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PRESSEKONFERENZ/1114: Regierungspressekonferenz vom 27. November 2015 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Freitag, 27. November 2015
Regierungspressekonferenz vom 27. November 2015

Themen: Termine der Bundeskanzlerin (Sondertreffen der EU mit der Türkei, Reise nach Paris zum Weltklimagipfel COP21, Kabinettssitzung, Empfang des Premierministers von Neuseeland, Empfang des afghanischen Staatspräsidenten, Entgegennahme des Abraham-Geiger-Preises 2015, Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer), Verhaftung des Chefredakteurs einer regierungskritischen türkischen Tageszeitung, mögliches trilaterales Treffen zwischen Deutschland, Griechenland und der Türkei, Bürgerkrieg in Syrien

Sprecher: StS Seibert, Schäfer (AA), Nannt (BMVg)


Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Guten Tag, meine Damen und Herren! Ich habe die öffentlichen Termine der Bundeskanzlerin für die kommende Woche, von denen Sie einige schon kennen.

Zum Beispiel wissen Sie bereits, dass am Sonntag das Sondertreffen der EU mit der Türkei in Brüssel stattfindet, zu dem der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten eingeladen hat.

Ebenso hatten wir bereits angekündigt, dass die Bundeskanzlerin am Montag nach Paris zum Beginn des Weltklimagipfels reisen wird.

Neu ist für Sie vielleicht, dass ausnahmsweise bereits am Dienstag, dem 1. Dezember, und nicht am Mittwoch die wöchentliche Kabinettssitzung stattfinden wird - allerdings zur gewohnten Zeit um 9.30 Uhr. Der Grund dieser Vorverlegung: Die parlamentarische Beratung des Mandats zum Einsatz der Bundeswehr soll noch in der nächsten Woche beginnen.

Am Dienstag um 12 Uhr empfängt die Bundeskanzlerin dann den Premierminister von Neuseeland, John Key, im Kanzleramt. Es wird im Anschluss an das Gespräch eine gemeinsame Pressebegegnung gegen 13 Uhr geben.

Am Mittwoch ist der afghanische Staatspräsident Aschraf Ghani zu Besuch bei der Bundeskanzlerin im Kanzleramt. Der äußere Anlass seines Besuchs sind die Feierlichkeiten zu 100 Jahren freundschaftlicher Beziehungen zwischen Afghanistan und Deutschland. Es gibt ein gemeinsames Mittagessen, und auch daran schließt sich dann gegen 13.15 Uhr eine gemeinsame Begegnung mit der Presse an.

Am Mittwochabend erhält die Bundeskanzlerin vom Abraham-Geiger-Kolleg den Abraham-Geiger-Preis 2015. Dieser Preis würdigt Verdienste um das Judentum in seiner Vielfalt. Die Preisverleihung findet hier in Berlin im Jüdischen Museum um 18 Uhr statt. Im Anschluss an die Preisverleihung wird die Bundeskanzlerin eine Rede halten. Die Auszeichnung würdigt sie als Garantin demokratischer Grundwerte und der Freiheit der Religionen.

Am Donnerstag findet dann im Kanzleramt das regelmäßige halbjährliche Gespräch der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefs und -chefinnen der Bundesländer statt. Daran nehmen auch der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Herr Weise, und der Chef der Bundesnetzagentur, Herr Homann, teil. Das zeigt Ihnen schon, dass es unter anderem um Asyl- und Flüchtlingspolitik geht. Des Weiteren geht es um die Umsetzung der Energiewende, um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen sowie um die Europäischen Räte in Brüssel im Oktober und den bevorstehenden im Dezember. Das Treffen geht um 15 Uhr los, und im Anschluss wird es dann eine Pressekonferenz der Bundeskanzlerin sowie des Vorsitzenden und des Kovorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, also Bürgermeister Sieling und Ministerpräsident Haseloff, geben.

Soweit die öffentlichen Termine.

Frage: Herr Seibert, der Chefredakteur der regierungskritischen türkischen Tageszeitung "Cumhuriyet", Can Dündar, ist gestern verhaftet worden. Ihm werden eine Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Spionage vorgeworfen. Wie bewertet die Bundesregierung diese Verhaftung?

Wird dieser Zwischenfall im Rahmen des am 29. November stattfindenden EU-Türkei-Gipfels seitens der Bundesregierung thematisiert?

StS Seibert: Ich möchte hier nicht einen Einzelfall bewerten. Ich möchte aber wiederholen, was wir mehrfach gesagt haben, nämlich dass die grundsätzlichen Fragen von Presse- und Medienfreiheit, grundsätzliche rechtsstaatliche Fragen immer wieder eine Rolle spielen, wenn die Bundesregierung auch mit Vertretern der türkischen Regierung zusammentrifft. Uns ist das wichtig, Europa ist das wichtig. Wenn man beispielsweise daran denkt, dass es ein Beitrittsverfahren der Türkei gibt, in dem auch noch kommende Kapitel zu öffnen sind - beispielsweise Kapitel zu rechtsstaatlichen Fragen, zu Menschenrechtsfragen, zu Justizfragen -, dann werden auch genau solche Fragen an die Türkei zu stellen sein.

Der Schwerpunkt des Treffens zwischen der EU und der Türkei am Sonntag - das wissen Sie - ist der gemeinsame Aktionsplan zur Migration.

Frage: Herr Seibert, gibt es etwas Neues über das trilaterale Treffen zwischen Deutschland, Griechenland und der Türkei?

StS Seibert: Nein, dazu kann ich Ihnen nichts Neues sagen. Ich hatte neulich schon gesagt: Es stimmt, dass die drei Regierungschefs, also Herr Tsipras, die Bundeskanzlerin und der türkische Regierungschef, sich einig waren, dass ein solches Treffen nützlich sein könnte und dass sie es anstreben wollen. Wir haben aber noch keinen Termin und werden ihnen diesen bekanntgeben, wenn es soweit ist.

Zusatzfrage: Wäre es nicht sinnvoll, dieses Treffen vor dem EU-Türkei-Gipfel abzuhalten?

StS Seibert: Da wir in einem europäisch-türkischen Arbeitsprozess zur Verabschiedung eines gemeinsamen EU-Türkei-Aktionsplans sind, ist es sicherlich sinnvoll, dieses Treffen in Brüssel jetzt einmal auf der Ebene der 28 Mitgliedsländer plus der Türkei stattfinden zu lassen. Aber wie gesagt, es gibt die grundsätzliche Einigung, dass ein solches trilaterales Treffen sinnvoll sein kann, und wir informieren Sie, wenn wir etwas näher dran sind.

Frage: Zur von der Bundesregierung ins Auge gefassten Entscheidung, deutsche Tornados in Syrien einzusetzen: Können das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium uns vielleicht einen Zeitplan nennen, in dem der Umfang dieses Einsatzes überprüft wird? Wann wird man also schauen, ob das reicht, und wird man dann gegebenenfalls noch nachlegen? Gibt es so einen Zeitplan?

Schäfer: Seit etwa Mitte letzten Jahres hat sich die internationale Gemeinschaft zum Ziel gesetzt, der Bedrohung durch ISIS und andere islamistische, terroristische Gruppierungen, die Frieden, Sicherheit und Stabilität in der Region und auch in der Welt bedrohen, etwas entgegenzusetzen und diese Bedrohung zu beenden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind eine Reihe von politischen, militärischen und auch anderen Maßnahmen ergriffen worden. Deutschland hat sich von Anfang an an all diesen Aktivitäten der internationalen Gemeinschaft beteiligt und wird das jetzt auch weiterhin tun.

Die gestrige Entscheidung der Bundesregierung ist auch eine Reaktion auf die französische Bitte, Paris, der französischen Regierung und dem französischen Volk nach den Ereignissen vom Paris vom 13. November beizustehen. Wir werden jetzt mit hohem Zeitdruck - im Wesentlichen das Bundesministerium der Verteidigung und das Auswärtige Amt - das Mandat vorbereiten. Wir gehen davon aus, dass es schon in den nächsten Tagen gelingen kann, dieses Mandat dann auch konsentiert ins Kabinett einzubringen, und hoffen, dass der Bundestag dann zügig zu einer Entscheidung kommen kann, von der wir hoffen, dass sie dem Vorschlag und der Bitte der Bundesregierung entsprechen wird.

Zu sagen, wie lange die Maßnahmen (andauern werden), mit denen sich die Bundesregierung und die Bundeswehr am Kampf gegen ISIS beteiligen werden, dafür ist es nun wirklich zu früh. Das hängt doch sehr davon ab, wie sich die Dinge in den nächsten Wochen und Monaten weiterentwickeln werden.

Ich glaube, es ist ganz wichtig zu sagen, dass die Beteiligung an militärischen Maßnahmen im Kampf gegen ISIS durch die Bundesregierung und die Bundeswehr doch nur ein Vektor der Politik der Bundesregierung ist. Wir kümmern uns - da steht, glaube ich, der Außenminister ganz vorne - gemeinsam mit anderen seit Langem darum, die Krise in Syrien anzupacken. Da haben wir jetzt zum ersten Mal seit Langem einen Anfasser, indem wir in zwei Wiener Konferenzen Einigkeit darüber erzielt haben, mit welchem Fahrplan man ein Ende des Bürgerkriegs und einen politischen Übergangsprozess einleiten kann. Wir kümmern uns sehr intensiv - im Übrigen mit sehr viel Geld, aber auch politisch - um die Stabilisierung des Irak.

Wie das weitergehen wird, hängt, wie gesagt, sehr stark davon ab, wie es sich in den nächsten Monaten entwickeln wird. Es gibt durchaus Anzeichen dafür, dass sich ISIS und andere islamistische, terroristische Organisationen im Irak und in Syrien auf dem Rückzug befinden, nicht zuletzt in den Gebieten, in denen die irakischen Kurden mit Unterstützung aus Deutschland ISIS haben zurückdrängen können.

Nannt: Wie Sie ja wissen, sind wir dabei, insgesamt vier Fähigkeiten zusammenzustellen. Das ist zum einen die Fregatte zum Schutz des französischen Flugzeugträgers, genauso auch der Bereich der Satellitenaufklärung und der Aufklärungstornados. Der letzte Punkt ist der Bereich der Luftbetankung.

Zum Bereich der Umsetzung: Wir sind jetzt natürlich dabei, das mit unseren Militärexperten umzusetzen. Das heißt, wir befinden uns jetzt unter anderem mit unseren Partnern gerade in Abstimmungen darüber, von wo aus wir fliegen und wie die Versorgung läuft. Auch heute Morgen hat gerade wieder ein Gespräch der Verteidigungsministerin mit ihrem französischen Amtskollegen stattgefunden, in dem sie sich noch einmal genau abgestimmt haben.

Die Leistungen, die die Bundeswehr bereitstellt - das muss man sagen -, sind auf der französischen Seite hochwillkommen - das ist das, was man sich vorgestellt hat -, weil wir gerade auch im Bereich der Aufklärung hochwertige Fähigkeiten einbringen können, die dort eben auch zu einer Entlastung der anderen Partner beitragen und sie letztendlich unterstützen. Wir sind jetzt, wie gesagt, in der Umsetzung. Unsere Experten planen das jetzt. Es hängt, wie gesagt, auch ein bisschen vom Parlamentsfahrplan ab, wie die Entscheidung dann umzusetzen sein wird, aber wir sind darauf vorbereitet, machen das jetzt gerade wirklich auf Hochtouren, und wir werden dann auch diese vier Leistungen bereitstellen.

Frage: Ich habe eine Frage zum gleichen Komplex an beide: Könnten Sie noch etwas zum Verfassungsrechtlichen und Völkerrechtlichen sagen, sozusagen zu der Mandatsgrundlage?

StS Seibert: Wir sehen die rechtliche Grundlage für diesen Einsatz auf mehreren Füßen stehen. Ich sage vorweg, dass das natürlich genau in dem Mandatsbeschluss ausgeführt werden wird, der dann auch dem Deutschen Bundestag vorliegen wird.

Was sind diese Pfeiler? Das ist zunächst einmal das in der UN-Charta verbriefte Recht Frankreichs auf Selbstverteidigung; das ist der Artikel 51 der UN-Charta. Das ist ebenso der Aufruf des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen an die Mitgliedstaaten, an alle Nationen, die notwendigen Maßnahmen zur Bekämpfung des IS - Resolution 2249 vom 20. November - zu ergreifen. Natürlich erfolgt ein solcher Einsatz dann auch im Rahmen der Beistandspflicht unter den Mitgliedstaaten der EU. Diese - Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags - haben die Franzosen ja ausdrücklich angerufen. Darin sehen wir im Wesentlichen die rechtlichen Grundlagen. Aber, wie gesagt, die genaue Ausführung wird dann im Mandatsbeschluss stehen, den die Bundesregierung dem Bundestag zuleiten oder vorlegen wird.

Zusatzfrage: Eine Nachfrage, da es ja keine Kapitel-7-Resolution des Sicherheitsrats gibt: Betrachtet die Bundesregierung die EU als ein System kollektiver Sicherheit?

Schäfer: Der Regierungssprecher hat gerade schon ausgeführt, auf welchen rechtlichen Grundlagen das Mandat der Bundesregierung, um dessen Zustimmung wir im Deutschen Bundestag werben werden, basieren wird. Der Artikel 42 Absatz 7 ist zum allerersten Mal überhaupt von einem Mitgliedstaat der Europäischen Union zur Anwendung gebracht worden, letzte Woche Montag auf dem Rat der Europäischen Union. Die Hohe Beauftragte für die Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union, Frau Mogherini, hat festgestellt, dass die Mitgliedstaaten dieser Beistandspflicht gemäß Artikel 42 Absatz 7 nachkommen wollen.

Ich möchte hier einer verfassungsrechtlichen und völkerrechtlichen Prüfung in Bezug auf Artikel 42 Absatz 7 nicht vorgreifen, aber dass die Europäische Union eine Schicksalsgemeinschaft ist, dass wir im Angesicht eines solchen bewaffneten Angriffs an der Seite Frankreichs stehen und dass wir Europäer da zusammenhalten, erscheint mir selbstverständlich zu sein. Der Regierungssprecher hat ansonsten ausgeführt, was es dazu zu sagen gibt.

Frage: Ist es denn jetzt richtig, dass sechs Tornados nach Syrien geschickt werden sollen, oder könnten es auch weniger sein?

StS Seibert: Ich glaube, Herr Nannt hat sehr klar gesagt: Das Mandat wird erarbeitet. Da werden wir hier jetzt keine Details diskutieren.

Zusatzfrage: Wovon hängt die Zahl denn jetzt konkret ab?

Nannt: Wie gesagt: Wir sind jetzt gerade bei der Umsetzung. Wenn Sie das einmal mit dem Paket vergleichen, das wir damals in Afghanistan bereitgestellt haben, dann sehen Sie: Damals waren es sechs Tornados, die wir dort hatten. Wir sind jetzt in der Erarbeitung. Das sind immer Rotten, die fliegen, also Zweiter-Pakete. Insofern sind wir in der Planung, und wir werden sehen, ob es dann vielleicht sechs oder wie viele auch immer sein werden. Ich denke aber, darüber werden wir in den nächsten zwei oder drei Tagen - das hatte ich ja gerade schon ausgeführt, und der Regierungssprecher hatte es gesagt - noch weitere Erkenntnisse haben.

Frage: Sie haben erwähnt, Herr Nannt, dass die Grundlage der Afghanistan-Einsatz sei. Bedeutet das, dass dieses Mandat vielleicht in naher Zukunft auch deutsche Bodentruppen im Nordirak oder in Syrien beinhalten wird?

Nannt: Nein, da haben Sie mich missverstanden. Ich hatte gerade über das Beispiel des Einsatzes von Tornados und davon gesprochen, was wir da für ein Paket hatten. Das waren diese sechs Tornados, die wir damals eingesetzt hatten.

Das, was ich vorher gesagt habe, betrifft genau das Paket, das wir darstellen. Diese vier Punkte, die ich schon erwähnt habe, sind also die vier Fähigkeiten, die wir jetzt bereitstellen. Das sind auch die Fähigkeiten, die gefordert sind. Ich kann, wie gesagt, auch noch einmal auf die Einlassung der Ministerin von gestern Abend in Nachrichtensendungen verweisen, in denen sie sich dazu auch schon klar geäußert hat. Das ist der Punkt, über den wir derzeit sprechen.

(Ende: 11.50 Uhr)

Freitag, 27. November 2015

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 27. November 2015
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2015/11/2015-11-27-regpk.html;jsessionid=384B49F5425073A199ABDC0D5DD52815.s4t2
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2015

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