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PRESSEKONFERENZ/988: Regierungspressekonferenz vom 13. Mai 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 13. Mai 2015
Regierungspressekonferenz vom 13. Mai 2015

Themen: Kabinettssitzung (Deutsche Antibiotikaresistenzstrategie DART 2020), Sturmgewehr G36, Ukraine-Russland-Konflikt, nachrichtendienstliche Aktivitäten in Deutschland, Angriff auf einen türkischen Frachter vor der Küste Libyens, Flüchtlingspolitik der EU, Drohne "Euro Hawk", Interviewäußerungen des Bundesfinanzministers zu Griechenland, Militärtransporter A400M, Gesetzentwurf zur Vorratsdatenspeicherung, Berichterstattung über einen Brief von BM Gabriel im Zusammenhang mit dem Tarifkonflikt zwischen Deutsche Post AG und ver.di., Besuch des israelischen Staatspräsidenten in Deutschland, Erdbeben in Nepal, UN-Anti-Rassismuskonvention

Sprecher: StS Seibert, Flosdorff (BMVg), Fischer (AA), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Scholz (BMJV), Toschev (BMWi), Plate (BMI)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Das Bundeskabinett hat sich heute mit dem Thema der Antibiotikaresistenz beschäftigt - ein Thema, das allgemein große Aufmerksamkeit verdient und das die volle Aufmerksamkeit der Bundesregierung hat. Es ist ja so, dass sich jährlich 400.000 bis 600.000 Menschen in Deutschlands Krankenhäusern mit Krankheitserregern infizieren. 10.000 bis 15.000 sterben daran. Resistente Erreger spielen hier eine besondere Rolle, denn sie schränken die Therapiemöglichkeiten ein. Begünstigt wird diese Ausbreitung resistenter Erreger durch den unsachgemäßen Einsatz von Antibiotika in der Human- und in der Veterinärmedizin, durch mangelhafte Hygienemaßnahmen und durch den Handels- und Reiseverkehr.

Zum Thema Antibiotikaresistenz hat die Bundesregierung schon 2008 eine Strategie vorgelegt, um die weitere Entwicklung und Ausbreitung solcher Resistenz zu verhindern. Heute, sieben Jahre später, können wir sagen: Erste Erfolge sind sichtbar. Manche Erregerraten sind seit Jahren rückläufig. Im stationären Bereich verordnen Ärzte weniger Antibiotika, im ambulanten Bereich ist der Antibiotikaverbrauch stabil. Trotzdem reichen diese Anstrengungen noch nicht aus. Das Kabinett hat daher heute die Deutsche Antibiotikaresistenzstrategie DART 2020 beschlossen.

Daran haben zahlreiche wissenschaftliche Einrichtungen und Fachärzteverbände mitgewirkt. Tiere und Menschen werden oft von denselben Krankheitserregern infiziert und auch mit den gleichen Antibiotika behandelt. Deshalb geht es darum, einen sektorübergreifenden Ansatz - man spricht von "One Health" - zu wählen, der die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen eindämmt. Es geht darum, solche Resistenzen frühzeitig zu erkennen, Therapieoptionen zu erhalten und Infektionsketten zu unterbrechen. Mit der deutschen Strategie werden auch Maßnahmen skizziert, um die Bevölkerung besser über Antibiotikaresistenzen und auch über Hygienequalität in Krankenhäusern zu informieren.

Die Bundesregierung wird sich auch international bei diesem Thema stärker engagieren. Das Thema Antibiotikaresistenzen ist deshalb auch ein Schwerpunkt der deutschen G7-Präsidentschaft. Die Weltgesundheitsorganisation WHO wird im Mai, also in diesem Monat, einen Globalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen verabschieden. Die Entwicklung nationaler Strategien ist ein zentrales Thema dieses Aktionsplans. Deutschland hat mit der heute beschlossenen nationalen Strategie also eine gewisse Vorbildfunktion, denn wir haben damit die Forderung der WHO schon frühzeitig umgesetzt.

Vorsitzender Mayntz: Gibt es dazu Fragen? - Dann ist Herr Flosdorff in Sachen G36 an der Reihe.

Flosdorff: Gerne immer wieder. - Ich möchte heute Presseberichterstattung in der "Bild"-Zeitung nicht unkommentiert lassen, in der schwere Vorwürfe gegen die Ministerin und auch gegen das Ministerium erhoben werden. Das Bundesverteidigungsministerium weist den dort erhobenen Vorwurf der Manipulation oder Täuschung des Bundestages scharf zurück. Ich gehe jetzt einmal im Einzelnen darauf ein.

Zum Vorwurf, dieser Bericht sei frisiert oder manipuliert. Man muss dazu wissen: Es geht ja um den Abschlussbericht der im Sommer 2014 beauftragten Arbeitsgruppe zur Überprüfung des G36 mit vielen Beteiligten - Wehrtechnische Dienststelle, Ernst-Mach-Institut der Fraunhofer-Gesellschaft, das Rüstungsamt der Bundeswehr, das Planungsamt der Bundeswehr und unterschiedliche wissenschaftliche Institute, die Teilstreitkräfte und der Bundesrechnungshof. Dieser Abschlussbericht ist exakt in dem Verfahren und in dem Inhalt weitergegeben worden, wie er am 17. April innerhalb der Arbeitsgruppe konsentiert war und auch angekündigt war.

Konsentiert und angekündigt war seitens dieser Arbeitsgruppe, die das G36 über viele Monate untersucht hat, dass dem Bericht eine gemeinsam getragene Zusammenfassung mit den wesentlichen Ergebnissen aus Sicht der Arbeitsgruppe vorgelegt werden solle, sowie in Gänze die technischen Teilgutachten im Annex, aber auch die Bewertungen aus Sicht der Projektbetreiber, also BAAINBw, oder aus taktisch-operativer Sicht für das Planungsamt.

Weder angekündigt noch in Verfahren und Inhalt mit der Gruppe konsentiert war ein sogenanntes Vorwort zum Gesamtbericht - der mehrere hundert Seiten beträgt -, das aus dem BAAINBw übermittelt worden ist. Dieses Vorwort hat lediglich die Unterschrift eines einzelnen Beteiligten getragen. An dem betreffenden Tag gingen wir davon aus, dass es in der Arbeitsgruppe nicht konsentiert ist, da es nicht angekündigt war und auch nicht die Unterschriften oder Bestätigungen der anderen Beteiligten trug. Das hat sich in der Folge auch bestätigt. In diesem Vorwort sind auch inhaltlich keine Feststellungen oder Erkenntnisse zur Untersuchung enthalten, die über die Aussagen in dem übrigen Abschlussbericht hinausgehen. Davon kann man sich jetzt auch überzeugen: Wir haben dieses Vorwort, dieses Schreiben heruntergestuft, das steht bei uns auf der Homepage zum Nachlesen bereit. Da kann sich dann jeder sozusagen sein eigenes journalistisches Urteil dazu bilden.

Das war der Grund, warum dieses sogenannte Vorwort - das eigentlich gegenüber der Zusammenfassung, die zwischen allen an der Untersuchung beteiligten Institutionen konsentiert war, keinen Mehrwert bildete - nicht dem Parlament übermittelt worden ist und auch nicht dem Gesamtbericht vorgeschaltet worden wäre.

Jetzt noch einmal zum Inhalt. Auch bei näherer Betrachtung ist in der Presseberichterstattung der Vorwurf enthalten, es sei hier Lob für das G36 unterdrückt worden. Das geht bei näherer Betrachtung in der Sache auch völlig daneben. Es wird hier aus dem Vorwort zitiert, das G36 sei nach wie vor funktions- und betriebssicher. Für jeden Fachmann verbirgt sich hinter dieser Feststellung eine Banalität: Funktionssicher ist ein Gewehr, wenn es die normale Funktion eines Gewehres erfüllt, nämlich dass zuverlässig - zum Beispiel auch bei Staub oder Regen - eine Kugel aus dem Lauf kommt, wenn man den Abzug drückt - oder zieht. Betriebssicher heißt für den Fachmann, dass beim Schießen mit dem G36 für den Schützen selber keine Gefahr von dem Gewehr ausgeht, also dass er sich zum Beispiel nicht aufgrund von Erhitzung oder kinetischer Einwirkungen an der Hand verletzt. Das sind alles Grundvoraussetzungen für eine Standardwaffe. Wenn es an diesen Grundvoraussetzungen fehlen würde, dann müsste man das Gewehr sofort aus dem Betrieb ziehen und dann könnte man die Soldaten gar nicht mehr weiter damit schießen lassen.

Diese Grundvoraussetzungen standen auch nie in Frage, die waren gar nicht Gegenstand der Untersuchungen, die Mitte letzten Jahres angestellt worden sind. Vielmehr ging es da um die Treffsicherheit des G36 in besonderen Situationen. Sie erinnern sich alle, dass wir in den letzten Jahre immer wieder mit Berichten konfrontiert gewesen sind, dass diese Treffsicherheit angezweifelt wurde, also dass das G36 im erhitzten Zustand oder dann, wenn man in einer hohen Kadenz damit schießt, an Treffsicherheit verlieren würde. Genau das war ja der Hintergrund der Gesamtbegutachtung mit vielen Beteiligten: Dass diese Frage ein für alle Mal geklärt werden sollte. Deswegen geht hier auch eine Kritik an dem Untersuchungsszenario fehl, denn genau das war der Gegenstand der Untersuchung. Derjenige, der dieses Vorwort verfasst hat, war mit in der Arbeitsgruppe der Institutionen, die das Gewehr untersucht haben und die selbst diesen Untersuchungsauftrag festgelegt hat.

Es bleibt an dieser Stelle im Prinzip also nichts übrig. Weder die Ministerin noch das Ministerium haben im Abschlussbericht oder in der Folge irgendetwas anderes kommuniziert. Es ist weder gesagt worden, dass das Gewehr G36 in Bausch und Bogen verdammt werden dürfe, aber es hat eben Schwächen bei schussinduzierter Erwärmung und bei extremen Temperaturen. Die Ministerin hat deswegen auf dieser Basis festgestellt, dass das Gewehr in dieser Konfiguration, in dieser Zusammenstellung, in der Bundeswehr keine Zukunft hat.

Nachfragen gerne in aller Breite und Ausführlichkeit.

Frage : Herr Flosdorff, ich verstehe ja, dass dieses Vorwort nicht konsentiert war. Ich würde nur gerne wissen: Warum waren die mehreren hundert Seiten des Berichts offensichtlich konsentiert unter den Beteiligten, aber ausgerechnet das Vorwort von Brigadegeneral Erich Könen, dem Leiter der Abteilung Land-Kampf, nicht?

Zum anderen: Hat es vonseiten der anderen Beteiligten an diesen Untersuchungen Widerspruch gegen die Aussagen in diesem Vorwort gegeben?

Flosdorff: Es hat hier einen langen Abstimmungsprozess rund um die Zusammenfassung gegeben; insofern spricht es ja schon für sich, dass sich diese unterschiedlichen Institutionen, die dort ja alle unabhängig und im Prinzip ohne einen rechten Kopf oben drüber agiert haben, verständigt haben. Es war einfach sehr überraschend, dass dann plötzlich - - Sie müssen sich das so vorstellen: Das ist ein Gesamtbericht, der eine Zusammenfassung hat, die von vielen getragen wird, dahinter fächert sich das in viele Teilgutachten auf, von denen alle wissen, und dann soll noch einmal die persönliche Bewertung eines Einzelnen vorangestellt, also vorgeschaltet werden. Aus welcher Motivation diese Bewertung abgesetzt worden ist, ist ehrlich gesagt irrelevant; denn dem Parlament ist versprochen worden, dass man genau in dieser Form einen konsentierten Abschlussbericht abliefert und nicht ein Konglomerat an unterschiedlichen Zusammenfassungen und Bewertungen. Eine Beteiligung dieser einen Person hat ja schon vorher im Prozess stattgefunden, und es finden sich auch inhaltlich die ganzen Aussagen, die man noch einmal abgleichen kann. Am Ende der fünfseitigen Zusammenfassung kann man auch sehen, dass das von allen mitgetragen wird - auch die Einzelperson, die dieses Vorwort mitgeschickt hat, kommt darin vor beziehungsweise steht mit seiner Institution unter der Zusammenfassung drunter - das trägt nur eine Unterschrift. Auf eine Nachfrage am Montag hin - "Kennt ihr das, ist das konsentiert, ist das bestätigt, wisst ihr davon?" - hat es dann eine Fehlanzeige gegeben.

Zusatzfrage : Aber es hat keinen inhaltlichen Widerspruch der anderen Beteiligten gegen den Inhalt dieses Vorworts gegeben, oder doch?

Flosdorff: Die Arbeitsgruppe hat ja schon gemeinsam agiert. Wie und in welcher Form veröffentlicht wird, ist innerhalb der Arbeitsgruppe vorher abgestimmt worden. Es gibt keinen Grund, jetzt, nachdem das Verfahren im Prinzip abgeschlossen ist, noch einmal abzufragen, was es da für einen Widerspruch gibt. Das war ja auch gar keine Frage, die gestellt werden müsste; es ist ja auch inhaltlich nichts drin, was sich nicht auch in anderen Untersuchungsbestandteilen wortwörtlich so wiederfindet.

Zusatzfrage : Ist denn geklärt, warum es dann zu diesem offensichtlich von der verabredeten Verfahrensweise abweichenden Verfahren mit dem Vorwort gekommen ist?

Flosdorff: Er fühlte sich offensichtlich dazu berufen, der Zusammenfassung noch einmal etwas voranzustellen. Das ist aber sozusagen die Einzelmeinung eines Teils dieser Institutionen, die da alle beteiligt waren und sich untereinander darüber verständigt hatten, wie und in welcher Form sie was veröffentlichen wollen. Das stand also nicht stellvertretend oder interpretierend für den Gesamtbericht - was man von einem Vorwort vielleicht erwarten könnte, denn es ist ja vorgeschaltet.

Frage: Hat denn der besagte Brigadegeneral eine ähnliche Zukunft in der Bundeswehr wie das G36?

Flosdorff: Da ich Ihnen noch nicht genau sagen kann, wie lange das G36 in der Bundeswehr eine Zukunft hat, kann ich Ihnen diese Frage nicht beantworten. Es geht hier im Prinzip darum, mit was für einem Willen, mit was für einer Motivation auch immer - da möchte ich auch überhaupt nicht spekulieren - dieses Schreiben verfasst worden ist. Es ist auf jeden Fall außerhalb des vereinbarten Verfahrens verfasst worden, und deswegen hat es nicht Eingang in die Berichterstattung an das Parlament gefunden.

Frage : Herr Könen war, bevor er ins BAAINBw wechselte, im Amt für Heeresentwicklung. Das Amt für Heeresentwicklung hat ja immer eine bestimmte Position in Bezug auf das G36 vertreten. Spielt das jetzt bei der Bewertung seines Vorworts eine Rolle?

Flosdorff: Ich habe Ihnen ja gesagt, was bei der Bewertung des Vorworts eine Rolle gespielt hat, und das waren zwei Faktoren. Das eine ist: Es war nicht abgestimmt innerhalb der Arbeitsgruppe; dem Parlament war aber ein Bericht der Arbeitsgruppe abzugeben, und zwar so, wie die Arbeitsgruppe das vorher vereinbart hatte. Das zweite ist die Tatsache, dass auch inhaltlich überhaupt gar nichts in diesem Vorwort stand, was über an anderer Stelle im dem Abschlussbericht getroffene Aussagen hinausgeht.

Frage : Ich habe eine Frage zur Ukraine-Krise an Herrn Seibert: Im Nachhinein des Moskau-Besuchs der Kanzlerin gab es ja etwas Verwirrung, da sie im Zusammenhang mit der Besetzung der Krim und auch, glaube ich, mit den Aktivitäten in der Ostukraine von "verbrecherischen" Handlungen gesprochen hat, Moskau oder den Separatisten also praktisch verbrecherisches Vorgehen vorgeworfen hat. Hat sie das wirklich so gemeint, betrachtet Sie das also als verbrecherisch, oder war das im Grunde genommen ein Versprecher?

Zweite Frage: Wie bewerten Sie den Nemzow-Bericht, der, glaube ich, gestern vorgestellt wurde und der im Grunde genommen die Verdachtsmomente des Westens noch einmal erhärtet.

StS Seibert: Ich habe der Rede der Bundeskanzlerin in Moskau beziehungsweise diesem Teil der Pressekonferenz nichts hinzuzufügen; ich habe ihn auch nicht zu interpretieren. Ich stelle Ihnen gerne noch einmal den Gesamtzusammenhang der Moskau-Reise und dieser Gespräche dar.

Der Besuch der Bundeskanzlerin in Moskau hatte ja zum Anlass und als Mittelpunkt das Gedenken an die entsetzlichen Opfer, die die Sowjetunion und ihre Bürger im von Deutschland entfesselten Zweiten Weltkrieg zu erleiden hatten. Die Bundeskanzlerin hat sich vor diesen Opfern verneigt. Das war ihre wesentliche Botschaft an das russische Volk in Moskau. Sie hat ferner klar gemacht, dass auch in Zeiten schwerer Meinungsverschiedenheiten über die aktuelle Politik dieses gemeinsame Gedenken möglich sein muss und dass dieses gemeinsame Gedenken sinnvoll ist, weil wir daraus die gemeinsame Lehre ziehen können, dass wir immer alles zu versuchen haben, um Konflikte friedlich, im Gespräch, diplomatisch zu lösen. Sie kennen die klare Einschätzung, die die Bundesregierung zur Annexion der Krim hat; sie entspricht im Übrigen der europäischen und auch der transatlantischen Einschätzung. Es gibt da keine neue Position. Der ganze Besuch in Moskau diente ja dazu, uns vor dem Hintergrund unserer schweren Geschichte weiter zu bemühen, den Ukraine-Konflikt zu entschärfen und zu lösen. Das ausführliche und offene Gespräch, das die Bundeskanzlerin vor und nach der Pressekonferenz mit Präsident Putin hatte, diente auch genau dazu.

Zu Ihrer zweiten Frage: Wir haben von diesem Bericht Kenntnis erhalten. Soweit sich das bisher einschätzen lässt, hat der ermordete Oppositionspolitiker Boris Nemzow in seinem Bericht erstens öffentlich zugängliche Quellen zusammengestellt und zum anderen auch mit Soldatenmüttern Kontakt aufgenommen. Im Ergebnis kommt er zu demselben Schluss, den die Bundesregierung und ihre Partner auch ziehen: Russland war nicht nur bei der Annexion der Krim im Frühjahr 2014 involviert - diese Annexion hat es selbst vollzogen -, sondern es ist bis heute im Konflikt in der Ostukraine politisch und militärisch involviert. Deswegen ist Russland auch aufgefordert, seinen Teil zur Lösung beizutragen und seinen Einfluss auf die Separatisten in dieser Region geltend zu machen, damit das Ziel erreicht wird, das wir ja ganz klar benannt haben, nämlich die Umsetzung des Minsker Maßnahmenpakets.

Frage : Herr Seibert, dazu zwei kurze Fragen.

Zum ersten Thema: Ist Ihnen bekannt, dass auf der Seite des russischen Präsidenten in dem Protokoll der Pressekonferenz das Wort "verbrecherisch", das Frau Merkel benutzt hat, nicht drinsteht, also einfach weggelassen worden ist? Wie bewerten Sie diese Tatsache?

Die zweite und für mich eigentlich wichtigere Frage: Gestern hat der amerikanische Außenminister Moskau die Aufhebung der Sanktionen in Aussicht gestellt, und zwar für den Fall, dass die Waffenruhe im Osten der Ukraine vollständig eingehalten wird. Ist für die Bundesrepublik oder die Bundesregierung die Einhaltung der Waffenruhe, also nur ein Teil des Minsker Protokolls, ausreichend, um auch über die Frage der Aufhebung der Sanktionen nachzudenken, oder will man erreichen, dass das Minsker Protokoll komplett umgesetzt wird?

StS Seibert: Zum ersten Teil Ihrer Frage: Ich habe das gestern erfahren und habe das nicht zu bewerten.

Zu Ihrer zweiten Frage. Gehen wir auf die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zurück: Diese machen ja ganz deutlich, dass es eine enge, auch zeitliche Verknüpfung der Umsetzung der Minsker Vereinbarungen und der Sanktionen gegen Russland gibt. Die Bundeskanzlerin hat sich darauf bei mehreren Besuchen - in Polen und in Dänemark - in den jeweiligen Pressekonferenzen auch bezogen. Auf dem Europäischen Rat vom 19. und 20. März dieses Jahres bestand Einigkeit darüber, dass die volle Umsetzung der Minsker Vereinbarungen das Ziel bleibt und dass die Geltungsdauer der restriktiven Maßnahmen, also der Sanktionen, die im Sommer 2014 angenommen und dann im September noch einmal ausgeweitet wurden, eindeutig an die vollständige Umsetzung der Vereinbarungen von Minsk geknüpft werden. Wir werden in der Europäischen Union die erforderlichen rechtlichen Beschlüsse rechtzeitig fassen, aber das ist die Haltung des gesamten Europäischen Rates und damit natürlich auch die Haltung der Bundesregierung.

Wenn wir jetzt über Minsk sprechen, dann sprechen wir natürlich über die Einhaltung der Waffenruhe - die in einigen Regionen gelungen ist und in anderen leider noch nicht erreicht worden ist -, dann sprechen wir natürlich über den nachprüfbaren Rückzug schwerer Waffen, aber dann sprechen wir auch über die Arbeit der Arbeitsgruppen, die sich der wichtigen politischen und humanitären Fragen annehmen. Wir sind froh, dass es jetzt möglich gewesen ist, in vier Themenbereichen Arbeitsgruppen zusammenzustellen und dass zum Beispiel die Arbeitsgruppe zur Wirtschaft schon morgen zusammenkommen wird - übrigens unter Koordination von Thomas Mirow, dem ehemaligen Staatssekretär der Bundesregierung. Wir haben unser Augenmerk also - und das war auch Gegenstand des Gesprächs zwischen der Bundeskanzlerin und Präsident Putin - auf die Gesamtheit der Minsker Maßnahmen gerichtet.

Zusatzfrage : Das heißt dann aber, dass die Sanktionen seitens der Amerikaner früher als seitens der Europäischen Union aufgehoben werden könnten?

StS Seibert: Ich kann hier ja nicht für die US-Regierung sprechen. Ich kenne im Übrigen auch nicht das volle Zitat, auf das Sie sich beziehen. Ich kann Ihnen darstellen, was die Haltung der Bundesregierung und der Europäischen Union ist. Diese ist niedergelegt in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates im März.

Frage : Herr Seibert, könnten Sie einmal erläutern, warum Frau Merkel die Krim-Annexion verbrecherisch nennt?

StS Seibert: Ich habe dazu das gesagt, was ich zu sagen habe. Ich habe der Rede hier nichts hinzuzufügen und ich habe sie auch nicht zu interpretieren. Der Gesamtzusammenhang ist, glaube ich, sehr klar geworden. Die Haltung, die wir zur Annexion der Krim haben, ist eine unveränderte und hier im Übrigen auch zahlreiche Male besprochen worden.

Zusatzfrage : Frau Merkel hat ja, als sie das gesagt hat, neben Herrn Putin gestanden. Hat sie denn aus ihrer Sicht neben einem Verbrecher gestanden?

StS Seibert: Ich habe Ihnen das gesagt, was ich dazu zu sagen habe. Das ist jetzt deutlich ausgedrückt, deutlich eingeordnet, glaube ich - und im Übrigen von allen auch verstanden worden, nehme ich einmal an.

Zusatzfrage : Wenn das so deutlich wäre, hätte ich ja nicht gefragt. - Ist Herr Putin denn ein Verbrecher für Frau Merkel?

StS Seibert: Herr Putin ist der Präsident der Russischen Föderation und ein wichtiger Gesprächspartner, wenn es darum geht, dass wir eine friedliche, diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts erreichen - eines Konflikts, in dem Russland große Verantwortung trägt.

Frage : Herr Seibert, Herr Poroschenko - die Kanzlerin trifft ihn nachher ja noch - hat jetzt mehrfach angekündigt, dass das Ziel seiner Regierung oder seiner Armee sei, am Ende wieder Lugansk und Donezk zurückzuerobern, was ja ebenfalls ein Verstoß gegen das Minsker Abkommen wäre, denn das geht ja wahrscheinlich auch nur mit Waffengewalt. Wird die Kanzlerin das zur Sprache bringen? Wie bewertet man eigentlich die ukrainische Seite, die ja offenbar auch nicht alle Punkte dieses Abkommens einhält.

StS Seibert: Ich kenne die genauen Zitate, auf die Sie sich da beziehen, nicht. Unsere Haltung - die Haltung der Bundeskanzlerin und die Haltung des Außenministers -, die oft öffentlich benannt wurde, war immer, dass es keine militärische Lösung dieses Konflikts in der Ostukraine geben kann und dass es deswegen richtig ist, dass sich alle Seiten zu diesem Minsker Prozess zusammengefunden haben und das Minsker Maßnahmenpaket beschlossen haben. Das ist jetzt umzusetzen, und zwar von allen Seiten umzusetzen.

Frage : Herr Seibert, gefühlt ist Herr Poroschenko einmal pro Woche hier in Berlin. Wird irgendeine Statistik geführt oder können Sie vielleicht in etwa abschätzen, wie oft sich die beiden schon getroffen haben, seitdem Herr Poroschenko Präsident ist - ich meine damit Treffen mit Frau Merkel in verschiedenen Konstellationen -, und wie oft sie telefoniert haben?

StS Seibert: Das können Sie, wenn Sie mögen, auch genau errechnen; wenn Sie auf die Termine der Bundeskanzlerin schauen, die wir hier ja immer öffentlich machen, dann können Sie das zusammenzählen. Ich habe die Zahl jetzt tatsächlich nicht parat.

Frage: An das Außenministerium: Macht sich Herr Steinmeier die Wortwahl "verbrecherisch" als Haltung der Bundesregierung zu eigen, oder hält Herr Steinmeier das für eine Einzelmeinung?

Fischer: Ich glaube, zu diesem Thema hat Her Seibert alles gesagt, was dazu zu sagen ist.

Zusatzfrage: Die Frage war ja, ob Herr Steinmeier als eigenständiger Kopf eine andere Haltung zu diesem Wort hat. Das ist ja schon eine andere Bewertung als wenn man nur "völkerrechtswidrig" sagt.

Fischer: Wie gesagt, unsere Haltung, die Haltung der Bundesregierung und der Europäischen Union ist sicherlich, dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig ist. Zu allen anderen Dingen hat Herr Seibert ausführlich ausgeführt.

Zusatzfrage: Also macht er sich "verbrecherisch" nicht zu eigen?

Fischer: Der Bundesaußenminister spricht, wie der Rest der Bundesregierung, in dieser Frage in völliger Übereinstimmung mit der Bundeskanzlerin.

Frage : Also bewertet Herr Steinmeier das auch als verbrecherisch?

Fischer: Herr Steinmeier hat wiederholt erklärt, dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig ist.

Zusatzfrage : Es geht um "verbrecherisch".

Fischer: Ich habe Ihnen gesagt, was er erklärt hat.

Zusatzfrage : Sie haben gerade gesagt, was er erklärt hat, und gleichzeitig, dass er sich auch das zu eigen macht, was Frau Merkel sagt.

Fischer: Ich habe gesagt: In der Frage, dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig ist, gibt es keinen Dissens innerhalb der Bundesregierung.

Zusatzfrage : Aber Dissens in Sachen "verbrecherisch"?

Fischer: Wie gesagt, Herr Seibert hat dazu alles gesagt, was man dazu sagen kann. Das steht für sich.

Frage: Hat Herr Steinmeier jemals die Annexion der Krim als verbrecherisch bezeichnet?

Fischer: Wie gesagt, ich habe Ihnen dargelegt, was die Wortwahl von Herrn Steinmeier ist, nämlich dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig ist.

Zusatzfrage: Und bei dieser Wortwahl bleibt er auch?

Fischer: Das ist seine Wortwahl.

Frage: Herr Seibert, ich möchte mich einmal nach dem Stand des Konsultationsverfahrens mit den USA bezüglich der Freigabe der NSA-Selektoren erkundigen. Gibt es da einen neuen Stand?

StS Seibert: Der Stand ist weiterhin - wie ich hier, glaube ich, am Montag auch gesagt habe -, dass über alle relevanten Entwicklungen in diesem Zusammenhang die Obleute der parlamentarischen Gremien informiert werden. Ich habe keinen neuen Stand, ich kann nur wiederholen, was ich am Montag dazu gesagt habe.

Zusatzfrage: Der Kanzleramtschef hat ja gesagt - ich glaube, Ende letzter Woche war das -, dass er eine Antwort aus den USA innerhalb der nächsten Tage erwartet. Ist das aus Sicht der Bundesregierung weiterhin ein realistisches Zeitfenster, oder erwartet die Bundesregierung, dass sich das noch ein bisschen verzögert?

StS Seibert: Was der Kanzleramtschef gesagt hat, das gilt, dem habe ich hier nichts hinzuzufügen. Alle relevanten Entwicklungen werden den Obleuten der parlamentarischen Gremien mitgeteilt werden.

Frage : Herr Seibert, kurz nachdem Sie uns hier am Montag intensivst Rede und Antwort gestanden haben, hat die Kanzlerin selbst gesagt: "Alle Materialien aus dem Kanzleramt und - zum Teil ist das ja noch im Prozess - auch vom BND werden diesem Untersuchungsausschuss zugeliefert, das ist für uns eine Selbstverständlichkeit." Kann man "alle" in dem Sinne missverstehen, dass dieses "alle", falls es einen Widerspruch der US-Seite geben sollte, die Selektoren nicht einschließt?

StS Seibert: Alles oder doch fast alles, was in diesen Tagen Gegenstand der Berichterstattung ist, beruht auf Unterlagen, die das Bundeskanzleramt dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zugeleitet hat. Die Bundeskanzlerin hat in dem Zitat, das Sie nennen, darauf hingewiesen, dass diese Unterstützung des Ausschusses für uns eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir das in der Vergangenheit so gehalten haben und dass wir das auch weiterhin so halten werden - natürlich immer nach einer Entscheidung von Fall zu Fall, ob Unterlagen zugeleitet werden können oder ob dem wichtige Gründe entgegenstehen. Das ist immer die Haltung der Bundeskanzlerin und des Kanzleramts gewesen; so und nicht anders haben wir das auch bei anderen Gelegenheiten dargestellt.

Zusatzfrage : Das heißt, dieses "alle" umschließt nicht alles, sondern alles, was möglich ist?

StS Seibert: Selbstverständlich. Das ist immer eine Prüfung von Fall zu Fall.

Frage : Herr Seibert, am Montag haben Sie gesagt: "Über ... den Verdacht der Ausspähung des Handys der Bundeskanzlerin haben wir der Öffentlichkeit in dem Moment berichtet, als uns das möglich war." Was heißt "uns möglich war"?

StS Seibert: Das heißt: Als wir Informationen bekommen hatten - Sie wissen ja, dass das damals auch mit Recherchen des "Spiegel" zu tun hatte, die erst einmal geprüft werden mussten - und dann zu einem Punkt gelangt sind, an dem es wichtig und richtig war, die Öffentlichkeit darüber zu informieren. Das war der Sachverhalt damals.

Zusatzfrage : Sie haben aber vorher davon gewusst?

StS Seibert: Ich habe Ihnen gesagt, dass die Informationen aus Recherchen des "Spiegel" kamen. Das haben wir doch damals auch ganz klar gemacht.

Zusatzfrage : Die Bundesregierung hat davon vorher nie gehört?

StS Seibert: Wir haben damals ganz klar gemacht, wie der Sachverhalt zustande kam.

Frage : Nur der Vollständigkeit halber: Haben sich über die bisherigen Erkenntnisse bezüglich der Arbeit des Bundesnachrichtendienstes oder der Arbeiten im Kanzleramt hinaus in den letzten Tagen weitere Probleme ergeben, die im Kanzleramt identifiziert worden wären und nun abgestellt wurden oder Ähnliches?

StS Seibert: Die Sachaufklärung läuft. Da, wo eine Information der parlamentarischen Gremien über diese geheimdienstlichen Zusammenhänge angesagt ist, wird sie auch vorgenommen.

Frage : Herr Seibert, zum Stichwort "deutsches Recht auf deutschem Boden" sagten Sie am Montag: "Das gilt als eine Grundforderung, die wir natürlich erheben müssen, und als ein Zustand, den wir mit aller Kraft herzustellen versuchen." Gleichzeitig haben Sie gesagt, dass ein No-Spy-Abkommen nicht mehr verfolgt wird. Was macht die Bundesregierung aktuell, um dieses Ziel zu verwirklichen?

StS Seibert: Dass ein No-Spy-Abkommen nicht mehr verfolgt wird, haben wir ja bereits im Frühjahr des Jahres 2014 hier mitgeteilt, insofern war das keine besonders exklusive Meldung von mir am Montag dieser Woche.

Wir sind dabei, aufzuklären, was aufzuklären ist. Wir sind selbstverständlich im Gespräch mit unseren internationalen Partnern. Das ist das, was man in diesem Zusammenhang zu tun hat. Im Übrigen informieren wir so gut wir können die parlamentarischen Gremien über die Zusammenhänge und die Sachverhalte.

Zusatzfrage : Welche Druckmittel hat die Bundesregierung denn, um das zum Beispiel auf amerikanischer Seite durchzusetzen?

StS Seibert: Ich werde hier nicht über unsere Positionen im Gespräch mit der amerikanischen Seite oder gar über Druckmittel sprechen. Ich habe hier auch ganz klar gesagt - und das wiederhole ich gerne noch einmal -, dass wir überzeugt sind, dass die Zusammenarbeit der deutschen Dienste mit internationalen Diensten richtig und notwendig ist und dass sie zu unserer Sicherheit beiträgt.

Zusatzfrage : Es wurde jetzt berichtet, dass deutsche Geheimdienste mit 451 Geheimdiensten aus 167 Ländern zusammenarbeiten. Können Sie diese Zahl erst einmal bestätigen?

StS Seibert: Zu nachrichtendienstlichen Angelegenheiten - und das ist eine solche - äußert sich die Bundesregierung weiterhin gegenüber den zuständigen Gremien des Deutschen Bundestages.

Zusatzfrage : Aber mit 451 Geheimdiensten zusammenzuarbeiten ist immer notwendig und richtig?

StS Seibert: Ich habe meine Antwort darauf gerade gegeben.

Frage: Herr Seibert, unabhängig von dem, was Sie uns hier - nach bestem Wissen und Gewissen - sagen können: Hatten Sie eigentlich in den letzten zwei Jahren immer den Eindruck, ausreichend und umfassend informiert gewesen zu sein, bevor Sie hier vor uns traten?

StS Seibert: Meine Eindrücke sind ja hier nicht das Wichtige, sondern das Wichtige ist das, was ich Ihnen hier als Sprecher der Bundesregierung sage. Das habe ich immer nach bestem Wissen und Gewissen getan.

Zusatzfrage: Der Hintergrund ist natürlich, dass Sie hier auch einmal Dinge gesagt haben, die ja offenkundig nicht richtig waren. Darum ist meine Frage, ob Sie das im Bewusstsein getan haben, ausreichend informiert gewesen zu sein?

StS Seibert: Wie gesagt: Meine Bewusstseinsfragen sind hier wirklich nicht wichtig. Ich habe eine sehr gute und enge Zusammenarbeit mit all denen in der Bundesregierung, mit denen ein Regierungssprecher zusammenarbeiten muss, um hier zu sitzen und mit gutem Wissen und Gewissen die Presse und die Öffentlichkeit zu informieren.

Zusatzfrage: Das gilt nach wie vor?

StS Seibert: Das gilt nach wie vor.

Zusatzfrage: Haben Sie nach wie vor vollstes Vertrauen in die Kanzlerin?

StS Seibert: Das ist doch eine absurde Frage, wenn ich das einmal so sagen darf.

Zusatz: Das finde ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht.

StS Seibert: Ich sitze als Regierungssprecher hier, und das tue ich so gut ausgestattet, wie ich das in den letzten fast fünf Jahren getan habe.

Frage : Es ist ja nicht so, dass Sie hier nur als Regierungssprecher sitzen, sondern auch als Staatssekretär, wenn ich das vom Rang her richtig in Erinnerung habe. Das heißt, Sie sind hier als Beamter tätig. Insofern ist ja schon ein bisschen die Frage, ob Ihnen in der Funktion immer die Wahrheit gesagt wurde oder ob es Ihrerseits daran Zweifel gibt. Also so ganz absurd finde ich die Frage vom Kollegen nicht. Deswegen schließe ich hier noch an.

StS Seibert: Danke, dass Sie mich daran erinnern, dass ich den Rang des Staatssekretärs habe. Das ändert aber nichts daran, dass meine Aussage dem Kollegen gegenüber oder sämtliche Aussagen, die ich hier am Montag zu diesem Thema gemacht habe, aufrechterhalten werden.

Frage : Wie sind denn Aussagen nach bestem Wissen und Gewissen mit Ihrer Aufgabe als Regierungssprecher zu vereinbaren? Ist das die primäre Aufgabe eines Regierungssprechers, nach bestem Wissen und Gewissen zu informieren, oder gibt es da irgendwelche gesetzliche Vorgaben?

StS Seibert: Ich glaube, es gibt kein Gesetz über die Arbeit des Regierungssprechers. Aber wenn Sie mich fragen, ob es für einen Regierungssprecher unabdingbar ist, dass er nach bestem Wissen und Gewissen informiert, dann würde ich Ihnen zustimmen.

Frage: Wenn sich allerdings im Nachhinein herausstellt, dass das beste Wissen und Gewissen nicht gereicht hat, um das Richtige zu sagen und Sie dadurch möglicherweise Zusammenhänge falsch darstellen, würden Sie dann sagen, dass Sie Ihrer Aufgabe gerecht geworden sind?

StS Seibert: Ich habe dazu jetzt wirklich nichts Neues beizutragen. Ich werde auch keine Wenn-dann-Fragen beantworten. Ich bin dazu von Ihnen, glaube ich, gut verstanden worden.

Frage : Wie bewertet die Bundesregierung denn die gestrigen Veröffentlichungen von Wikileaks?

StS Seibert: Zunächst einmal ist der Herr des Verfahrens, was die Arbeit des Untersuchungsausschusses betrifft, das Verfassungsorgan Deutscher Bundestag. Der Deutsche Bundestag hat Regeln für so etwas. Es sind die Regeln des Deutschen Bundestages, die da verletzt worden sind. Der Deutsche Bundestag hat jetzt ganz unabhängig von der Bundesregierung in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, wie er damit umgeht, welche Konsequenzen er daraus zieht.

Zusatzfrage : Die Bundesregierung hat keine Meinung dazu?

StS Seibert: Es ist immer zu bedauern, wenn Regeln des Deutschen Bundestages verletzt werden.

Frage: Meine Frage richtet sich an das Auswärtige Amt. Vor ein paar Tagen wurde vor der Küste Libyens ein türkischer Frachte angegriffen. Wie bewertet das Auswärtige Amt diesen Vorfall und die Entwicklung in Libyen?

Fischer: Den Angriff auf einen türkischen Frachter vor der Küste Libyens haben wir natürlich mit Sorge verfolgt. Wir verurteilen dies selbstverständlich. Die Entwicklungen in Libyen sind, wie Sie wissen, schwierig. Sie stellen die Bundesregierung, aber auch die gesamte Europäische Union, vor große Herausforderungen.

Was zum Beispiel die Flüchtlingsproblematik angeht: Es kommen ja sehr viele der Flüchtlinge über Libyen und das Mittelmeer in die Europäische Union. Deshalb arbeiten wir daran, Stabilität in Libyen herzustellen, vor allen Dingen dadurch, dass wir den UN-Beauftragten bei seiner Arbeit unterstützen. Er befindet sich ja derzeit in Gesprächen mit den verschiedenen libyschen Parteien mit dem Ziel der Bildung einer Regierung der nationalen Einheit.

Frage : Eine Lernfrage: Gibt es eigentlich von den diversen Regierungen in Libyen derzeit eine, die von der deutschen Regierung anerkannt ist?

Fischer: Es gibt diverse Regierungen in Libyen. Es gibt eine, die aus Wahlen hervorgegangen ist. Das ist zunächst einmal unser primärer Ansprechpartner.

Zusatzfrage : Entschuldigung, ich wollte nicht wissen, wer Ihr primärer Ansprechpartner ist, sondern ob es eine Regierung gibt, die von deutscher Seite völkerrechtlich anerkannt ist?

Fischer: Regierungen werden nicht anerkannt, Staaten werden anerkannt.

Frage : Ich habe eine Frage zum Thema Flüchtlinge - wahrscheinlich an Herrn Seibert beziehungsweise an das Innenministerium. Heute Nachmittag stellt ja die EU ihre Pläne für die Einführung einer solchen Quote vor. Gleichzeitig wird jetzt schon deutlich, dass einige Staaten da nicht mitziehen werden. Insbesondere Großbritannien hat das sehr deutlich gemacht. Wie optimistisch ist eigentlich die Bundesregierung, dass sie so eine Quote am Ende trotzdem durchbekommen wird, wenn man Großbritannien in der EU halten will - vor allen Dingen vor dem Hintergrund, dass Großbritannien ohnehin diverse Verträge nachverhandeln will und sich bei dieser Frage wahrscheinlich jetzt nicht in Richtung der EU, sondern eher in die andere Richtung bewegen wird?

StS Seibert: Grundsätzlich sind wir froh und begrüßen, dass die Europäische Kommission ihre Mitteilung zur Migrationsagenda jetzt frühzeitig vorlegt. Selbstverständlich müssen wir diese Mitteilung, wenn sie vorgelegt ist, erst einmal in all ihren Punkten gründlich prüfen.

Ebenso grundsätzlich herrscht bei uns die Überzeugung - ich glaube, auch bei vielen unserer europäischen Partner -, dass im Hinblick auf die dramatische Flüchtlingsentwicklung im Mittelmeer Eile geboten ist. Deswegen gab es den Europäischen Sonderrat; deswegen sind dort Maßnahmen beschlossen worden. An deren Umsetzung - das ist auch unser Appell - muss von allen gemeinsam zügig gearbeitet werden. Das sind die Maßnahmen zur Seenotrettung, die Maßnahmen zur Schleuserbekämpfung usw. Wir sind deswegen auch froh, dass die Hohe Vertreterin sich gegenwärtig um ein UN-Mandat für eine Operation zu diesem Thema bemüht.

Die Mitteilung der Europäischen Kommission, die - wie gesagt - im Einzelnen gründlich zu prüfen ist, leistet sicher einen wichtigen Beitrag in diesem Prozess und wird auch in die Erörterung einfließen, sowohl auf dem Rat der Justiz- und Innenminister als auch beim nächsten Rat der Staats- und Regierungschefs im Juni.

Für uns - das haben wir mehrfach klar gemacht - geht es natürlich um eine faire Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU. Es geht um Schleuserbekämpfung. Es geht um eine enge Verknüpfung von innen- und außenpolitischen Maßnahmen. Es geht - das ist ganz wichtig - auch um die Zusammenarbeit mit den Herkunfts- und den Transitstaaten, weswegen ein baldiger EU-Afrika-Gipfel angeraten ist.

Zu allem Weiteren, was Sie sagen - man weiß ja schon, Großbritannien werde so und so agieren -, sind wir doch eigentlich der Meinung, dass die britische Regierung, die sich ja gerade erst gebildet hat, auf ihre europäischen Partner mit ihren Vorstellungen zukommen wird und man dann darüber spricht.

Frage : Herr Flosdorff, weil es gerade wieder ein paar neue Meldungen über Drohnen gibt, wollte ich einmal nachfragen, wie es gerade unserer Lieblingsdrohne "Euro Hawk" geht und was sie so treibt und wie viel sie gerade kostet?

Flosdorff: Was jetzt die Mail-Drohne angeht, also nicht das, was jetzt gestern in der Zeitung war - Sie wissen das, aber es wird ja gern durcheinander geworfen -, sind wir im Stadium, dass wir immer noch weiter die Isis, also das Innenleben dieser Beobachtungsdrohne oder elektronischen Analysedrohne, enderproben. Dazu brauchen wir den alten "Euro Hawk Full Skale Demonstrator", der aus der Garage herausgeholt wird, um diese Tests unter Echtbedingungen in der Luft durchzuführen, nicht nur unter Laborbedingungen oder am Rechner.

Für den Unterhalt dieser Drohne, dieses Gefährts, und die Aufklärungstechnik, die wir weiter beschaffen und enderproben wollen, ist natürlich Geld vonnöten. Es geht da um einen höheren Millionenbetrag, den ich jetzt nicht genau beziffern kann. Im Parlament ist einmal kommuniziert worden, dass das wahrscheinlich über die gesamte Strecke ein mittlerer bis niedriger dreistelliger Millionenbetrag ist.

Zusatzfrage : Und was heißt das jetzt für das Projekt "Euro Hawk"? Also wann soll diese Erprobung nach aktuellem Stand abgeschlossen sein?

Flosdorff: Ich habe hier keine Zeitlinien, die ich jetzt präsentieren kann. Sie können gleich gern im Ministerium anrufen oder ich schicke Ihnen das herüber. Dann sage ich Ihnen das gern, soweit das verfügbar ist. Aber es gibt keine neue Entwicklung zu diesem speziellen Projekt, die mich jetzt dazu veranlasst hätte, mir einen Zettel mit den Zeitlinien bereitzulegen. Es ist eines von vielen Projekten, die wir parallel fahren.

Vorsitzender Mayntz: Das machen wir dann auch über unseren Verteiler.

Frage : Ich wollte zum einen auch generell um die Zeitlinien bitten, also den Fahrplan für die "FSD"-Erprobung. Zum anderen bitte ich Sie auch noch einzufügen, wann die Auswahlentscheidung für das Nachfolgemodell, sprich "Triton" oder Ähnliches, fallen soll.

Flosdorff: Da haben wir ja einen klaren Stufenplan vorgelegt, dass wir jetzt einige Dinge parallel machen. Das eine ist die Enderprobung von Isis, das andere ist die Zulassungsstudie.

Wir müssen bei "Triton" generell schauen, wenn am Ende überhaupt die Wahl auf dieses Modell fällt - im Moment sieht es so aus, dass dieses Modell die Nase vorn haben wird -, ob es in Deutschland überhaupt zulassbar ist. Dann müssen wir in enger Abstimmung mit den amerikanischen Partnern sehen, wie weit sie sind - sie wollen die Drohne ja auch zulassen -, und dann parallel überprüfen, was in unserem Zulassungsrecht eventuell geändert oder angepasst werden muss, damit man am Ende nicht wieder vor der Situation steht, dass man eine im Prinzip brauchbare Drohne hat, aber das ganze Programm daran zu scheitern droht, dass man es hier im Luftraum nicht zulassen kann.

Frage: Es geht noch einmal um Flüchtlinge. Ich habe eine Frage an das Verteidigungsministerium oder an das Auswärtige Amt. Gibt es im Vorfeld des Brüsseler Treffens am Montag einen neuen Stand, was das Thema "militärische Missionen" anbelangt? Kommen Signale aus Brüssel? Was kann da besprochen werden?

Fischer: Die anschwellende Migrationsbewegung hat natürlich sehr komplexe Ursachen. Es gibt, wie wir alle wissen, keine ganz schnellen Lösungen. Deshalb ist es wichtig, dass wir im Rahmen der EU, aber auch darüber hinaus, die enge Zusammenarbeit suchen - das gilt für die Herkunfts- und Transitstaaten natürlich im Besonderen - und dabei an der Umsetzung der Beschlüsse arbeiten, die der Europäische Rat am 23. April auf der Grundlage des Zehn-Punkte-Plans der Kommission getroffen hat.

Ein wichtiger Punkt dabei, den ja auch die Hohe Beauftragte Federica Mogherini angesprochen hat und der zusammen mit den europäischen Außen- und Verteidigungsministern intensiv bearbeitet wird, ist zum einen die Seenotrettung. Da haben wir ja zwei Marineschiffe zur Verfügung gestellt, die bereits im Einsatz sind und schon mehrere hundert Flüchtlinge gerettet haben.

Ein anderer Punkt ist die Bekämpfung von Schleuserbanden. Diese Schleuserbanden nutzen die Notlage der Menschen in der Region in unerträglicher Weise aus, bringen diese Menschen in Gefahr und finanzieren mit dem Geld, das sie einnehmen, eben auch terroristische Organisationen oder stärken diese. Frau Mogherini hat in diesem Zusammenhang gerade in New York mit den Vertretern im UN-Sicherheitsrat Gespräche über eine mögliche UN-Sicherheitsratsresolution zu diesem Thema geführt. Sie wird Außenminister Steinmeier jetzt am Rande des Nato-Außenministertreffens in Antalya treffen und ihn dort sicherlich über ihre Gespräche in New York und den Stand ihrer Bemühungen dort informieren. Am Montag wird es dann die Möglichkeit geben, im Rahmen des Jumbo-Rats aus Außenministern und Verteidigungsministern dieses wirklich schwierige und komplexe Thema noch einmal in seiner ganzen Breite auf europäischer Ebene zu besprechen.

Zusatzfrage: Wenn ich das richtig verstanden habe, waren die Signale in New York ja nicht so richtig klar. Wäre da eine europäische Lösung denkbar - ohne dass die UN mitmacht?

Fischer: Wir setzen schon auf eine VN-Sicherheitsresolution. Aber man muss eben unterscheiden, worum es geht. Das sage ich ja. Es gibt ganz verschiedene komplexe politische und rechtliche Fragen zu klären.

Das ist zum Beispiel das Thema Seenotrettung. Nach internationalem Recht ist jedes Schiff, das jemanden sieht, der in Seenot ist - wenn er dazu in der Lage ist, ohne sich selbst zu gefährden -, verpflichtet, diesen Schiffbrüchigen oder diese Schiffbrüchigen zu retten oder ihnen Hilfe zu leisten. Das heißt, das ist eine Aufgabe, die sich aus dem Völkerrecht ergibt.

Dann gibt es Aufgaben, die darüber hinausgehen: Wie kann man gegen Schleuserbanden vorgehen? - Da gibt es sicherlich Gesprächsbedarf. Da haben auch einige der internationalen Partner, so wie wir es verstanden haben - wie gesagt, da müssten wir vielleicht noch das Gespräch von Frau Mogherini mit Außenminister Steinmeier abwarten -, Fragen gestellt. Diese müssen wir jetzt beantworten. Aber es sind in der Tat rechtliche und komplexe Fragen, die wir lösen müssen, um einen Beitrag zu einer Lösung dieser gesamten Flüchtlingsproblematik leisten zu können.

Frage: Herr Fischer, ist denn das Vorgehen gegen Schleuserkriminalität aus deutscher Sicht auch eine militärische Aufgabe?

Fischer: Wir sind ja dabei, die Grundlagen zu klären. Es hat verschiedene Aspekte. Sie werden jetzt aufgearbeitet, ausgearbeitet. Ich denke, dann wird man am Montag weiter sein. Es gibt den Auftrag des Europäischen Rats in dieser Hinsicht. Es wird jetzt mit Hochdruck daran gearbeitet, diesen umzusetzen.

Zusatzfrage : Ich habe schon verstanden, dass das Thema sehr komplex ist und da die rechtlichen, völkerrechtlichen, moralischen, politischen, wirtschaftlichen und sonstigen politischen Implikationen aufgearbeitet werden müssen. Ich wollte eigentlich nur ganz simpel wissen, ob aus deutscher Sicht das Vorgehen gegen Schleuserkriminalität eine Aufgabe für Militär ist?

Fischer: Es ist in diesem Fall eine gesamteuropäische Aufgabe, wie der Europäische Rat dies auch in Auftrag gegeben hat. Er hat ja gesagt: Es geht unter anderem darum, die Schleuserbanden auszutrocknen. Es geht darum, die Schleuserboote zu stoppen. In diesem Geiste werden wir diese Fragen behandeln.

Zusatzfrage : Darf ich es noch einmal probieren? Ist es eine Aufgabe für Militär?

Fischer: Es sind ja auch derzeit schon Marineschiffe zur Seenotrettung im Einsatz. Man muss bei jeder einzelnen Aufgabe ganz genau sehen: Was hat das für Konsequenzen? Was hat das für Konsequenzen verfassungsrechtlicher Art? Was hat das für Konsequenzen internationaler Art?

Dann muss man entscheiden, worum es geht. Ich glaube, dann müssen wir erst einmal abwarten, was tatsächlich am Montag behandelt wird, was die genauen Vorschläge sind. Dann kann man die Frage von Ihnen beantworten.

Vorsitzender Mayntz: Kann das Verteidigungsministerium ergänzen?

Flosdorff: Sie wissen ja, die Bundeswehr ist im Rahmen der Seenotrettung aktiv und hat bereits erfolgreich erste Flüchtlinge gerettet. Das ist das, was im Moment im Zentrum steht. Das läuft auf Basis einer bilateralen Vereinbarung mit Italien. Die Schiffe sind auch heute wieder in Position, 100 Kilometer nördlich der libyschen Küste.

Was die generelle Frage angeht, was eventuell nächste Woche passiert, so handelt die Bundeswehr immer gemäß eines politischen Auftrags und auf einer festen rechtlichen Basis, die sich danach richtet, was der Auftrag ist. Ich kann mit Ihnen hier nicht in Richtung Zukunft spekulieren. Es ist auch nicht die Kernaufgabe des Verteidigungsministeriums, das ja die Fähigkeiten dazu zur Verfügung stellt, hier proaktiv fiktive rechtliche Bewertungen vorzunehmen.

Frage: Wäre denn die Verteidigungsministerin bereit, die Boote zu zerstören?

Flosdorff: Die Verteidigungsministerin trägt die politische Verantwortung von Berlin aus. Im Übrigen gilt das, was ich gerade eben gesagt habe.

Zusatzfrage: Will sie die Boote zerstören?

Flosdorff: Die Verteidigungsministerin handelt mit der Bundeswehr nach dem politischen Auftrag. Es geht hier nicht darum, was die Verteidigungsministerin will, sondern um das, was Soldaten machen, die im Auftrag des Parlaments aktiv sind oder im Rahmen des Völkerrechts das tun, was alle Seeleute tun, wenn sie auf dem Meer unterwegs sind und Seeleute oder andere Menschen auf dem Meer in Not geraten.

Zusatzfrage: Eine Frage an das Finanzministerium. Am Sonntag hat Herr Schäuble im Interview mit der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" behauptet, er habe 2011 Premierminister Papandreou sehr zu einem Referendum in Griechenland geraten. Dabei hat er doch in Wahrheit gleich nach der Bekanntgabe des Referendums eine schon freigegebene Kredittranche für Athen gestoppt. Wie passt das zusammen?

von Tiesenhausen-Cave: Ich glaube, ich muss das Interview hier nicht interpretieren. Sie haben das richtig gelesen. Das ist die Aussage des Ministers und der habe ich nichts hinzuzufügen.

Im Übrigen zu den Prozessen: Die waren auch damals so, dass nicht unilateral einzelne Finanzminister die Freigabe von Tranchen gestoppt haben können.

Zusatzfrage: Wer soll denn seine Aussage, dass er Herrn Papandreou sehr zu einem Referendum geraten hat, glauben? Warum ist das eine glaubhafte Aussage von Herrn Schäuble?

von Tiesenhausen-Cave: Sie können jetzt nicht im Ernst von mir verlangen, dass ich - - Die Aussage ist so getroffen worden. Ich habe sie nicht zu interpretieren. Ob sie die glauben oder nicht, ist dann Ihre Sache.

Zusatz: Es spricht doch nichts dafür, dass das wahr ist. Seine Handlungen damals haben doch genau das Gegenteil gesprochen.

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe dazu gesagt, was ich sagen kann.

Vorsitzender Mayntz: Bringen Sie es auf eine Frageform?

Zusatz: Nein.

Frage : Vielleicht könnte man die Frage ja nach vorne drehen, wenn man fragt: Wie sieht denn das Bundesfinanzministerium eigentlich derzeit die Möglichkeit eines Referendums? Das wird ja auch aktuell diskutiert. Was hält Herr Schäuble denn von einer solchen Möglichkeit?

von Tiesenhausen-Cave: Auch da darf ich Sie auf Aussagen verweisen, die in den letzten Tagen - gestern und vorgestern in Brüssel - gemacht wurden. Auch da hat sich der Bundesfinanzminister zum Thema eines möglichen Referendums in Griechenland geäußert.

Noch einmal für Ihren Kontext: Das ist ja auch schon durch den griechischen Premierminister Tsipras ins Gespräch gebracht worden. Der Minister hat sich dazu so positioniert, wie Sie es nachlesen können, nämlich, dass man es, wenn es für notwendig und nützlich erachtet wird, dann unterstützen würde.

Frage : Herr Flosdorff, zum Thema A400M. Nach dem Absturz eines A400M am vergangenen Samstag geht es natürlich darum, den Ursachen des Unglücks nicht vorzugreifen, sondern die sorgfältige Untersuchung und Bewertung der zuständigen Behörden abzuwarten. Dennoch wüsste ich gerne: Werden von Ihrem Haus Gespräche mit dem Unternehmen geführt, was die geplante Auslieferung der weiteren Flugzeuge dieses Typs an die Luftwaffe angeht?

Flosdorff: Es werden von unserer Seite aus Gespräche mit dem Unternehmen geführt, die sich aber im Moment eher darauf beschränken, Hilfe anzubieten, wenn es darum geht, den Unfall so aufzuklären, wie das notwendig ist, damit man in Kürze Klarheit darüber hat, was das für Auswirkungen auf mögliche Zeitlinien haben wird. Außerdem gibt es natürlich viele internationale Partner, die im Moment auch auf die Geschehnisse blicken und sich fragen, was das für Auswirkungen für sie hat. Wir sind natürlich selbstverständlich sowohl mit den Unternehmen als auch mit den internationalen Partnern in enger Abstimmung. Es ist jetzt wirklich noch viel zu früh, jetzt schon zu sagen, wie man das mit Tag, Monat und Jahr beziffern kann und was das für das deutsche Programm heißt.

Zusatzfrage: Airbus hat Ihnen auch nicht schon irgendwelche revidierten Ankündigungen, Planungen mitgeteilt, was die Auslieferung angeht?

Flosdorff: Airbus hat uns auch vor diesem Unglück für dieses Jahr noch keine revidierte, genaue Planung mitgeteilt, was auch ohne dieses Unglück an A400M in diesem und im nächsten Jahr zu erwarten gewesen wäre. Insofern befinden wir uns weiterhin im selben Status. Uns ist aber allen klar, dass das sowohl für das Unternehmen als auch für alle anderen Beteiligten sicherlich eine schwierige Situation ist und das - je nachdem, was sich als Unfallursache herausstellt - sicher eher negative als positive Auswirkungen auf das gesamte Programm haben wird. Ich denke, das ist allen Beteiligten klar.

Frage: Herr Scholz, wie ist der weitere Terminplan beim Thema Höchstspeicherfristen/Vorratsdatenspeicherung? Wann ist dort etwas zu erwarten?

Scholz: Wie Sie wissen, haben wir Leitlinien vorgelegt und veröffentlicht, die die Grundlage für den Gesetzentwurf sind, den wir derzeit erarbeiten. Das soll so schnell wie möglich passieren. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wann wir genau den Gesetzentwurf vorlegen. Einen genauen Zeitpunkt kann ich Ihnen leider noch nicht mitteilen.

Zusatzfrage : Das heißt, die Abstimmungen sind so weit noch nicht abgeschlossen?

Scholz: Das ist richtig. Wir arbeiten im Haus daran, stimmen uns natürlich auch mit dem Innenministerium ab und werden so schnell wie möglich einen Gesetzentwurf vorlegen.

Frage: Eine Frage an das Wirtschaftsministerium, wie ich annehme: Sieht es die Bundesregierung so, dass im Tarifstreit zwischen Deutsche Post und ver.di unangemessener Druck auf die Beschäftigten vonseiten der Post ausgeübt wird?

Toschev: Ich nehme an, Sie fragen aufgrund der Berichterstattung über einen Brief.

Zusatz: Ich frage erst einmal einfach nur so.

Toschev: Wie die Tarifauseinandersetzungen geführt werden, obliegt natürlich den Tarifparteien. Ich stelle die Frage trotzdem in den Kontext, nämlich hinsichtlich der Berichterstattung des Briefes, mit dem sich der Bundeswirtschaftsminister in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender beim Unternehmen Post zu Fragen erkundigt hat, die an ihn herangetragen wurden, die die Tarifauseinandersetzung betreffen. Die Bewertung obliegt hier nicht mir oder uns. Er hat sich, wie gesagt, beim Unternehmen schlichtweg erkundigt.

Zusatzfrage: Das heißt, er hat sich erkundigt, ob unangemessener Druck ausgeübt wird oder er hat Hinweise darauf?

Toschev: Ich möchte Sie bitten, sich an die Partei zu wenden. Er hat sich in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender dazu erkundigt, und dort wird Ihnen sicherlich auch genau mitgeteilt, auf welcher Grundlage er sich erkundigt hat. Er hat sich sicherlich grundsätzlich nicht ohne Anlass von Hinweisen erkundigt.

Zusatzfrage: Die Bundesregierung sieht also keinen Anlass, sich als Anteilseigener darüber zu erkundigen? Die Bundesregierung ist ja einer der größten Anteilseigner und Besitzer der Post.

Toschev: Grundsätzlich gilt: Die Anteilseignerschaft berührt nicht das operative Geschäft, sondern das wird durch die Unternehmen geführt. Wie gesagt, es geht hier auch nicht um eine Frage der Einmischung in Tarifangelegenheiten oder Tarifauseinandersetzungen, sondern es geht darum, dass sich Minister Gabriel als Parteivorsitzender zu Fragen erkundigt hat, die diesbezüglich an ihn herangetragen wurden. Damit ist gar keine Bewertung verbunden - weder seitens der Bundesregierung noch in dem Schreiben, das er an das Unternehmen gerichtet hat -, sondern er hat sich - ich denke, das ist auch ganz normal - schlichtweg erst einmal über das erkundigt, was ihm berichtet wurde.

Zusatz: Ich kann, ehrlich gesagt, nicht erkennen, warum das jetzt etwas mit dem operativen Geschäft, in das Sie sich eigentlich nicht einmischen wollen, zu tun hat, sondern es ging um die Lage der Beschäftigten dort. Deswegen war die Frage, ob die Bundesregierung als Mitbesitzerin des Unternehmens auch ein Interesse daran hat oder nicht.

Toschev: Ein Interesse woran?

Zusatz: An der Lage der Beschäftigten.

Toschev: Das ist genau die Frage, zu der ich mich gerade geäußert habe. Die Anteilseignerschaft hat damit nichts zu tun.

Ich möchte Sie aber bitten, sich zu diesem Kontext an die Stelle zu wenden, in deren Namen sich der Minister auch geäußert hat.

Zusatzfrage: Sie reden immer von dem Brief. Ich habe mich gar nicht nach dem Brief erkundigt, sondern ich habe mich nach der Haltung der Bundesregierung erkundigt, für die Sie hier sitzen, und gefragt, ob sie als Anteilseigner und Besitzer der Deutschen Post ein Interesse daran hat, wie die Lage der Beschäftigten in der Auseinandersetzung ist.

Toschev: Ich habe Ihnen gesagt, dass die Tarifauseinandersetzung durch die Tarifparteien geführt wird.

Zusatzfrage: Und Herr Gabriel in Person als SPD-Vorsitzender hat ein Interesse daran, das aufgrund des Briefes zu erfahren und die Bundesregierung, also Herr Gabriel als Wirtschaftsminister, aber nicht. Richtig?

Toschev: Die Anteilseignerschaft hat damit nichts zu tun. Er hat sich in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender an das Unternehmen gewandt und darum gebeten, dass ihm Auskunft zu den Fragen erteilt wird, die an ihn herangetragen wurden.

Frage: Das Schreiben liest sich ja nicht wirklich nur als Erkundigung, sondern darin heißt es ja, dass Unternehmen mit Bundesbeteiligung unbedingt kollektive Arbeitnehmerrechte achten müssten. Gibt es aus Sicht der Bundesregierung Anlass, sich weitere Schritte zu überlegen, damit diese Ermahnung nicht nur verpufft, sondern dieser Ermahnung tatsächlich auch Taten folgen?

Zweitens. Was hat Sigmar Gabriel tatsächlich bemüßigt, dieses Schreiben zu formulieren?

Toschev: Ich möchte Sie bitten, sich dazu an die Partei zu wenden, über die dieses Schreiben aufgesetzt wurde. Er hat sich in seiner Eigenschaft als Parteivorsitzender dort erkundigt. Es geht ihm erst einmal darum, dazu sozusagen eine Rückmeldung zu bekommen. Einen weiteren Anlass sehe ich momentan nicht.

Zusatzfrage: Vielleicht hat Herr Seibert noch etwas hinzuzufügen, ob er es für eine Angelegenheit der Bundesregierung hält, sich - -

StS Seibert: Nein. Ich habe dem, was der Sprecher des Wirtschaftsministeriums gesagt hat, nichts hinzuzufügen.

Vorsitzender Mayntz: Dann hat Herr Flosdorff noch eine Information zu einem anderen Thema.

Flosdorff: Ein Nachtrag zu den Zeitlinien, was die hochfliegende Drohne angeht; die Kollegen im Ministerium waren zwischenzeitlich aktiv. Die Studie, ob die Drohne "Triton" zulassungsfähig ist, soll bis zum Frühjahr 2016 abgeschlossen sein. Die Flüge mit dem "Full Scale Demonstrator" sollen ab Mitte des Jahres 2016 aufgenommen werden. Die Auswahlentscheidung für die "HALE"-Drohne soll aus derzeitiger Sicht ab Mitte des Jahres 2017 möglich sein.

Frage : Herr Seibert, zum Besuch des israelischen Staatspräsidenten in Deutschland. Es gibt ein bisschen einen Dissens, wie man Frieden zwischen Palästinensern und Israelis schaffen kann. Die Deutschen sind für eine Zwei-Staaten-Lösung, der Ministerpräsident nicht, der Präsident auch nicht. Was spricht denn gegen eine Ein-Staaten-Lösung aus Sicht der Bundesregierung?

StS Seibert: Der Besuch des israelischen Staatspräsidenten, über den wir gerade zu diesem historischen Anlass - 50 Jahre Aufnahme der diplomatischen Beziehungen - sehr glücklich waren, hat sich in einer sehr harmonischen Weise abgespielt. Das hat sowohl das Gespräch mit der Bundeskanzlerin als auch die anderen Programmpunkte gekennzeichnet.

Wir sind beide dankbar darüber, dass es möglich ist, 50 Jahre nach Aufnahme der diplomatischen Beziehungen ein solches intensives Verhältnis unserer beiden Staaten und unserer beiden Völker erreicht zu haben. Das möchte ich einmal vorweg sagen.

Im Übrigen hat die Bundesregierung die Überlegungen des israelischen Staatspräsidenten, die in den Medien wiedergegeben wurden, mit großem Respekt zur Kenntnis genommen. Unser Ansatz ist: Jeder Politik- und Denkansatz, der darauf abzielt, diesen jahrzehntelangen Konflikt im Nahen Osten zu einer friedlichen Verhandlungslösung zu bringen, ist zunächst einmal diskussionswürdig. Aus Sicht der Bundesregierung kann aber allein eine Zwei-Staaten-Lösung eben einen dauerhaften Frieden zwischen Israel und den Palästinensern ermöglichen. Das heißt, neben dem Staat Israel muss nach unserer Auffassung ein unabhängiger, ein demokratischer, ein lebensfähiger palästinensischer Staat angestrebt werden, der dann wirklich in Frieden und Sicherheit Seite an Seite mit Israel und den anderen Nachbarn leben kann.

Das ist unser Ansatz, der natürlich auch im Gespräch vertreten worden ist und den Sie Sie im Übrigen auch kennen. Wir haben ihn hier seit Langem vertreten und er ist Grundlage unserer Politik.

Zusatzfrage : Wenn das der Ansatz ist und ein palästinensischer Staat von der deutschen Regierung gewollt ist, wann wird dann dieser Staat anerkannt?

StS Seibert: Wir haben auch gesagt, dass die Zwei-Staaten-Lösung das Ergebnis eines Verhandlungsprozesses sein sollte und dass wir es nicht für angebracht halten, einseitige Maßnahmen zu erheben, die diesen Prozess - schwierig genug, wie er ist - erschweren können.

Frage: Ich habe eine Frage an das Auswärtige Amt zum Thema Erdbeben in Nepal. Ist Ihnen nach dem Nachbeben etwas darüber bekannt geworden, inwieweit dort Deutsche - vielleicht auch deutsche Hilfskräfte - zu Schaden gekommen sind?

Fischer: Nach unserer Kenntnis hat es gestern bei dem schweren Erdbeben keine weiteren deutschen Opfer gegeben. Gleichwohl gilt natürlich unser tief empfundenes Mitgefühl - und unsere Gedanken sind bei ihnen - den Angehörigen und Familien derjenigen, die dem gestrigen sehr schweren Erdbeben zum Opfer gefallen sind. Den mit der deutschen Botschaft in Kathmandu in Kontakt stehenden Deutschen und auch den Mitarbeitern der Botschaft geht es nach dem Nachbeben in Nepal den Umständen entsprechend gut; sie sind wohlauf.

Vorsitzender Mayntz: Herr Plate, Sie können ergänzen?

Plate: Eine minimale Ergänzung, weil Sie, glaube ich, nach den deutschen Helferinnen und Helfern gefragt hatten: Den Helferinnen und Helfern, die vom THW und damit aus dem Geschäftsbereich des Bundesinnenministeriums kommen, geht es im Wesentlichen gut. Einer hat eine ganz leichte Sprunggelenksverletzung erlitten, aber sonst sind alle unversehrt.

Fischer: Wo wir gerade bei dem Thema Nepal sind, kann ich noch ergänzen, dass vor Ort die Identifizierung der Todesopfer des ersten Erdbebens weiter voranschreitet. Wie Sie wissen, sind dort Kolleginnen und Kollegen des Bundeskriminalamtes im Rahmen einer Identifizierungskommission tätig. Leider ist es so, dass ich Ihnen mitteilen muss, dass wir den Tod eines weiteren deutschen Staatsangehörigen bestätigen müssen. Damit liegt die Zahl der bei dem Erdbeben in Nepal getöteten Deutschen bei fünf Personen. Unser Mitgefühl gilt auch hier den Angehörigen der Opfer und ihren Freunden.

Frage : An das Auswärtige Amt. In Genf wird von der UN geprüft, ob Deutschland die UN-Antirassismuskonvention erfüllt. Gibt es aus Sicht des Auswärtigen Amtes diesbezüglich Mängel?

Fischer: Ich glaube, dazu müssen Sie die Kolleginnen und Kollegen fragen, die für dieses Thema innerhalb der Bundesregierung federführend sind. Mir wären derzeit keine Mängel bekannt. Sicherlich gibt es aber immer Dinge, die man verbessern kann. Daran arbeitet die Bundesregierung mit Sicherheit.

Fachkundiger werden das die Kolleginnen und Kollegen aus den zuständigen Ressorts beantworten können.

Zusatzfrage : Wer kann da helfen?

Scholz: Ich nehme an, Sie sprechen die Staatenberichte an, die dort vorgestellt worden sind.

Zusatz : Ja.

Scholz: Ich muss gegebenenfalls etwas nachliefern. Deutschland hat entsprechend einen Bericht abgegeben, der geprüft wird. Aussagen über konkrete Mängel kann ich hier ad hoc nicht treffen.

Zusatzfrage : Können Sie das nachliefern?

Scholz: Wir können noch einmal Kontakt aufnehmen. Wir haben auf unserer Homepage schon auf den Staatenbericht verwiesen, und von daher ergeben sich die Antworten, glaube ich, aufgrund unserer Website.

Mittwoch, 13. Mai 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 13. Mai 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/05/2015-05-13-regpk.html;jsessionid=D246FC425CBDF58E8C4D7142F931B60D.s1t2
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Mai 2015

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