bestandteile des Pakets in Gefahr, oder stehen sie dann für sich?

Jäger: Nein, das, was ich Ihnen eben beschrieben habe, das steht für sich. Das ist sozusagen die Basis. Dazu kommt dann das, was die Ukraine in Gesprächen mit den Gläubigern erreichen will. In Summe kommen Sie dann auf eine Größenordnung, wie Sie sie genannt haben.

Frage: Wie bewerten Sie - die Frage geht entweder an den Regierungssprecher oder an das Finanzministerium - die erneuten Forderungen des griechischen Ministerpräsidenten nach Reparationszahlungen beziehungsweise Ausgleich von Interessen aus den Zwangsanleihen?

StS Seibert: Ich kann zu solchen wiederholten Forderungen nach Reparationen und Entschädigungszahlen im Grunde nur das sagen, was wir hier schon oft vorgetragen haben. Deutschland ist sich seiner historischen Verantwortung für das Leid, das der Nationalsozialismus über viele Länder in Europa gebracht hat, absolut und ständig bewusst. Aber das ändert nichts an der Haltung und an der festen Überzeugung, dass die Frage von Reparationen und Entschädigungszahlungen nach unserer Überzeugung final geklärt, also abgeschlossen ist.

Zusatzfrage: Das betrifft nicht nur Reparationszahlungen, sondern eben auch diese Zwangsanleihen und die Zinsen oder Verpflichtungen, die sich daraus ergeben?

StS Seibert: Das betrifft all die immer wieder vorgebrachten unterschiedlichen Punkte.

Frage: Wie bewertet denn die Regierung die Drohung oder das Wiederaufleben der Diskussion um Pfändungen? Das basiert ja auf einem Gerichtsurteil des Obersten Gerichtshofes in Athen von 2000, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

StS Seibert: Ich kenne das bisher nur aus der Presse. Ich kann nicht sagen, ob die Äußerungen des griechischen Ministers genauso gewesen sind oder ob sie überinterpretiert worden sind. Das ändert aber nichts daran, auch wenn es tatsächlich solche Drohungen geben sollte, dass unsere Überzeugung feststeht, dass die Fragen von Reparationen und Entschädigungszahlungen rechtlich wie politisch abgeschlossen sind.

Ich füge hinzu: Wir sollten uns auf die Themen der Gegenwart und der hoffentlich guten Zukunft für unsere beiden Länder konzentrieren.

Zusatzfrage: Vielleicht kann das Auswärtige Amt zur Pfändungsdrohung auch noch etwas sagen. Wenn es einen offensichtlichen Rechtskonflikt gibt - denn das Oberste Gericht Griechenlands hat das ja 2000 so beschlossen -, wie löst man denn international solche Konflikte, wenn die eine Rechtsprechung das ganz anders definiert als offensichtlich Ihre rechtliche Interpretation?

Chebli: Ich habe zu dem, was Herr Seibert zu der Frage der Pfändung gesagt hat, nichts hinzuzufügen. Das ändert nichts an unserer Position zu den Reparationszahlungen.

Zusatzfrage: Aber es bleibt die Frage: Wie löst man einen offensichtlichen Rechtskonflikt, der durch Gerichtsentscheidung eines obersten Gerichts eines anderen Landes präjudiziert worden ist? Gibt es da Mechanismen, damit man das nicht als Dauerkonflikt über Generationen durchzieht?

Jäger: Vielleicht kann ich an der Stelle ergänzen: Wir werden in dieser Frage keine Gespräche und Verhandlungen mit der griechischen Seite führen.

Was die von Ihnen gestellte Frage angeht, wie solche Probleme dann zu lösen sind, so gibt es den internationalen Rechtsweg. Hierfür sehen wir überhaupt keinen Anlass und keine Berechtigung. Da müssten Sie im Zweifel in Athen nachfragen. Aber ich denke, wir müssen noch einmal in Erinnerung rufen, dass diese ganze Debatte von der grundsätzlichen Ausrichtung falsch ist. Wir sollten jetzt gemeinsam nach vorn schauen. Wir haben gemeinsam schwierige Probleme zu lösen. Die Emotionalisierung solcher Themen und rückwärts gewandte Vorwürfe helfen im Kontext der aktuellen Arbeiten, die wir gemeinsam mit den Griechen bewältigen müssen, überhaupt nicht weiter. Deshalb ist unserer Ratschlag, sich auf diese Dinge zu konzentrieren, die aktuell angepackt werden müssen.

Frage: Herr Jäger, da Sie sich auf das Thema vorbereitet haben: Der Zwangskredit ist ja vom Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages so bewertet worden, dass offen sei, ob er zurückgezahlt werden müsse. Wie ist denn mittlerweile - früher haben Sie sich dazu nicht oder ausweichend geäußert - die rechtliche Einschätzung im Finanzministerium über den Charakter dieses Zwangskredits? Handelt es sich um ein Darlehen, das getilgt worden ist, für das es keinen Rechtsnachfolger gibt, oder um ein Darlehen, das noch zu tilgen ist?

Jäger: Ich habe mich dazu in der Vergangenheit nicht ausweichend geäußert. Die Position des Bundesfinanzministeriums und der Bundesregierung in dieser Frage ist glasklar. Regierungssprecher Seibert hat das eben noch einmal dargestellt. Selbstverständlich fällt für uns der Komplex der Zwangsanleihe unter das Kapitel Reparationen. Dieses Kapitel ist für uns rechtlich wie politisch abgeschlossen.

Zusatzfrage: Sie beide sagen, man muss jetzt in die Zukunft sehen. Es gibt Wichtigeres, wie Griechenland und die griechische Schuldenkrise etc. Da hat sich die Bundesregierung - der Finanzminister, die Kanzlerin - ja sehr stark engagiert. Wie empfindet man das, Herr Seibert, dass jetzt im Zusammenhang mit der Schuldenkrise dieses Fass in Athen aufgemacht wird? Hat das heute im Kabinett eine Rolle gespielt? Ist darüber geredet worden, auch über die Tonlage, die da angeschnitten wird?

StS Seibert: Das Thema Griechenland hat heute im Kabinett überhaupt keine Rolle gespielt.

Es ist doch so: Die Eurogruppe hat mit den Vereinbarungen mit Griechenland am 20. Februar ganz klar den Weg für das weitere Vorgehen gezeichnet. Dieser Weg ist jetzt zu gehen. Da gibt es die Vereinbarung mit der Eurogruppe vom 9. März. Entsprechend berät jetzt die griechische Regierung mit den drei Institutionen mit Blick auf den angestrebten erfolgreichen Abschluss der Überprüfungen über die Situation in ihrem Lande und die weiteren Reformmaßnahmen. Das ist der Weg, den wir gehen müssen, den vor allem auch Griechenland gehen muss und bei dem es zu liefern hat. Darauf warten wir. Daran wollen wir gern aktiv mitwirken. Aber da muss natürlich jetzt auch von der griechischen Seite einiges kommen. Das ist das, was zählt.

Frage : Ich würde gern wissen - dieses Thema wurde ja schon, wenn ich das recht erinnere, 2012 von der vorigen Regierung, damals vom Staatspräsidenten, aufgebracht -, gab es denn innerhalb der Amtszeit der jetzigen Koalition irgendwelche Gespräche auf bilateraler Ebene zwischen griechischen Stellen und deutschen Stellen, die Reparationen zum Thema hatten?

Eine zweite Frage: Der griechische Ministerpräsident argumentiert ja, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, nicht nur mit juristischen Gründen, sondern auch mit moralischen, symbolischen und geschichtlichen Gründen. Sind das Gründe, die für Sie in irgendeiner Weise maßgebend sein können, mit der griechischen Seite in Gespräche über das Thema einzusteigen?

StS Seibert: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Für die Ebene der Bundeskanzlerin kann ich Ihnen sagen, dass das in ihren Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten Griechenlands kein Thema war.

Ansonsten muss ich jetzt wirklich sagen: Ich verweise auf das, was wir gesagt haben. Rechtlich wie politisch ist diese Frage umfassend und auch abschließend geklärt. Deutschland ist sich seiner moralischen Verpflichtung, die Erinnerung an die deutsche Schuld am Zweiten Weltkrieg und am Leiden in vielen Ländern lebendig zu halten, sehr bewusst. Das ändert aber nichts an der rechtlichen und politischen Einschätzung der Frage von Entschädigungszahlungen und Reparationen.

Ansonsten hat die Eurozone jetzt gemeinsam mit Griechenland einen schwierigen Weg vor sich, auf den wir uns im Interesse der Bürger Griechenlands konzentrieren sollten.

Chebli: Ich kann nur ergänzen: Ich weiß nicht, ob der Kollege oder Sie in der Pressekonferenz der beiden Außenminister Steinmeier und Kotzias in Berlin dabei waren. Darin hat einer der griechischen Kollegen, glaube ich, den Minister nach der Reparationsfrage gefragt. Er hat eine ziemlich klare Antwort darauf gegeben. Ich wüsste nicht, dass das in dem Gespräch, das die beiden unter vier Augen hatten, eine Rolle gespielt hätte.

Zusatzfrage : Ich hatte auch nach Gesprächen auf Arbeitsebene gefragt. Also war das irgendwann in den letzten zwei Jahren einmal Thema in offiziellen Kontakten?

Chebli: Also im Amt nicht - nicht das ich wüsste, nein.

Jäger: Für das Bundesfinanzministerium kann ich ergänzen: Nein, wir haben von griechischer Seite solche Forderungen oder Vorschläge nicht gehört. Sie haben insbesondere auch keine Rolle in den Gesprächen des Bundesfinanzministers mit Herrn Varoufakis gespielt.

Frage : Zuerst eine Lernfrage: Bis jetzt ist die Pfändung des Gebäudes des Goethe-Instituts in Griechenland nur daran gescheitert, dass die Unterschrift von dem griechischen Justizminister gefehlt hat. Die griechische Regierung oder der griechische Justizminister hat bis jetzt diese Unterschrift nicht gegeben. Deswegen ist die Pfändung nicht vollstreckt worden. Der jetzige Justizminister hat gesagt, er werde unterschreiben. Die Frage ist nun, ob die deutsche Regierung rechtlich irgendwelche Instrumente an der Hand hat, sich dagegen zu wehren.

StS Seibert: Ich möchte Ankündigungen, die der griechische Minister gemacht hat, hier nicht weiter kommentieren. Aus Sicht der Bundesregierung ist dazu alles gesagt. Wir befinden uns 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Wir haben Jahrzehnte einer friedlichen, freundschaftlichen, vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Griechenland hinter uns und hoffentlich auch noch viele Jahre einer gemeinsamen vertrauensvollen Zusammenarbeit vor uns. Wir haben aktuell schwierige Probleme innerhalb der Eurozone zu lösen. Griechenland ist dazu in ständiger Zusammenarbeit mit seinen Europartnern. Das sind die Dinge, auf die ich mich jetzt für die Bundesregierung konzentriere, auf die sich auch die Minister konzentrieren. Alles Weitere werden wir sehen.

Zusatzfrage : Danke für den politischen Kommentar. Aber meine Frage war eigentlich rein technisch, ob es juristisch möglich ist, irgendetwas dagegen zu machen. - Das ist das Eine.

Eine zweite Frage dazu: Wie belastet sieht das Bundesaußenministerium, die Bundesregierung insgesamt, das deutsch-griechische Verhältnis durch diese immer wieder kommende Frage der Kriegsreparationen?

Chebli: Auch hier kann ich nur das wiederholen, was die beiden Sprecher gesagt haben. Wir haben ein Interesse, dass wir jetzt bei den Fragen, die anstehen, gemeinsam vorankommen. Auch Griechenland sollte ein Interesse daran haben, bei diesen Fragen gemeinsam voranzukommen.

Ich glaube auch, dass die griechische Seite weiß, dass wir zu der Frage der Reparationszahlungen ein Urteil gefällt haben, dass das steht und es nicht Basis von Verhandlungen ist. Vor dem Hintergrund wäre es gut, wenn wir gemeinsam nach vorn schauen und uns darauf konzentrieren, die großen Aufgaben, die vor uns liegen, gemeinsam zu bewältigen. Das sollte im Interesse aller Beteiligten sein.

Frage: Herr Seibert, die Frage der Reparationen hat nichts mit der jetzigen Situation zu tun. Das ist seit 25 Jahren im Gespräch. Ihr Argument ist, dass sich diese Frage nach 70 Jahren nicht stellt. Warum leistet Deutschland Reparationszahlungen an jüdische Opfer oder an andere Opfer 70 Jahre danach und nicht an die Griechen?

StS Seibert: Es hat keinen Zweck, dass wir uns jetzt hier im Kreise drehen. Es ist aus Sicht der Bundesregierung sehr klar gesagt worden, was unsere Rechtsauffassung ist; die steht. Ich kann das jetzt unbegrenzte Male wiederholen, es wird dann aber eigentlich nicht gedeihlicher.

Frage: Ich möchte noch einmal die Frage wiederholen, was die mögliche Beschlagnahme deutschen Eigentums in Griechenland angeht. Vielleicht kann das Bundesjustizministerium dazu eine Einschätzung abgeben. Ist es grundsätzlich möglich, deutsches Eigentum im Ausland zu beschlagnahmen? Das ist wahrscheinlich eine Sache internationalen Rechts.

In diesem Zusammenhang eine zweite Frage: Gibt es eine Übersicht über relevante Immobilien in Griechenland? Ich vermute einmal, dass so etwas vielleicht im Haushalt auftaucht. Gibt es eine Zahl und vielleicht sogar einen Wert dieser deutschen Immobilien in Griechenland?

Scholz: Vielen Dank! Ich kann Ihnen die Frage leider nicht beantworten. Ich denke, der Regierungssprecher und die zuständigen Ressorts haben dazu schon das Nötige gesagt. Das ist eine völkerrechtliche Frage, über die ich Ihnen keine Auskunft geben kann.

Zusatzfrage : Und zu der Zahl der Immobilien? Das ist sehr speziell, aber vielleicht weiß das Auswärtige Amt darüber Bescheid.

Chebli: Genaue Zahlen?

Zusatzfrage: Sie bekommen alle Geld aus dem Topf des Außenministeriums. Vielleicht gibt es eine Übersicht oder Sie können sagen, wo man das finden kann.

Chebli: Wir bemühen uns darum.

Frage: Die griechische Regierung ist der Ansicht, dass das Problem der Reparationen nach wie vor aktuell ist, weil es noch nicht gelöst worden ist. Meine Frage ist die: Das Problem besteht weiter. Es wird nicht der aus Welt geschaffen, indem man Verhandlungen leugnet. Die Frage steht im Raum, ob man mit Griechenland nicht sprechen sollte, um hier eine Einigung zu finden.

Darüber hinaus habe ich eine konkrete Frage an das Verkehrsministerium. Ich habe diese Frage am letzten Montag gestellt und sie blieb unbeantwortet. Es geht um die Reisekosten der griechischen Juden, die per Bahn nach Auschwitz gebracht worden sind. Ein Gutachter hat errechnet, dass das insgesamt etwa umgerechnet 90 Millionen Euro ausmacht. Ich wollte fragen, ob das Verkehrsministerium davon weiß und wie es dazu steht.

Moosmayer: Über das hinaus, was hier schon gesagt worden ist, (kann ich nichts sagen). Sie hatten die Frage schon am Montag gestellt. Wir hatten darum gebeten, die Frage schriftlich zu stellen, weil sie so viele Facetten hat, dass man auch die Bahn einbeziehen muss. Ihre Mail ist heute Mittag eingegangen und sie wird auch bearbeitet werden. Es ist nicht so, dass wir sie nicht beantworten. Die Beantwortung solcher Fragen kann man aber nicht aus der Hüfte schießen. Ich bitte darum, dass man uns ein bisschen Zeit lässt, um das in der gewohnten Sorgfalt zu beantworten.

Zusatzfrage: Und die erste Frage?

StS Seibert: Die erste Frage war keine Frage, sondern Ihre Feststellung, dass das Thema im Raum steht.

Zusatz: Ich habe das in Frageform formuliert.

StS Seibert: Dann wiederholen Sie die Frage bitte noch einmal. Entschuldigung, ich habe das nicht als Frage verstanden.

Zusatzfrage: Die Frage war, ob es nicht für alle Seiten günstiger wäre, zu Verhandlungen und dadurch auch zu einer Einigung zu kommen, auch wenn die Meinungen dazu total gegensätzlich sind.

StS Seibert: Ich wiederhole, was die Haltung der Bundesregierung ist: Diese Frage ist politisch wie rechtlich abgeschlossen und deswegen kann es dazu keine Verhandlungen geben. Es hat im Jahre 1960 ein Globalabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Griechenland gegeben. Für verfolgungsbedingte Schädigungen wurden damals, 1960, dem griechischen Staat 115 Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt. Die Verteilung dieser Gelder oblag ausschließlich dem griechischen Staat.

Wir haben dem Thema der Wiedergutmachung mit allen Ländern, die dabei infrage kamen, immer ein großes Augenmerkt geschenkt. Das ist ein wichtiges Thema für die deutsche Politik der Nachkriegszeit gewesen. Nun ist diese Frage rechtlich wie politisch abgeschlossen.

Frage: Herr Seibert, würden Sie mir zugestehen, zu sagen, dass es immer zwei Seiten braucht, bevor eine Frage abgeschlossen ist? Mit allen anderen Ländern, auch mit den Zwangsarbeitern etc., hat man solche Konflikte ja nicht. Man hat sie mit Griechenland. Also scheint das doch offenbar dort eine offene Frage zu sein. Ist die Bundesregierung denn bereit, in den politischen Diskurs über diese Frage zu gehen, vielleicht unabhängig von der Schuldenthematik Griechenlands, wie sie das in anderen Fällen - etwa bei der Zwangsarbeiterentschädigung im Jahr 2000 - auch gemacht hat?

StS Seibert: Ich kann Ihnen hier nur unsere Rechtsauffassung schildern, wie wir das seit Monaten tun. Unsere Rechtsauffassung bedarf allerdings nur unserer Einschätzung. Das ist gründlich geprüft und diese Rechtsauffassung steht. Etwas anderes kann ich Ihnen hier nicht sagen.

Frage : Der ehemalige Außenminister Genscher hat in seinen Memoiren dargelegt, wie 1990 dafür gesorgt wurde, dass das Wort "Friedensvertrag" beim Zwei-plus-Vier-Vertrag verhindert wurde. Das wird auch von griechischer Seite so ausgelegt, dass dieser Trick - wie auch immer man das nennen will - zu Lasten Griechenlands und anderer Staaten angewandt wurde. Wie sehen Sie das? Warum war dieses Wort "Friedensvertrag" nicht gewollt?

StS Seibert: Ich kenne die Memoiren des früheren Außenministers nicht; das ist sicherlich eine Lücke. Was man feststellen kann, ist, dass der Zwei-plus-Vertrag keine weiteren Reparationen vorsieht und dass diesem Vertrag damals, 1990, alle der KSZE angehörenden Staaten in der Charta von Paris zugestimmt haben, einschließlich Griechenlands. Das ist das, was ich dazu sagen kann. Vielleicht kann das Auswärtige Amt auch etwas dazu sagen, weil es völkerrechtliche Fragen betrifft.

Chebli: Eigentlich haben Sie das viel kürzer gemacht, als ich das jetzt in meinen Ausführungen machten könnte. Deswegen habe ich dem nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, Sie sprechen von einer 70-jährigen guten oder vertrauensvollen Beziehung zu Griechenland. Wie wirkt sich die Drohung, deutsche Immobilien zu beschlagnahmen, auf diese vertrauensvollen Beziehungen und die laufenden Gespräche aus, die in Brüssel über die Finanzhilfen stattfinden?

StS Seibert: Es wird sich von deutscher Seite auf diese Gespräche nicht auswirken. Wir werden innerhalb der Eurogruppe daran mitwirken, dass das gelingt, was man sich gemeinsam vorgenommen hat, nämlich dass das laufende Programm erfolgreich abgeschlossen werden kann. Ich muss allerdings sagen, dass die Leistungen dafür von der griechischen Seite erbracht werden müssen und es dann an der Eurogruppe - unter anderem auch Deutschland - ist, auf Basis der Beurteilung der Institutionen zu beurteilen, ob es tatsächlich ein solcher erfolgreicher Abschluss ist. Wir konzentrieren uns auf das, was vorliegt, auf die Zahlen und die Fakten, und lassen uns von dieser Diskussion, die wir hier seit einer halben Stunde führen, nicht beeinflussen.

Frage: Ich versuche, nicht zu diskutieren, sondern einfach zu verstehen. Ich verstehe Ihre politische und rechtliche Auffassung, die Sie jetzt klargemacht haben. Das ist eine politische Debatte. Es ist aber formal wieder als die Implementierung eines höchstrichterlichen Urteils eingeführt worden und deswegen würde ich das gerne einfach verstehen.

Als dieses Urteil im Jahr 2000 gefallen ist, wird man ja geprüft haben, wie innerhalb der Gewaltenteilung eines EU-Partners ein höchstrichterliches Urteil zu bewerten ist. Ignoriert man es einfach und sagt "Wir fühlen uns davon nicht betroffen; das sollen die einmal intern klären" oder hat man damals, was offensichtlich geschehen ist, versucht, den Konflikt politisch dadurch zu lösen, dass der Justizminister einfach nicht unterschrieben hat? Welche Rechtskraft hat das Urteil eines höchsten Gerichts eines anderen EU-Landes?

Kann man in Kenntnis eines Urteils, dessen Implementierung offensichtlich immer noch jederzeit anstehen kann, sagen, dass der Vorgang - rein juristisch gefragt - abgeschlossen ist? Vielleicht kann das Bundesjustizministerium das mit Rückgriff auf das, was Sie im Jahr 2000 geprüft haben, als Information nachtragen. Oder hat man damals versucht, das nur politisch zu lösen?

Scholz: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Für das Völkerrecht sind wir auch nicht in erster Linie zuständig. Es ist so, dass, wenn gegen völkerrechtliche Grundsätze verstoßen wird, Urteile auch Rechtskraft haben. Das ist sozusagen die pauschale Aussage, die ich dazu treffen kann. Mehr kann ich dazu ad hoc nicht sagen.

Zuruf: Wieso hat man damals versucht, politisch das zu entschärfen, was juristisch nicht zu entschärfen war oder gab es eine Einschätzung, dass man gesagt hat, dass das Urteil völlig irrelevant ist?

Scholz: Ich sehe mich da nicht in der Verantwortung. Was das Völkerrecht betrifft, kann das Auswärtige Amt etwas dazu sagen.

Zusatzfrage: Kann das Auswärtige Amt das noch einmal rekonstruieren? Ich glaube, das wäre hilfreich.

Chebli: Ich glaube nicht, dass es uns in der Sache letztendlich (hilft). Es ändert nichts an dem, was wir hier von uns gegeben haben, was unsere Einschätzung der Lage betrifft. Ich kann gerne nachliefern, wie das damals entschieden wurde.

Frage: Der Gerichtsvollzieher ist unterwegs. Was wird die Bundesrepublik Deutschland machen, wenn er direkt vor dem Tor eines deutschen Kulturinstituts in Athen steht? Werden Sie nicht schon vorher irgendwelche Maßnahmen treffen? Werden Sie nicht schon vorher den Gerichtsweg gehen? Werden Sie nicht irgendwelche Schritte gegenüber der griechischen Regierung unternehmen?

Vorsitzender Mayntz: Können Sie etwas dazu sagen, Herr Plate?

Plate: Dann ergänze ich. Weil es aber eher Zufall ist, dass ich es weiß, und das nicht in der Zuständigkeit des Innenministeriums liegt, würde ich gerne "unter drei" gehen.

Vorsitzender Mayntz: Dann gehen wir "unter drei".

(Es folgt ein Teil "unter drei")

Vorsitzender Mayntz: Dann gehen wir wieder zurück "unter eins".

Frage: Herr Seibert, wie bewertet die Bundesregierung die Verschärfung des Tones zwischen Griechenland und Deutschland? Beunruhigt Sie das? Ist dieser Ton zwischen Europartnern angemessen?

StS Seibert: Ich kann auf der Seite der Bundesregierung keinen anderen Ton als den feststellen, den wir immer gehabt haben. Es ist ein sachlicher Ton; es ist ein lösungsorientierter Ton. In diesem Sinne bringt sich auch die Bundesregierung, bringen sich die Vertreter der Bundesregierung beispielsweise in der Eurogruppe ein.

Frage: Erst einmal vielen Dank an Herrn Plate für diesen Hinweis. Vielleicht können wir den irgendwann einmal in irgendeiner Form "unter eins", "unter zwei" oder auch schriftlich haben, weil das natürlich aus einer Rechtsauffassung eine Rechtsposition macht, die auch durch ein Gericht bestätigt worden wäre.

Jetzt zu einem anderen Thema, Herr Seibert. Es geht um die Pläne der Bundeskanzlerin, um den 9. Mai herum nach Moskau zu reisen. Vielleicht können Sie erläutern, inwieweit das einvernehmlich mit der russischen Regierung abgestimmt ist.

StS Seibert: Ich kann bestätigen, dass die Bundeskanzlerin der Einladung des russischen Präsidenten zur Feier am 9. Mai auf dem Roten Platz und zur Teilnahme an der traditionellen Militärparade nicht folgen wird. Es ist der Bundeskanzlerin gleichwohl wichtig, zusammen mit dem russischen Präsidenten ein Zeichen der gemeinsamen Erinnerung an das Ende des Zweiten Weltkriegs und die Befreiung vom Nationalsozialismus zu setzen. Deshalb hat die Bundeskanzlerin dem russischen Präsidenten vorgeschlagen, am 10. Mai gemeinsam Kränze am Grabmal des unbekannten Soldaten in Moskau niederzulegen. Der russische Präsident hat diesen Vorschlag begrüßt und ihn angenommen.

Ich will es vielleicht noch einmal sagen: Der Bundeskanzlerin ist dieses gemeinsame Erinnern an das geschichtliche Kapitel sehr wichtig, das unsere beiden Völker in den Jahren des Zweiten Weltkriegs durchlebt haben und in dem von Deutschland so viel Tod und so viel Leid ausgegangen ist. Die Pflicht, diese Erinnerung lebendig zu halten und der Toten zu gedenken, besteht unabhängig von dem, was uns zurzeit von Russland politisch trennt - unabhängig von der klaren Kritik, die wir an der russischen Haltung und an russischen Handlungen gegenüber der Ukraine üben müssen.

Aus dieser Überzeugung heraus, dass man eines vom anderen zu trennen hat, hat sich die Bundeskanzlerin jetzt für diese gemeinsame Kranzniederlegung am 10. Mai entschieden. Sie hat sich übrigens auch im vergangenen Jahr aus dieser Überzeugung heraus dafür eingesetzt, dass Präsident Putin an den Gedenkfeiern zum D-Day in der Normandie teilgenommen hat.

Frage: Herr Seibert, wann hat die Bundeskanzlerin diese Entscheidung getroffen, am 9. Mai nicht nach Moskau zu fahren?

Wird sie am 8. Mai an den Feierlichkeiten in Polen teilnehmen, die Herr Komorowski organisiert?

Frau Chebli, fährt der Außenminister am 8. Mai nach Polen beziehungsweise am 9. Mai nach Moskau?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hat diese Entscheidung vor Kurzem getroffen und hat den Vorschlag, gemeinsam am 10. Mai am Grabmal des unbekannten Soldaten der Toten des Krieges zu gedenken, dem russischen Präsidenten vor Kurzem telefonisch übermittelt.

Zusatzfrage: Wie sieht es mit den Feierlichkeiten in Polen am 8. Mai aus?

StS Seibert: Ich habe keine weiteren Pläne. Es gibt für diese Veranstaltung am 8. Mai, die Sie ansprechen, noch gar keine Einladung.

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 11. März 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/03/2015-03-11-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2015

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