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PRESSEKONFERENZ/955: Regierungspressekonferenz vom 16. März 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 16. März 2015
Regierungspressekonferenz vom 16. März 2015

Themen: Ukraine-Konflikt, Berichterstattung über ein angeblich neues TV-Studio im Bundesverteidigungsministerium, Vorratsdatenspeicherung, Griechenland, Düsseldorfer Hypothekenbank, geplanter Staatsbesuch des ägyptischen Präsidenten al-Sisi, Schadensersatzklage von Rheinmetall gegen die Bundesregierung, Bürgerkrieg in Syrien

Sprecher: StS Seibert, Neymanns (BMI), Rülke (BMJV), Flosdorff (BMVg), Schäfer (AA), Alemany (BMWi)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage: Erst einmal eine Frage an das Innenministerium: Es gibt Berichte, wonach mehr als 100 deutsche Kämpfer im Ukraine-Krieg verwickelt sind. Können Sie das bestätigen? Im Bericht ist immer davon die Rede, es gehe um Leute, die auf der Seite der Separatisten kämpfen. Aber wissen Sie denn auch - das wäre meine Frage - von Deutschen, die zum Beispiel auf der Seite von rechtsextremen Milizen kämpfen?

Dann eine zweite Frage an das Justizministerium: Haben sie denn Kombattantenstatus? Also was passiert mit ihnen, wenn sie gegen Rechte verstoßen? Machen sie sich nach dem deutschen Gesetz strafbar?

Neymanns: Die Zahl von 100 Kämpfern können wir nicht bestätigen. Uns liegen Erkenntnisse und Hinweise auf einzelne deutsche Staatsangehörige vor, die sich derzeit in dem nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet befinden. Welche politische Motivation dahinter liegt, dazu liegen uns momentan keine Erkenntnisse vor.

Rülke: Zu Ihrer zweiten Frage: Das sogenannte Kombattantenprivileg gilt nur für reguläre Streitkräfte. Als solche wären die ostukrainischen Separatisten nicht einzustufen. Das heißt, sollten deutsche Staatsangehörige sich daran beteiligen und sich strafbar machen, würde das allgemeine deutsche Strafrecht gelten. Nach welchen konkreten Strafbarkeitsnormen sich aber jemand dort strafbar macht, hängt natürlich konkret davon ab, was die Einzelnen dort tun.

Zusatzfrage: Wissen Sie, ob der Generalbundesanwalt Ermittlungen aufgenommen hat?

Rülke: Soweit ich weiß, gibt es kein förmliches Ermittlungsverfahren beim Generalbundesanwalt, sondern einen allgemeinen Prüfvorgang. Diese Angelegenheit wird also dort genauestens beobachtet und geprüft. Weitere Einzelheiten müsste Ihnen die Pressestelle des GBA beantworten.

Frage: Mich würde angesichts unterschiedlicher Interviewäußerungen, die wir heute lesen konnten, noch einmal die Position der Bundesregierung zum Funktionieren oder Nichtfunktionieren des Minsker Abkommens interessieren. Herr Poroschenko sagt ja, das funktioniert nicht. Auch Herr Tusk spricht von über 1.000 Verstößen gegen den Waffenstillstand. Lässt sich jetzt schon so etwas wie ein Strich ziehen und sagen, Minsk hat letztendlich nicht das (erhoffte Ergebnis) gebracht?

StS Seibert: Nein. Wir haben in Minsk eine Einigung auf ein Maßnahmenpaket getroffen, das die Minsker Vereinbarungen vom September des vergangenen Jahres umsetzen soll. Seit dieser Einigung auf das Maßnahmenpaket im Februar in Minsk kann man konstatieren, dass die militärische Gewaltanwendung in der Ostukraine deutlich zurückgegangen ist. Die Waffenruhe hat sich stabilisiert. Sie wird zweifellos an einigen neuralgischen Punkten weiterhin gebrochen. Der Abzug schwerer Waffen hat begonnen. Er ist aber zweifellos auch für die OSZE bisher nicht im vollen Umfang verifizierbar, wie er es sein sollte.

Deswegen bleibt die Forderung an die Parteien, die Waffenruhe voll einzuhalten und umfassend mit der OSZE zusammenzuarbeiten, also ihr die Bewegungsfreiheit zu gewähren, die sie braucht, und den uneingeschränkten Zugang zu den Orten zu geben, an denen die schweren Waffen dann verbleiben. Das muss erfüllt werden. Dann ermöglicht es den Einstieg in den politischen Prozess.

Alles, was die Bundesregierung - die Bundeskanzlerin, der Außenminister - diplomatisch tut und unternimmt, dient der Umsetzung dieser Minsker Abkommen vom September 2014. Es sind einige Schritte gemacht. Auch die gerade beschlossene Aufstockung der Zahl der OSZE-Beobachter kann zur Stabilisierung der Lage beitragen. Diesen Weg wollen und müssen wir weiter verfolgen. Da sind alle Parteien aufgerufen, ihre Verpflichtungen zu erfüllen.

Frage: An das Innenministerium: Welchen Überblick hat sich Ihr Ministerium inzwischen mit Hilfe des Verfassungsschutzes verschafft, was die Standorte deutscher Freiwilligenkämpfer in ausländischen Krisenregionen angeht? Also warten Sie darauf, bis irgendwelche Medien berichten, dass man auch in der Ostukraine tätig ist, oder haben Sie einen eigenständigen Überblick? Wenn ja, würde mich interessieren, an welchen Standorten sich nach Erkenntnissen der deutschen Sicherheitsbehörden derzeit deutsche Kämpfer, also Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit, befinden.

Herr Rülke, können Sie noch einmal erläutern, ab welchem Punkt der GBA in diesen Fällen ein Ermittlungsverfahren aufnehmen müsste, würde oder sollte? Müsste er das erst, wenn Mord und Totschlag nachgewiesen ist oder reicht der Verdacht dafür schon aus?

Neymanns: Selbstverständlich nutzen wir zur Einschätzung der Frage, wo deutsche Staatsbürger an Kämpfen beteiligt sind, die Erkenntnisse der eigenen Nachrichtendienste, schlüssigerweise auch die Erkenntnisse fremder Nachrichtendienste und immer einmal wieder auch Hinweise aus Recherchen entsprechender Medien. Daraus ergibt sich ein Gesamtbild. Ich kann Ihnen hier - so verstehe ich Ihre Frage - keine Landkarte mit kleinen Stecknadeln liefern, wo sich einzelne Deutsche an Kampfhandlungen beteiligen. Aber seien Sie gewiss: Wir beobachten das sehr genau und werten auch intensiv die uns zur Verfügung stehenden Quellen aus.

Zusatzfrage: Das heißt, Sie wissen es, wollen es aber nicht sagen?

Neymanns: Sicherlich wissen wir nicht abschließend, wo jeder einzelne Deutsche ist, der sich im Ausland befindet. Aber selbstverständlich sind wir darum bemüht, ein umfassendes Bild der kriminellen Aktivitäten deutscher Staatsbürger in bewaffneten Kämpfen zu haben. Das ist ein Prozess, der sich entwickelt, der sich immer auf einer sich aktualisierenden und neuen Bewertung und Information der Nachrichtendienste stützt. Eine abschließende Übersicht wird es - das liegt, glaube ich, in der Natur der Sache - nicht geben können.

Zusatzfrage: Können Sie nicht einen aktuellen Überblick über deutsche Kämpfer geben? Ist das vertraulich, geheim? Oder wollen oder dürfen Sie nichts sagen? Ich will ja keinen abschließenden Bericht. Ich wollte nur wissen, wo man derzeit tätig ist.

Neymanns: Ich kann Ihnen hier ad hoc keinen abschließenden Bericht und auch keine Darstellung geben. Ich werde prüfen, ob wir das machen können. Ich gehe allerdings stark davon aus, dass die Information nicht öffentlich ist.

Vorsitzender Mayntz: Dann wären wir für einen Hinweis für unseren Verteiler dankbar.

Rülke: Ihre Frage kann ich gern beantworten. Also rein abstrakt ist für die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens ein sogenannter Anfangsverdacht erforderlich. Das heißt, eine Staatsanwaltschaft braucht konkrete Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat. Das gilt nicht nur für den GBA, sondern auch für die gegebenenfalls zuständigen Landesstaatsanwaltschaften.

Frage: Die "Welt am Sonntag" schreibt ja, dass es sich vor allem um Menschen handeln soll, die schon seit längerer Zeit in der Ukraine leben. Haben Sie entsprechende Erkenntnisse? Verbunden damit die Frage, die der Russland-Beauftragte Herr Erler aufgeworfen hat, dass man jetzt - ähnlich wie bei der IS - verstärkt auf Rückkehrer achten solle: Ist das nicht ein völlig anderes Phänomen, oder sehen Sie da Parallelen?

Neymanns: Zur ersten Frage kann ich Ihnen nur das sagen, was ich Ihnen vorher gesagt habe, dass wir Erkenntnisse haben über einzelne Staatsangehörige, die sich in der Ukraine in dem nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebiet aufhalten. Detaillierter kann ich Ihnen derzeit keine Auskunft geben.

Die Frage, ob das gleiche Phänomen "Rückkehrer mit Gewalterfahrung" bei Leuten vorliegt, die aus Syrien nach Deutschland oder aus der Ukraine nach Deutschland kommen, kann ich Ihnen ad hoc nicht wirklich beantworten. Selbstverständlich müssen Rückkehrer, die Kampferfahrung haben und von denen eine Bedrohung ausgehen könnte, beobachtet werden.

Zusatzfrage: Das ist schon klar. Die Frage war nur: Haben Sie oder der Verfassungsschutz Erkenntnisse über Rückkehrer aus diesem Bereich?

Neymanns: Sie liegen mir derzeit nicht vor.

Frage: Eine Doppelfrage, wenn Sie erlauben.

Einmal an das BMJ: Herr Rülke, wie sieht es denn aus mit dem Status bei dem freiwilligen Bataillon "Asow" und Ähnlichem? Ist das als reguläre ukrainische Truppe zu begreifen?

Zweitens, auch an Sie, die Frage: Gehen Sie davon aus, dass die Verschärfung des Paragrafen 89 a StGB Auswirkungen auf diesen Sachverhalt hat?

Rülke: Es ist relativ schwer, sich juristisch zu Sachverhalten zu äußern, die im Moment nur relativ abstrakt dargestellt sind. Sie sprechen ja auch, wenn ich das richtig verstanden habe, die Frage der terroristischen Vereinigung an. Ich habe Ihnen bereits gesagt, dass der GBA einen Prüfungsvorgang dazu angelegt hat. Das ist eben Sache des GBA, sowohl die Strafbarkeit nach § 129 a/b StGB als auch eventuell nach § 89 a StGB zu prüfen. Das passiert auch im Moment.

Die von Ihnen angesprochene Verschärfung der Terrorismusgesetzgebung ist ja, wie Sie wissen, Anfang Februar vom Kabinett beschlossen worden. Es ist im Moment im parlamentarischen Verfahren. Es ist also sozusagen noch nicht in Kraft getreten. Das muss man an dieser Stelle einmal dazu sagen. Das wirkt natürlich auch, so wie alles Strafrecht, niemals rückwirkend. Im Übrigen wären diese Norm und diese Strafrechtsverschärfung dann eben auch vom GBA beziehungsweise den zuständigen Staatsanwaltschaften in die Prüfung einzubeziehen. Das heißt, auch Reisetätigkeiten in diesem Bereich würden ganz abstrakt, ohne den konkreten Sachverhalt zu kennen, möglicherweise dieser Strafnorm unterfallen.

Zusatzfrage: Dann hatte ich noch nach dem Status der Freiwilligenbataillone gefragt. Sind das für Sie reguläre ukrainische Truppen? Oder ist das anders zu behandeln?

Rülke: Ich habe ja eingangs bereits gesagt, dass für die ostukrainischen Separatisten das Kombattantenprivileg des Völkerstrafgesetzbuches nicht gilt.

Zusatzfrage: Ich meinte die Freiwilligenbataillone auf der anderen Seite, also auf der ukrainischen.

Rülke: Das ist sehr schwer. Das muss man im Einzelfall beantworten. Das kann ich Ihnen nur so abstrakt beantworten. Es tut mir Leid.

Frage: Auch noch zwei Nachfragen, jeweils an die beiden betroffenen Häuser.

Herr Rülke, ich habe es immer noch nicht ganz kapiert. Wenn ein deutscher Staatsbürger mit Waffengewalt gegen eine legitimierte Regierung vorgeht, ist dann schon der Anfangsverdacht gegeben? Müssen wir da nicht automatisch tätig werden, also die Strafverfolgungsbehörde, der GBA in dem Falle?

Herr Neymanns, bei den Unterstützern für IS haben wir ja erst die Regelung geändert. Dort gehen wir relativ strikt vor und können dort Reisebeschränkungen vornehmen, Pässe einziehen etc. Denkt Ihr Minister auch in diesem Fall über solche Maßnahmen nach?

Rülke: Zu den konkreten Fragen habe ich ja abstrakt gesagt, was ich dazu sagen kann. Eine Ermittlungsbehörde muss tätig werden, wenn ein Anfangsverdacht eröffnet ist.

Es ist nun einmal so: Wir haben in Deutschland die Unabhängigkeit der Justiz, und das ist auch gut so. Das wird im Moment von den Ermittlungsbehörden geprüft. Sie schauen sich auch die konkreten Sachverhalte an. Das ist unmöglicherweise von mir hier abstrakt zu präjudizieren, weil diese Verfahren im Moment noch laufen.

Neymanns: Selbstverständlich toleriert die Bundesregierung Straftaten von deutschen Staatsangehörigen im Ausland nicht. Wenn wir also vorher Erkenntnisse haben, dass deutsche Staatsbürger ausreisen wollen, um sich an Kampfhandlungen zu beteiligen, dann werden wir - auch, wenn es sich um die Ukraine handelt - selbstverständlich versuchen, ausreiseverhindernde oder erschwerende Maßnahmen zu ergreifen. Das ist klar.

Frage: Herr Seibert, wenn es um die weitere Umsetzung von "Minsk II" geht, ist die Bundesregierung eigentlich sicher, dass sie im Kreml noch mit dem bisherigen Verhandlungspartner weiterverhandelt? Wie sehr sind Sie über die Spekulationen beunruhigt, weil Präsident Putin jetzt doch schon sehr lange Zeit nicht mehr in der Öffentlichkeit gesehen wurde?

StS Seibert: An Spekulationen darüber, warum Präsident Putin jetzt einige Tage nicht in der Öffentlichkeit gesehen wurde, beteiligt sich die Bundesregierung nicht.

Frage: Reine Wissensfrage: Herr Flosdorff, gehört es zu den Aufgaben des MAD, sich ein Bild darüber zu verschaffen, wo ehemalige Bundeswehrsoldaten militärisch im Ausland tätig sind, oder geht das den MAD nichts an - grundsätzlich gefragt?

Flosdorff: Soweit mein Kenntnisstand reicht, befasst sich der MAD mit Aktivitäten aktiver Bundeswehrsoldaten.

Frage: Eine Frage an das Auswärtige Amt: Was wissen Sie über Fälle von Deutschen, die auf Seiten der regulären ukrainischen Armee kämpfen? Gibt es solche Fälle? Sind Ihnen solche Fälle bekannt?

Schäfer: Wenn es solche Informationen gäbe, dann hätten wir diese Informationen natürlich auch mit den zuständigen Innenbehörden geteilt. Es ist ja ein Ding der Selbstverständlichkeit, dass man sich innerhalb der Bundesregierung austauscht.

Deshalb, im Umkehrschluss, kann ich Ihnen sagen, dass das Auswärtige Amt keine belastbaren eigenen Erkenntnisse über deutsche Staatsangehörige hat, die sich angeblich in der Ostukraine an bewaffneten Auseinandersetzungen beteiligen. Das scheint mir auch nicht - wie soll man sagen? - "lebensnah" zu sein, dass, wenn es solche Leute geben sollte - auf welcher Seite auch immer sie in der Ostukraine kämpfen -, sie sich nicht gerade bei der Botschaft oder unseren Konsulaten anmelden.

Frage: Herr Seibert, im Zusammenhang mit Herrn Putin, der möglicherweise heute wieder öffentlich auftaucht, und den Auswirkungen seiner Politik: Wie beurteilt die Bundesregierung, dass Herr Putin eine Überprüfung der Gefechtsbereitschaft des westlichen Wehrbezirks und der Nordflotte angeordnet hat?

StS Seibert: Das habe ich nicht zu beurteilen. Ich würde aber gern im Zusammenhang mit dem Thema Ukraine, das wir hier behandeln, Ihr Augenmerk noch einmal darauf legen, dass genau heute vor einem Jahr auf der Krim ein verfassungswidriges Referendum abgehalten wurde, das Russland in der Folge als Vorwand für eine völkerrechtswidrige Annexion der Krim instrumentalisiert hat.

Ich möchte aus dem Anlass heraus noch einmal sagen, dass die Bundesregierung ganz klar bei ihrer Haltung bleibt, dass wir die Ukraine in ihrer Souveränität und in ihrer territorialen Unverletzlichkeit in den international anerkannten Grenzen unterstützen. Die Annexion der Krim hat die europäische Friedensordnung in Frage gestellt - eine Friedensordnung, die eben basiert auf internationalem Recht, auf dem Respekt vor der Unverletzlichkeit der Grenzen. Darauf hat die Europäische Union eindeutig und auch mit Sanktionen reagiert. Die Bundesregierung wird mit ihren europäischen Partnern zusammen an der Politik festhalten, die Nichtanerkennung der völkerrechtswidrigen Annexion aufrechtzuerhalten.

Ich würde bei der Gelegenheit auch gern noch einmal darauf hinweisen, dass uns die sich verschlechternde menschenrechtliche Lage auf der Krim Sorgen macht. Das ist insbesondere deswegen auch wichtig, weil Staatspräsident Putin das russische Vorgehen auf der Krim wiederholt mit angeblich menschenrechtlichen Argumenten begründet hat. Nun muss man klar feststellen: Die menschenrechtliche Lage hat sich durch das russische Vorgehen auf der Krim deutlich verschlechtert. Das gilt für die Meinungsfreiheit, die Medienfreiheit, die Versammlungsfreiheit. Das gilt für die Lage der Minderheiten, insbesondere der Krimtataren.

Frage: Herr Seibert, ohne Ihnen jetzt besonders nahe treten zu wollen, möchte ich trotzdem noch einmal nachhaken. Denn die Überprüfung der Gefechtsbereitschaft könnte ja durchaus auch deutsche Bundesbürger beunruhigen. Ich kann also Ihren Worten entnehmen, dass das kein Anlass zur Unruhe und zur Beunruhigung ist?

StS Seibert: Ich habe diese Anweisungen, die der Kreml gegeben hat, hier nicht zu kommentieren. Ich habe dazu keinen Kommentar. Wir halten uns, wie ich es vorhin schon gesagt habe, daran, dass wir diplomatisch alles tun, was dazu führen kann, dass die Minsker Vereinbarungen umgesetzt werden. In diesen Bemühungen sind wir mit der OSZE, der Ukraine und mit Russland vereint und bitten darum beziehungsweise fordern alle Partner auf, auch das Ihre zu tun.

Frage: Noch eine Frage an Herr Flosdorff zum MAD und zum Aufgabenspektrum: Gehören Reservisten der Bundeswehr zum Beobachtungsfeld des MAD, wenn sich diese im Ausland militärisch betätigen?

Flosdorff: Die Fragen kann ich Ihnen jetzt noch nicht beantworten. Der Kern Ihrer Frage zielt ja in eine andere Richtung: Gibt es seitens der Bundeswehr oder des MAD irgendwelche Erkenntnisse, dass aktive oder ehemalige Bundeswehrangehörige in der Ostukraine aktiv sind? - Das kann ich hier verneinen.

Zusatzfrage: Das heißt - Sie haben das abgefragt oder gerade eben bekommen - , es gibt keine Erkenntnisse über im Ausland tätige ehemalige Bundeswehrsoldaten?

Flosdorff: Ich habe mich heute Morgen noch einmal erkundigt, ob irgendwelche Erkenntnisse vorliegen, dass jetzt in der Ostukraine ehemalige Bundeswehrsoldaten aktiv sind. Solche Erkenntnisse seitens des MAD oder sonstiger anderer Zuträger, die uns erreicht hätten, kann ich Ihnen hier nicht vermelden.

Frage: Zwei kleine Lernfragen habe ich noch: Stehen in dem heutigen Gespräch der Kanzlerin mit Herrn Poroschenko auch zusätzliche deutsche Finanzhilfen zur Diskussion - über die 500 Millionen hinaus, die Deutschland in Aussicht gestellt hat?

Zum Zweiten: Wie beständig ist denn letztendlich dieses Normandie-Format zur Lösung der Ukraine-Krise? Aus dem Interview von Herrn Tusk las ich heute so ein bisschen einen kleinen Unwillen heraus, dass die europäische Ebene, wie er sagte, nicht da zugegen sei, wenn er auch angesichts der Ergebnisse akzeptiere, dass das jetzt so gelaufen sei. Heißt das, dass bei nächstbester Gelegenheit dieses Normandie-Format womöglich über irgendeinen europäischen Vertreter erweitert wird?

StS Seibert: Ich fange einmal mit der Frage nach dem Normandie-Format an: Das Normandie-Format hat sich im Konflikt zwischen der Ukraine und Russland als eine Möglichkeit, als eines von mehreren denkbaren Verhandlungsformaten etabliert. Es hat die Zustimmung sowohl der europäischen Partner als auch der USA. Am Ende geht es doch zentral immer darum, dass wir zu einer Lösung des Konflikts beitragen. Ziel ist die vollständige Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets. Das Normandie-Format hat sich in der Vergangenheit als eine Möglichkeit bewährt, dabei voranzukommen oder zumindest den Weg für Fortschritte zu bereiten.

Zum Gespräch der Bundeskanzlerin mit Präsident Poroschenko will ich hier jetzt nichts vorwegnehmen. Es ist klar, dass es bei diesem Gespräch sowohl um den Stand der Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk als sicherlich auch um die wirtschaftlichen und finanziellen Realitäten in der Ukraine gehen wird. Für alles Weitere muss ich Sie auf die Pressekonferenz verweisen, in der die beiden über Ihre Gespräche berichten werden.

Frage: Herr Flosdorff, im Zusammenhang mit der Ukraine-Krise gibt es eine aktuelle Umfrage, nach der fast jeder Zweite dafür ist, den Wehretat anzuheben. Sehen Sie Ihr Haus dadurch in seinen Bemühungen für das nächste Jahr unterstützt?

Zum Zweiten: Der Bundeswehrverband fordert eine Anhebung der Truppenstärke. Wie bewerten Sie diese Forderung?

Flosdorff: Wir erwarten ja alle für diese Woche Haushaltseckwerte. Ich denke einmal, wir erwarten das geduldig. Wir fühlen uns sehr gut unterstützt.

Was die zweite Frage angeht: Hinsichtlich der Truppenstärke hatte ich an dieser Stelle, glaube ich, auch schon geäußert, dass wir derzeit dabei sind, die Zahlen zu überprüfen. Was das soldatische Personal angeht, spricht alles dafür, dass die Stärke von 185.000 Soldaten passend ist. Beim zivilen Personal sieht es allerdings mit Blick auf das Jahr 2017, wenn wir die Endstruktur einnehmen werden, im Moment so aus, als wenn wir 1.000 zivile Stellen mehr benötigen werden. Diese Überprüfungen finden statt.

Auch der Bundeswehrverband hat noch einmal darum gebeten, zu überprüfen, ob man die Schichtung in Bezug auf Soldaten auf Zeit- oder Berufssoldaten vielleicht noch einmal überdenkt, und hat auch entsprechende Wünsche angemeldet. Auch das ist bereits in der Überprüfung. Wir haben vor zwei Wochen angekündigt, dass wir noch einmal schauen werden, ob wir vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels und der Sicherung von Fachkräften eventuell die Zahl der Berufssoldaten noch einmal erhöhen können. Das heißt aber nicht, dass wir die absolute Zahl der Soldaten steigern müssten.

Vorsitzender Mayntz: Das nächste Thema setzt Herr Flosdorff!

Flosdorff: Ich bitte angesichts der großen Fragen, die wir hier sonst behandeln, vorab schon einmal um Entschuldigung, dass es jetzt ein bisschen kleinteilig wird. Aber wenn man manchen Meldungen nicht aktiv widerspricht, dann setzt sich das fest, insbesondere dann, wenn es sich um Medien handelt, die in der Regel seriös und gut recherchieren.

Es gab am Wochenende eine Berichterstattung über ein "neues TV-Studio für von der Leyen". Dazu möchte ich feststellen: Es handelt sich bei diesem sogenannten neuen TV-Studio um einen im Jahr 2006 unter dem damaligen Verteidigungsminister Jung eingerichteten, abdunkelbaren und etwa 5 mal 5 Meter großen Raum, der bisher von allen Amtsinhabern zur Aufzeichnung von Grußworten und Weihnachtsgrüßen an die Truppe genutzt wurde.

Ich möchte auch dem in dem Artikel erweckten, falschen Eindruck entgegentreten, die Anschaffung einer Rückwand und eines Teleprompteraufsatzes habe irgendeinen aktuellen Bezug. Dieser Teleprompter und auch dieser Rückwandaufsatz wurden bereits Mitte des Jahres 2014 beschafft, und zwar, weil sich beim alten Aufsatz die Stoffwand löste. Das wurde dann zum Preis von 6.000 Euro noch einmal in einen ordentlichen Zustand versetzt. Danke sehr!

Frage: Herr Rülke, wie bewerten Sie denn das nochmalige Bekenntnis des Vizekanzlers, dass wir die Vorratsdatenspeicherung brauchen? Ihr Minister sieht das ja nicht ganz so.

Rülke: Aussagen des Vizekanzlers habe ich hier in keiner Weise zu bewerten. Grundsätzlich kann ich Ihnen hier zum Thema Vorratsdatenspeicherung genau das Gleiche sagen, was ich Ihnen auch schon am Freitag gesagt habe: Es gibt bei dem Thema nichts Neues. Wir befinden uns seit dem Urteil des EuGH im April 2014 in guten und konstruktiven Gesprächen mit unseren europäischen Partnern und auch innerhalb der Bundesregierung, insbesondere mit dem Innenministerium. Diese Gespräche laufen, und für morgen oder übermorgen ist nicht mit einem Abschluss dieser Gespräche zu rechnen.

Frage: Morgen und übermorgen nicht, aber vielleicht im ersten Halbjahr, wie ich heute in einem Interview mit einer SPD-Dame vernahm! Ist ein gemeinsamer Gesetzentwurf beziehungsweise eine Einigung zwischen dem Innenministerium und dem Justizministerium im ersten Halbjahr realistisch?

Rülke: Auch das bin ich am Freitag gefragt worden, und ich kann nur noch einmal darauf verweisen, dass es sich hierbei um eine rechtlich und auch technisch anspruchsvolle Materie handelt. Ich glaube, Sie haben einen Eindruck davon bekommen, wie das Justiz- und das Innenministerium innerhalb dieser Bundesregierung bislang zusammengearbeitet haben, nämlich durchaus konstruktiv. Das wird auch in dieser Sache so sein.

Frage: Herr Rülke, nachdem sich der Vizekanzler an seine früheren Aussagen zurückerinnert hat, was folgt daraus für das Kleeblatt-Treffen von Innenministerium und Justizministerium? Gehen Sie jetzt routiniert in Ihrem Sitzungskalender weiter - nach dem Motto "business as usual" oder "Was stört uns das?" -, oder gibt es jetzt sozusagen einen Extratermin zur Vorratsdatenspeicherung? Bemüht man sich also um eine Umsetzung der Anregungen von Herrn Gabriel, oder fließt das wie bisher schon in das ganz normale Alltagsgeschäft ein?

Rülke: Sie haben ja bereits das Kleeblatt-Format zwischen Bundesjustiz- und Bundesinnenministerium angesprochen. Es ist so, dass sich der Justiz- und der Innenminister innerhalb der letzten 15 Monate regelmäßig zu einem solchen Kleeblatt-Format - das heißt so, weil es in der Regel mit Ministern und Staatssekretären stattfindet, manchmal auch mit zwei Staatssekretären und manchmal auch mit Büroleitern - getroffen haben. Dort werden alle Themen der aktuellen Tagesordnung zwischen den beiden Ressorts besprochen. Wenn ich nur bestimmte Highlights aus den letzten 15 Monaten oder auch aktuelle nennen darf, dann waren das auch so strittige Themen wie die doppelte Staatsangehörigkeit, wie die Frage, wie man auf die Herausforderungen des internationalen Terrorismus reagiert, oder auch die Frage des Anti-Doping-Gesetzes. Alle Themen sind konstruktiv von den beiden Ministerien behandelt worden.

Es gibt immer eine Tagesordnung, die aus mehreren Punkten besteht. Die Vorratsdatenspeicherung war schon oft ein Thema in dieser Runde und wird es in Zukunft eben auch noch einmal häufiger sein. Das gilt, wie gesagt, unverändert und bereits seit dem Urteil des EuGH. Das galt im Übrigen auch bereits vor den Terroranschlägen in Paris, Kopenhagen oder Brüssel. Wir befinden uns seit dem Urteil in einem sehr konstruktiven Gespräch.

Zusatzfrage: Gibt es also keine besonderen Verhandlungsanstrengungen der beteiligten Minister, sondern den Routinebetrieb?

Rülke: Da wir sowieso immer schon über das Thema gesprochen haben, ist das, glaube ich, die Antwort auf Ihre Frage.

Frage: Herr Rülke, Herr Neymanns, Sie sagen, das sei Routinebetrieb. Herr Gabriel, Sie, aber auch andere haben betont, die Herausnahme der Berufsgeheimnisträger sei etwas, was im Rahmen der Umsetzung eigentlich zu leisten sei beziehungsweise zumindest sehr stark beachtet werden müsse. Ich frage mich angesichts dieser sehr hohen Hürde, ob das tatsächlich am Ende zwischen Ihren beiden Häusern ergebnisoffene Gespräche sind. Wenn es technisch nicht möglich sein sollte, müssten Sie am Ende das Vorhaben ja begraben.

Rülke: Wenn ich kurz anfangen darf: Ich muss Sie wirklich um Verständnis bitten, dass das im Moment vertrauliche Gespräche sind. Sie stellen da eine Detailfrage, die natürlich in der öffentlichen Debatte über das Thema Vorratsdatenspeicherung oft eine Rolle gespielt hat. Ich muss Sie hier wirklich um Geduld bitten. So lange diese Gespräche nicht abgeschlossen sind, werden wir uns zu weiteren Details von unserer Seite aus nicht äußern.

Neymanns: Von mir hätten Sie die gleiche Antwort bekommen. Insofern stimme ich dem Kollegen völlig zu.

Frage: Ich wollte Herrn Jäger eine Frage Richtung Griechenland stellen. Herr Jäger, wie beurteilen Sie die Äußerungen von Herrn Varoufakis vom gestrigen Abend, dass es sich um ein sogenanntes klitzekleines Liquiditätsengpässchen handelt, in dem Griechenland steckt?

Haben Sie schon die Sektkorken knallen lassen, dass jeder Euro in Bezug auf die Schulden zurückgezahlt wird?

Jäger: Wir nehmen schlicht zur Kenntnis, dass Herr Varoufakis eine positive Einschätzung der Liquiditätssituation seines Landes vornimmt.

Zusatzfrage: Entspricht das denn aus Ihrer Sicht den Tatsachen?

Jäger: Das kann ich Ihnen hier nicht sagen.

Zusatzfrage: Zur Frage nach der Versicherung, dass Griechenland seine Schulden zurückzahlen werde: Gehen Sie davon aus?

Jäger: Das entspricht zumindest der Erklärung, die in der Eurogruppe am 20. Februar vereinbart wurde, wo Griechenland exakt das zugesichert hat.

Zusatzfrage: Am Wochenende gab es eine heftige Berichterstattung über eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit. Dafür haben Sie keine Anzeichen?

Jäger: Diese Dinge kommentieren wir nicht.

Frage: Herr Jäger, mich würde zum einen interessieren, was dafür verantwortlich war, dass der Bundesfinanzminister seine Diktion geändert hat. Wenn er früher gefragt wurde, ob er einen "Grexit" ausschließt, hat er immer in Abrede gestellt, dass man überhaupt über dieses Thema sprechen wollte und hat eine Antwort darauf vermieden. Inzwischen sagt er - zum Beispiel im ORF - ganz deutlich, dass so etwas bei entsprechendem Handeln oder Nicht-Handeln der griechischen Regierung nicht ausgeschlossen werden kann. Was ist dazwischen passiert, das den Minister zu dieser, wie ich finde, Änderung geführt hat?

Mich würde zum Zweiten interessieren, ob die Bundeskanzlerin diese Diktion, die der Bundesfinanzminister am Wochenende und unmittelbar vor dem Wochenende betrieben hat, vollkommen mitträgt, also zu sagen, dass ein ungewollter "Grexit" durchaus nicht ausgeschlossen ist, wenn nichts passiert.

StS Seibert: Für die Bundeskanzlerin gilt unverändert - es gibt dabei überhaupt keinen Unterschied zwischen Bundesfinanzministerium und Bundeskanzlerin -, dass wir das politische Ziel haben, Griechenland in der Eurozone zu behalten. Dafür arbeitet die Bundesregierung seit Beginn der Krise, und diese Arbeit setzt sie fort.

Zusatzfrage: Das Ziel ist das eine. Das Leben ist manchmal anders, man erreicht nicht immer seine Ziele. Noch einmal die Frage: Teilt die Bundesregierung diese Diktion, die der Bundesfinanzminister seit dem Wochenende benutzt?

Jäger: Ich wüsste jetzt nicht, was ich dem, was Herr Seibert eben sagte, noch hinzuzufügen hätte.

Im Übrigen kann ich auch nicht erkennen, dass es eine neue Diktion gäbe. Herr Seibert hat eben die Position der Bundesregierung in dieser Frage umschrieben. Die Äußerung in Wien ist im Kontext einer Diskussion so gefallen, wie sie gefallen ist. Da gibt es nichts zu interpretieren oder zurückzunehmen. Sie steht so, wie sie steht.

Manchmal frage ich mich: Bin ich jetzt Pressesprecher oder Gebetsmühle? Wir haben die Position der Bundesregierung bezüglich Griechenland hier schon so oft dargestellt. Sie ist immer gleich. Ich kann sie noch einmal wiederholen. Ich glaube aber, das ersparen wir uns jetzt.

Zusatzfrage: Darf ich noch einmal nachfragen: Es steht so, wie es steht, sagen Sie. Ich glaube, es gibt viele Kollegen, die die Erfahrung gemacht haben, dass genau die Frage, die in Österreich gestellt worden ist, dem Minister schon Hunderte von Male gestellt worden ist und der Minister immer in großer Formulierungsstärke einen Weg gefunden hat, irgendeine Antwort darauf zu vermeiden. Plötzlich vermeidet er diese Antwort nicht mehr und sagt "Das kann nicht ausgeschlossen werden". Das ist doch eine Änderung, also etwas anderes als das, was Sie sagen.

Herr Seibert, das Darstellen eines Wollens ist doch keine Antwort auf die Frage, ob die Bundeskanzlerin diese Formulierung auch teilt, dass, wenn die Dinge schlecht laufen, dieser "Grexit" nicht ausgeschlossen werden kann.

StS Seibert: Ich kann Ihnen nur das sagen, was die absolut geteilte und einmütige Meinung der Bundesregierung und was das Ziel unserer Arbeit ist. Das habe ich gesagt.

Ansonsten kann ich nur noch einmal an die zentrale Aufgabe erinnern, die im Augenblick vor Griechenland und seinen europäischen Partnern steht. Es gilt, das laufende und nun schon zweimal verlängerte Hilfsprogramm für Griechenland erfolgreich abzuschließen. Dieser erfolgreiche Abschluss ist Voraussetzung für die Auszahlung weiterer Gelder. Der Weg dazu ist klar in der Vereinbarung vom 20. Februar niedergelegt. Griechenland hat sich darin zu verschiedenen Schritten verpflichtet, und darüber ist Griechenland zurzeit im Gespräch mit den Experten der Troika. Darauf konzentrieren wir uns, und darauf sollte auch alle Energie der griechischen Regierung gerichtet werden.

Frage: Herr Jäger, tritt denn der griechische Finanzminister in internen Beratungen oder in anderen Beratungen auch so kreidig auf, wie er gestern im Fernsehen bei Herrn Jauch aufgetreten ist oder war das für Sie als Nutzer eine neue Qualität? Haben wir einen neuen griechischen Finanzminister erlebt oder tritt er immer so freundlich und nett auf, dass er zum Beispiel von "Herrn Schäuble" spricht und ihn über den grünen Klee lobt? Ist das Usus bei dem neuen Finanzminister aus Athen oder eine neue Linie?

Jäger: Sie wissen, dass wir hier keine Haltungsnoten vergeben. Es ist auch Ihre Sache, solche Dinge zu bewerten und einzusortieren.

Ich kann nur noch einmal wiederholen, was mein Minister schon bei verschiedenen Gelegenheiten gesagt hat: Im persönlichen Umgang miteinander haben die beiden Finanzminister ein sehr respektvolles Verhältnis. Sie haben schon eine Reihe von Gesprächen geführt und man lernt sich darüber natürlich auch kennen. Wenn es auch Unterschiede in der Sache gibt - und die gibt es offenkundig -, so ist das persönliche Verhältnis der beiden davon völlig unberührt.

Frage: Der "Spiegel" hat letzten Samstag berichtet, dass die deutsche Regierung die zyprische Lösung für Griechenland untersucht, das heißt, die Notkredite einzustellen, um die griechische Regierung dem Diktat der Gläubiger zu unterwerfen. Ist daran etwas?

StS Seibert: Das Vorgehen bei dieser Krisenbewältigung in den einzelnen Mitgliedstaaten ist im Rahmen der allgemeinen Regeln, die wir vereinbart haben - zum Beispiel im Rahmen des EFSF- und ESM-Vertrags -, natürlich stets unter Berücksichtigung der spezifischen Herausforderungen und der spezifischen Situation in dem jeweiligen Mitgliedstaat erfolgt. Insofern führen Spekulationen über Parallelen zwischen dem einen und dem anderen Land einfach nicht weiter.

Jäger: Ich darf vielleicht ergänzen: Herr Chilas, eine solche Entscheidung würde allein der EZB obliegen. Sie wissen, die EZB agiert in ihrem Handeln völlig unabhängig und untersteht keinesfalls den Weisungen der Mitgliedstaaten.

Frage: Wenn Sie, Herr Seibert, sagen, dass die Regierung absolut einer Meinung ist, heißt das, dass die Bundeskanzlerin einen "Grexit", auch als Unfall, nicht mehr ausschließt?

Herr Jäger, abgesehen von den Komplimenten von Herrn Varoufakis an diesem Wochenende haben wir auch andere Töne aus Griechenland bezüglich des Bundesfinanzministers gehört. Der Verteidigungsminister hat Herrn Schäuble "psychologische Kriegsführung" gegen Griechenland vorgeworfen. Betreibt Herr Schäuble eine psychologische Kriegsführung gegen Griechenland?

Jäger: Nein, das ist Unfug. Das wissen Sie.

Im Übrigen nehmen wir solche Äußerungen zur Kenntnis, aber wir kommentieren sie nicht.

StS Seibert: Ich habe Ihnen das politische Ziel der Bundesregierung zum wiederholten Mal gesagt. Es gibt keine Veränderung. An Spekulationen beteilige ich mich nicht.

Zusatzfrage : Aber dann - ich weiß nicht, wer mir darauf eine Antwort geben kann - heißt das, dass sich der Bundesfinanzminister an Spekulationen beteiligt, wenn er einen "Grexit", auch als Unfall, nicht ausschließt.

Jäger: Was soll ich jetzt noch hinzufügen?

Zusatzfrage: Ob sich der Bundesfinanzminister an Spekulationen beteiligt. Ja oder Nein?

Jäger: Nein. Der Bundesfinanzminister beteiligt sich nicht an Spekulationen, aber gelegentlich an Diskussionen. Exakt das war der Fall, als er in Wien war. Dem ist ansonsten nichts hinzuzufügen.

Frage: Herr Seibert, Sie sagen, dass das Ziel ist, Griechenland im Euroraum zu halten. Gleichzeitig sagt der Bundesfinanzminister, dass ein "Grexit" nicht mehr ausgeschlossen werden kann. Da sehe ich einen gewissen Widerspruch, weil durch die Äußerungen des Bundesfinanzministers dieser Finanzabfluss gerade gefördert wird. Gibt es diesen Widerspruch oder wie erklären Sie sich das?

StS Seibert: Ich bleibe jetzt dabei - und ich glaube, das ist nicht nur in dieser Regierungspressekonferenz, sondern in Dutzenden Regierungspressekonferenzen über die letzten Monate klar geworden -: Die Bundeskanzlerin, der Bundesfinanzminister, die Bundesregierung zieht an einem Strang und ist der einen, gleichen Meinung, dass es sich lohnt und dass es richtig ist, weiterhin für die Beteiligung Griechenlands im Euroraum zu arbeiten. Das ist unser politisches Ziel, es gibt da keine Veränderungen. Ich möchte das aber nicht jedes Mal wiederholen müssen. Es gibt keine Veränderung unseres politischen Arbeitens.

Frage: Eine weitere Publikation meldete vorige Woche, die Bundesregierung plane eine Initiative in Sachen Griechenland, die über den Beschluss der Eurogruppe hinausgehe. Ist etwas daran?

StS Seibert: Ich weiß ehrlich gesagt nicht, worauf Sie anspielen. Für uns zählt - wie für alle Eurozonenpartner Griechenlands - das, was am 20. Februar gemeinsam beschlossen und schriftlich niedergelegt wurde und was jetzt umgesetzt werden muss.

Zusatzfrage: Es geht um die Publikation "Börse Inside". Dort wird ausführlich berichtet, dass die Bundesregierung beziehungsweise die Kanzlerin eine neue Initiative in Bezug auf Griechenland vorbereite.

StS Seibert: Ich kann meine Aussage jetzt nur wiederholen.

Frage: Eine Frage zur Düsseldorfer Hypothekenbank: Ist das jetzt ein Einzelfall oder erwarten Sie, dass im Zuge der österreichischen Hypo Alpe Adria eventuell noch andere Banken ins Straucheln geraten und aufgefangen werden müssen?

Jäger: Eine solche Entwicklung sehe ich nicht. Wir begrüßen, was diesen Einzelfall angeht, dass die privaten Banken in Deutschland in enger Abstimmung mit der Bankenaufsichtsbehörde, der BaFin, der Deutschen Bundesbank und der Abwicklungsbehörde FMSA eine privatwirtschaftliche Lösung gefunden haben, um einen Zahlungsengpass bei der Düsseldorfer Hypothekenbank aufgrund der Entscheidung der österreichischen Behörden im Kontext der HETA zu vermeiden. BaFin und FMSA waren über das Wochenende jederzeit bereit, Krisenmaßnahmen nach dem Bankenaufsichtsrecht beziehungsweise gegebenenfalls dem neuen Sanierungs- und Abwicklungsrecht zu ergreifen. Das ist jetzt gar nicht erforderlich, insofern ist das eine positive Entwicklung.

Selbstverständlich werden die BaFin und die Bundesbank weiterhin analysieren, welches die möglichen Auswirkungen der Entscheidung der österreichischen Abwicklungsbehörde FMA im Zusammenhang mit der Abwicklung der HETA sein können. Aber noch einmal: Ich denke, wir haben es hier mit einem Einzelfall zu tun, der von den privaten Banken in Deutschland in überzeugender Weise über das Wochenende gelöst wurde.

Frage: Herr Seibert, zur Einladung an den ägyptischen Präsidenten al-Sisi. Erstens: Warum wurde er eingeladen? Die Grünen finden das ja nicht so toll. Können Sie die Kritik der Grünen verstehen? Zweitens: Hat ihn eigentlich Gabriel eingeladen und Merkel jetzt im Nachklapp, oder ist Gabriel da in Merkels Auftrag unterwegs gewesen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin hatte den ägyptischen Präsidenten al-Sisi schon im September des vergangenen Jahres in einem Telefonat, das sie damals mit ihm geführt hat, eingeladen. Das hatten wir damals auch öffentlich gemacht. Sie hatte dabei tatsächlich auf die Parlamentswahlen in Ägypten hingewiesen. Nun wurden die Wahlen inzwischen aufgrund eines Gerichtsurteils verschoben. In Anbetracht der Situation des Landes und vor allem auch der Region - diverse Krisenherde, eine prekäre Situation in der Region - hält die Bundesregierung es für wichtig, das Gespräch mit dem ägyptischen Präsidenten nicht weiter zu verschieben. Das ist der Hintergrund der Einladung der Bundeskanzlerin, die Minister Gabriel Herrn al-Sisi überbracht hat.

Zusatzfrage : Und dass das Ganze jetzt auf einem Wirtschaftsforum stattfand, wo unter anderem Siemens Aufträge an Bord geholt hat, ist jetzt einfach so gelaufen, es gab also keine Möglichkeit, das vielleicht zu anderem Anlass zu tun?

StS Seibert: Wie ich Ihnen gesagt habe, ist die ursprüngliche Einladung an den Staatspräsidenten im September des vergangenen Jahres ergangen.

Zusatzfrage : War es Ihnen wichtig, das jetzt zu tun, oder wäre es angesichts der Verschiebung der Wahlen und der Umstände nicht vielleicht auch ein Zeichen gewesen, zu sagen: Wenn man es in Ägypten nicht schafft, stabilere Zustände herzustellen, dann schiebt man das noch ein bisschen weiter?

StS Seibert: Ich habe gerade ja gesagt, dass es die Einschätzung der Bundesregierung war, dass das Gespräch jetzt nicht verschoben werden sollte und es deswegen richtig wäre, die Einladung jetzt noch einmal auszusprechen. Das schließt ja nicht aus, dass dann auch alle schwierigen Themen zur Sprache kommen werden, wenn der Staatspräsident nach Deutschland kommt.

Frage: Frau Alemany, was ist der Stand der Dinge im Hinblick auf die Schadensersatzklage von Rheinmetall gegen die Bundesregierung wegen des gestoppten Baus eines Gefechtszentrums in Russland? Gibt es ein Volumen, das von Rheinmetall hinsichtlich des Schadensersatzes genannt wird? Wie geht es da weiter?

Alemany: Zu Inhalten und Schadensersatzhöhen kann ich Ihnen keine Informationen geben. Ich kann aber bestätigen, dass ein Antrag auf Entschädigung von Rheinmetall an das BAFA gestellt wurde. Der wird derzeit geprüft.

Zusatzfrage : Wann ist das passiert?

Alemany: Im Februar.

Frage : Herr Schäfer, der US-Außenminister hat gestern Bereitschaft zu Gesprächen mit der Assad-Regierung signalisiert. Wie steht es mit der deutschen Gesprächsbereitschaft?

Schäfer: Unser Eindruck ist, dass die Äußerungen des amerikanischen Außenministers, anders als das von manchen journalistischen Beobachtern und Nachrichtenagenturen berichtet wird, eigentlich gar nicht anders als bisher gewesen sind. Vielleicht macht es Sinn, dass man sich hernimmt, was der amerikanische Außenminister gestern Morgen in dem Fernsehinterview gesagt hat. Ich erlaube mir, das einfach einmal auf Englisch vorzulesen, in der Hoffnung, dass die allermeisten von Ihnen - oder alle - das auch verstehen - ansonsten bin ich gerne bereit, das in dem entscheidenden Punkt ins Deutsche zu übersetzen. Er sagte:

"Negotiations are important because everybody agrees there is no military solution; there's only a political solution. But to get the Assad regime to negotiate, we're going to have to make it clear to him that there is a determination by everybody to seek that political outcome and change his calculation about negotiating. That's underway right now."

Dann kam noch die Nachfrage: Sind Sie bereit, mit Herrn Assad zu verhandeln? Dazu sagt John Kerry:

"We have to negotiate in the end. And what we're pushing for is to get [Assad] to come and do that, and it may require that there be increased pressure on him of various kinds in order to do that. We've made it very clear to people that we are looking at increased steps that can help bring about that pressure."

Das ist eine Haltung, wie sie nach unserem Verständnis bereits zuvor - vor den Äußerungen des amerikanischen Außenministers - die amerikanische Position im Syrien-Konflikt gewesen ist. Die unterscheidet sich in keiner Weise von der Haltung der Bundesregierung. Wir sehen es genauso wie die amerikanische Regierung, dass es sicherlich keine militärische Lösung in Syrien gibt, sondern nur eine politische. Diese Lösung setzt voraus, dass es Verhandlungen zwischen der Opposition und der Regierung gibt. Das ist mehrfach versucht worden, zuerst in Genf und dann in Montreux, aber das ist bedauerlicherweise gescheitert. Es gibt jetzt bereits Gespräche, die der Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen, Herr de Mistura mit Assad - mit seinem Regime, aber auch mit ihm persönlich - führt. Das unterstützen wir.

Was dann letztlich als Ergebnis solcher Verhandlungen herauskommen mag, entscheiden die Menschen in Syrien. Das ist das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses; das ist nicht etwas, was von uns bestimmt wird.

Zusatzfrage: Nun ist Herr Assad trotzdem schon seit vier Jahren an der Macht, der Krieg hat daran nichts geändert. Sehen Sie jetzt eine neue Situation, in der man sagen würde: Vielleicht wäre es doch sinnvoller, direkte Gespräche mit ihm zu führen?

Schäfer: Die Situation ist entsetzlich. Auch wenn der Fokus der Öffentlichkeit - zumindest in Deutschland, oder sagen wir im Westen - in den letzten Wochen nicht auf die schreckliche militärische und humanitäre Lage in Syrien gerichtet gewesen ist, so setzt sich das Sterben fort, so sind weiter mehr als 10 Millionen Menschen auf der Flucht und so verschlimmert sich das Leid all derjenigen, die unter diesen Bürgerkriegsauseinandersetzungen zu leiden haben. Die Bilder, die wir aus Syrien sehen müssen, sind unerträglich; gleichwohl gibt es leider keine schnelle Lösung. Das sehen unsere Partner in Washington so - darüber haben Herr Steinmeier und John Kerry im Übrigen auch letzten Mittwochabend intensiv miteinander gesprochen -, das sehen im Grunde aber auch alle unsere Partner so.

Es bleibt dabei - ich hatte Ihnen das Zitat von John Kerry ja gerade vorgelesen -: Es ist das Ziel unserer Bemühungen, den Druck auf das Assad-Regime zu erhöhen, damit auf diese Art und Weise ein Zwang für das Assad-Regime besteht, in wirkliche, ernsthafte Verhandlungen über die Zukunft Syriens einzutreten und nicht einfach darauf zu beharren, diesen kriegerischen Konflikt weiter zu betreiben.

Frage: Ich möchte noch eine nachträgliche Frage zu Griechenland stellen: Herr Varoufakis hat immer wieder betont, dass die Reparationsfrage vor allem eine moralische Frage sei. Er hat gemeint, dass diese Frage seitens der Deutschen auch durch einen Euro abgegolten werden könnte. Wäre die deutsche Regierung bereit, auf diesen Betrag einzugehen?

Jäger: Auch hier frage ich mich: Bin ich Pressesprecher oder bin ich Gebetsmühle? Die Position der Bundesregierung in dieser Frage ist hinlänglich bekannt und wir haben das hier schon sehr oft gesagt: Diese Frage ist für uns rechtlich wie politisch abgeschlossen. Dem ist auch heute nichts hinzuzufügen.

Montag, 16. März 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 16. März 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/03/2015-03-16-regpk.html;jsessionid=E11074343239052D54FFCE4C11B9881F.s3t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2015

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