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PRESSEKONFERENZ/994: Regierungspressekonferenz vom 27. Mai 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Donnerstag, 27. Mai 2015
Regierungspressekonferenz vom 27. Mai 2015

Themen: Besuch des Bundesaußenministers in Lissabon, Reise des Bundesaußenministers in die Ukraine, nach Israel und Paris, Termine der Bundeskanzlerin (Bürgerdialog, European Round Table of Industrialists), Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten, Gesetzentwurf über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, Entwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen, 18. Bericht zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik), Veröffentlichung von mutmaßlichen Steuersündern durch die Schweiz, Besuch des britischen Premierministers in Deutschland, No-Spy-Abkommen, Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, finanzielle Situation Griechenlands, Ermittlungen gegen FIFA-Manager, G7-Gipfel in Elmau

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Roth (BMVg), Zimmermann (BMJV), Dimroth (BMI), Jäger (BMF)


Vors. Detjen eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Schäfer: Der Außenminister ist derzeit auf einer Reise nach Portugal, um dort mit der portugiesischen Staatsführung über europäische Angelegenheiten und die bilateralen Beziehungen zu sprechen und insbesondere auch die Reformerfolge der letzten Jahre in Portugal zu würdigen.

Das ist aber eigentlich nicht das, was ich Ihnen sagen wollte, sondern ich möchte Ihnen sagen, dass Herr Steinmeier am Freitag auf eine fünftägige Reise gehen wird, die ihn zunächst am Freitag und Samstag in die Ukraine führen wird. Er wird dort am Freitag, dem 29. Mai, mit der ukrainischen Staatsführung zusammentreffen und dann am Samstag in die Ostukraine weiterreisen, und zwar nicht in die Ostukraine-Separatistengebiete, sondern in die Stadt Dnipropetrovsk. Dort wird er unter anderem - so ist es jedenfalls geplant - auch mit Vertretern der zivilen Beobachtermission der OSZE zusammentreffen, die sich tagtäglich um die Beobachtung der militärischen und tatsächlichen Lage im Krisengebiet kümmern.

Wir wissen um die schwierige politische Lage, in der sich die Ukraine und auch die ukrainische Regierung befinden. Es geht darum, den Reformkurs bei einer wirklich schwer eingebrochenen wirtschaftlichen Lage unbeirrt fortzusetzen - und das alles vor dem Hintergrund einer immer noch schwelenden Krise in der Ostukraine. Deshalb ist es aus Sicht von Herrn Steinmeier sehr wichtig, den Dialog mit der ukrainischen Staatsführung fortzusetzen und zu pflegen. Das hat er zuletzt in der letzten Woche beim Außenministertreffen der Nato in Antalya getan, wo es zu einem langen bilateralen Gespräch mit dem Außenminister Klimkin gekommen ist, das er jetzt fortsetzen wird.

Wir sind in ernster Sorge um die Lage in der Ostukraine, denn dort ist es immer noch nicht gelungen, den Waffenstillstand wirklich nachhaltig und belastbar zu festigen. Es besteht immer noch, so glauben wir, vor allen Dingen an den Hotspots bei Mariupol und auch am Flughafen von Donezk die Gefahr einer erneuten militärischen Eskalation. Vor dem Hintergrund der bereits angesprochenen schwierigen wirtschaftlichen Lage in der Ukraine soll natürlich auch dieser Besuch ein Signal der Unterstützung und der Ermutigung der ukrainischen Staatsführung für den ja inzwischen eingeschlagenen, wirklich sehr rigorosen Reformkurs sein, den sich die Regierung vorgenommen hat. Schließlich geht es drittens darum, auch die bilateralen Aktivitäten Deutschlands zur Unterstützung dieses Reformkurses - wir nennen das unseren "Aktionsplan Ukraine" - mit der ukrainischen Staatsführung zu besprechen, damit die deutschen Hilfsangebote so optimal wie möglich genutzt werden können, damit die Ukraine auf dem schwierigen Reformweg vorankommt.

Die Reise von Herrn Steinmeier führt ihn dann am Samstag weiter in den Nahen Osten. Er wird nach Israel reisen, um dort mit der neuen israelischen Regierung - mit Ministerpräsident Netanjahu, der ja auch amtierender Außenminister ist, und anderen Vertretern der politischen Führung - sowie anderen Politikern in Israel das Gespräch zu suchen. Genauso wird er am Sonntag und am Montag mit der politischen Führung in den Palästinensischen Gebieten Gespräche führen.

Ziel der Reise - das können Sie sich denken - ist es, nach der Bildung einer neuen israelischen Regierung in einer ganz neuen politischen Lage auszuloten, welche Perspektiven es für den Nahost-Friedensprozess geben kann. Dabei steht für den Außenminister die Situation in und um den Gaza-Streifen im Mittelpunkt seiner Aufmerksamkeit. Die Reise endet am Dienstag, dem 2. Juni, in Paris.

In Paris hat der französische Außenminister zu einem Treffen der Anti-ISIS-Koalition eingeladen. Dabei wird es darum gehen, nach neun Monaten der Aktivitäten dieser Koalition eine vorläufige Bilanz der Erfolge, aber auch der Herausforderungen, die es im Kampf gegen ISIS gibt, zu ziehen.

Ich danke Ihnen.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren, ich habe zwei Termine für den kommenden Montag, die ich Ihnen heute schon mitteilen möchte.

Zunächst einmal geht es um 14 Uhr damit los, dass die Bundeskanzlerin in der Berliner Kulturbrauerei mit Bürgerinnen und Bürgern über gutes Leben in Deutschland diskutiert. Damit beginnt die zweite Phase des Bürgerdialogs "Gut leben in Deutschland - was uns wichtig ist".

Zu den vielen Veranstaltungen, die ja in ganz Deutschland von Vereinen, Stiftungen, Kirchen, Sozialverbänden, Wirtschaftsvereinigungen, Gewerkschaften usw. organisiert werden, gibt es jetzt dann eben auch, wie angekündigt, Dialogveranstaltungen mit Mitgliedern der Bundesregierung. Die Bundeskanzlerin macht am Montag, dem 1. Juni, den Auftakt. Es werden alle Minister und Ministerinnen folgen. Sie selber wird an mehreren solcher Veranstaltungen, die wir Ihnen später noch bekanntgeben, teilnehmen.

Es werden am Montag etwa 60 Bürgerinnen und Bürger eingeladen sein, um mit der Bundeskanzlerin über Lebensqualität in Deutschland zu diskutieren. Diese Menschen stellen einen Querschnitt der deutschen Bevölkerung - alle Altersgruppen, alle sozialen Schichten, alle Bildungsgruppen - dar, immer entsprechend ihrer proportionalen Vertretung in der Gesamtbevölkerung der Bundesrepublik.

Falls Sie das interessiert: Sie sind zufällig ausgewählte Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie "Leben in Deutschland - das sozioökonomische Panel". Das ist eine seit über 40 Jahren durchgeführte repräsentative Erhebung privater Haushalte im Auftrag des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, durchgeführt von Infratest. Diese Menschen sind natürlich gefragt worden, ob sie freiwillig daran teilnehmen wollen. Das ist die erste Veranstaltung am Montag, die ich Ihnen ankündigen möchte.

Um 19 Uhr am Montag geht es dann mit einer Veranstaltung im Kanzleramt weiter. Die Bundeskanzlerin trifft mit dem französischen Präsidenten Hollande und dem Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, gemeinsam 20 Vorstandsvorsitzende führender europäischer Unternehmen, die allesamt dem sogenannten European Round Table of Industrialists angehören. Es wird ein gemeinsames Gespräch im Rahmen eines Abendessens von 19 bis 21 Uhr geben. Vorher, ab 18.40 Uhr, wird es Pressestatements der Kanzlerin, des französischen Präsidenten und von Herrn Juncker geben.

Der Hauptfokus des Gesprächs liegt auf den Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung für die europäische Industrie und für ihre globale Wettbewerbsfähigkeit. Sie wissen, dass die EU-Kommission kürzlich ihre Strategie für einen digitalen Binnenmarkt veröffentlicht hat. Es gilt, in Europa einen Strukturwandel zu bewältigen. Dabei ist der Austausch mit wichtigen Wirtschaftsvertretern und wichtigen Vertretern der Industrie, des Kontinents ein wichtiges Element.

So viel zu den beiden Terminen. Dann mache ich mit dem Kabinett weiter.

Über den ersten Punkt aus dem Kabinett haben Ihnen heute hier bereits zwei Minister berichtet. Das ist der Entwurf eines Gesetzes zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten.

Sie wissen, schon im April hatten sich der Justiz- und der Innenminister auf Eckpunkte einer Regelung geeinigt. Heute hat nun das Kabinett den Entwurf eines entsprechenden Gesetzes beschlossen. Diese sogenannten Telekommunikationsverkehrsdaten sind bei der Aufklärung schwerer Straftaten und bei der Gefahrenabwehr ein wichtiges Hilfsmittel für die staatlichen Behörden.

Um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in der digitalen Welt zu bewahren, werden klare, transparente Regeln zu Höchstspeicherfristen für solche Verkehrsdaten festgelegt. Sie kombinieren sowohl zeitlich wie auch inhaltlich eng begrenzte Speicherfristen mit sehr strengen Abrufregelungen, und sie bringen die Ziele der Verbrechensbekämpfung einerseits und des hohen Datenschutzstandards andererseits in Einklang. Auch die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts wie des Europäischen Gerichtshofs werden eingehalten.

Ich denke, die Einzelheiten haben Ihnen die Minister bereits dargelegt. Für Nachfragen stehen wir natürlich zur Verfügung.

Ein weiteres Thema im Kabinett war ein Gesetzentwurf, ebenfalls vorgelegt vom Bundesjustizminister, über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten. Das ist die Umsetzung einer EU-Richtlinie und die Durchführung einer Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten. Damit schafft die Bundesregierung die rechtliche Grundlage dafür, dass Verbraucherschlichtung flächendeckend möglich wird. Es gab bisher nur in einzelnen Branchen solche außergerichtliche Schlichtung. Künftig können sich Verbraucher und auch Unternehmen für Streitigkeiten, die aus allen Verbraucherverträgen - Kaufverträgen, Dienstleistungsverträgen - entspringen, quasi vor Ort an eine Schlichtungsstelle wenden. Diese Schlichtungsstellen müssen staatlich oder staatlich anerkannt sein. Bei der Suche nach einer einvernehmlichen Lösung hilft den Unternehmen und den Verbrauchern dann ein unabhängiger und unparteilicher Streitmittler. Dieses Verfahren soll leicht zugänglich und auch kostengünstig sein.

Ein großer Vorteil für beiden Seiten wird darin bestehen, dass eine einvernehmliche Lösungen eben zu einer einfachen, schnellen und kostengünstigen Möglichkeit der außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten führen wird. Die schon vorhandenen branchenspezifischen Schlichtungsstellen sollen erhalten bleiben.

Der Bundesgesundheitsminister hat dem Kabinett den Entwurf eines Gesetzes für sichere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen vorgelegt. Was heißt das? Die digitale Infrastruktur im Gesundheitswesen soll zu einer Datenautobahn auf- und ausgebaut werden. Das nutzt allen: Es nutzt den Patienten, den Ärzten, den Krankenhäusern und den Krankenkassen. Dafür hat das Kabinett heute mit diesem Gesetz die Voraussetzungen geschaffen.

Sie wissen, seit dem 1. Januar dieses Jahres ist die elektronische Gesundheitskarte Pflicht. Sie wäre zu einer Reihe neuer Anwendungen fähig, aber die können bisher noch nicht genutzt werden. Sagen wir einmal als Beispiel: Die Patienten könnten auf der elektronischen Gesundheitskarte ihre Notfalldaten speichern lassen oder Ärzte und Krankenhäuser könnten behandlungsrelevante Daten digital austauschen. Gerade im ländlichen Raum würde das natürlich neue Möglichkeiten eröffnen. Dafür setzt das Gesetz jetzt einerseits Anreize, andererseits auch Fristen. Ärzte und Krankenhäuser, die künftig mit elektronischen Arztbriefen arbeiten, bekommen dafür als Anschubfinanzierung 2016 und 2017 Zuschläge. Auch werden Ärzte zusätzlich vergütet, wenn sie Notfalldatensätze - Allergien, Vorerkrankungen usw. - erstellen. Telemedizinische Anwendungen, also wenn sich der Arzt an einem anderen Ort als der Patient befindet - vor allem in unterversorgten Gebieten -, sollen in Zukunft besser bezahlt werden. Patienten, die mindestens drei verordnete Medikamente nehmen, haben demnächst Anspruch auf einen Medikationsplan.

Für die technischen Voraussetzungen von all diesem, also der digitalen Infrastruktur im Gesundheitswesen, ist die Gesellschaft für Telematik - die Gematik - zuständig. Sie hat die Aufgabe, einen sicheren Datenaustausch aus- und aufzubauen. Nun sind Fristen für die Einführung der ersten Anwendungen, die ich gerade genannt habe, vorgesehen. Wenn diesen Fristen nicht eingehalten werden, treten Sanktionen ein. Konkret: Dann werden die finanziellen Mittel bei den Gesellschaftern der Gematik - die Organisationen der Selbstverwaltung: GKV-Spitzenverband, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung - gekürzt.

Perspektivisch möchte die Bundesregierung, dass nicht nur Ärzte und Krankenhäuser sich dieser digitalen Infrastruktur bedienen, sondern auch zum Beispiel Pflegekräfte und Therapeuten.

Ein weiterer Punkt im Kabinett war der 18. Bericht zur Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, vorgelegt vom Minister für Auswärtiges, den die Bundesregierung beschlossen hat. Der Berichtszeitraum geht von September 2013 bis 2014, also eine Zeit, die von einer Vielzahl von Krisen geprägt war. Ich nenne die Ukraine, Syrien, Irak, Westafrika durch die Ebola-Epidemie.

Kultur- und Bildungspolitik kann einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten. Beispiele dafür sind Stipendien an Studierende in Syrien, Basiskulturarbeit in Flüchtlingslagern, die Deutschland anbietet, oder auch ein Maßnahmenpaket für syrische Flüchtlinge im Bildungsbereich, das wir aufgelegt haben.

Ein wichtiger weiterer Punkt aus diesem Kultur- und Bildungsbericht, ist vielleicht noch, dass Deutsch als Fremdsprache weltweit einen sehr erfreulichen Aufschwung erlebt. Die Nachfrage nach Deutschunterricht steigt an.

Ich glaube, damit lasse ich es bewenden.

Frage: Herr Schäfer, ich habe eine Frage zur Reise des Bundesaußenministers in die Ukraine. Sie hatten schon gesagt, dass Sie sehr besorgt sind. Können Sie eine Beurteilung abgeben, wie sich die Lage in der Ostukraine genau entwickelt? Es gibt widersprüchliche Berichte, ob die Zahl der Toten aufgrund der Kampfhandlungen steigt und diese Kampfhandlungen im Vergleich zu der Situation vor zwei, drei Wochen ansteigen.

In dem Zusammenhang: Wird bei diesen Gesprächen möglicherweise auch das Verhältnis zu Russland angesprochen? Gibt es Neuigkeiten von der vermuteten "schwarzen Liste" deutscher Politiker, die im Kreml für diejenigen existiert, die nicht mehr einreisen dürfen?

Schäfer: Ein weites Feld, Herr Rinke. Wenn ich eine Frage vergessen haben sollte, dann mahnen Sie das bitte an.

Vielleicht erst einmal zur Lage in der Ostukraine: Der Waffenstillstand ist nun bei Weitem nicht alles, was in Minsk vereinbart worden ist. Ich denke, ohne einen nachhaltigen und belastbaren Waffenstillstand ist alles nichts. Denn das ist letztlich die Voraussetzung dafür, dass durch alles andere, was in Minsk vereinbart worden ist - bis hin zu der Durchführung von Wahlen, bis hin zu dem politischen Prozess, bis hin zu einer Verfassungsreform in der Ukraine -, auch die Sicherheit der zivilen Beobachtermission überhaupt sichergestellt werden kann.

Es ist beharrlich seit Monaten so, dass an manchen Stellen - bei Mariupol, am Flughafen von Donezk, auch an manchen anderen Stellen um Lugansk herum - schlicht und ergreifend die Kampfhandlungen nicht eingestellt werden. Das ist für uns und auch für die OSZE ernster Anlass zur Sorge. Minsk ist inzwischen nicht ganz vier Monate alt. Minsk sieht einen strengen Zeitplan für den politischen Prozess vor, der über Wahlen auch zu einer Rückübernahme der Grenzkontrollen durch die ukrainischen Behörden an der russisch-ukrainischen Grenze führen soll. Deshalb wird es ganz sicher bei den Gesprächen von Herrn Steinmeier auch darum gehen, wie man auf beiden Seiten darauf hinwirken kann, dass die Kampfhandlungen wirklich zum Stillstand kommen.

Es ist sehr schwer zu sagen, Herr Rinke, wie da die Kurve verläuft. Wird es mehr, wird es weniger? Das ändert sich von Tag zu Tag, glaube ich, und hat auch damit zu tun, dass es mindestens auf Seiten der Separatisten unterschiedliche militärische und politische Befehlszentren gibt, die ganz offensichtlich nicht mit einer Stimme sprechen und vielleicht auch unterschiedliche politische Interessen verfolgen.

Wenn man in die Ukraine reist, dann kommt man, glaube ich, gar nicht drumherum, auch die eigenen Gedanken und Überlegungen zu den Beziehungen zu Russland mit im Gepäck zu haben. Das alles spielt natürlich eine Rolle, weil eine Beilegung der Krise in der Ostukraine ohne die Mitwirkung Russlands nicht denkbar ist. Nicht zuletzt deshalb ist Russland eine der Parteien gewesen, die in Minsk mitgewirkt haben. Aber auch bei dem Versuch der wirtschaftlichen und finanziellen Stabilisierung der Ukraine spielt Russland eine wichtige Rolle. Ich erinnere einfach nur an den Kredit von drei Milliarden US-Dollar, den die Russische Föderation noch in den späten Tagen des Präsidenten Janukowitsch der Ukraine gewährt hat und der Teil eines Pakets an finanziellen Forderungen ist, denen sich die ukrainische Regierung gegenübersieht, in dem zurzeit betriebenen Versuch, eine Umschuldung hinzubekommen, die dem Land die Luft zum Atmen gibt, um den wirtschaftlichen Abwärtstrend umzukehren und im Gegenteil mit Reformen in ein Positivum - in Wachstum und Entwicklung - umwandeln zu können.

Ich bin nicht ganz sicher, ob ich alle Ihre Fragen beantwortet habe.

Zusatzfrage: Die Frage zur "schwarzen Liste" für deutsche Politiker haben Sie nicht beantwortet.

Schäfer: "Schwarze Liste" ist ein politisches Schlagwort, das ich mir jetzt einmal nicht zu Eigen machen will. Aber wenn Sie damit eine Liste von Personen meinen sollten, denen die Einreise in die Russische Föderation verwehrt würde, die uns nicht bekannt ist, dann würde das, glaube ich, den Punkt ganz gut beschreiben.

Das ist ja nicht das erste Mal, dass einem Abgeordneten oder einer Abgeordneten die Einreise in die Russische Föderation vor Ort an der Grenze verwehrt worden wäre. Ich habe den Zeitpunkt nicht mehr ganz im Kopf. Aber ich meine mich zu erinnern, dass im Herbst des letzten Jahres bereits die Abgeordnete des Europäischen Parlaments, Rebecca Harms, an der Grenze gesagt bekam, nicht in die Russische Föderation einreisen zu können.

Ich verweise auf die Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom Sonntag, mit der wir die Entscheidung, Herrn Wellmann die Einreise in die Russische Föderation nicht zu gestatten, als unverständlich und inakzeptabel bezeichnet haben. Ich will das auch gern erläutern.

Richtig ist, dass es auch von Seiten der Europäischen Union Maßnahmen gibt, die vorsehen, dass bestimmte Staatsangehörige der Ukraine oder der Russischen Föderation keine Einreiseerlaubnis bei uns bekommen. Insofern mag das wie eine Reaktion darauf daherkommen. Aber ich weise darauf hin, dass erstens diese Entscheidungen der Europäischen Union öffentlich sind. Die Namen sind bekannt. Vor allen Dingen sind sie justitiabel. Da haben wir ja in den letzten Wochen gesehen, etwa bei der Frage des Umgangs mit führenden Köpfen der "Nachtwölfe", dass diejenigen, denen von Seiten der Europäischen Union die Einreise in den Schengen-Raum verweigert worden ist, unmittelbar Zugang zur deutschen Gerichtsbarkeit gewährt worden ist. Wir können nicht erkennen, wie das bei einer Liste, auf der Namen stehen, die öffentlich nicht bekannt sind und für die auch Rechtsmittel nicht vorgesehen sind, gelingen kann. Insofern mögen Sie daraus ersehen, weshalb wir der Meinung sind, dass das Verhalten gegenüber dem Abgeordneten Wellmann sowohl unverständlich als auch inakzeptabel ist.

Ich kann hinzufügen: Das Auswärtige Amt jedenfalls - ich nehme an, da spreche ich auch für die Bundesregierung - hat keine Kenntnis über weitere Namen, die sich auf irgendwelchen solchen, von Ihnen angesprochenen Listen befänden.

StS Seibert: Obwohl jetzt das Meiste von Herrn Schäfer gesagt ist, möchte ich trotzdem noch einmal zwei Vorgänge im Verhältnis zu Russland ansprechen.

Das Eine ist tatsächlich die Einreiseverweigerung gegenüber dem Bundestagsabgeordneten Wellmann, die die Bundesregierung insgesamt als völlig unangemessen, als unbegründet und als einen Schritt in die falsche Richtung empfindet. Solche russischen Einreiseverweigerungen - der Sprecher des Auswärtigen Amtes hat das ja gerade auch sehr klar gesagt -, die noch dazu nicht transparent gemacht werden, sind geeignet, die Beziehungen weiter zu belasten. Das gilt umso mehr, wenn dadurch die Möglichkeit zu Meinungsaustausch erschwert wird. Wir appellieren daher an Russland, diese Praxis einzustellen.

Das andere Thema, das ich ansprechen möchte, ist das am Wochenende von Staatspräsident Putin unterzeichnete Gesetz, das sich gegen sogenannte "unerwünschte Organisationen" richtet. Es eröffnet den russischen Behörden die rechtliche Grundlage, die Aktivitäten von noch zu bezeichnenden ausländischen und internationalen Organisationen zu sanktionieren und richtet sich zudem gegen russische Staatsbürger, die mit diesen Organisationen zusammenarbeiten. Dieses Gesetz ist nach den Vorschriften über sogenannte ausländische Agenten ein weiteres Element, um die kritische Zivilgesellschaft in Russland zu isolieren und zu diskreditieren und um Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg zu verhindern. Das verstärkt das Gefühl von Unsicherheit und Angst, das ohnehin schon in der kritischen russischen Zivilgesellschaft herrscht und das durch den Mord an Herrn Nemzow noch verstärkt wurde.

Diese beiden Punkte wollte ich hier für die Bundesregierung noch einmal angesprochen haben.

Frage: Herr Schäfer, nur zwei kurze Fragen: Zum einen bekomme ich zwei Aussagen von Ihnen nicht übereinander. Sie sagten, die Kampfhandlungen seien teilweise nicht eingestellt worden, und eingangs sagten Sie, es bestehe die Gefahr einer erneuten Eskalation. - Die Kampfhandlungen laufen weiter. Aber das ist keine Eskalation? Vielleicht können Sie das ein bisschen einordnen.

Die andere Frage - ich muss sie leider stellen -: Steht weiterhin das deutsche Angebot, mit Drohnen einen Waffenstillstand zu überwachen?

Vielleicht ergänzend die Frage an Herrn Roth: Halten sich weiterhin dafür Einheiten in Verfügungsbereitschaft oder sind in Stand-by?

Schäfer: Ich glaube, einen möglichen Widerspruch vermag ich durchaus aufzuklären; den gibt es auch nicht.

Das, was wir zurzeit erleben, sind militärische Kampfhandlungen, Scharmützel, die lokalen Charakter haben, die aber zum Glück seit den Tagen nach Minsk nicht flächendeckend zu beobachten sind. Eine militärische Eskalation wäre eine Situation, in der aus lokalen Scharmützeln regionale werden - wie wir das etwa im August letzten Jahres und auch Anfang dieses Jahres erlebt haben. Das wären sozusagen breit angelegte regelmäßige Kampfhandlungen, die ein Ausmaß hätten, das mit dem, was wir zurzeit erleben, nicht - auch nur ansatzweise - zu vergleichen wäre und dann wieder die jetzt bereits nicht zur Seite zu schiebende Möglichkeit einer neuen politischen Eskalation mit sich brächte.

Was das Drohnenangebot betrifft: Ja, das liegt noch auf dem Tisch. Aber die Probleme, die bereits am Anfang, also im Herbst letzten Jahres, bei den Beratungen der OSZE von beteiligter Seite erhoben worden sind, sind nicht ausgeräumt. Die OSZE hat sich ja auch nicht etwa nur auf das deutsch-französische Angebot verlassen und sonst gar nichts gemacht, sondern hat daraus die Konsequenz gezogen, dass man bei dem offensichtlichen Bedürfnis, Aufklärungsinformationen über die militärische Lage in der Ostukraine zu erhalten, auf andere Ressourcen zurückgreift. Da gibt es eigene Drohnensysteme, die die OSZE geleast oder gemietet hat und deshalb nutzen kann. Obendrein gibt es andere Formen von Aufklärung und Informationen, die die Mitgliedstaaten der OSZE angeboten haben. Dazu gehört auch die Bereitschaft Deutschlands und Frankreichs, eigene Satellitenaufklärung und entsprechende Informationen der OSZE zur Verfügung zu stellen.

Roth: Ich denke, Herr Schäfer hat das umfänglich beantwortet. Da brauche ich jetzt nichts mehr zu ergänzen.

Zusatzfrage: Ich präzisiere es gerne. Hält die Bundeswehr weiterhin im Sinne dieses Angebots für diese Aufgabe Truppen in Stand-by?

Roth: Es gibt keinen Bereitschaftsgrad, den Personal der Bundeswehr hat, um quasi diesem Angebot, wenn es denn abgerufen werden sollte, nachzukommen.

Frage: Herr Seibert, zu dem Gipfel am Montag mit Herrn Hollande und europäischen Wirtschaftsvertretern: Sie haben da von dem Hauptfokus der digitalen Chancen gesprochen. Sind damit die digitalen Chancen der Bundesregierung gemeint, wie man europäische Industrie ausspioniert?

StS Seibert: Ich habe den letzten Teil akustisch nicht verstanden. Sagen Sie es bitte noch einmal.

Zusatzfrage: Sie haben gesagt, der Hauptfokus des Gipfels liege bei digitalen Chancen der europäischen Industrie. Nun ist ja im Rahmen der letzten Wochen herausgekommen, dass die deutsche Bundesregierung mithilft, Wirtschaftsspionage in Europa zu betreiben. Wird das Thema sein?

StS Seibert: Es wird um genau das gehen, was ich Ihnen beschrieben habe - die digitalen Chancen, die Notwendigkeit der Umstrukturierung, des Strukturwandels der europäischen Wirtschaften, um sich diesen neuen Chancen, den neuen Wettbewerbsgegebenheiten, zu stellen. Dazu sind diese führenden Unternehmensvertreter im Bundeskanzleramt und sprechen mit dem Präsidenten der Kommission, mit der Kanzlerin und dem französischen Präsidenten.

Frage: Herr Seibert, auch zu diesem Treffen: Ich hätte ganz gern gewusst, wenn sich Herr Juncker mit Herrn Hollande und der Bundeskanzlerin trifft, ob bei einem Dreiergespräch ohne die Wirtschaftsvertreter auch Griechenland ein Thema sein wird.

StS Seibert: Was ich Ihnen für den Montagabend ankündigen kann, ist diese gemeinsame Begegnung mit dem "European Round Table of Industrialists". Weitere Termine habe ich hier nicht anzukündigen.

Zusatzfrage: Es könnte aber sein, dass dann am Rande - entweder vorher oder nachher - noch ein Dreiergespräch zu diesem Thema stattfindet?

StS Seibert: Ich kenne die Reisepläne der beiden Präsidenten nicht. Ich kenne die Rückreisepläne nicht. Natürlich ist nie ausgeschlossen, dass am Rande noch gesprochen wird. Aber daraus sollten Sie jetzt nicht ableiten, dass es so ist. Ich kann Ihnen hier nur diesen Termin ankündigen.

Frage: Erwartet die Bundesregierung denn, dass dieser "Round Table" die Wirtschaftsspionage thematisiert?

StS Seibert: Erstens einmal behaupten Sie hier, dass es Wirtschaftsspionage gibt. Zweitens kann ich natürlich nicht sagen, was die Unternehmenschefs auf die Tagesordnung setzen wollen. Ich kann Ihnen sagen, was auf der Tagesordnung steht. Das sind die Themen, die hier angesprochen wurden. Die Bundesregierung erwartet, dass diese Themen auch den Abend prägen werden.

Frage: Herr Seibert, sowohl die Bundeskanzlerin als auch der französische Präsident haben vor kurzem hier in Berlin das Datum Ende Mai für Griechenland sehr wichtig gemacht. Bis Ende Mai soll eigentlich eine Einigung zwischen Griechenland und den Partnern zustande kommen. Am Montag ist doch der 1. Juni. Also es ist durchaus zu erwarten, dass die beiden über Griechenland sprechen.

StS Seibert: Ich kann Ihnen nur sagen, welchem Sinn und Zweck der Termin dient, der im Bundeskanzleramt stattfinden wird. Das habe ich getan. Was möglicherweise zwischen der Bundeskanzlerin, Herrn Hollande, Herrn Juncker oder anderen Teilnehmern noch besprochen wird, dem kann ich hier nicht vorgreifen. Klar ist aber - das wissen Sie ja auch -, dass das, was geschehen muss, in allererster Linie zwischen Griechenland und den Vertretern der Institutionen geschehen muss. Das war ja auch der Inhalt der jüngsten Gespräche am Rande des EU-Gipfels in Riga.

Frage (zur Vorratsdatenspeicherung): Eine kleine Frage an Herrn Dimroth und Frau Zimmermann: Heute hat der Verband der Internetwirtschaft ihren Kabinettsbeschluss umgehend kritisiert. Er hat gesagt, das sei technisch nicht umsetzbar. Warum hat man eigentlich vorher kein Konsultationsverfahren durchgeführt? Warum hat es vorher keine Verbändeanhörung gegeben? Das würde mich jetzt doch interessieren. Man hat das ganze Verfahren ja doch sehr schnell durchgeführt. Wollen Sie das alles dem Parlament überlassen, oder gab es dafür sachliche Gründe?

Zimmermann: Also ich kann Ihnen sagen, dass vor Erarbeitung dieses Gesetzentwurfes umfassende Gespräche geführt wurden, auch mit den Betroffenen, die diese Speicherpflicht erfüllen müssen. Insofern gehen wir davon aus, dass das technisch und so auch machbar ist.

Zusatzfrage: Frau Zimmermann, lassen Sie mich konkretisieren. Ich würde gern wissen: Welche Gespräche sind da geführt worden und wann? Könnten Sie mir das im Detail sagen? Denn genau das wird bestritten, dass es entsprechend stattgefunden hat.

Zimmermann: Das kann ich Ihnen hier im Detail nicht ausführen. Ich weiß es tatsächlich auch nicht, wann genau welche Gespräche mit wem stattgefunden haben. Ich weiß, dass in Vorbereitung auf die Erarbeitung dieses Entwurfs und auch in Vorbereitung auf die Erarbeitung der Leitlinien umfassende Gespräche stattgefunden haben. Mehr kann ich Ihnen dazu jetzt nicht sagen.

Zusatzfrage: Können Sie da etwas nachtragen?

Zimmermann: Wenn ich etwas nachreichen kann, dann mache ich das gern.

Dimroth: Ich kann die Ausführungen des insoweit federführenden Justizministeriums hier leider nicht ergänzen, weil ich schlichtweg die Kenntnis darüber nicht habe.

Vors. Detjen: Auch Sie sind eingeladen, wenn Sie Erkenntnisse gewinnen, diese nachzutragen.

Frage: Eine Frage an das Finanzministerium: Die Schweizer Steuerverwaltung veröffentlicht Verfügungen mit dem Namen "potenzielle Steuersünder". Ich wollte wissen, wie das Finanzministerium zu dieser Praxis steht, ob es im Gegensatz zum Vertraulichkeitsprinzip des Doppelbesteuerungsabkommens steht und ob Sie in dieser Sache mit Bern Kontakt aufgenommen haben.

Jäger: Die Veröffentlichung dieser Listen hat ausschließlich unter Verantwortung der Schweizer Steuerbehörden stattgefunden. Insofern haben wir das nicht weiter zu kommentieren. Ob die in Deutschland für etwaige Folgeschritte verantwortlichen Steuerbehörden der Länder schon Schritte unternommen haben, kann ich Ihnen an dieser Stelle nicht sagen.

Frage: Herr Jäger, mich hat ein bisschen irritiert: Es gab ja bereits am Wochenende Aussagen aus Ländern, in denen zum einen gegeißelt wurde, dass damit zumindest datenschutzrechtliche Bedenken verbunden seien. Wiederum andere Ländervertreter sagten: Wir nutzen die Daten natürlich. - Wie ist denn da die Sicht des Bundesfinanzministeriums? Wird geprüft, auch wenn die Länder die Auftragsverwaltung und die Finanzverwaltung haben, ob solche Daten aus deutscher Sicht rechtmäßig veröffentlicht wurden und sie überhaupt verwertbar sind? Oder ist Ihnen das egal?

Jäger: Nein. Ich gehe jetzt zunächst einmal davon aus, dass unsere Schweizer Freunde diese Fragen sehr gründlich geprüft haben, bevor sie sich zu diesem Schritt entschlossen haben. Insofern habe ich das tatsächlich nicht weiter zu kommentieren.

Was die deutschen Länder und etwaige Schritte seitens der Steuerverwaltung der Länder angeht, so kann ich Ihnen hier, wie ich es eben schon ausgeführt habe, in der Tat keine Auskunft geben.

Frage: Herr Seibert, ich wollte gern auf den Besuch von David Cameron am Freitag zu sprechen kommen. Er geht ja vor dem angekündigten Referendum auf eine Art Werbetour durch Europa unter dem Motto: Die EU muss sich ändern. - Sieht die Kanzlerin das auch so? Inwiefern müsste sich die EU ändern? Gibt es spezielle Punkte, in denen man Cameron entgegenkommen könnte, um das Referendum vielleicht positiv zu beeinflussen und Großbritannien in der EU zu halten?

StS Seibert: Sie werden verstehen, dass ich den Verlauf und Ausgang der Gespräche der Bundeskanzlerin mit Herrn Cameron am Freitag jetzt hier nicht vorwegnehmen werde. Die Bundeskanzlerin freut sich auf diesen Besuch. Sie hat Herrn Cameron nach seinem beeindruckenden Wahlsieg sehr schnell gratuliert. Sie hofft, dass die bisherige sehr vertrauensvolle Zusammenarbeit sich fortsetzen wird. Diese Zusammenarbeit ist bewährt.

Im Übrigen kennt die britische Seite unsere Linie, wie sie oft dargestellt worden ist. Wir wünschen uns - wie viele andere in Europa - ein starkes Großbritannien in der Europäischen Union. Es ist natürlich in erster Linie Sache Großbritanniens, sich darüber klar zu werden, welche Rolle es in der EU spielen will. Nun wird man über das sprechen, was der britische Premierminister inhaltlich mit nach Berlin bringt.

Frage: Herr Seibert, wenn Sie dem Gespräch nicht vorweggreifen können, vielleicht können Sie zumindest sagen, was die deutschen Wünsche an Cameron sind, was den Zeitpunkt des Referendums angeht. Es gab ja hier aus Deutschland schon Stimmen, die nach der Wiederwahl gefordert haben, wenn es bei dem Referendum bleibe, dann bitte doch möglichst bald, damit wir nicht ins Wahljahr 2017 kommen und dann möglicherweise eine gesamteuropäische Debatte entbrennt. Das heißt - jetzt noch einmal die Frage -, sind Sie dafür, dass das Referendum schon 2016 stattfinden sollte? Haben die Europäer daran ein Interesse? Ist das eine der Botschaften, die die Bundeskanzlerin Herrn Cameron am Freitag mitgeben wird?

StS Seibert: Ich glaube nicht, Herr Rinke, dass Sie solche Wünsche hier von der Sprecherbank gehört haben.

Wenn die britische Regierung ein Referendum durchführen will, dann ist das natürlich eine innenpolitische Entscheidung, die sie und nur sie allein zu fällen hat. Das gilt für die Frage, wann sie es durchführen will, genauso. Da werden wir mit Sicherheit keine Wünsche öffentlich äußern.

Frage: Herr Seibert, ich wollte zum No-Spy-Abkommen kommen. Könnten Sie vielleicht kurz erläutern, warum die Bundesregierung die Öffentlichkeit und uns hier in Sachen No-Spy-Abkommen nicht getäuscht und belogen hat?

StS Seibert: Sie spielen, Herr Jung, auf jüngste Veröffentlichungen an. Dazu will ich eine Vorbemerkung machen:

Es wird ja einmal mehr in Auszügen aus Unterlagen zitiert, die das Bundeskanzleramt dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss im letzten Jahr zur Erfüllung seines Auftrags zugeleitet hat. Wie Sie wissen und wie ich hier oft ausgeführt habe, gibt die Bundesregierung über solche Unterlagen und über die dahinterstehenden komplexen Sachverhalte nicht öffentlich Auskunft, sondern gegenüber den dafür zuständigen parlamentarischen Gremien. Deshalb werde ich auch dieses Mal die Einzelheiten nicht hier mit Ihnen erörtern. Ich bitte dafür auch weiter um Verständnis.

Nur so viel: Entgegen dem Eindruck, der mit dieser Veröffentlichung entstehen kann, widerlegt das Veröffentlichte die Darstellung der Bundesregierung nicht, sondern im Gegenteil. Wir fühlen uns in dem bestätigt, was wir die ganze Zeit zu diesem ganzen Thema sagen. Es gilt nämlich unverändert, dass wir uns zu diesem Thema wie zu allen anderen immer nach bestem Wissen und Gewissen geäußert haben. Das ist dann übrigens auch schon die Antwort auf Ihre Frage.

Die amerikanische Seite und wir haben im Herbst 2013 Verhandlungen über einen Text im Sinne eines sogenannten No-Spy-Abkommens geführt, der für beide Seiten zustimmungsfähig sein konnte. Die grundsätzliche Bereitschaft der amerikanischen Seite zu solchen Verhandlungen war der Bundesregierung zuvor in diversen Gesprächen und diversen Kontakten zwischen Vertretern beider Regierungen und ihrer Nachrichtendienste erkennbar geworden.

Zusatzfrage: Sie sprechen ja immer von bestem Wissen und Gewissen. Hat die Kanzlerin denn noch vollstes Vertrauen in ihr eigenes Wissen und Gewissen?

StS Seibert: Ich habe Ihnen dazu das gesagt, was ich sagen kann. Ich glaube, diese Worte stehen ganz klar für sich. Die jüngste Veröffentlichung bestätigt nach unserer Überzeugung das, was die Bundesregierung in diesem Zusammenhang bisher schon öffentlich dargestellt hat.

Frage: Eher der Vollständigkeit halber: Gibt es eine Antwort seitens der US-Seite zur Frage der parlamentarischen Offenlegung der Selektoren?

StS Seibert: Das Konsultationsverfahren - das meinen Sie - dauert noch an.

Frage: Auf die Gefahr hin, dass wir dieses Thema wiederholen: Teilt die Bundesregierung die Rechtseinschätzung des BND-Präsidenten, das ein Ausspähen europäischer Ziele nicht rechtswidrig wäre?

StS Seibert: Bundesminister Altmaier hat ja vor kurzem darauf hingewiesen, dass das eine Rechtsfrage ist, die von den dazu Berufenen zu entscheiden ist. Ich glaube, dazu werde ich auch hier mehr nicht sagen. Das sind natürlich Fragen, die dann im Einzelfall in den zuständigen parlamentarischen Gremien auf der Basis der bestehenden Gesetze - BND-Gesetz, G-10-Gesetz - geklärt werden müssen.

Zusatzfrage: Um wen handelt es sich bei den Berufenen?

StS Seibert: Bei Rechtsfragen liegt es nahe, dass man dabei an Rechtskundige denkt - Juristen.

Zusatzfrage: Ich finde es naheliegend, wenn jemand die Dienst- und Fachaufsicht über ein Geheimdienst führt, dass ihm die Rechtslage soweit klar ist, dass er nicht erneut Berufene konsultieren muss um herauszufinden, ob eine Überwachung europäischer Ziele - so es sie denn gegeben hätte - rechtswidrig gewesen wäre.

Die Frage, die sich daran anschließt, ist: Wieso muss diese Rechtsfrage jetzt geklärt werden, obwohl das Bundeskanzleramt die Rechts- und Fachaufsicht über den BND meines Wissens schon seit einigen Jahrzehnten führt und diese Frage sich vermutlich auch in der Vergangenheit schon einmal gestellt hat?

StS Seibert: Der BND nimmt seinen Auftrag aufgrund der für ihn relevanten Gesetze - des BND-Gesetzes und natürlich auch des G-10-Gesetzes - wahr. Die operativen Fragen wie auch die Fragen rechtlicher Bewertung sind im Einzelfall in den zuständigen Gremien zu stellen. Sie können hier nicht auf der Regierungsbank geklärt werden.

Frage: Herr Seibert, jetzt ist natürlich der Nachteil, dass der BND-Chef keinen Pressesprecher hat. Aber wir können ja mit dem Regierungssprecher reden. Frau Merkel ist ja die Chefin von ihm.

Der BND-Chef hat die Rechtsfrage beantwortet, indem er gesagt hat, das sei nicht rechtswidrig. Irgendjemand muss ihm das ja bestätigt haben. Von wem hat er diese Einschätzung?

StS Seibert: Ich werde mich hier zu Zeugenaussagen, die der BND-Chef vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss gemacht hat, weiter nicht äußern.

Frage: Ich habe es einfach noch nicht verstanden. Ich würde gern wissen: Wer sind denn jetzt diejenigen, die diese Rechtsfrage tatsächlich für Sie beantworten werden? Also sind es die kanzleramtseigenen Juristen? Haben Sie eine externe Anwaltskanzlei mit einer Prüfung beauftragt? Sagen Sie, das obliegt alles dem Parlament, oder das ist eine Frage, die vor Gericht geklärt werden müsste? Ich verstehe es schlicht und einfach nicht. Ich würde mich über eine Erläuterung freuen.

StS Seibert: Da werde ich Ihnen wahrscheinlich nicht helfen können. Der BND-Chef hat sich gegenüber dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geäußert. Dort sind diese Fragen zu besprechen. Es gelten die einschlägigen Gesetze. Wir haben ja auch gesagt, dass es im Kanzleramt und in der Bundesregierung - der Justizminister hat sich dazu ja auch geäußert - seit geraumer Zeit Überlegungen zu einer klarstellenden Befugnisregelung für den BND gibt. Das ist das, was ich Ihnen hierzu sagen kann.

Zusatzfrage: Wie weit sind denn diese Überlegungen inzwischen fortgeschritten? Nachdem das am vergangenen Freitag versprochen wurde, aber in concreto so nie kam, würde ich doch gern wissen: Um die Überarbeitung welcher Gesetzesgrundlage geht es eigentlich?

StS Seibert: Ich weiß nicht, ob die Sprecherin des Justizministeriums dazu etwas im Detail sagen will. Ich kann Ihnen hier keinen Zeitplan nennen, wann diese Überlegungen abgeschlossen sein sollen.

Zimmermann: Wie gesagt, der Minister hatte sich ja dazu geäußert, dass sich auch der BND an Recht und Gesetz halten muss. Die Prüfung der entsprechenden Vorschriften dauert an. Ich kann jetzt keinen Zwischenstand geben oder Ihnen einen konkreten Zeitplan nennen, wann etwas vorliegen wird.

Zusatzfrage: Könnten Sie noch einmal kurz erläutern, welche Vorschriften genau geprüft werden?

Zimmermann: Es gibt das BND-Gesetz, und es gibt das G-10-Gesetz. Das sind jetzt zwei Gesetze, die mir vor diesem Hintergrund spontan einfallen würden.

Frage: Steht in den beiden spontan genannten Gesetzen, im G-10-Gesetz und im BND-Gesetz, irgendwie drin, dass man europäische Partner oder Ziele in europäischen Partnerländern nicht überwachen darf?

StS Seibert: Sie sind nachlesbar. Ich habe sie nicht auswendig.

Zusatzfrage: Der BND handelt ja offenbar auf einer gewissen Rechtsgrundlage. Jedenfalls äußert der Präsident des BND eine ziemlich grundlegende Rechtsauffassung, was diese Frage angeht. Ist die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht willens oder nicht in der Lage zu beurteilen, ob diese Rechtsauffassung zutreffend ist oder nicht?

StS Seibert: Der BND handelt auf Rechtsgrundlage, auf Grundlage der Gesetze - Sie haben es gerade genannt -, und er handelt unter parlamentarischer Kontrolle. Das zeichnet ihn übrigens als den Nachrichtendienst eines demokratischen Rechtsstaats aus - gegenüber manch anderem Nachrichtendienst, der unterwegs ist.

Zusatzfrage: Die Frage lautete: Ist die Bundesregierung nicht willens oder nicht in der Lage zu beurteilen, ob der BND-Präsident mit seinem Dienst auf der geltenden Rechtsgrundlage handelt oder nicht?

StS Seibert: Natürlich hat die geltende Rechtsgrundlage für den BND zu gelten. Das ist doch sozusagen selbst erklärend. Die Äußerungen des BND-Präsidenten sind im Untersuchungsausschuss gemacht worden. Dort muss dann im Einzelfall darüber auch weiter gesprochen werden.

Frage: Frau Zimmermann, Herr Maas sagt, der BND muss sich auch an deutsche Gesetze halten. Herr Schindler sagt, das Ausspähen von Freunden ist nicht rechtswidrig. Also sie halten sich an deutsche Gesetze. Also weiß Herr Maas, dass das Ausspähen von Freunden unter deutsche Gesetze fällt?

Zimmermann: Herr Maas hat gesagt, dass sich auch der BND an Recht und Gesetz halten muss und wir ganz konkret prüfen müssen, ob die rechtlichen Grundlagen für die Arbeit des BND ausreichend sind. Er hat auch gesagt, dass vieles dafür spricht, dass wir diese Vorgaben deutlicher formulieren müssen.

Diese Prüfung werden wir jetzt vornehmen. Wir werden da auch zu gegebener Zeit ein Ergebnis präsentieren. Aber ich kann Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nichts Näheres dazu sagen.

Zusatzfrage: Aber diese Vorgaben sind aktuell so weit auslegbar, dass das Ausspähen von Freunden absolut rechtlich möglich ist?

Zimmermann: Das sagen Sie jetzt. Das kann ich jetzt nicht - -

Zusatzfrage: Aber das muss Herr Maas doch wissen oder nicht?

Zimmermann: Ob Herr Maas das wissen muss, kann ich Ihnen jetzt auch nicht sagen. Ich kann Ihnen das sagen, was ich Ihnen gerade gesagt habe. Wir werden schauen, ob die rechtlichen Grundlagen ausreichend sind beziehungsweise ob man entsprechende Vorgaben deutlicher formulieren muss.

Frage: Am Wochenende war zu lesen, der Koalitionspartner SPD setze nach bei dem Thema, wie die Selektoren-Listen offengelegt werden sollen. Sie haben gerade gesagt, das Konsultationsverfahren dauere noch an. Wie lange wird das denn noch dauern? Es kann ja nicht im Interesse des Kanzleramtes sein, dass sich diese Diskussion jetzt noch über die Sommerpause zieht. Wie reagieren Sie insgesamt darauf, dass Sie von der amerikanischen Seite letztendlich unter Druck gesetzt werden, Diskretion zu bewahren, und gleichzeitig von der anderen Seite unter Druck gesetzt werden, das genaue Gegenteil zu bewirken?

StS Seibert: Die Bundesregierung handelt natürlich im Interesse der Sachaufklärung, im Interesse der Sicherheit der Bürger und im Interesse der konstruktiven Zusammenarbeit mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Zu dem Konsultationsverfahren - es tut mir wirklich leid - kann ich Ihnen nur sagen: Es wird abgeschlossen sein, wenn es abgeschlossen ist, und die Bundesregierung wird dann zu gegebener Zeit in angemessener Weise entscheiden.

Zusatzfrage: Wie oft setzen Sie da denn nach, wie kann man sich dieses Konsultationsverfahren jetzt also vorstellen? Liegt das jetzt noch irgendwo und wird dann möglicherweise in eine Schublade geschoben, oder fragen Sie regelmäßig nach? Es würde mich einfach interessieren, wie so etwas handwerklich abläuft.

StS Seibert: Ihr handwerkliches Interesse verstehe ich, aber ich habe mich hier bisher nicht über Details des Konsultationsverfahrens geäußert und werde das auch in Zukunft nicht tun. Sobald es da Entwicklungen gibt, werden natürlich die parlamentarischen Gremien informiert, und dann wird die Bundesregierung in angemessener Weise ihre Entscheidung treffen.

Frage: Ist die Aussage, das Ausspähen unter Freunden gehe gar nicht, eine politische Aussage oder ist das eine rechtliche Einschätzung?

StS Seibert: Diese politische Aussage aus dem Jahr 2013 steht für sich und sie bleibt gültig. Das, was dieser Satz besagt, muss das politische Ziel sein und bleiben, genauso wie gelten muss, dass auf deutschem Boden von allen deutsches Recht einzulassen ist.

Zusatzfrage: Gibt es für diese politische Aussage auch eine rechtliche Grundlage oder gibt es sozusagen den Wunsch, diesen politischen Willen auch auf eine rechtliche Grundlage zu stellen?

StS Seibert: Wir sind jetzt wieder bei den rechtlichen Grundlagen der Arbeit der Dienste. Da bewegen wir uns sehr im Kreise, weil ich nun noch einmal auf BND-Gesetz und G10-Gesetz rekurriere und noch einmal sage, dass wir in Überlegungen sind, klarstellende Befugnisregelungen für den BND aufzustellen. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Es ist immer die Aufgabe einer Bundesregierung, dafür zu sorgen - und dessen nimmt sich die Bundeskanzlerin seit 2013 intensiv an, obwohl es eine schwierige und langwierige Aufgabe ist -, dass dieses politische Ziel tatsächlich auch umgesetzt wird. Sie selber hat gesagt: Das ist ein dickes Brett. Aber diese Erwartung, diese Forderung, muss natürlich unser Leitfaden, unser Maßstab bleiben, und daran wird weiter zu arbeiten sein.

Frage: Herr Seibert - vielleicht auch Herr Schäfer, Herr Dimroth oder Frau Zimmermann -, mich würde interessieren: Entfaltet ein Abkommen zwischen den Nachrichtendiensten wie das Memorandum of Agreement von 2002/2003 rechtsbindende Wirkung auch für die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes?

Vors. Detjen: Wer kann, wer möchte diese Frage beantworten?

StS Seibert: Ich bin hier nicht zu einer völkerrechtlichen Einschätzung in der Lage; das müssten wir Ihnen dann nachreichen. Klar ist: Der Bundesnachrichtendienst, der BND, arbeitet auf Grundlage der beiden entscheidenden Gesetze und natürlich in der notwendigen Zusammenarbeit mit anderen Diensten auf der Grundlage von Vereinbarungen, die er mit anderen Diensten hat. Wie das juristisch zu bewerten ist, werde ich hier nicht klären können.

Frage: Herr Seibert, was bedeutet im Zusammenhang mit dem Satz bezüglich des Ausspähens unter Freunden denn "Freunde"? Das ist ja ein sehr schwammiger Begriff. Was bedeutet "Freunde" für die Kanzlerin? Wann ist man kein Freund mehr, wie merken wir es also, wenn wir keine Freunde mehr sind?

StS Seibert: Ich fürchte, das ist eine sehr philosophische Frage, der wir hier nicht bis ins Allerletzte nachgehen können. Freunde sind im Privatleben sicherlich etwas anderes als unter Staaten. Ich denke aber, dass die allermeisten schon verstanden haben, was mit diesem Satz gemeint war.

Zusatzfrage: Könnten Sie es mir noch einmal erklären?

StS Seibert: Ich bin nicht in der Lage, Ihnen jetzt eine Liste von Ländern vorzulegen, die wir als Freunde bezeichnen, und eine Liste von Ländern, die das knapp nicht schaffen - so funktioniert es nicht, vielmehr werden wir das natürlich immer im Einzelfall betrachten. Dieser Satz ist aber eine politische Grundaussage zu einer Forderung, einer Erwartung, der wir entgegenarbeiten und die wir auch durchsetzen wollen.

Frage: Herr Seibert, Sie äußern immer den Satz "Ausspähen unter Freunden geht gar nicht" und den Wunsch, dass deutsches Recht auf deutschem Boden zu gelten hat. Wie will die Bundesregierung es schaffen, ihre Wünsche zu verwirklichen?

StS Seibert: Das geht natürlich nur, indem wir über die Grundlagen - Grundlagen der Zusammenarbeit und auch Grundlagen der Einschätzung, wie das Verhältnis von Sicherheitsnotwendigkeiten und Eingriffen in Freiheitsrechten sein muss - mit anderen Ländern die notwendige Einigkeit herstellen. Das ist in Europa schon nicht leicht, das ist transatlantisch nicht leicht, und dennoch bleibt die Aufgabe, dies zu tun bestehen, und dieser Aufgabe widmen wir uns - beispielsweise auch, indem wir vor der Uno einen Vorstoß gemacht haben; darüber haben wir hier ja im Jahre 2013 auch berichtet. Aber das sind sicherlich alles politische Aufgaben, die sich nicht von einem Tag auf den anderen oder auch nur von einem Monat auf den anderen oder einem Jahr auf das andere umsetzen lassen.

Zusatzfrage: Wir sind jetzt ja schon zwei Jahre dabei.

StS Seibert: Ja, aber Sie können sich vorstellen, dass das nicht ausschließlich von einem Land abhängt, sondern dass es dafür Partner braucht, die diese Einschätzungen teilen. Wir werben auf allen Ebenen für diese Einschätzungen.

Zusatzfrage: Welche Partner teilen diese Einschätzungen?

StS Seibert: Das werde ich Ihnen, weil ich hier nicht für unsere Partner spreche, hier nicht genau darlegen können. Wir werben auf allen Ebenen für diese Einschätzungen einer sinnvollen, immer wieder neu zu treffenden Abwägung zwischen den Interessen der Sicherheit, die eine Regierung natürlich für ihre Bürger zu garantieren versucht, und den völlig verständlichen Interessen der Bürger, ihre Datenintegrität zu bewahren.

Frage: Sie sagen jetzt, dass Sie nicht für die möglichen Partner sprechen und sagen können, ob die Ihre Einschätzung teilen oder nicht; Sie konnten aber vor zwei Jahren sagen, dass die Amerikaner die Auffassung geteilt hätten, dass es zu einem No-Spy-Abkommen kommen soll, und dass es eine mündliche Zusage dazu gegeben habe. Warum konnten Sie damals sagen, es gebe eine mündliche Zusage, wenn es heute nicht möglich sein soll, über den Stand der Verhandlungen mit anderen Partnerländern in dieser Frage Auskunft zu geben?

StS Seibert: Ich habe damals wir heute nach bestem Wissen und Gewissen und nach meinem damaligen Kenntnisstand berichtet, und ich habe hier vorhin gesagt - und wiederhole es gerne noch einmal -, dass es im Herbst 2013 Verhandlungen über einen Text im Sinne eines No-Spy-Abkommens gab. Grundlage der damaligen Einschätzung war ein Angebot der US-Seite - wie wir es hier auch schon gesagt haben -, damals schon bestehende Vereinbarungen für gemeinsame Projekte zu verallgemeinern und auf ganz Deutschland anzuwenden.

Zusatzfrage: Gibt es denn jetzt hinsichtlich einer Regelung im Sinne Ihrer Äußerung, im Sinne der Äußerung der Bundeskanzlerin, Zusagen dieser Art von anderen Partnern?

StS Seibert: Ich kann Ihnen jetzt nicht über Verhandlungen über ein solches Abkommen mit anderen Ländern berichten.

Frage: Herr Seibert, Sie haben vorhin gesagt, Sie sähen sich im Gegensatz zu den Medienveröffentlichungen sehr wohl bestätigt in Ihrer Auffassung, was das No-Spy-Abkommen angeht. Sie haben auch jetzt noch einmal gesagt, es habe ein Angebot gegeben. Nach allem, was wir bislang gelesen haben, gab es einen Wunsch der Bundesregierung. Ich wüsste gerne noch einmal - weil ich es noch nicht verstanden habe -, worin das Angebot der Vereinigten Staaten bestanden hat.

StS Seibert: Ich habe zu Eingang gesagt, dass ich mich grundsätzlich zu diesen Unterlagen, die die Bundesregierung, das Bundeskanzleramt im vergangenen Jahr dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur Verfügung gestellt hat, damit er seine Arbeit erfüllen kann, nicht öffentlich und nicht im Detail äußern werde. Ich habe diese eine Einschätzung vorgenommen; ich werde das Gespräch darüber hier jetzt nicht im Detail fortsetzen. Diese Auseinandersetzung, diese Fragen und diese Antworten gehören in die parlamentarischen Gremien, und dort werden sie gegeben, dort ist die Bundesregierung jederzeit zu jeder Art von Sachaufklärung und Information willens.

Frage: Der damalige Kanzleramtschef Pofalla hat ja auch den Parlamentariern von dem No-Spy-Abkommen berichtet. Hat es eigentlich irgendwelche rechtlichen oder strafrechtlichen Konsequenzen, dass er da nicht die Wahrheit gesagt hat?

StS Seibert: Ich weise diese Behauptung, die Sie in Ihrer Frage aufstellen, zurück.

Frage: Wie ist der Satz von Angela Merkel "Ausspähen unter Freunden geht gar nicht" - verbunden mit der Interpretation - mit Blick auf das Auftragsprofil des BND usw. zu verstehen? Ist das sozusagen wirklich eine Arbeitsdirektive für den Bundesnachrichtendienst gewesen, und wurde die auch in irgendeiner Form in Arbeitsanweisungen umgesetzt? Denn wir hatten im Untersuchungsausschuss mehrfach den Fall, dass sich herausgestellt hat, dass Dinge vielleicht verabredet waren, es dazu aber keine Umsetzungsanweisungen gab? Ich fände nett, wenn Sie das aufklären würden.

StS Seibert: Ich kann nicht aufklären, was Sie im Untersuchungsausschuss gehört haben, weil ich mich dazu hier nicht äußern werde. Der Satz steht für sich; ich glaube, er ist sehr verständlich. Er bleibt gültig. Er beschreibt ein klares politisches Ziel, das natürlich in alle Richtungen gilt und das durchzusetzen ein Anliegen der Bundesregierung ist.

Frage: Herr Seibert, wird die Bundesregierung gegen diese permanenten Behauptungen rund um das No-Spy-Abkommen vorgehen und auf Richtigstellung drängen? Alternativ gefragt: Wie kann es sein, dass es darüber derzeit so unterschiedliche Auffassungen - "Hat es gegeben", "Hat es nicht gegeben" - gibt?

StS Seibert: Die Bundesregierung wird sich gegenüber den parlamentarischen Gremien, konkret natürlich vor allem auch dem Untersuchungsausschuss, zu allen Fragen, die anstehen, ausführlich äußern. Dann wird das gesamte Bild entstehen.

Frage: Thema im Kabinett war heute meines Wissens auch das Lebenspartnerschaftsbereinigungsgesetz. Sie haben das gar nicht erwähnt - das kann ich verstehen, denn das Gesetz ist ja eher kosmetischer Natur. Wenn man das mit dem Votum in Irland, aber auch mit dem gesamten Westeuropa vergleicht, stellt man ja fest, dass Deutschland bei der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zum Teil Jahre hinterherhinkt. Wie erklärt sich, dass die Bundesregierung daran gar nichts ändern will? Haben Sie Hinweise darauf, dass die großzügigere Gesetzgebung in anderen Ländern negative Folgen hat? Das läuft in anderen Ländern ja zum Teil seit Jahren; zum Beispiel auch, was die Adoption von Kindern durch gleichgeschlechtliche Paare betrifft.

StS Seibert: Ihre Interpretation stimmt nicht ganz: Ich habe das deswegen nicht erwähnt, weil das einer der Punkte im Kabinett war, die ohne Aussprache beschlossen wurden und über die ich hier grundsätzlich nicht berichte, weil wir hier sonst nie zu Potte kämen.

Ich nehme aber gerne diese Gelegenheit wahr, um Ihnen zu sagen, dass die Bundesregierung heute den vom Justizminister vorgelegten Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner beschlossen hat. Dieser Gesetzentwurf sieht in zahlreichen Gesetzen und Verordnungen gleichstellende Regelungen für Ehe und Lebenspartnerschaft vor, es dient also der Vereinheitlichung der Rechtsordnung. Damit wird auch eine Vorgabe aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt. Es sind Änderungen, die insbesondere das Zivilrecht, das Sozialrecht und auch das Verfahrensrecht betreffen. Ich gebe ein Beispiel: Die Behörden einiger Staaten verlangen eine Bescheinigung einer deutschen Behörde, wenn jemand eine Partnerschaft auf Lebenszeit im Ausland eingehen will, und dann braucht er dafür von der deutschen Behörde eine Begründung, dass dem keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Der Gesetzentwurf sieht jetzt also die Möglichkeit vor, dass eine solche Bescheinigung für gleichgeschlechtliche Paare, die im Ausland eine Partnerschaft auf Lebenszeit eingehen wollen, ausgestellt wird.

Die Bundesregierung hat das also heute im Kabinett beschlossen. Sie hat damit weitere rechtliche Regelungen beseitigt, die gleichgeschlechtliche Lebenspartner schlechterstellen als Ehepartner. Das entspricht der Haltung der Bundesregierung wie auch der Haltung ihrer Vorgängerregierungen, die auf sehr vielen Lebens- und Rechtsgebieten Schritt für Schritt solche Angleichungen vorgenommen haben und Benachteiligung abgebaut haben. Das entspricht auch dem Koalitionsvertrag, in dem wir klar und aus Überzeugung sagen: Wir wissen, dass in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften Werte gelebt werden - so steht es im Koalitionsvertrag -, die grundlegend für unsere Gemeinschaft sind, und wir werden darauf hinwirken, dass Diskriminierungen in allen gesellschaftlichen Bereichen beendet werden. Diesem Ziel fühlt sich die Bundesregierung verpflichtet. Heute ist im Kabinett dazu ein wichtiger weiterer Baustein beschlossen worden, und darüber freut sich die Bundeskanzlerin.

Sie hatten noch nach dem Einfluss aus dem Ausland gefragt: Jedes Land macht seine Gesetze natürlich nach eigenem Dafürhalten, sofern der Gegenstand des Gesetzes in nationaler Kompetenz liegt - was hier der Fall ist. Es gibt Länder, die es so halten, und es gibt eine Vielzahl von Ländern, die es ganz anders halten. Wir werden in Deutschland unseren Weg finden müssen, und den habe ich Ihnen gerade beschrieben.

Frage: Herr Seibert, vielleicht klären Sie einmal einen Widerspruch auf: Sie sagten gerade, dass Sie in allen Lebensbereichen die Diskriminierung, die Benachteiligung der Homosexuellen aufheben wollen. Gleichzeitig haben Sie letzte Woche gesagt, dass die vollständige Gleichstellung kein Projekt von Ihnen ist.

StS Seibert: Lebenspartnerschaften nicht zu diskriminieren, ist das klare Ziel der Politik der Bundesregierung. Eine Gleichsetzung mit der Ehe ist es nicht.

Zusatzfrage: Warum?

StS Seibert: Das ist nicht das Ziel der Bundesregierung. Es gibt einen Unterschied zwischen Lebenspartnerschaft und zwischen Ehe; das ist auch ein rechtlicher Unterschied, das ist ein Unterschied, der in den Traditionen, den kulturellen und religiösen Grundlagen unseres Landes liegt, die dann zum Grundgesetz geführt haben, so wie es 1949 formuliert wurde. Deswegen ist die Abschaffung von diskriminatorischen Regelungen ein Ziel dieser Regierung, so wie es in den vergangenen Jahren auch ein Ziel der Vorgängerregierungen war. Da ist sehr viel geschehen; wir haben jetzt einen sehr guten Zustand im Abbau der Diskriminierungen erreicht. Aber die Gleichsetzung mit der Ehe ist kein Ziel dieser Bundesregierung.

Frage: Was Herr Seibert gerade sagte, dürfte Herr Maas anders sehen; der wirkt ja auch sehr gequält, wenn man ihn zurzeit zu seinem eigenen Gesetzentwurf befragt. Er sagt eigentlich selber, dass man damit nicht besonders weit gekommen sei, weil es in dieser Regierung nicht möglich sei. Können Sie noch einmal seine Position darstellen? Denn er war ja nun derjenige, der heute im Kabinett letztendlich dann auch vertreten musste, was da an kosmetischen Korrekturen durchgewinkt wurde.

Zimmermann: Zunächst einmal möchte ich dem Eindruck widersprechen, dass Herr Maas gequält sei oder gequält wirke, weil er dieses Gesetz - ein Gesetz aus unserem Hause, das heute von ihm vorgelegt und vom Kabinett beschlossen wurde - erreicht hat. Er hat, glaube ich, heute auch deutlich gemacht, dass es durch die Ausdehnung zahlreicher Vorschriften auf die Lebenspartnerschaft ein weiterer Schritt auf dem Weg zur umfassenden Gleichstellung von Ehe und Lebenspartnerschaft ist. Wie gesagt, es ist ein Schritt. Es wurden vorher schon andere Schritte gegangen - ich erinnere an die Regelung zur Sukzessivadoption, die im letzten Jahr vorgenommen wurde. Das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner ist jetzt ein weiterer Schritt auf dem Weg zur umfassenden Gleichstellung. Selbstverständlich prüfen wir bei uns im Justizministerium auch weitere Schritte, mit denen dieses Ziel erreicht werden kann. Das Thema bleibt auf der gesellschaftlichen Agenda, das hat Herr Maas ja ganz klar deutlich gemacht. Dass es derzeit unterschiedliche Vorstellungen innerhalb der Koalition gibt, ist sicherlich auch kein Geheimnis.

Zusatzfrage: Freut sich Herr Maas denn möglicherweise auf das, was Karlsruhe demnächst dazu zu sagen hat? Denn das könnte der Sache ja noch einmal ein bisschen Anschub in seinem Sinne geben.

Zimmermann: Ich weiß jetzt nicht, was Karlsruhe in naher Zukunft sagen wird oder nicht sagen wird, insofern kann ich das hier heute nicht kommentieren.

Frage: Sollte nicht die Homosexualität von vornherein als Grundrecht anerkannt werden, sodass auch von vornherein jede Diskriminierung vermieden wird? Ist nicht genau diese Nichtanerkennung die höchste Form von Diskriminierung?

StS Seibert: Eine Umsetzung dieses Vorschlags, den Sie machen, würde in Deutschland sehr wahrscheinlich eine Grundgesetzänderung mit sich bringen. Ich habe mich dazu hier jetzt nicht weiter zu äußern. Diskriminierung oder Benachteiligung von Homosexuellen ist etwas, dem sich die Bundesregierung in vielerlei Maßnahmen und ganz überzeugt entgegenstellt. Deswegen bauen wir auch Schritt für Schritt auf vielen Gebieten des Rechts Benachteiligungen ab. Gesellschaftlichen Benachteiligungen stellen wir uns ohnehin entgegen. Ich glaube nicht, dass es dafür eines Grundgesetzartikels bedarf.

Frage: Herr Seibert, bemerken Sie gerade nicht den Widerspruch? Sie sagen, Sie wollen sich der Diskriminierung entgegenstellen, und gleichzeitig beharren Sie darauf, dass es den Unterschied weiterhin geben muss. Diskriminierung basiert auf Unterschieden, und Sie wollen den Unterschied beibehalten.

StS Seibert: Diskriminierung ist Benachteiligung. Wir haben in den vergangenen Jahren, seit das Institut der Lebenspartnerschaft gegründet wurde, Gott sei Dank sehr viel dafür getan, dieses Institut rechtlich der Ehe gleichzustellen. Das ist jetzt auf den allermeisten Gebieten geschafft, und das ist auch gut so. Eine Gleichsetzung ist etwas anderes.

Frage: Ich würde gerne noch einmal zu Griechenland zurückkommen. Herr Jäger, der amerikanische Finanzminister hat die EU und den IWF zu mehr Flexibilität bei der Lösung der Griechenland-Krise aufgerufen. Hat die EU bisher mangelnde Flexibilität gezeigt?

Zweitens. Erwarten Sie bei den G7-Verhandlungen Druck der nicht europäischen Partner, dass man auf jeden Fall einen Griechenland-Exodus aus der Eurozone und einen Bankrott vermeidet?

Jäger: Ich denke, wir können mit Fug und Recht von uns behaupten, dass wir im bisherigen Prozess ein Höchstmaß an Flexibilität gezeigt haben. Wir haben das laufende Programm mehr als einmal verlängert. Wir haben der neuen Regierung in Athen zugebilligt, dass sie das bestehende Memorandum, das Teil des Programms ist, nicht eins zu eins übernimmt, sondern haben ihr freigestellt, eigene Vorschläge zu machen, die zu einer neuen und umfassenden Gesamtlösung führen. Diese Vorschläge stehen bis heute leider aus; das muss man konstatieren.

Dass das so ist, hat aber sicherlich nichts damit zu tun, dass wir nicht ein Höchstmaß an Flexibilität hätten obwalten lassen. Beim G7-Treffen in Dresden - das Treffen beginnt heute Abend mit einer Auftaktveranstaltung in der Frauenkirche - ist Griechenland nicht Tagesordnungspunkt der Beratungen. Griechenland ist kein reguläres G7-Thema. Die Frage Griechenlands wird in der Eurogruppe verhandelt. Aber selbstverständlich wird es so sein, dass unsere vor allem außereuropäischen Partner Fragen zu Griechenland haben werden. Damit rechnen wir. Diese Fragen werden wir geduldig und wie immer offen beantworten. Es gibt dazu einen offenen Austausch, was auch in der Vergangenheit so war. Es wird aber selbstverständlich zu Griechenland in Dresden keinerlei Beschlüsse geben.

Zusatzfrage: Sie erwarten einen Austausch. Erwarten Sie denn auch Kritik? Seitdem die Finanzkrise andauert, haben die Amerikaner immer wieder Kritik am Vorgehen gerade der Bundesregierung geäußert, die als nicht flexibel angesehen wurde. Deswegen noch einmal die Frage: Erwarten Sie Kritik der Amerikaner und möglicherweise auch der Japaner, also der Nicht-Europäer, am deutschen Vorgehen in der Griechenland-Krise?

Jäger: Nein. Ich erwarte keine Kritik. Aber Sie haben einen Punkt, und es wird sicher Fragen geben. Wir werden diese Fragen geduldig beantworten, denn es ist tatsächlich so, dass wir uns hier in einem sehr festgefügten, sehr verrechtlichten Rahmen bewegen. Da kann man nicht nach Belieben schalten und walten. Das gilt für uns national, wo es eine klare Beschlusslage des Bundestages gibt, wo es das StabMech-Gesetz und anderes gibt. Das Gleiche gilt für die europäischen Programme und die Abmachungen mit Griechenland.

Noch einmal - ich habe es eben gesagt -: Wir waren und sind bereit zu Flexibilität. Aber das muss sich im gegebenen Rahmen bewegen. Die griechische Seite hat Gelegenheit dafür. Wir müssen aber dennoch verzeichnen, dass es in den letzten Wochen zwar einige Fortschritte vor allem atmosphärischer Natur gegeben hat, dass eine Gesamtlösung, die erforderlich wäre, um das Programm erfolgreich abzuschließen, aber weiterhin aussteht.

Frage: Es gibt Informationen aus Athen, wonach die Verhandlungen weit gediehen sind, sozusagen vor dem Abschluss stehen und es nur noch eines zustimmenden Winks von Alexis Tsipras bedarf, damit sie tatsächlich zum Abschluss kommen. Decken sich diese Informationen mit Ihren Informationen?

Jäger: Ich würde das von Herzen begrüßen. Aber ich kann immer nur das wiederholen, was unser Informationsstand ist. Das deckt sich nicht mit unseren Informationen. Ich darf darauf hinweisen, dass wir über die vergangenen Wochen und Monate immer wieder Informationen und Stellungnahmen aus Athen hatten. Ich will das nicht im Einzelnen bewerten. Ich will nur noch einmal nachdrücklich unterstreichen, dass wir ein sehr ehrliches und ernsthaftes Interesse daran haben, dass diese Verhandlungen zu einem erfolgreichen und guten Abschluss kommen.

Frage: Gibt es wahrscheinlich am nächsten Montag, Dienstag oder vielleicht Mittwoch eine Sondersitzung der Eurogruppe?

Jäger: Uns sind solche Planungen nicht bekannt.

Frage: Herr Schäuble hat heute über die Möglichkeit von "capital controls" in Griechenland gesprochen. Können Sie das erklären?

Jäger: Ja, das kann ich. Ich darf Ihnen sehr herzlich empfehlen, das Interview, auf das Sie sich beziehen - ich staune etwas, denn es soll eigentlich morgen in der "ZEIT" erscheinen; insofern beziehen Sie sich vermutlich auf Vorabmeldungen -, sehr aufmerksam zu lesen. Dann werden Sie feststellen, dass Herr Schäuble der griechischen Seite in dieser Frage selbstverständlich keinerlei Empfehlungen gibt.

Frage: Eine Frage zu den Ermittlungen, die es gegen FIFA-Manager gibt. Da das im Zusammenhang mit der Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2018 und 2022 steht und die Schweizer und die amerikanischen Behörden ermitteln, hätte ich gerne gewusst, ob der Sportminister für eine Neuausschreibung der Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ist.

Dimroth: Für so eine weitreichende Schlussfolgerung ist es sicher deutlich zu früh. Wir haben die Ereignisse, die heute presseöffentlich und öffentlich geworden sind, zur Kenntnis genommen. Es ist sicher das Gebot der Stunde, dass sich die Beteiligten an der Aufklärung dieser doch erheblichen Vorwürfe gegen bestimmte FIFA-Mitglieder beteiligen. Dazu gehört auch die Beteiligung der FIFA und dazu ist die FIFA aufgerufen. Eine weitreichende, wie von Ihnen zitierte Schlussfolgerung ist sicher verfrüht.

Zusatzfrage: Wenn sich herausstellen sollte, dass die Vorwürfe stimmen, dann würden Sie allerdings eine Neuausschreibung befürworten?

Dimroth: Auch das ist eine rein hypothetische Frage. Dann muss man sicher bewerten, ob und inwieweit die Vorwürfe kausale Folge für Vergabeentscheidungen und all jenes sind. Das müsste dann erst einmal aufgearbeitet werden, bevor man so weitreichende Forderungen erheben würde. Insofern würde ich diese Festlegung heute nicht treffen, sondern Sie darauf verweisen, dass das eine hypothetische Frage ist, die dann zu entscheiden wäre, wenn es so weit ist.

Frage: Hat der Sportminister Kenntnisse, dass deutsche FIFA-Funktionäre involviert sind?

Dimroth: Nein, er hat im Moment keine Kenntnisse. Das ist ein laufender Sachverhalt. Das kann ich erst einmal mit Nein beantworten.

Frage: Zum G7-Gipfel in Elmau: Der Bund der Steuerzahler in Bayern hat jetzt ausgerechnet, dass sich die Kosten für diese zwei Tage entgegen der ursprünglich geplanten 130 Millionen Euro auf 360 Millionen Euro belaufen könnten. Weiß die Bundesregierung von dieser Zahl, und wie schätzt sie sie ein?

StS Seibert: Ich habe das auch nur aus Medienberichten. Für die bayerischen Kostenanschläge muss man natürlich in Bayern nachfragen und nicht bei der Bundesregierung. Mir erschließt sich diese Summe in keiner Weise. Man kann nicht jede bleibende Investition in der Region als eine Ausgabe für einen G7-Gipfel bezeichnen. Alles, was derzeit an Zahlen kursiert - ganz besonders diese -, ist natürlich sehr spekulativ. Die Höhe der Kosten wird erst am Ende feststehen, und sie wird davon abhängen, welche Personal- und welche Sachkosten notwendig waren, um die Ziele, die wir dort haben, zu realisieren.

Die Bundesregierung ist Gastgeber eines großen Gipfels, eines großen internationalen Ereignisses. Da muss die Organisation des Ereignisses als solche sichergestellt werden, es muss die Arbeit von Tausenden von Journalisten ermöglicht werden - es ist auch in Ihrem Interesse, dass dafür beste Arbeitsbedingungen gegeben sind -, es muss der notwendige Schutz für die Veranstaltung sowie für die Bürger der Region und ihr Eigentum gegeben sein und es muss natürlich das Recht auf Versammlungsfreiheit, das bei uns sehr wichtig ist, garantiert werden. Das sind die Ziele, die wir haben. Der Einsatz wird am Ende abzurechnen sein, aber diese Zahlen erscheinen mir hochspekulativ.

Zusatzfrage: Vorausgesetzt, es gibt tatsächlich eine Kostenexplosion: Der Bund wollte sich, glaube ich, bisher mit 40 Millionen Euro beteiligen. Inwieweit bestände die Bereitschaft, noch höher zu gehen und sich mehr zu beteiligen?

StS Seibert: Sie sagen es genau richtig: Der Bund zahlt dem Land Bayern - das ist abgemacht - für gipfelbedingte Mehrkosten einen Ausgleich in Höhe von 40 Millionen Euro. Das ist übrigens das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem Bund und dem Land Bayern gewesen; so hat es der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages auch genehmigt. Ich sehe jetzt überhaupt keinen Grund, über andere Zahlungen oder Zahlen nachzudenken.

Mittwoch, 27. Mai 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 27. Mai 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/05/2015-05-27-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
Dorotheenstr. 84, 10117 Berlin
Telefon: 030 18 272-0, Fax: 030 18 10 272-25 55
E-Mail: internetpost@bpa.bund.de
Internet: www.bundesregierung.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2015

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