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PRESSEKONFERENZ/964: Regierungspressekonferenz vom 30. März 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 30. März 2015
Regierungspressekonferenz vom 30. März 2015

Themen: Finanzielle Lage Griechenlands, Treffen der Bundesverteidigungsministerin mit ihren Amtskollegen aus Frankreich und Polen, Stilllegungsantrag zu den Blöcken 4 und 5 des Gaskraftwerks Irsching, Absturz eines deutschen Passagierflugzeugs in Südfrankreich, deutsch-französischer Ministerrat, Verhandlungen über iranisches Nuklearprogramm, Ukraine-Konflikt, Lage im Jemen

Sprecher: SRS'in Wirtz, Jäger (BMF), Fischer (AA), Roth (BMVg), Modes (BMWi), Zado (BMJV), Berve-Schucht (BMG), Rudolph (BMVI), Westhoff (BMAS), Plate (BMI), Mänz (BMZ),


Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Wirtz sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Frage : Ich würde gerne vom Finanzministerium wissen, wie dort der Kenntnisstand ist im Hinblick auf den Charakter der Vorschläge, die aus Griechenland gekommen sind. Ist das jetzt eine Reformliste, ist es keine?

Mich würde zum Zweiten interessieren, ob es inzwischen einen Termin für a) Staatssekretärsberatungen, b) Ministerberatungen der Eurogruppe zu Griechenland gibt.

Jäger: Ich fange mit der zweiten Frage an: Es gibt keinen Termin für eine Sitzung der Eurogruppe. Das hat auch damit zu tun, dass wir bis zu diesem Zeitpunkt keine griechischen Vorschläge vorliegen haben. Es sind in Brüssel über das Wochenende von der griechischen Seite offensichtlich Gespräche mit den Institutionen geführt worden. Gegenstand dieser Gespräche war - das ist, ehrlich gesagt, etwas schwer einzuschätzen - offensichtlich nicht eine offiziell unterbreitete umfassende Reformliste, sondern - ich tue mich jetzt wirklich schwer, das zu qualifizieren - erste Konkretisierungen, Überlegungen griechischerseits. Diese Gespräche gehen jetzt offenkundig weiter, und wir werden abwarten, bis die griechische Regierung offiziell ihre umfassende Reformliste vorlegen wird.

Zusatzfrage : Wenn die griechische Seite diese Reformliste vorlegt, erfahren Sie in diesem Verfahren zumindest gleich zu dem Zeitpunkt, an dem das an die Institutionen geht, dass eine solche Reformliste vorliegt, oder bekommen Sie davon erst im Zuge der Gespräche mit den Institutionen Kenntnis?

Jäger: Auch das ist nicht so einfach zu beantworten. Wir gehen jetzt davon aus, dass die griechische Seite den Institutionen zunächst eine offizielle Reformliste vorlegen wird, um dann - das ist der technische Schritt -, wie sonst auch, in Gespräche über ein sogenanntes Staff-Level Agreement einzutreten. Da geht es dann um die Umsetzung der Reformmaßnahmen. Im Zuge der Gespräche über ein Staff-Level Agreement würden dann auch die Mitgliedstaaten der Eurogruppe beteiligt werden. Das ist insbesondere für uns Deutsche wichtig, denn das wird dann auch der Zeitpunkt sein, an dem wir einzuschätzen haben, ob es sich bei diesem Staff-Level Agreement eins zu eins um eine technische Umsetzung des Programms und des Memorandums handelt oder ob wir etwa mit einer wesentlichen Programmänderung in diesem Kontext konfrontiert sind. Das ist deswegen wichtig, weil wir im Falle einer wesentlichen Programmänderung den Deutschen Bundestag zu befassen hätten, in dem Sinne, dass wir dann, bevor wir in eine Eurogruppensitzung gehen, das Plenum des Deutschen Bundestages befragen müssen.

Frage: Frau Wirtz, wenn ich mir das so anhöre: Was hat denn das Gespräch des griechischen Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin vor einer Woche jetzt faktisch gebracht und verbessert?

An Herrn Jäger die Frage: Mir ist nicht ganz klar, ob Ihr Minister das jetzt schon als Obstruktionsarbeit der griechischen Seite betrachtet oder ob er sich immer noch fassungslos über die Informationspolitik des Beamtenapparates in Griechenland zeigt, weil er in den letzten Tagen so auffallend schweigsam geworden ist.

SRS'in Wirtz: Ich möchte jetzt nicht irgendwelche Verbesserungen, Verschlechterungen nach dem Gespräch der Kanzlerin mit dem griechischen Ministerpräsidenten am vergangenen Montag interpretieren. Das Gespräch hat im Grunde noch einmal das niedergelegt und noch einmal das bekräftigt, was vorher auch schon die Regeln waren, die jetzt befolgt werden müssen, um Griechenland weiterhin zu unterstützen.

Das Verfahren kennen Sie; das Prozedere haben wir hier an dieser Stelle schon oft erläutert. Es ist das, worauf sich die Eurogruppe am 20. Februar verständigt hat. Der Mechanismus gilt nach wie vor. Daran konnte und sollte das Gespräch der Kanzlerin mit Herrn Tsipras am vergangenen Montag auch gar nichts ändern. Insofern war das Gespräch sicherlich wichtig, auch um direkt miteinander im Kontakt zu sein, aber an dem Verfahren, am Mechanismus hat es nichts geändert.

Zusatzfrage: Die Kanzlerin ist also nicht überrascht, dass der Grieche nichts liefert?

SRS'in Wirtz: Es ist jetzt keine Kategorie, dass die Kanzlerin überrascht oder nicht überrascht ist. Es ist Fakt, dass ein bestimmtes Verfahren verabredet worden ist. Die griechische Regierung ist jetzt sozusagen am Zug, diese Vorschläge wie verabredet auch vorzulegen.

Jäger: Ich kann, was das Verfahren angeht, nur unterstreichen, was Frau Wirtz eben sagte.

Was die von Ihnen erwähnte Gemütsverfassung meines Ministers angeht: Sie wissen, dass sein politisches Handeln immer von großer Gelassenheit geleitet ist. Insofern beobachten wir jetzt, was geschieht. Die Finanzminister haben im Augenblick keine aktive Rolle in dem Sinne, als wir auf griechische Vorschläge warten.

Das heißt, der Ball liegt jetzt im griechischen Spielfeld. Die griechische Seite ist aufgefordert, entsprechend der Erklärung der Finanzminister der Eurogruppe vom 20. Februar jetzt eine umfassende Reformliste vorzulegen. Nur eine solche vorgelegte Reformliste kann dann bewertet und in ein Staff-Level Agreement umgegossen werden. Solange diese Liste nicht vorliegt, gibt es von unserer Seite dazu auch nichts zu sagen.

Frage : Herr Jäger, ich bin da vielleicht einfach auch nicht Experte genug, aber ich versuche, das ein bisschen nachzuvollziehen. Ihr Haus hat hier vor einigen Tagen, inzwischen vielleicht auch schon Wochen, erklärt, dass erst dann etwas ausgezahlt würde, wenn die Reformen auch umgesetzt würden, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.

Jetzt frage ich mich natürlich: Wie läuft das jetzt zeitlich ab? Sie haben ja Erfahrungswerte aus der Vergangenheit, wie lange es dauert, bis ein solches Staff-Level Agreement usw. überhaupt erst mal existiert und dann diese Umsetzungsphase begonnen hat. Können Sie das ein bisschen präziser terminieren, wie lange diese Umsetzung dauern würde, bis dann tatsächlich eine Auszahlung an die Griechen gegebenenfalls erfolgen würde?

Jäger: Ich kann das gern etwas eingrenzen. Es ist in der Tat richtig, dass ein Staff-Level Agreement nicht einfach über Nacht aufs Papier geschrieben wird. Das sind komplizierte, sehr technische Gespräche, die ihre Zeit brauchen. Wie lange das im Einzelfall dauert, ist schlecht zu qualifizieren. Das hängt wiederum sehr davon ab, welcher Qualität die griechische Liste sein wird und inwieweit sie deckungsgleich ist mit den Elementen, die im Memorandum heute schon erwähnt sind. Dem kann ich nicht vorgreifen.

Was aber dann als nächster Schritt zwingend kommt, ist, dass es sich hier nicht um acht Absichtserklärungen handelt, sondern dass eine Auszahlung an eine Umsetzung gebunden ist. Das heißt, wir haben es hier nicht nur mit einem Prozess in Brüssel zu tun, sondern es würden dann auch Maßnahmen durch das Parlament in Athen verabschiedet werden müssen.

Zusatzfrage : Aus der Vergangenheit heraus, wie ist denn da die Erfahrung, wie lange es dauert, bis von diesen Vorgesprächen dieses Staff-Level Agreement als solches überhaupt erst mal existiert?

Jäger: Das kann man ganz schlecht verallgemeinern.

Zusatzfrage : Reden wir über Wochen oder über Monate?

Jäger: Nein. Wir reden über einen überschaubaren Zeitraum. Aber die letzten Wochen zeigen, dass wir uns hier eher mühselig vorwärtsbewegt haben. Insofern will ich dazu an dieser Stelle überhaupt gar keine Prognose abgeben.

Frage : Her Jäger, es wird ja immer gesagt, dass jetzt die Zeit drängt. Die Fortschritte, wie Sie sagen, sind sehr mühselig. Wird denn im Finanzministerium schon mal überlegt, wie man damit umgeht, wenn es jetzt nicht zu entsprechenden Ergebnissen kommt?

Jäger: Sie wissen, wir beschäftigen uns nicht mit hypothetischen Szenarien. Wir setzen uns mit Fakten auseinander. Das, was wir im Augenblick zu betrachten haben, sind die Gespräche in Brüssel. Im Kern geht es - ich habe es vorhin schon erwähnt - jetzt darum, dass wir darauf warten, dass die griechische Seite uns eine umfassende Liste an Reformmaßnahmen vorlegt, die dann mit den Institutionen und später in der Eurogruppe diskussionswürdig ist.

Zusatzfrage : So, wie der Stand der Verhandlungen ist, kann man ja schon nicht mehr von hypothetischen Fragen sprechen, sondern der Stand der Verhandlungen ist, dass sich nichts bewegt. Wenn sich das weiter so vollzieht, gibt es dafür eine Planung?

Jäger: Sie wissen, dass ein ordentliches Ministerium sich mit verschiedenen denkbaren Szenarien auseinandersetzt. Aber das bedeutet in keiner Weise, dass das in der aktuellen Situation politikleitend wäre. Insofern beschränken wir uns jetzt wirklich ausschließlich darauf, uns mit der Situation, wie sie in Brüssel gegeben ist, auseinanderzusetzen. Wir verfolgen das aufmerksam, aber der Ball ist und bleibt im Spielfeld der griechischen Seite. Wir hoffen, dass zeitnah eine umfassende Liste mit Reformmaßnahmen vorgelegt werden wird.

Frage: Frau Wirtz, der Staatssekretär im griechischen Finanzministerium hat heute gesagt, dass Frau Merkel noch einmal Rentenkürzungen von Herrn Tsipras gefordert habe. Haben Sie dazu einen Kommentar?

SRS'in Wirtz: Nein, dazu habe ich keinen Kommentar. Es obliegt der griechischen Regierung, die Reformvorschläge zu machen, die jetzt anstehen und auf die hier auch im Saal gewartet wird. In diesem Rahmen ist das auch zu verstehen.

Frage : Ich möchte zunächst das Finanzministerium und vielleicht auch das Außenministerium fragen, ob man eine Position hat zu offenbar wieder stärkeren Bemühungen Griechenlands, sei es mit Russland, sei es mit China irgendwelche Erleichterungen, Hilfen auszuhandeln, die die Situation lindern könnten.

Jäger: Ich will das nicht kommentieren.

Fischer: Dem schließe ich mich an. Fakt ist doch, dass die Europartner Griechenlands und auch die weiteren Institutionen gemeinsam mit Griechenland sehr bemüht sind, einen ordnungsgemäßen Abschluss des laufenden Hilfsprogramms hinzubekommen. Das ist das, worauf wir uns alle konzentrieren.

Frage : Herr Jäger, Sie haben eben gesagt, dass Sie sich nicht mit hypothetischen Szenarien beschäftigen wollen, allerdings mit verschiedenen realistischen. Jetzt würde ich doch gerne wissen, welche realistischen das sind.

Jäger: Ich denke, wir reden hier im Augenblick über die Umsetzung und den erfolgreichen Abschluss eines laufenden Hilfsprogramms. Dabei wollen wir es auch bewenden lassen. Es ist unsere ernste Absicht, dieses Programm gemeinsam mit der griechischen Seite zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

Frage: Eine Frage an Herrn Jäger: Würde der Ausstieg Griechenlands das Finanzministerium denn völlig unvorbereitet treffen? Wenn das nicht der Fall ist, inwieweit wäre man denn vorbereitet?

Jäger: Sie kennen meine Antwort schon, aber ich gebe sie Ihnen gern noch einmal: Wir äußern uns hier nicht zu spekulativen Szenarien.

Frage: Eine Frage an das Verteidigungsministerium: Ich würde ganz gerne wissen, was heute Abend von dem Treffen der Ministerin mit den Amtskollegen aus Frankreich und Polen zu erwarten ist, was Sie dazu schon sagen können.

Roth: Wie Sie schon gesagt haben: Die Ministerin trifft heute ihre Amtskollegen aus Polen und aus Frankreich im Format "Weimarer Dreieck". Ich will dem Treffen und dem, was sie dort dann zu verkünden haben, nicht vorweggreifen, aber ich kann Ihnen sagen, dass es um eine Fortentwicklung der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU geht. Insofern würde ich einfach sagen: Warten wir den heutigen Abend ab.

Zusatzfrage: Drei Minister, die sich da zusammentun und einen Brief formulieren, das könnte ja auch bedeuten, dass man mit dem, was bislang aus Brüssel kommt, nicht zufrieden ist. Wie viel Kritik wird da kommen?

Roth: Es geht hier um eine Fortentwicklung, wie ich es gerade gesagt habe. Insofern bleibe ich dabei: Warten Sie den heutigen Abend ab.

Zusatzfrage: Gemeinsames Drohnenprogramm?

Roth: Ich kann Ihnen nur sagen: Warten Sie ab, und dann werden Sie sehen, was dort entsprechend verkündet wird.

Frage : Ich habe eine Frage ans Wirtschaftsministerium. Frau Modes, um 11 Uhr hat E.ON zusammen mit den Miteigentümern der Gaskraftwerke Irsching 4 und 5 einen Stilllegungsantrag eingereicht. Ich würde gern wissen, welche Reaktionen im Bundeswirtschaftsministerium es dazu gibt und wie Sie das Vorgehen bewerten.

Modes: Ich gehe davon aus, dass der Antrag bei der Bundesnetzagentur eingereicht wurde. Es wird jetzt von der Bundesnetzagentur geprüft, ob es zu einer Stilllegung kommen kann oder ob es für die Reserve notwendig ist, dass ein weiterer Betrieb gewährleistet wird. Das muss man jetzt abwarten.

Zusatzfrage : Wie bewerten Sie dieses Vorgehen? Ist es aus Ihrer Sicht ein taktisches Vorgehen?

Modes: Wir bewerten das nicht. Das Unternehmen reicht den Antrag ein. Das ist eine Entscheidung des Unternehmens. Es wird jetzt geprüft, ob es für die Versorgungssicherheit weiterhin relevant ist oder nicht.

Frage : Hat denn Ihr Ministerium vorab von den Betreibern in irgendeiner Weise eine Information bekommen, dass man dabei ist, diesen Antrag zu stellen?

Modes: Es ist mir nicht bekannt, dass wir im Vorfeld informiert worden wären.

Frage : Frau Modes, das finde ich jetzt ein bisschen irritierend, und zwar insofern, als dass die angedrohte Abschaltung beziehungsweise die Stilllegung für Irsching 4 und 5 ja schon seit, ich meine, mindestens zwei Wochen im Raume steht, also in gewisser Weise vorangekündigt ist. Da muss sich doch Ihr Haus bereits eine Meinung gebildet haben, wie das zu bewerten wäre und ob das Rückwirkungen auf die Pläne hat.

Modes: Wie gesagt, es muss genau geprüft werden, ob das Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit hat. Diese Prüfung läuft über die Bundesnetzagentur. Es gab bisher keinen Antrag. Deswegen konnte da bisher auch noch keine Prüfung laufen.

Zusatzfrage : Nun ist es aber doch so, dass das Finanzministerium auch jederzeit realistische andere Szenarien immer mitbedenkt. Ich gehe davon aus, dass das in Ihrem Hause auch getan wird, dass realistische Szenarien mitbedacht werden. Insofern würde mich dann doch interessieren, ob die vom Betreiber angestrebte Abschaltung von Irsching 4 und 5 in Ihrem Hause bereits diskutiert wurde und was daraus das Fazit war.

Modes: Ich kann nur noch einmal wiederholen: Die Aufgabe der Prüfung liegt bei der Bundesnetzagentur. Die gilt es abzuwarten. Es gab bisher keinen Antrag. Deswegen hat im Wirtschaftsministerium auch keine Prüfung stattgefunden.

Frage : Ich würde gerne nachfragen, wahrscheinlich das Justizministerium, ob man sich im Zusammenhang mit dem Flugzeugabsturz damit beschäftigt, ob es notwendig ist, irgendwelche Änderungen im Hinblick auf die ärztliche Schweigepflicht bei bestimmten Erkrankungen für besonders sensible Berufsgruppen vorzunehmen. Ist das überhaupt eine Sache, die Sache des Bundesjustizministers wäre, oder wo müsste das gegebenenfalls überlegt werden?

Zado: In der Zuständigkeit des Justizministeriums liegt insofern nur das Strafrecht. In 203 StGB ist geregelt, dass ein Verstoß gegen eine Schweigepflicht sanktioniert werden soll, bestraft werden kann. Wie diese Schweigepflicht ausgestaltet ist, welche Ausnahmen es davon gibt, ist keine strafrechtliche Sache oder keine Sache, die sonst in unserem Zuständigkeitsbereich liegt. Das wäre, glaube ich, eher im BMG zu erfragen.

Berve-Schucht: Zur ärztlichen Schweigepflicht ist zu sagen: Das ist einmal, wie schon erwähnt, in § 203 StGB verankert, außerdem in der Berufsordnung der Ärzte. Das ist Standesrecht. Aufgrund des Standesrechts und auch des Strafgesetzbuches besteht die ärztliche Schweigepflicht gegenüber jedermann, auch gegenüber staatlichen Stellen. Sie gilt auch über den Tod des Patienten hinaus.

Es ist jetzt schon so - das ist auch in der Berufsordnung in Bezug auf die ärztliche Schweigepflicht so vorgesehen -, dass eine Durchbrechung der Schweigepflicht gerechtfertigt und auch angezeigt sein kann, wenn nicht auf anderem Wege eine Gefahr für ein höherwertiges Rechtsgut abgewendet werden kann. Das heißt, dass eine Ärztin oder ein Arzt in offensichtlichen Fällen einer drohenden Straftat für sich abwägen muss, ob er oder sie die ärztliche Schweigepflicht durchbricht, um Leben, Gesundheit oder ähnliche Rechtsgüter zu schützen. Das ist die Rechtslage, wie sie jetzt grundsätzlich ist.

Zur Berufsordnung der Ärzte kann man noch sagen: Von der Bundesärztekammer, vom Ärztetag wird eine sogenannte Muster-Berufsordnung erlassen. In 9 ist die ärztliche Schweigepflicht geregelt. Die Berufsordnung der Ärzte wird dann von den jeweiligen Ärztekammern der Länder noch einmal beschlossen und gewinnt damit Rechtswirkung als Satzung und untersteht den zuständigen Aufsichtsbehörden der Länder. Die Landesärztekammern beschließen die Berufsordnung der Ärzte und damit erhält sie Rechtswirkung.

Zusatzfrage : Meine Frage ist: Wer hat denn das Initiativrecht, wenn man daran etwas ändern will?

Wenn ich das richtig verstehe, ist es im Moment dem Arzt überlassen, abzuwägen, ob er seine Schweigepflicht durchbricht, um Schaden an höherwertigen Rechtsgütern abzuwenden. Wenn bei einer sensiblen Berufsgruppe wie einem Piloten jetzt nicht eine Straftat, also ein Schaden, ansteht, sondern eine allgemeine Gefährdung, meinetwegen von Passagieren, durch die Ausübung des Berufes, ist das im Moment auch abgedeckt? Kann ein Arzt auch dann schon seine Schweigepflicht durchbrechen?

Wenn man das fest regeln will, könnte der Bund eine Initiative unternehmen, um diesen Tatbestand einer Gefährdung höherwertiger Güter bei Ausübung des Berufes zu regeln? Könnte der Bund diese Initiative von sich aus übernehmen, oder ist er dazu nicht befugt?

Berve-Schucht: Soweit es die Berufsordnung der Ärzte angeht, ist das Sache des Berufsstandes, der Selbstverwaltung. Das ist ja eine juristische Frage. Das kann ich jetzt nicht bewerten.

Vorsitzender Leifert: Kann das Justizministerium da Aufklärung geben?

Zado: Soweit es um strafrechtliche Regelungen geht - - Ich weiß nicht, worauf sich Ihre Frage genau bezog.

Zusatzfrage : Ich kann es ganz konkret machen. Es bezieht sich ja nicht auf etwas Strafrechtliches, sondern wir haben einen Fall, in dem bei einem Patienten offenbar krankheitsbedingte Beeinträchtigungen vorgegeben waren und der Arbeitgeber, die zuständige Airline, alle sagen: Wir wussten davon nichts.

Meine Frage ist ganz konkret: Wäre es durch die aktuelle Rechtslage schon vertretbar, wenn ein behandelnder Arzt die Schweigepflicht durchbricht, weil mit der Ausübung des Berufes durch den Patienten Schäden, Beeinträchtigungen, Gefährdungen verbunden sind? Wenn das nicht abgedeckt ist: Könnte der Bund die Initiative ergreifen, um das entsprechend abzuändern?

Zado: Zum ersten Teil der Frage: Es ist, wie gesagt, nicht im Strafrecht geregelt, was die ärztliche Schweigepflicht beinhaltet, wie sie ausgestaltet ist, sondern nur die Folgen eines Verstoßes gegen die ärztliche Schweigepflicht sind in § 203 geregelt.

Es gibt natürlich Ausnahmen. Ich kann jetzt nicht so einen hypothetischen Fall bewerten, wie Sie das gerade gemacht haben. Es ist erstens hier nicht üblich und zweitens auch nicht sinnvoll, weil es immer auf die Umstände des Einzelfalls ankommt.

Ich kann Ihnen aber natürlich sagen, dass es ganz allgemein Ausnahmen von der Strafverfolgung nach einem Tatbestand wie § 203 StGB gibt - Ausnahmen, die auch für alle anderen Straftatbestände gelten. Es ist zum einen so etwas denkbar wie § 138 StGB, die Nichtanzeige einer geplanten Straftat. Sollte also jemand erfahren, dass eine konkrete Straftat geplant ist, dann muss er das anzeigen. Das gilt natürlich auch in diesem Fall.

Es gibt darüber hinaus den gesetzlichen Notstand nach § 34 StGB. Wenn eine nicht anders abwendbare konkrete Gefahr droht, dann ist natürlich auch in diesem Fall eine Alarmierung der Behörden dem einfachen Laufenlassen vorzuziehen, um es mal untechnisch zu formulieren.

Der zweite Teil Ihrer Frage betrifft eher die Ausgestaltung der beruflichen Schweigepflicht. Das ist nichts, was im StGB geregelt ist. Insofern kann ich nur sagen, dass jedenfalls nicht wir ein Initiativrecht dazu hätten.

Zusatzfrage : Vielleicht können ja die zuständigen Ministerien das nachliefern. Das scheint mir eine etwas unklare Situation zu sein. Ich verstehe das, was Sie gesagt haben, jedenfalls nicht unbedingt als Antwort auf meine Frage.

Daher ganz konkret die Frage und nicht hypothetisch, sondern auf den konkreten Unglücksfall bezogen: Wäre es abgedeckt, wenn ein Arzt, ein Psychiater des Kopiloten dieser Unglücksmaschine seine Schweigepflicht durchbricht, weil er Gefährdungen sieht?

Zum Zweiten: Hat der Bund die Möglichkeit, eine solche Klärung der Gesetzeslage von sich selbst aus zu initiieren?

SRS'in Wirtz: Vielleicht mal ganz grundsätzlich zu Ihrer ersten Frage: Wir können hier in der Regierungspressekonferenz natürlich jetzt nicht den konkreten Einzelfall bewerten. Wir können in dem konkreten Einzelfall sicherlich auch nicht sagen, ob in diesem spezifischen Fall die Schweigepflicht aufgehoben hätte werden können.

Was sicherlich möglich ist, ist, dass man noch mal die Rechtslage zusammenstellt. Es gibt in der Tat die Berufsordnungen, die von den Ländern als Musterverordnungen erlassen werden und die auch schon bestimmte Prinzipien festsetzen. Wenn dagegen verstoßen wird, ist das Strafrecht am Zug. Das kann man sicherlich noch einmal darstellen, aber diese konkrete Zuordnung können wir sicherlich nicht leisten.

Vorsitzender Leifert: Das heißt, offen bleibt noch die zweite Frage, die es zu beantworten gilt, ob der Bund eine Initiative ergreifen könnte, um zur Berufsordnung der Ärzte zumindest anzuregen, dass da über eine Änderung nachgedacht wird. Gibt es dieses Initiativrecht, oder gibt es das nicht? Hat der Bund eine Handlungsmöglichkeit? Dann klären wir das und reichen das über den Verteiler nach.

Frage : Eine Frage an das BMVg: Herr Roth, ich würde gern wissen, ob es dazu spezifische Regelungen für Piloten im Bereich der Bundeswehr gibt. Denn das ist ja auch nicht gerade ein risikoarmer Job. Es sind immerhin quasi Beamte. Gibt es für Angehörige der Bundeswehr, die Flugpersonal sind, dort spezifische Regelungen?

Roth: Sie meinen jetzt, was die Krankschreibung anbetrifft?

Zusatzfrage : Was die Krankschreibung und die Kenntnis beim Arbeitgeber usw. angeht.

Roth: Generell können Sie den militärischen Flugverkehr nicht mit dem zivilen und gewerblichen Luftverkehr vergleichen. Aber auch dort haben wir Regelungen. Bei uns ist es so: Wenn sich jemand krankschreiben lässt oder bei einem Arzt ist - wir haben ja bundeswehreigene Ärzte; gerade fliegerisches Personal hat eigene Fliegerärzte -, dann bekommt das der Vorgesetzte auch mit, weil er diese Krankschreibung bei seinem Vorgesetzten vorlegen muss. Dann sieht der Vorgesetzte auch, was der Arzt empfiehlt, zum Beispiel "darf nicht am Flugdienst teilnehmen" oder "ist für die nächsten drei Tage krankgeschrieben". Insofern sind unsere Vorgesetzten darüber informiert, was den Gesundheitszustand des fliegerischen Personals anbelangt.

Berve-Schucht: Zu der Frage von Herrn Heller in Sachen Standesrecht: Wie eben schon gesagt, das ist Standesrecht der Ärzte. Der Bund hat da per se kein Initiativrecht, einzugreifen und den Ärzten dort Vorgaben zu machen.

Frage: Eine Frage ans Verkehrsministerium: Wie viele Experten sind jetzt in Frankreich? An welchen Stellen, in Paris und in Marseille? Wie werten Sie die Wichtigkeit des eventuellen Fundes des zweiten Voice Recorders? Was bleibt offen, wenn er nie gefunden wird?

Rudolph: Zu Ihrer ersten Frage ist es so, dass ein Expertenteam der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung vor Ort an der Unglücksstelle ist und den französischen Kollegen, die bei der Geschichte den Hut aufhaben, zuarbeitet, mitarbeitet und an der Aufklärung der Hintergründe mitwirkt.

Zusätzlich ist ein Kollege der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung in Paris bei der Auswertung, Umschrift des Voice Recorders beteiligt.

Zu Ihrer zweiten Frage nach dem Motto "Was wäre nötig, wenn...?" verweise ich auf das, was der Minister gesagt hat:

"Abschließende Schlüsse kann man erst im Licht einer weiteren umfassenden Aufklärung des Unglücks und aller damit verbundener Sicherheitsaspekte ziehen. Erst der Blick auf die Gesamtumstände des Unglücks wird Aufklärung über weitere notwendigen Konsequenzen geben können. Wir stehen deswegen auch mit den Airlines und den beteiligten Organisationen in intensivem Kontakt."

Damit meint er unter anderem auch die Auswertung des Flugdatenschreibers, der noch nicht gefunden wurde.

Frage: Ich habe zwei Fragen zum morgigen deutsch-französischen Ministerrat:

Zum einen wurde eine Kooperation zwischen der Bundesagentur für Arbeit und ihrem französischen Pendant angekündigt. Könnten Sie uns im Vorfeld vielleicht ein paar Details verraten?

Zweitens an das Verkehrsministerium: Anscheinend wird Herr Dobrindt an dem Ministerrat nicht teilnehmen. Auf französischer Seite hieß es, Herr Dobrindt hätte andere Termine. Können Sie das bestätigen?

Westhoff: Viel werde ich dazu nicht sagen können. Erstens liegt der Termin ja noch in der Zukunft; daher kann ich dazu jetzt nicht im Einzelnen Stellung nehmen. Zweitens muss ich aber auch ganz ehrlich eingestehen, dass ich im Moment einfach nicht genau weiß, inwiefern da morgen eine Kooperation vereinbart wird. Im Zweifel ist das aber auch eine Frage, die die Bundesagentur für Arbeit noch viel besser, schneller und dezidierter beantworten kann, weil sie ja diese Kooperation auf operativer Ebene eingeht. Insofern ist das zwar eine Sache, die da morgen vielleicht Thema ist, aber faktisch geht es dann um die Kooperation, den Austausch von Erfahrungen und die Zusammenarbeit der jeweiligen Arbeitsverwaltungen, die ja spätestens seit der Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit in Europa auch sehr stark auf der eigenen Ebene miteinander in Kontakt stehen. Ich will aber gern versuchen, herauszubekommen, inwiefern das morgen Thema ist, und würde Ihnen das dann nachreichen.

Rudolph: Zu Ihrer Frage an uns: Nach derzeitigem Stand ist geplant, dass Minister Dobrindt am deutsch-französischen Ministerrat teilnimmt.

Jäger: Ich möchte die Gelegenheit nehmen, um darauf hinzuweisen, dass es morgen im Rahmen dieses deutsch-französischen Ministerrates auch ein Treffen der Finanzminister geben wird. Dort werden wir ein Zusatzabkommen zum Doppelbesteuerungsabkommen unterschreiben; das werden beide Minister morgen im Bundesfinanzministerium tun. Das bringt wesentliche Fortschritte für Rentner und Pensionäre, die in unseren beiden Staaten leben, und auch für Grenzgänger, und das wird die Besteuerung dieser beiden Personengruppen erheblich vereinfachen.

Frage : Herr Fischer, eine Frage zu den Nuklearverhandlungen mit dem Iran: Der Bundesaußenminister hat sich gestern zuversichtlich geäußert, dass es zu einer Einigung kommen könne; er sprach aber auch von einigen Hürden. Wie groß sind diese Hürden?

Eine technische Frage: Der Bundesaußenminister hat seine Reise nach Kasachstan heute abgesagt, um weiter an den Verhandlungen in Lausanne teilzunehmen. Würde er auch weiterhin vor Ort bleiben, wenn die Verhandlungen auch am Dienstag weiterlaufen sollten?

Frau Wirtz, es gab am Samstag anscheinend ein telefonisches Gespräch zwischen dem iranischen Präsidenten Rohani und der Bundeskanzlerin. Können Sie das bestätigen und vielleicht noch nähere Einzelheiten zu dem Gespräch mitteilen?

SRS'in Wirtz: Ich fange einmal an, weil das eine, glaube ich, das andere ganz gut ergänzt. - Richtig ist, dass die Bundeskanzlerin am Samstag mit dem iranischen Präsidenten Rohani telefoniert hat. Wie Sie sich denken können, ging es natürlich um die aktuell laufenden Verhandlungen und Gespräche in Lausanne. Deshalb möchte ich hier auch nicht Einzelheiten aus dem Gespräch widergeben, denn das spielt gerade natürlich auch in Lausanne eine Rolle. Insofern würde ich an dieser Stelle jetzt an Herrn Fischer abgeben.

Fischer: Sie wissen, dass der Außenminister seit Sonnabend in Lausanne ist. Die Verhandlungen waren zunächst bis Sonntag geplant. Es ist so, dass der Außenminister gemeinsam mit seinem französischen Kollegen, wie Sie das richtig dargestellt haben, gestern entschieden hat, die ursprünglich geplante Reise nach Kasachstan zu einer deutsch-französischen Botschafterkonferenz zu verschieben, um weiter vor Ort bleiben zu können. Mit Blick auf den deutsch-französischen Ministerrat kann ich nur sagen: Solange die Verhandlungen in Lausanne es erforderlich machen, vor Ort zu bleiben, bin ich mir sicher, dass die beiden Außenminister auch dort bleiben werden. Ich bin mir auch sicher, dass sie in enger Abstimmung gemeinsam entscheiden werden, wie sie da weiter vorgehen werden.

Vielleicht ein paar Worte zum Verhandlungsstand: Sie haben ja mitbekommen, dass es seit Samstag sehr intensive, umfassende Verhandlungen gegeben hat, die in den verschiedensten Formaten stattgefunden haben. Heute Morgen hat zum ersten Mal das Plenum getagt, das sich aus den Außenministern der E3+3 und des Iran zusammensetzt. Die Gespräche sind derzeit in einer kritischen Phase. Wie Sie wissen, hat es in den Verhandlungen durchaus Fortschritte gegeben - es hat jetzt in Lausanne auch ganz erhebliche Fortschritte gegeben -, aber es gibt weiterhin offene schwierige Fragen, die noch zu klären sind. Aufgrund dieses Umstands gab es während des Außenministerplenums auch einen durchaus sehr offenen Austausch zu den offenen Fragen. Das Plenum ist gegen 10.30 Uhr zu Ende gegangen, und seitdem tagen die Nuklearexperten und Politischen Direktoren erneut, um aus den Dingen, die beim Außenministertreffen herausgekommen sind, weitere Antworten zu formulieren. Ob das gelingt, werden wir sehen. Vielleicht ist es ganz wichtig, jetzt zu sagen, dass die Chancen auf eine Einigung seit Beginn der Verhandlungen noch nie so groß waren, wie sie jetzt gewesen sind, und es ist in Lausanne jetzt auch einiges erreicht worden. Aber, wie gesagt, einiges ist auch noch offen. Insofern ist es jetzt wichtig, diese letzten schwierigen offenen Fragen zu klären, damit sich das Zeitfenster für eine Lösung, das jetzt noch kurze Zeit geöffnet ist, nicht wieder schließt.

Zusatzfrage : Sind Sie weiterhin zuversichtlich, dass es bis Dienstagabend zu einer Einigung kommen kann?

Fischer: Ich habe ja schon gesagt, dass es in Lausanne bemerkenswerte Fortschritte gegeben hat, dass es aber durchaus auch noch kritische offene Fragen gibt, die zu klären sind. Es gilt ja auch bei diesen Verhandlungen - wie bei allen Verhandlungen - die alte Regel: Nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist. Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen, die Außenminister und die Hohe Beauftragte arbeiten jetzt vor Ort daran, diese letzten offenen Fragen zu klären, aber einfach ist es derzeit nicht.

Frage: Herr Fischer, Sie sagten gerade, dass die Chancen auf eine Einigung noch nie so gut wie jetzt "gewesen sind". Deshalb möchte ich dann doch einmal nachfragen: Wie beurteilen Sie die Chancen denn insgesamt aktuell? Sind sie schlechter als gestern?

Fischer: Ich habe gesagt, dass wir in bestimmten Bereichen Fortschritte erreicht haben - ich habe sie sogar als bemerkenswert qualifiziert -, dass es aber eben weiterhin schwierige offene Fragen gibt. Diese schwierigen offenen Fragen haben sich sozusagen in einer bestimmten Natur gestern gestellt; die Verhandlungen sind weitergegangen, und diese offenen Fragen stellen sich sozusagen in gewandelter Form auch heute noch. Wenn ich Ihnen sage, dass die Verhandlungen in einer kritischen Phase sind, können Sie wahrscheinlich Ihre Rückschlüsse daraus ziehen.

Frage: Herr Fischer, der israelische Premierminister Netanjahu hat die Verhandlungen in Lausanne als eine Gefahr für die Menschheit tituliert. Was ist Ihre Reaktion dazu?

Fischer: Es gibt ja schon seit Langem immer wieder Äußerungen von verschiedener Seite mit Blick auf die Verhandlungen. Aus unserer Sicht ist vollkommen klar, dass es nur eine Einigung geben kann, die glaubhaft, nachprüfbar und langfristig einen iranischen Weg zur Atombombe ausschließt. Das ist der einzige Maßstab, und daran wird derzeit in Lausanne von den E3+3-Außenministern gearbeitet.

Frage: Herr Fischer, Herr Steinmeier hat sich in Lausanne gestern besorgt geäußert über neue Kampfhandlungen in der Ostukraine. Besitzen Sie Erkenntnisse über eine neue Qualität, die wir noch nicht haben?

Außerdem: Geht aus der Presseerklärung ein bisschen ein neuer Ton gegenüber der Ukraine hervor, oder täuscht das?

Fischer: Zum einen fragen Sie nach den neuen Erkenntnissen. Der Außenminister hat sich ja auf den "spot report" der OSZE-Beobachtermission bezogen; das ist der "spot report" vom Samstag gewesen, der auch auf den Internetseiten der OSZE eingestellt ist. Dieser Report beschreibt die Situation vom vergangenen Freitag und spricht dabei von einer Zunahme der Kampfhandlungen, von "escalating fighting" und "shelling" vor allen Dingen in der Region um Shyrokyne. Das war der Anlass der Sorge des Außenministers, die dazu geführt hat, dass er sich geäußert hat und beide Seiten - die Separatisten, aber auch die ukrainischen Sicherheitskräfte - sehr eindringlich aufgerufen hat, sich jetzt an die Buchstaben und den Geist der Vereinbarungen von Minsk zu halten und den Beschuss der jeweils gegnerischen Seite umgehend einzustellen.

Darüber hinaus ist wichtig ist, dass wir jetzt sozusagen auch beim politischen Prozess am Ball bleiben. Wir müssen dadurch verhindern, dass ein Stillstand und daraus dann eine erneute militärische Eskalation entsteht. Das heißt, es muss jetzt gelingen, den Einstieg in den sogenannten politischen Prozess zu schaffen. Dazu hat es letzte Woche in Paris auch Beratungen auf sehr hoher Beamtenebene gegeben. Es gibt viele offene Fragen. Einer der Punkte ist, dass jetzt endlich begonnen werden muss, im Rahmen der Kontaktgruppe die Arbeitsgruppen einzurichten und darüber Fortschritte zu erzielen, damit dann auch solche Dinge wie die Lokalwahlen, wie die Planung des humanitären Zugangs und solche Sachen vorbereitet werden können. Das ist etwas, das uns derzeit auch sehr wichtig ist.

Zusatzfrage: Mein Eindruck ist, dass Sie mit dem Vorgehen der Ukraine nicht ganz zufrieden sind, dass da schon ein bisschen Druck ausgeübt wird, damit die Kontaktgruppen anfangen, und dass Sie dafür, dass es da noch nicht vorangegangen ist, auch ein Verschulden, eine Schuld bei der Ukraine und der ukrainischen Regierung sehen?

Fischer: Ich glaube, es geht nicht um Kategorien von Schuld oder Nichtschuld, sondern es geht darum, dass wir bei der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen weiterkommen. Das richtet sich an alle Seiten, sowohl an die Ukraine als auch an die Separatisten und diejenigen, die sie unterstützen.

Frage: Die Fortschritte, die Sie jetzt noch einmal ansprechen, wurden ja schon letzte Woche vom Treffen des Normandie-Formates in Paris - ich glaube, auf Staatssekretärsebene - erwartet. Im Ergebnis hat das Treffen diese Fortschritte offensichtlich nicht gebracht, oder?

Fischer: Naja, es gibt eine Grundsatzeinigung darüber, dass man jetzt mit der Konstituierung der Arbeitsgruppen beginnt. Unsere Anstrengungen richten sich jetzt darauf, dazu beizutragen, dass das auch gelingt.

Zusatzfrage: Aber es gibt da ja offensichtlich zwei Zeitachsen: Einerseits versucht man jetzt, etwas zu implementieren, und muss dazu erst einmal Arbeitsgruppen und Arbeitsabläufe schaffen, und gleichzeitig verweisen ja auch die Stellungnahmen des Ministers und der OSZE darauf, dass sich die Kampfhandlungen in einem ganz anderen Tempo, auf einer ganz anderen Zeitachse eskalieren. Passen diese Zeitachsen noch zusammen?

Fischer: Es geht ja genau darum, diese Zeitachsen zu synchronisieren. Es ist tatsächlich so, dass wir am Freitag eine Verschlechterung der Situation festgestellt haben. Nach allem, was wir hören, ist es allerdings am Sonntag wieder etwas ruhiger gewesen. Es ist aber durchaus so, dass uns die Ereignisse vom Freitag vor Augen führen, dass die Situation weiterhin fragil ist und dass dieser Waffenstillstand an einzelnen Stellen entlang der Waffenstillstandslinie durchaus prekär ist. Es gilt jetzt daran zu arbeiten, diesen Waffenstillstand - genauso wie den Abzug der schweren Waffen - zu stabilisieren, die Waffen abziehen, und vor allen Dingen in den politischen Prozess einzusteigen, um die Gesamtsituation stabiler zu machen. Daran arbeiten wir. Dem hat das Treffen in der letzten Woche gedient, dem hat die Äußerung des deutschen Außenministers am Sonntag gedient und dem dienen auch die Gespräche, die wir derzeit auf den verschiedensten Ebenen mit der ukrainischen, aber auch der russischen Seite führen.

Frage: Gibt es diese Woche einen Besuch von Ministerpräsident Jazenjuk in Berlin? Was kann das mehr leisten als das Treffen mit dem Präsidenten Poroschenko, der ja dann in der Pressekonferenz noch einmal gesagt hat: Wir erfüllen die Minsker Vereinbarungen zu 100 Prozent?

SRS'in Wirtz: Ja, es gibt diese Woche einen Besuch - morgen glaube ich.

Zusatz: Mittwoch.

SRS'in Wirtz: Mittwoch? Sorry. - Insofern: Ja, diesen Besuch kann ich bestätigen.

Was dieser Besuch bringen soll: Es geht auch diesmal wieder darum, mit der ukrainischen Regierung im Gespräch zu sein. Natürlich gilt es - das hat Herr Fischer gerade ja auch dargelegt -, dass an alle Beteiligten, die an dem Prozess von Minsk beteiligt sind und sozusagen auch in die Pflicht genommen worden sind, der Appell geht, sich darum zu bemühen, die Implementierung von Minsk auch voranzubringen. Insofern wird das mit Sicherheit auch ein Thema sein, das am Mittwoch besprochen wird. Was Ergebnisse anbelangt: Ich kann Ihnen jetzt leider noch nicht sagen, was dabei herauskommen wird.

Frage : Herr Fischer, Frau Wirtz, mich würde die Einschätzung der Bundesregierung und des Auswärtigen Amtes zu den Geschehnissen im Jemen und um Jemen herum interessieren sowie die Frage des sich aufschaukelnden Spannungsverhältnisses zwischen Saudi-Arabien als regionaler Vormachtstellung und dem Iran. Mich würde interessieren, wie Sie das Ganze bewerten.

Fischer: Ich glaube, dazu haben wir uns schon am letzten Freitag ausführlich geäußert. An unserer Lageeinschätzung hat sich seit dem letzten Freitag nichts geändert.

Es ist so, dass die saudische Seite auf Bitten des jemenitischen Präsidenten in einer hochdramatischen Lage eingegriffen hat, wie Herr Schäfer das dargestellt hat, und wir dieses Vorgehen für ein Vorgehen in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht halten.

Vorsitzender Leifert: Frau Wirtz, haben Sie noch etwas zu ergänzen?

SRS'in Wirtz: Nein.

Frage: Gibt es eigentlich eine Nachverfolgung, ob - wenn ja, in welchen Situationen - von dieser neuen Streitmacht, die gebildet werden soll und wohl 40.000 Mann umfasst, deutsche Waffen zum Einsatz kommen könnten? Es ist ja eine Region, die mit deutschen Waffenexporten mit aufgerüstet wurde. Wie sieht es mit dem Endverbleib und mit der Beschränkung aus?

Fischer: Ich glaube, man muss erst einmal sagen, dass es einen Grundsatzbeschluss der Arabischen Liga über eine vereinigte Eingreiftruppe gibt, den wir sehr aufmerksam verfolgt haben. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es auf Seiten der Arabischen Liga keine konkreten Details zur Ausgestaltung des Mandats dieser Eingreiftruppe, zur Kommandostruktur oder zum Umfang der Finanzierung. Von daher würde ich zum jetzigen Zeitpunkt hier über solcherlei Dinge nicht spekulieren wollen.

Modes: Ich kann gerne allgemein sagen, dass natürlich bei jedem Rüstungsexport eine Endverbleibserklärung abgegeben werden muss. Ich kann aber über den einzelnen Fall nicht spekulieren.

Frage : Frau Modes, vorvergangenes Jahr wurden 18.000 Sturmgewehre nach Saudi-Arabien geliefert. Wie will man das kontrollieren? Wird das kontrolliert und gibt es vor Ort Kontrollen?

Modes: Es gibt eine Endverbleibserklärung. Wenn es Anzeichen gibt, dass ein Verstoß gegen die Endverbleibserklärung vorliegt, wird keine weitere Genehmigung erteilt.

Zusatzfrage : An das BMZ oder an das BMI die Frage: Gibt es in Bezug auf die Grenzsicherungszusammenarbeit - ich meine das Projekt der GIZ und der Bundespolizei mit Saudi-Arabien - irgendwelche Rückwirkungen?

Plate: Ich bin nicht sicher, ob ich die Frage richtig verstanden habe.

Zusatzfrage : Ich meine das Projekt zwischen den saudi-arabischen Behörden und der Bundespolizei, das über die GIZ abgewickelt wird, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Mich würde interessieren, ob es Rückwirkungen durch die Geschehnisse in der Region gibt.

Plate: Das müsste ich nachreichen. Ich kenne eine Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien im Feld der Grenzsicherung. Wenn Sie die GIZ erwähnen, muss es vielleicht ein anderes Projekt als das sein, was ich im Auge habe. Deswegen möchte ich mich an dieser Stelle nicht dazu äußern, ohne mich noch einmal inhaltlich rückzuversichern.

Zusatz : In jedem Fall freue ich mich über die Nachlieferung.

Plate: Sehr gerne!

Vorsitzender Leifert: Frau Mänz, könnten Sie das aufklären?

Mänz: Ohne, dass ich konkret auf Ihre Frage antworten kann. Meines Wissens handelt es sich dabei um ein Projekt der sogenannten International Services der GIZ. Insofern kann ich nicht wirklich etwas dazu beitragen. Die GIZ kann auch durch Dritte beauftragt werden, wie es in diesem Fall offensichtlich der Fall ist. Ich kann insofern nicht weiter zur Aufklärung beitragen.

Vorsitzender Leifert: Dann freuen wir uns, wenn uns BMZ und BMI gemeinsam nachträglich aufklären, was diesen Sachverhalt angeht.

Frage: Ich möchte das gerne präziser wissen. Die deutschen Rüstungsexportrichtlinien verbieten Rüstungsexporte in Spannungsgebiete. Hier entwickelt sich gerade ein Spannungsgebiet zu einem Konflikt- und Kriegsgebiet. In welcher Weise interessiert sich die Bundesregierung im Moment dafür und inwieweit hält sie nach, dass von Deutschland gelieferte Waffen in diesem Konfliktfall nicht zum Einsatz kommen? Wer ist zuständig? Gibt es dafür Instrumentarien oder verfährt man nach dem Motto "Aus den Augen, aus dem Sinn"?

Modes: Ich kann noch einmal prinzipiell sagen, dass jede Rüstungsexportentscheidung eine Einzelfallentscheidung ist und dass natürlich immer die Lage vor Ort berücksichtigt wird.

Zuruf: Zum Zeitpunkt der Entscheidung! Ich möchte jetzt wissen, wie es nachgehalten wird. Ist das dann "Aus den Augen, aus dem Sinn" oder gibt es Mechanismen, die weiter verfolgen, was von 18.000 Sturmgewehren bis schweren Waffen bis hin zu Luftwaffe geschieht? Gibt es dafür Mechanismen oder gibt es sie nicht?

Modes: Ich kann Ihnen von meiner Seite aus sagen, dass es Endverbleibserklärungen gibt, die unterschrieben werden müssen, wie die Waffen eingesetzt werden.

Zuruf: Das ist Papier! Ich würde gerne wissen, wie es in der Praxis ist. Gibt es ein Interesse, zu wissen, was mit diesen Waffen, die vielleicht vor drei, vier, fünf Jahren oder letztes Jahr geliefert wurden und möglicherweise weiter geliefert werden, in einem konkreten Konfliktfall geschieht?

Modes: Natürlich gibt es auch nachrichtendienstliche Erkenntnisse. Ich kann aber zu dem Fall oder zu der Lage vor Ort nichts konkret sagen.

Vorsitzender Leifert: Die Frage war ja auch allgemein gehalten, ob es Mechanismen für andere Konfliktregionen gibt, das nachhaltig zu kontrollieren.

Zuruf: Die rechtliche Bestimmung, dass wir keine Waffen in Spannungs- und Konfliktregionen liefern können und dass das über den Zeitpunkt der Lieferung hinaus nachgehalten wird. Das ist meine Frage.

Modes: Soweit ich weiß, gibt es Überlegungen innerhalb der Bundesregierung, was gewisse "Post-shipment"-Regelungen angeht. Dazu ist bisher, soweit ich weiß, noch keine Entscheidung getroffen worden.

Ansonsten gibt es die Endverbleibserklärungen, die unterschrieben und eingehalten werden müssen.

Fischer: Auf diesen konkreten Fall bezogen, muss man feststellen, dass sich das derzeit alles sehr im spekulativen Bereich bewegt.

Was wir feststellen, sind Luftangriffe, die Saudi-Arabien mit Unterstützung von einigen Alliierten zur Unterstützung des legitimen Präsidenten des Jemen durchführt. Gleichzeitig gibt es aber bislang keine Bodenoffensive. Das heißt, wir haben jetzt noch ein Zeitfenster, um zu versuchen, einen politischen Prozess fortzusetzen, der unter UN-Ägide bereits stattfindet, um eine Lösung für den Jemen zu erreichen, und zwar unter Einbeziehung all der jemenitischen Akteure, die dort eine Rolle spielen, aber auch unter Einbeziehung der Regionalmächte. So lange es diese Versuche gibt, denke ich, dass sich eine weitere Diskussion über mögliche Bodeneinsätze oder Ähnliches erübrigt.

Frage : Herr Fischer, Saudi-Arabien hat die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass es zu einer Bodenoffensive kommt. Es sind etwa 150.000 Soldaten an der Front, wahrscheinlich auch mit Panzern, die in Deutschland gekauft wurden. Wir hatten einen ähnlichen Fall in Bahrain im Jahr 2011, wo deutsche Panzer im städtischen Kampf zur Unterdrückung der Unruhen zum Einsatz kamen. Wäre das, wenn deutsche Panzer im Jemen eingesetzt würden, ein Rechtsbruch oder nicht?

Fischer: Es gelten die üblichen Regeln der deutschen Waffenexportkontrolle. Da gibt es bewährte Grundsätze, die Sie alle kennen, und die hier häufig diskutiert worden sind und auf die Herr Staatssekretär Seibert am letzten Freitag schon hingewiesen hat.

Im Übrigen ist es so, dass Sie zwar sagen, dass es dort diese Truppenkonzentrationen gibt, aber mir dazu keine unabhängige Bestätigung vorliegt. Was ich weiß, ist, dass es Luftangriffe gibt und dass es auf jeden Fall noch ein Fenster gibt, um zu versuchen, eine politische Lösung für den Jemen hinzubekommen.

Frage : Herr Fischer, Frau Modes, wenn es diese bewährten Grundsätze gibt, frage ich mich natürlich schon, wie sich das in dem Lichte darstellt, dass es möglicherweise bei der Aufstellung einer panarabischen Taskforce wieder um die Endverbleibskontrolle geht. Wäre es aus Sicht der Bundesregierung so, dass ein Verbleib in einer solchen gemeinsamen Taskforce auch den Endverbleibsregeln entsprechen würde? Man liefert ja an einen Staat - beispielsweise Saudi-Arabien - und nicht an eine panarabische Taskforce, unter wessen Kommando dann auch immer.

Fischer: Herr Steiner, ich glaube, die Frage hatte ich schon beantwortet.

Zusatzfrage : Dann habe ich das nicht verstanden und bitte um Wiederholung.

Fischer: Ich habe gesagt, dass es so ist, dass die Arabische Liga erst einmal einen Beschluss über eine gemeinsame Eingreiftruppe gefasst hat. Dieser muss aber noch operationalisiert und ausbuchstabiert werden. Von daher ist derzeit alles im Zusammenhang mit bestimmten Truppenteilen, die möglicherweise zu irgendeinem Zeitpunkt für diese Truppe herangezogen werden - so es sie denn geben sollte -, hochspekulativ. Dementsprechend werden wir diese Dinge, glaube ich, dann in Augenschein nehmen, wenn sich die Planungen weiter konkretisieren. Das ist zum jetzigen Zeitpunkt einfach nicht der Fall.

Montag, 30. März 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 30. März 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/03/2015-03-30-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. April 2015

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