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PRESSEKONFERENZ/1139: Regierungspressekonferenz vom 18. Januar 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 18. Januar 2016
Regierungspressekonferenz vom 18. Januar 2016

Themen: Aufhebung von Sanktionen gegenüber dem Iran, Flüchtlings- und Asylpolitik, möglicher Bundeswehreinsatz in Libyen, Anschlag in Istanbul, Elektromobilität, Treffen der Finanzminister Deutschlands, Polens und Frankreichs in Berlin, Herabstufung von Polens Kreditwürdigkeit durch Standard & Poor's

Sprecher: StS Seibert, Audretsch (BMWi), Fischer (AA), Plate (BMI), Franke (BMZ), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Flosdorff (BMVg), Lenz (BMEL)


Vorsitzender Leifert eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Diese Mitteilung betrifft das Thema Iran: Die Bundesregierung begrüßt ausdrücklich, dass die IAEO bestätigen konnte, dass der Iran seinen bisherigen Verpflichtungen aus dem Nuklearabkommen nachgekommen ist und dass es deswegen möglich war, im Gegenzug die vereinbarten Schritte zur Aufhebung von Sanktionen gegenüber dem Iran in die Wege zu leiten. Das ist ein wichtiger Schritt zur vollständigen Umsetzung dieses umfassenden Abkommens, dessen Ziel es ja ist, eine nukleare Bewaffnung des Iran nachprüfbar und nachweislich zu verhindern.

Wir begrüßen diese jüngsten Entwicklungen und appellieren zugleich an die Regierung in Teheran, diese Chance zur Normalisierung der Beziehungen mit der internationalen Gemeinschaft nun auch konstruktiv weiter zu nutzen. Dazu gehört ausdrücklich auch die Einhaltung aller bestehenden UN-Resolutionen. Das heißt, dass wir auch vom Iran erwarten, kein Raketenprogramm zu betreiben beziehungsweise kein Raketenprogramm zu testen, das im Widerspruch zu einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats steht. Außerdem appellieren wir an den Iran, eine konstruktive Rolle in der Region zu übernehmen - das heißt, auch gegenüber Israel - und insbesondere eine konstruktive Rolle im Rahmen der Syrien-Verhandlungen einzunehmen.

Deutschland als Mitglied der E3+3 wird sich dafür einsetzen, dass diesem jüngsten diplomatischen Erfolg weitere konstruktive und weitere vertrauensbildende Schritte folgen. Das gilt ganz besonders für die Fortsetzung des Wiener Konferenzprozesses und für die Suche nach einem Ende der Gewalt im Nahen Osten.

Frage: Mich würde - das ist wahrscheinlich Sache des Wirtschaftsministeriums - insbesondere interessieren: Was ist denn nun schon ad hoc an Geschäften mit dem Iran möglich? Bedeutet diese Entwicklung vom Wochenende insbesondere, dass der Iran nun auch kurzfristig und zügig wieder in den internationalen Zahlungsverkehr eingewoben wird, sodass all die finanziellen Beschränkungen, die es ja bisher gab und die verhinderten, dass dort Geschäfte gemacht werden können, aufgehoben werden?

Mich würde zum Zweiten interessieren: Hat die Bundesregierung denn schon irgendwelche konkreten Pläne für Konferenzen oder gemeinsame Meetings mit dem Iran? Ist insbesondere eine gemeinsame Bankenkonferenz angedacht, die beim seinerzeitigen Besuch von Herrn Gabriel im Iran schon einmal im Gespräch war?

Dritte Frage: Gibt es irgendwelche Pläne für Regierungsbesuche im Iran?

Audretsch: Soll ich direkt beginnen? - Gerne. Danke für die Frage. Die Sanktionen sind aufgehoben worden; das haben Sie alle verfolgt. Das heißt vor allem im Finanzbereich, dass die Kontrolle des Iran-Zahlungsverkehrs durch Melde- und Genehmigungspflichten ab jetzt entfällt und dass zahlreiche iranische Banken damit auch wieder entlistet werden können. Sie können damit auch wieder an das international wichtige SWIFT-Netzwerk angeschlossen werden, was dann den Austausch von Zahlungsdaten ermöglicht.

Des Weiteren bedeutet das im finanziellen Bereich, weil Sie speziell danach gefragt haben, dass die staatliche Exportdeckung wieder zulässig ist, also Hermes-Kredite, und dass auch dadurch neue Möglichkeiten für den Handel mit dem Iran entstehen. Sie wissen, dass auch die Sanktionen in anderen Bereichen aufgehoben wurden. Das betrifft zum Beispiel den Energiesektor und den Dual-Use-Bereich.

Ich will vielleicht noch eine Sache zum Bereich der Hermes-Deckungen hinzufügen: Die Hermes-Deckungen hängen nicht allein an diesen Sanktionen, die jetzt aufgehoben wurden, sondern das betrifft einen ganz breiten Bereich von Bedingungen, die erfüllt werden müssen. Inwieweit die Deckungspolitik für den Iran jetzt geändert wird beziehungsweise geöffnet wird, ist etwas, das man zum Beispiel in den kommenden Tagen und Wochen prüfen muss, also in der nächsten Zeit. Das prüft der Interministerielle Ausschuss für Exportkreditgarantien. In dieser Form gibt es im Bereich der Aufhebung von Sanktionen natürlich insgesamt eine Reihe von Dingen, die jetzt abgewickelt werden müssen und in Bezug auf die es auch bestimmt noch Laufzeiten gibt. Aber das Ganze ist etwas, das in der Umsetzung, was die Regelungen angeht, in der nächsten Zeit erfolgen wird.

Der Minister hat sich am Wochenende auch schon insofern geäußert, als die generelle Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen mit dem Iran natürlich insgesamt ein langfristiger Prozess ist, den man jetzt nicht von heute auf morgen mit einem Hebel wieder umstellen könnte.

Vorsitzender Leifert: Die zweite Frage betraf die großen Treffen, die Meetings. Können Sie da noch Aufklärung leisten?

Audretsch: Im Moment sind keine großen Treffen, Meetings oder Konferenzen geplant. Was geplant ist, ist, dass der Wirtschaftsminister im Mai dieses Jahres in Teheran die fünfte Sitzung der deutsch-iranischen gemischten Wirtschaftskommission gemeinsam mit dem iranischen Wirtschafts- und Finanzminister leiten wird.

Vorsitzender Leifert: Das war das Wirtschaftsministerium. Gibt es weitere Häuser, die schon wissen, dass ihre Chefs oder Chefinnen in den Iran reisen werden? - Es meldet sich keiner.

Herr Seibert, wird die Kanzlerin in den Iran reisen?

StS Seibert: Herr Seibert meldet sich auch nicht. Es gibt keine Pläne, die ich jetzt hier dazu verkünden könnte.

Frage: Herr Audretsch, es kommt ja nicht ganz überraschend, dass die Sanktionen aufgehoben wurden. Es gab einen gewissen Vorlauf. Jetzt würde ich gerne wissen, weil Sie die Hermes-Bürgschaften gerade selbst angesprochen haben: Gibt es momentan laufende, also noch anhängige Anträge auf Hermes-Bürgschaften oder neue Anträge, die nun gestellt werden und von denen Sie uns hier berichten können?

Audretsch: Es gibt Gespräche darüber. Es gibt auch Aspekte, die an dieser Stelle noch nicht geklärt sind, weil, wie ich gesagt habe, das nicht nur an den Sanktionen liegt, sondern zum Beispiel auch an der Frage der Rückzahlung von Altschulden. Da gibt es Fälle, die derzeit behandelt werden, und darüber sind die Beteiligten in konstruktiven Gesprächen, auch mit der iranischen Seite.

Zusatzfrage: Heißt das, konkret können Sie noch nichts dazu sagen?

Audretsch: Nein, dazu kann ich Ihnen nichts Weiteres sagen.

Frage: Herr Fischer, Sie haben gerade so schön weggeschaut, als es um die Terminhinweise der Minister ging. Darf man jetzt davon ausgehen, dass der Minister im Februar nur nach Saudi-Arabien und nicht in den Iran reisen wird?

Fischer: Es ist gute Praxis, dass wir Reisen des Ministers dann ankündigen, wenn sie anstehen. Dementsprechend kann ich Ihnen dazu heute keine Neuigkeiten verkünden.

Worauf ich aber hinweisen kann, ist, dass der Außenminister ja bereits in Teheran zu Besuch war und auch sonst in Kontakt mit seinem iranischen Amtskollegen steht. Die beiden Minister hatten ja viele Gelegenheiten, sich im Rahmen der E3+3-Verhandlungen intensiv über das Atomprogramm, aber auch über viele andere Fragen auszutauschen. Sie sehen sich im Rahmen der Syrien-Kontaktgruppe regelmäßig und waren ja zuletzt auch telefonisch im Kontakt. Genau dasselbe gilt übrigens für den saudischen Außenminister, mit dem unser Außenminister ja auch in Kontakt steht.

Zusatzfrage: Ist also nach jetzigem Stand nur die Reise nach Saudi-Arabien im Februar geplant, oder ist das auch nicht definitiv?

Fischer: Wie gesagt: Reisen kündigen wir dann an, wenn sie anstehen, und weder in Bezug auf Saudi-Arabien noch auf den Iran habe ich Ihnen heute etwas mitgebracht.

Frage: Zum Thema der Altschulden: Der letzte Stand war, dass rund 500 Millionen Euro an Altschulden ausstehen. Ist das immer noch der Stand? Gibt es Anzeichen dafür, dass der Iran die in der nächsten Zeit zurückzahlen wird?

Audretsch: Ich nehme an, Sie sind noch einmal beim Thema Hermes.

Zusatz: Ja.

Audretsch: Dazu kann ich Ihnen nichts Weiteres sagen, als dass die Gespräche darüber zwischen den Beteiligten laufen und konstruktiv verlaufen.

Frage: Es gibt ja noch Sanktionen, die fortbestehen. Könnten Sie mir einmal eine Vorstellung davon geben, was das ist? Was ist das Gewichtigste an Strafmaßnahmen, die mit diesem Schritt des IAEO-Berichts jetzt nicht gefallen sind? Was lässt sich dafür an Beispielen nennen?

Audretsch: Das relevanteste Beispiel ist die Frage des Waffenembargos, das nicht aufgehoben wurde. Ansonsten ist das ein komplexes Feld, im Rahmen dessen natürlich auch die Frage im Raum steht, was vonseiten der US-Regierung aufgehoben wurde. Da sind vor allem die für die EU-Unternehmen relevanten sogenannten "secondary sanctions" aufgehoben worden. Das bilaterale US-Handelsembargo bleibt dagegen mit wenigen Ausnahmen bestehen.

Frage: Herr Seibert, ich will eine altbewährte Frage mit einer aktuellen Note versehen: Wird das Asylpaket II am Mittwoch im Kabinett sein? Wenn nicht, wann dann?

Zweitens: Liegen die Schlussverhandlungen oder welche Verhandlungen auch immer eigentlich in den Händen des Flüchtlingskoordinators und Kanzleramtschefs, oder machen das die drei Parteivorsitzenden untereinander aus?

StS Seibert: Über die Kabinettstagesordnung kann ich Ihnen am Montagvormittag wie immer noch nicht berichten. Sie wissen: Die Staatssekretärsrunde tagt am Montagnachmittag. Deswegen gibt es hier von mir keine Aussage über das Kabinett.

Wir sind in Gesprächen über dieses Asylpaket II. Die Gespräche dauern an. Mehr kann ich dazu im Moment hier nicht sagen.

Zusatzfrage: Altmaiers Rolle?

StS Seibert: Er ist der Koordinator der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung.

Zusatz: Er koordiniert also diese Gespräche dazu.

StS Seibert: Er ist der Koordinator für die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung. Das ist ein umfassender Begriff. Das heißt, dass er natürlich auch mit solchen Fragen befasst ist.

Frage: Herr Seibert, führen Sie oder führt die Bundeskanzlerin Buch über die Zahl der Ultimaten, die aus der CSU, aus der CDU, aus der SPD in Sachen Kehrtwende, sofortige Kehrtwende, rasche Kehrtwende oder baldige Kehrtwende bei der Flüchtlingspolitik an die Bundeskanzlerin gerichtet werden? Welche Schlussfolgerungen für ihren Rückhalt in der Politik zieht die Bundeskanzlerin aus dieser gehäuften Zahl von Ultimaten, die auf sie zukommt?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin nimmt all diese Hinweise, all diese Wortmeldungen zur Kenntnis. Sie wird ja am Mittwoch beispielsweise auch mit den Landtagsabgeordneten der CSU in Kreuth intensiv darüber sprechen. Die Bundeskanzlerin wird erneut darauf hinweisen, dass sie eine ganz klare Agenda von nationalen und europäischen Aufgaben hat, und an dieser Agenda arbeiten wir jetzt.

Die Ziele sind klar: Wir wollen einerseits die Integration derjenigen, die hier im Lande sind und die berechtigt sind, hier im Lande zu sein, voranbringen. Wir wollen andererseits schneller und zahlreicher diejenigen zur Ausreise bringen, die hier kein Aufenthaltsrecht haben. Auf internationaler Ebene treiben wir intensiv die Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die Einrichtung von Hotspots zur frühen Registrierung, Verteilung und auch Rückführung von Flüchtlingen schon in Griechenland und Italien voran. Vor allem haben wir als EU den europäischen Aktionsplan mit der Türkei beschlossen, und der ist von beiden Seiten umzusetzen.

Das alles wird also national wie international getan, und es soll dazu führen, dass die Zahl der in Deutschland ankommenden Flüchtlinge dauerhaft und spürbar gesenkt wird. Wir haben schon jetzt deutlich niedrigere Zahlen als vor einigen Wochen und Monaten, aber das reicht bei Weitem noch nicht aus. Wir haben bereits jetzt mehr Ordnung im System, und trotzdem muss noch weiter an dieser Agenda weitergearbeitet werden, wie ich sie zu beschreiben versucht habe. Es stehen uns zwei Europäische Räte bevor - einer im Februar, einer im März -, die sich intensiv mit dem Stand der Umsetzung dieser Agenda befassen werden. Auf diesen Räten wird Zwischenbilanz gezogen werden, und daraus folgt dann, wie es weitergehen muss.

Zusatzfrage: Hat die Bundeskanzlerin Angst davor, ihren Job zu verlieren?

StS Seibert: Es geht gar nicht um diese Frage. Es geht darum - - -

Zusatz: Doch, ich habe sie gestellt!

StS Seibert: Gut, dann sage ich "Die Antwort darauf ist Nein" und wiederhole, dass die Bundeskanzlerin mit aller Kraft daran arbeitet, diese nationalen und internationalen Aufgaben anzugehen.

Frage: Die Bilanz der Abschiebepraxis war 2015 nicht erfolgreich, wenn man sich die Zahlen von nordafrikanischen Staaten ansieht: 6 Tunesier, 24 von 2000 Algeriern und 23 von 2300 Marokkanern. Was macht Sie so optimistisch, dass Sie in diesem Jahr erfolgreicher sein werden, obwohl Sie die Grundlage für diese Personen ja auch schon im vergangenen Jahr hatten?

Plate: Ich weiß jetzt gar nicht so genau, ob ich hier irgendeine Art von Optimismus geäußert habe. Deswegen will ich jetzt gar nicht so unmittelbar auf die Frage antworten. Richtig ist, dass hier der Bedarf gesehen wird, zu besseren Ergebnissen hinsichtlich der Frage der Rückführungen zu kommen. Es ist ja in der letzten Regierungspressekonferenz schon recht umfassend darüber gesprochen worden, was es für gemeinsame Bemühungen zum Beispiel auch des Außen- und Innenministers gibt.

In der Tat ist es richtig: Es gibt zum Beispiel mit Algerien und Marokko bilaterale Rückführungsabkommen. Die Praxis ist aber nicht so, dass es besonders hohe Rückführungszahlen in diese Länder gibt. Das ist kein Geheimnis; auch das Bundesinnenministerium hat das stets offen kommuniziert. Das Ziel ist es, höhere Rückführungszahlen zu erreichen. Da es häufig an praktischen Problemen hängt, was auch Papiere angeht, stehen wir dazu mit den fraglichen Ländern in guten und auch sehr viel besseren Gesprächen als bisher. Zudem ist es so, dass auch die EU-Kommission Mandate zur Verhandlung von Rückführungsabkommen hat, soweit ich weiß, mit Tunesien und Marokko. Möglicherweise gibt es auch dabei Fortschritte; jedenfalls gibt es die Mandate dazu. Damit ist, ehrlich gesagt, eigentlich schon alles gesagt.

Zusatzfrage: Die Nachfrage: Die Grundlage hätte es ja auch schon bisher gegeben. Wollen Sie jetzt also hartnäckiger sein? Waren Sie zu unentschieden?

Plate: Nein, damit hat das gar nichts zu tun. Wenn Sie meinen, die Grundlage habe es schon gegeben, und damit vielleicht auf die Rückführungsabkommen anspielen: Die Grundlage gibt es immer. Ich habe hier schon ein paarmal ausgeführt und mache es gerne auch noch einmal, dass die Verpflichtung eines Staates, seine eigenen Staatsangehörigen zurückzunehmen, auch unabhängig von Rückführungsabkommen sowieso immer besteht. Insofern gibt es die Grundlage immer und in Bezug auf alle Länder, natürlich zum Beispiel auch in Bezug auf Marokko und Algerien.

Haben wir hartnäckig genug verhandelt oder nicht? - Das müssen letzten Endes natürlich Sie bewerten. Aber die Gespräche laufen jetzt - dazu gehören immer zwei - auf beiden Seiten sehr viel konstruktiver, als es in der Vergangenheit der Fall gewesen ist.

Frage: Herr Plate, können Sie uns ein Update über die Anzahl der Polizisten von der Bundespolizei geben, die an der Grenze zu Österreich stehen? Ich habe gehört, dass 70 hinzugekommen seien. Können Sie uns sagen, wie es steht?

Was Algerien und Marokko betrifft: Hat die Bundesregierung vor, diese Länder als sichere Herkunftsländer zu betrachten?

Plate: Zu Ihrer ersten Frage ist die Antwort: Nein, das kann ich nicht. Zu der Wirksamkeit und Effektivität von Grenzkontrollen gehört nämlich insbesondere, dass man zu operativen Details nicht Stellung nimmt, aus denen Schlüsse gezogen werden können, die die Wirksamkeit dann wiederum beeinträchtigen können. Nein, das kann ich also nicht.

Zur zweiten Frage, ob Algerien und Marokko als sichere Herkunftsländer eingestuft werden oder nicht, wurden ich und auch Herr Seibert hier schon am Freitag in der Regierungspressekonferenz befragt. Den Stellungnahmen jedenfalls vonseiten des Bundesinnenministeriums ist heute auch keine Aktualisierung hinzuzufügen.

StS Seibert: Wenn ich das noch einmal ganz kurz sagen darf: Es ist ja nun sehr klar geworden, dass ein Staat unter normalen Umständen verpflichtet ist, seine eigenen Staatsbürger wieder zurückzunehmen. Dazu bedarf es keiner besonderen Abkommen. Es bedarf auch nicht dieser Einstufung. Wir werden gleichwohl auch auf europäischer Ebene mit unseren europäischen Partnern darüber reden, ob eine solche Einstufung infrage kommt.

Frage: Nun war ich am Freitag nicht da, und möglicherweise haben Sie da auch schon diese Frage beantwortet, was es mit dieser Arbeitsgruppe zwischen Österreich, Deutschland und Slowenien auf sich hat, die sich um eine verstärkte Grenzsicherung kümmern soll - vielleicht ist es auch Sache von Plate, da ein bisschen Licht ins Dunkel zu bringen - und die offensichtlich schon länger tagt. Gibt es einen konkreten Zeitplan, wenn man gemeinsam die Südgrenze Österreichs schützen will?

Ich habe eine zweite Frage an das Entwicklungsministerium, nachdem die Forderung laut geworden ist, dann doch die Entwicklungshilfe für Algerien und Marokko zu kürzen: Sieht man überhaupt Chancen dafür, Geld zurückzuhalten oder - das wird ja nicht gehen - wieder wegzunehmen, wie auch immer?

Vielleicht könnten Sie vom Entwicklungsministerium bitte auch einen kurzen Überblick darüber geben, wie viel da an Zusagen in der Pipeline ist, was Algerien und Marokko angeht.

Plate: Ich kann gerne damit beginnen, um Sie gleich zu beruhigen, dass Sie sozusagen nichts verpasst haben: Diese konkrete Frage ist am Freitag nicht gestellt worden. Es ist so, dass aufgrund einer bilateralen Vereinbarung zwischen Deutschland und Slowenien sowieso schon jetzt elf Bundespolizisten an der slowenischen Schengen-Außengrenzen im Einsatz sind. In der Tat war den Medien zu entnehmen, dass die Österreicher planen, gegebenenfalls auf Deutschland und Slowenien zuzugehen, um weitere Möglichkeiten auszuloten, wie ich es einmal formulieren möchte. Zu diesem Thema hat es erste Telefongespräche gegeben. Aber ein konkretes österreichisches Konzept, so wie man es den österreichischen Medien vielleicht hätte entnehmen können, liegt dem Bundesinnenministerium noch nicht vor.

Österreich ist für Deutschland im Lichte der aktuellen Migrationsströme ein besonders wichtiger Partner. Selbstverständlich werden wir uns mit allen Konzepten und Ideen, die die österreichische Regierung an uns herantragen würde, intensiv befassen.

Franke: Zunächst etwas Grundsätzliches. Auch aus unserer Sicht müssen zurückzuführende Flüchtlinge von den Heimatländern aufgenommen werden. Das betont Minister Müller in allen seinen Gesprächen. Zuletzt hat er es unter anderem in seinen Gesprächen in Benin betont. Insofern gehen wir davon aus, dass weiterhin Druck auf die entsprechenden Länder aufrechterhalten werden muss.

Zur Entwicklungszusammenarbeit allgemein. Unser Schwerpunkt ist: Wir wollen Entwicklung fördern, Stabilität in den Entwicklungs- beziehungsweise Partnerländern sichern und dafür sorgen, dass die Menschen eine Perspektive haben. Insofern geht es uns darum, zusätzliche Anreize mit den Partnerregierungen zu schaffen, um genau das zu erreichen. Das ist der entwicklungspolitische Ansatz.

Zu Ihren Fragen hinsichtlich aktueller Zahlen für Marokko und Algerien. Wir haben für Marokko beispielsweise im vergangenen Jahr ca. 490 Millionen Euro bei der Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt. In dieser Summe sind aber auch Darlehen und Mittel der technischen und der finanziellen Zusammenarbeit enthalten.

Algerien ist kein Schwerpunktland der Entwicklungszusammenarbeit. Im vergangenen Jahr sind 6 Millionen Euro für regionale Programme geflossen. Dabei geht es vor allen Dingen darum, umweltpolitische Aktivitäten in Algerien zu fördern.

Frage: Eine Lernfrage dazu an das BMZ. Die Anregung von Herrn Gabriel gestern war ja sehr deutlich. Könnte das BMZ überhaupt aus eigener Entschlusskraft sagen "Wenn sie ihre Bürger nicht zurücknehmen, dann streichen oder kürzen wir Mittel oder Projekte", oder bedürfte das einer parlamentarischen Absicherung? Erwägt man das und beschäftigt man sich in ihrem Haus ernsthaft mit dieser Variante des Druckausübens?

Franke: Grundsätzlich führen wir mit den entsprechenden Partnerländern Regierungsverhandlungen. Im Rahmen von Regierungsverhandlungen werden die Schwerpunkte der Entwicklungszusammenarbeit für die nächsten Jahre festgelegt, in der Regel über zwei Jahre hinweg. Sinn und Zweck dieser Regierungsverhandlungen ist, dass man sich auf einen gemeinsamen Nenner der Zusammenarbeit einigt. Mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen.

Zusatzfrage: Warum eigentlich nicht? Jemand, der eine wichtige Rolle in der Bundesregierung spielt, sagt: Völlig klar, wenn die nicht zurücknehmen, dann werden wir nicht mehr helfen können. - Das geht Ihr Haus an. Damit müssen Sie sich doch auseinandersetzen. Und dann könnten Sie es hier auch sagen.

Franke: Unser Ziel ist es, die Entwicklung in den Ländern zu fördern und nicht noch zusätzlich zu Destabilisierung beizutragen. Insofern ist es wichtig, dass wir uns auf das konzentrieren, was für uns nachhaltige Politik in der Zusammenarbeit mit den Ländern ist.

Zusatzfrage: Das bedeutet, die Kürzung von Mitteln wäre ein Beitrag zur Destabilisierung?

Franke: Dazu kann ich nichts sagen.

Frage: Ich habe zwei Fragen zum Familiennachzug. Erstens. Mit wie vielen Menschen wird dieses Jahr gerechnet? Zweitens. Wie stark werden die im Asylpaket II geplanten Einschränkungen für den Familiennachzug den Kreis der Anspruchsberechtigten verkleinern?

StS Seibert: Zum Asylpaket II möchte ich hier wie auch in den vergangenen Regierungspressekonferenzen keine Detailerörterung vornehmen. Wir sprechen über diese Themen. Wir sprechen aber nicht in der Regierungspressekonferenz über Einzelheiten.

Ich weiß nicht, ob Herr Plate sich zum anderen äußern möchte.

Plate: Ja, allerdings nur sehr kurz: Jährliche Familiennachzugsprognosen werden nicht erstellt.

Frage: Zwei Fragen. Herr Seibert, destabilisiert der Vizekanzler und SPD-Vorsitzender die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mit seinen Forderungen, Entwicklungszusammenarbeit mit Herkunftsstaaten außer Kraft zu setzen, wenn diese sich bei der Rücknahme von Flüchtlingen nicht anständig verhalten?

Zweite Frage. Schließen Sie eine erhöhte Benzinsteuer zur Klärung von Grenz- und Flüchtlingsproblematiken als Linie der Bundesregierung aus, und destabilisiert folglich Herr Schäuble die Bundesregierung mit seinen Ideen?

StS Seibert: Zu Ihrer ersten Frage. Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ist die Flüchtlingspolitik, auf die sich die Bundesregierung nach internen Gesprächen und koalitionären Verabredungen einigt und zu denen sie dann auch steht, und zwar die Bundeskanzlerin und alle Minister. So haben wir es bisher gehalten, und so läuft das sehr gut.

Zu Ihrer zweiten Frage. Die Aussage der Bundeskanzlerin aus dem vergangenen Oktober, so meine ich, zur Frage von Steuererhöhungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingssituation, gilt und muss hier nicht wiederholt werden. In dem wirklich sehr lesenswerten Interview hat der Finanzminister eine Aussage in Richtung des europäischen Kontextes gemacht. Er hat darauf hingewiesen, dass sich Europa der historischen Aufgabe der Migration und des Schutzes der Außengrenzen stellen muss, auch finanziell. Insofern ist dieser Beitrag in dem sehr lesenswerten Interview als ein Weckruf an Europa und an unsere europäischen Partner zu verstehen. Gleichwohl gilt die Aussage der Bundeskanzlerin.

Frage: Herr Plate, ich möchte nach der deutsch-slowenisch-österreichischen Kommission fragen. Mich irritiert, dass es bei Ihnen so klingt, als sei da etwas erst ganz am Anfang, als habe da etwas erst begonnen, während ich gleichzeitig lese, dass die Österreicher für Mittwoch konkrete Entscheidungen über konkrete neue Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dieser Kommission stehen, angekündigt haben.

Ist in dieser Woche vonseiten der Bundesregierung zu erwarten, dass man in dieser Arbeitsgruppe schon konkrete Verabredungen trifft, die am Ende bedeuten könnten, dass mehr als elf deutsche Bundespolizisten an der Grenze in Slowenien stehen?

Herr Seibert, zur Benzinsteuer möchte ich nachfragen, ob der negative Hinweis auf die Initiative des Bundesfinanzministers bedeutet, dass die Bundesregierung eigenständige EU-Finanzquellen zur Lösung europäischer Probleme generell ausschließt beziehungsweise momentan für nicht dienlich hält.

Plate: Zunächst ganz kurz zu den Planungen, die Österreich für diesen Mittwoch bekanntgegeben hat oder über die jedenfalls in den Medien zu lesen war. Ich würde vorschlagen, dass Sie sich an die österreichischen Kollegen und nicht an uns wenden, um herauszufinden, was die Österreicher für Mittwoch genau geplant haben.

Zusatzfrage: Ich hatte Sie nicht nach den österreichischen Maßnahmen gefragt.

Plate: Aber es ging in den Medien um österreichische Maßnahmen für Mittwoch. Von Deutschland war jedenfalls in den Medienberichten, die ich gelesen habe, mit Bezug auf Mittwoch keine Rede. Ich kann auch keine konkrete Zeitplanung diesbezüglich für Maßnahmen für diese Woche, an denen Deutschland beteiligt ist, nennen.

StS Seibert: Ich denke, dass ich dazu schon alles gesagt habe. Das Bundesfinanzministerium hat am Wochenende gesagt, das Ziel des Interviews sei es, die Dinge auf europäischer Ebene in Bewegung zu bringen. In der Tat herrscht in der Bundesregierung Einigkeit darüber, dass es notwendig ist, dass Europa diese große Herausforderung erkennt und sich ihr auch finanziell stellt.

Wir in Deutschland sind wegen unserer umsichtigen Haushaltspolitik und wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung in einer stabilen finanziellen Lage. Das heißt, wir sind in der Lage, das Notwendige zu tun. Der Weckruf galt, so denke ich, den europäischen Partnern.

Frage: Herr Plate, gibt es jenseits der Westbalkanstaaten Länder, mit denen das Laissez-Passer-Abkommen für zurückzuführende abgelehnte Asylbewerber befriedigend funktioniert, oder beschränkt sich der Erfolg bei dieser Methode auf die Staaten des westlichen Balkans?

Plate: Das muss ich, ehrlich gesagt, nachreichen. In den vergangenen Monaten ist das mit den sechs Westbalkanstaaten vereinbart worden ist. Ob so etwas in der länger zurückliegenden Vergangenheit mit anderen Staaten und, wenn ja, mit welchen vereinbart worden ist und wie genau das läuft, dazu habe ich jetzt keine Analyse dabei.

Zusatzfrage: Würden Sie es nachreichen?

Plate: Wenn ich es bekommen kann, dann reiche ich es nach.

Frage: Eine Frage an das Bundesfinanzministerium und das Wirtschaftsministerium. Herr Juncker hat gesagt, dass infolge der Grenzkontrollen, die Dänemark und Schweden am Öresund eingeführt haben, jetzt schon Kosten in Höhe von 300 Millionen Euro entstanden seien. Können Sie sagen, wie hoch der wirtschaftliche Schaden für die deutsche Wirtschaft ausfallen würde, wenn Deutschland ähnlich Schweden und Dänemark Grenzkontrollen einführen würde?

von Tiesenhausen-Cave: Das ist eine rein hypothetische Frage, die sich jetzt nicht stellt. Insofern kann ich Ihnen darauf keine Antwort geben.

Audretsch: Ich kann ergänzen, dass der Minister darauf hingewiesen hat, dass Grenzschließungen tatsächlich zu wirtschaftlichem Schaden führen könnten. Dazu hat er sich geäußert. Hinsichtlich konkreter Zahlen schließe ich mich der Kollegin des Finanzministeriums an.

Zusatzfrage: Frau von Tiesenhausen, Herr Schäuble hat gesagt, wenn Deutschland Grenzkontrollen wie Schweden einführen würde, dann wäre dies eine gewaltige und enorme Gefährdung Europas. Was genau hat Herr Schäuble damit gemeint?

von Tiesenhausen-Cave: Ich meine, Sie haben ganz gut wiedergegeben, was der Minister gesagt hat. Ich sehe nicht wirklich, wo dieser Satz noch erklärungsbedürftig ist. Der Erfolg und die wirtschaftliche Kraft Europas fußen unter anderem auf dem freien Verkehr von Waren, Dienstleistungen, Personen und Finanzmitteln. Wenn das nicht mehr stattfindet, dann hätte dies sicherlich negative Konsequenzen. Aber das ist, denke ich, Konsens. Das hören wir in diesen Tagen von der Kommission und von allen möglichen anderen europäischen Politikern.

Frage: Eine kurze Nachfrage, Plate - vielleicht habe ich es überhört -, wie Sie die Möglichkeit bewerten, dass es mit Österreich zusammen eine Sicherung der Grenze nach Slowenien oder der österreichischen Südgrenze geben könnte. Finden Sie das gut? Würde die Bundesregierung solche Pläne der Österreicher unterstützen oder nicht?

In diesem Zusammenhang meine zweite Frage: Sind Sie dabei, im Zusammenhang mit Algerien und Marokko das BAMF anzuweisen, dass Asylanträge aus Algerien und Marokko priorisiert behandelt werden?

Plate: Zu der ersten Frage hatte ich so ausdrücklich nicht gesprochen. Aber ich hatte ja gesagt, dass uns ein konkreter Vorschlag der Österreicher bisher nicht vorliegt. Sie werden wahrscheinlich nicht im Ernst erwarten, dass ich Stellung nehme, ob ich einen Vorschlag, der so noch nicht vorliegt, gut finde oder nicht. Das können Sie von mir nicht verlangen. Ich hatte ja gesagt, wir schauen ihn uns sorgfältig an. Ob wir ihn gut finden oder nicht, kann nicht am Anfang dieses sorgfältigen Anschauens, sondern nur an dessen Ende stehen.

Zu der zweiten Frage, ob es zutrifft, dass wir dabei sind, das BAMF anzuweisen, die Anträge aus den von Ihnen genannten Staaten priorisiert, das heißt beschleunigt, zu bearbeiten: Das kann ich bestätigen. Ich kann Ihnen nur nicht ganz genau sagen, ob dieser Erlass schon jetzt an das BAMF hinausgegangen ist oder noch nicht. Er war in Vorbereitung, als ich mich auf den Weg hierher begeben habe. Aber in der Tat: Ja, das trifft so zu.

Frage: Ich habe eine Nachfrage an Herrn Seibert. Kann man Sie so verstehen, dass Sie sich eine Art Flüchtlingssteuer für Europa vorstellen, die aber in Deutschland nicht eingeführt würde?

StS Seibert: Ich habe jetzt zwei Fragen zu diesem Thema beantwortet, auch mit einem klaren Hinweis auf die Aussage der Bundeskanzlerin aus dem vergangenen Oktober. Da herrscht meiner Meinung nach absolute Klarheit.

Frage: Frau von Tiesenhausen, ich würde trotzdem ganz gerne verstehen, was Herr Schäuble da tatsächlich vorgeschlagen hat. Soll es sich dabei um eine Art Steuer im jeweiligen nationalen Kontext handeln, eine Abgabe im jeweiligen nationalen Kontext, oder soll das tatsächlich das erste Mal eine wirklich europäische Steuer sein? Das wäre ja dann tatsächlich ein ziemlicher Systemwechsel.

von Tiesenhausen-Cave: Der Minister hat das gesagt, was er gesagt hat. Sie können es nachlesen: Das ist die sechste Frage in dem Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Wie Herr Seibert es gesagt hat, steht diese Äußerung in einem europäischen Kontext. Ich muss das jetzt nicht noch einmal herleiten. Wir stehen derzeit vor der Herausforderung, die europäische Flüchtlingspolitik zu stärken. Insofern stand da ein europäischer Gedanke Pate. Es ist das Ziel, die Debatte und die Dinge auf der europäischen Ebene in Bewegung zu bringen und die Sackgassensituation, die wir jetzt haben, aufzulösen.

Zusatzfrage: Frau von Tiesenhausen, da muss ich doch noch einmal nachfragen. Das heißt, Ihr Minister befürwortet, dass es erstmalig eine europäische Steuer gibt, was ansonsten in dem Sinne bislang gar nicht existiert?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe das gesagt, was ich gesagt habe. Sie können das auch nachlesen. Unser Minister befürwortet das, was er gesagt hat.

Frage: Herr Plate, noch einmal zu Deutschland und Österreich und dem, was da geplant ist. In meiner Agentur heißt es:

"Zu Medienberichten, wonach ein gemeinsames Vorgehen mit Deutschland und Slowenien bei der Grenzsicherung geplant sei, sagte Kurz: 'Das wäre eine sinnvolle Möglichkeit.'" Sieht auch die Bundesregierung das als sinnvolle Möglichkeit an?

Plate: Ich kann, ehrlich gesagt, nicht erkennen, wie ich etwas anderes sagen soll als das, was ich auf die inhaltlich identische Frage von dem Kollegen gesagt habe.

Zusatz: Bisher sagen Sie: Wir haben nichts Konkretes vorliegen, also kann ich nichts sagen.

Plate: Genau.

Zusatzfrage: Sehen Sie es denn als sinnvoll an, wenn Österreich, Deutschland und Slowenien gemeinsam bei der Grenzsicherung vorgehen?

Plate: Das kann man nicht so pauschal beantworten. Etwas, was nicht möglich ist, kann nicht sinnvoll sein. Insofern muss man sich erst einen Vorschlag anschauen, ob dies möglich ist, ob er ein sinnvolles Konzept vorsieht, ob sich Deutschland daran beteiligen kann und, wenn ja, in welchem Umfang. Von den Antworten auf diese von mir skizzierten Fragen hängt auch ab, ob man dies für sinnvoll hält oder nicht. Vielleicht kennt Herr Kurz das Konzept schon. Ich jedenfalls kenne es noch nicht.

Frage: Ich habe an Herrn Flosdorff eine Frage im Zusammenhang mit der Bundeswehr und Libyen, nachdem die Ministerin gesagt hat, dass sie einen Libyen-Einsatz der Bundeswehr nicht ausschließt. Gibt es dazu schon konkretere Überlegungen? Ich habe einmal gehört, dass möglicherweise ein Einsatz in den Nachbarländern Tunesien und Ägypten geplant oder in der Überlegung sei.

Flosdorff: Konkrete Planungen im Verteidigungsministerium dazu gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nicht. Sie wissen, dass sich die Lage in Libyen seit geraumer Zeit so entwickelt, dass man verstärkt Anlass zur Sorge haben muss. Es gibt substanzielle Unternehmungen auch der Vereinten Nationen, dort eine Einheitsregierung zu bilden und wieder staatliche Strukturen zu etablieren. Wenn das gelingt, dann stellt sich natürlich die Frage an die Weltgemeinschaft: Wie kann man diese Einheitsregierung unterstützen? Da wäre es unklug, von vornherein auszuschließen, dass das auch eine militärische Unterstützung sein könnte. Aber an diesem Punkt sind wir noch nicht. Im Moment ist dort noch die Stunde der Diplomatie. Die Bemühungen laufen weiter.

In dem Moment, in dem es eine Einheitsregierung gibt, kann sich die Situation ergeben, dass an viele Länder die Frage gerichtet wird: Wie unterstützt ihr diese Regierung? Wie unterstützt ihr das, dass man wieder staatliche, stabile Strukturen in Libyen bekommt, die auch in der Lage sind, Ordnung in dem Land durchzusetzen? Diese Frage wird sich auch an Deutschland richten.

Frage: Herr Flosdorff, ich würde gerne verstehen, welche Voraussetzungen in Libyen gegeben sein müssen, damit überhaupt infrage kommt, einen Bundeswehreinsatz im weitesten Sinne für Libyen durchzuführen. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, gibt es bereits eine Art Ausbildungsmission im Nachbarland Tunesien. Vielleicht könnten Sie einmal konkretisieren, was dort genau stattfindet und was vielleicht aus Ihrer Sicht momentan darüber hinaus noch möglich scheint.

Flosdorff: Da sind Sie nicht richtig informiert. Es gibt keine Ausbildungsmission im Nachbarland Tunesien. Es ist so, wie ich es gesagt habe: Das richtet sich erst einmal danach, was auf der diplomatischen Schiene passiert, dass sich eine Einheitsregierung bildet, die auch in der Lage wäre, völkerrechtlich wirksam zu agieren. Solange dieser Status nicht erreicht ist, an dem viele arbeiten, gibt es auch keine Planungen im Verteidigungsministerium und auch keine Spekulationen mit Ihnen, was das alles sein könnte.

Fischer: Es ist wichtig, die Debatte tatsächlich vom Kopf auf die Füße zu stellen; denn derzeit konzentrieren sich alle unsere Bemühungen in der schwierigen Lage darauf, das Friedensabkommen umzusetzen und die Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit zu unterstützen. Sie wissen, dass mit Martin Kobler dort ein sehr erfahrener deutscher Diplomat, jetzt in UN-Diensten, mit Hochdruck daran arbeitet. Er war letzte Woche in Berlin und hat sich unter anderem mit Außenminister Steinmeier getroffen und abgestimmt. Der Außenminister hat ihm zugesagt, dass die Bundesregierung ihn bei seiner Arbeit mit aller Kraft unterstützen wird. Er hat auch gesagt, dass Deutschland bereitsteht, eine neue libysche Einheitsregierung beim Wiederaufbau staatlicher Strukturen zu unterstützen. Aber in welcher Form genau das geschieht, hängt von den Wünschen und Prioritäten der Libyer ab. Dafür ist natürlich Voraussetzung, dass es erst einmal eine Einheitsregierung gibt. Darauf konzentriert sich die Bundesregierung mit aller Kraft und mit Nachdruck. Denn auch das trä gt dazu bei, dieses Land zu stabilisieren und das Krebsgeschwür ISIS, das sich mittlerweile auch in Libyen ausbreitet, weiter einzudämmen. Das ist unser Ziel, und daran arbeiten wir. Alles andere ist zum jetzigen Zeitpunkt Spekulation.

Frage: Herr Seibert, ist der Bundeskanzlerin ein Bundesminister oder eine Bundesministerin bekannt, der oder die den Flüchtlingskurs der Bundeskanzlerin vorbehaltlos unterstützt?

StS Seibert: Ich habe vorhin über die geschlossene Haltung der Bundesregierung in ihrer Flüchtlingspolitik gesprochen, und dem habe ich nichts hinzuzufügen.

Zusatzfrage: Das heißt, die Bundeskanzlerin geht davon aus, dass alle Bundesminister ihren Flüchtlingskurs vorbehaltlos unterstützen?

StS Seibert: Der Flüchtlingskurs, den man gemeinsam in der Bundesregierung miteinander vereinbart.

Frage: Herr Seibert, ist der Brief von einigen Unionsabgeordneten angekommen, in dem sie ihren Unmut gegenüber der Kanzlerin kundtun?

StS Seibert: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich weiß es nicht. Ich werde mich erkundigen und schauen, ob ich Ihnen das nachliefern kann.

Vorsitzender Leifert: Bevor wir ein neues Thema eröffnen, habe ich eine Nachlieferung des Wirtschaftsministeriums zum Iran.

Audretsch: Ich hatte Ihnen von der geplanten Reise des Wirtschaftsministers im Mai berichtet. Als Sie nach den Delegationsreisen gefragt haben, habe ich eine Sache nicht erwähnt, und zwar dass die Parlamentarische Staatssekretärin Zypries derzeit im Iran ist und dort Gespräche zum Thema Gesundheitswirtschaft führt. - Das als kurze Nachlieferung dazu.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMI im Zusammenhang mit dem Anschlag in Istanbul. Hat die Bundesregierung mittlerweile konkretere Informationen darüber, welche Identität der Attentäter hatte - denn darüber gab es Ende der Woche noch Unklarheiten -, und auch über einen möglichen IS-Hintergrund?

Plate: Zu dem Thema IS-Hintergrund kann ich Ihnen noch nichts ganz Belastbares sagen. Wie Sie wissen, sind die vier Mitarbeiter des Bundeskriminalamts von den türkischen Ermittlungsbehörden eingebunden worden. Der ursprüngliche Sachstand, den jedenfalls wir hatten, war, dass es vor allen Dingen ein Identitätsdokument gab. Inzwischen haben uns die türkischen Behörden mitgeteilt, dass die zunächst vermutete Identität auch mittels eines Fingerabdruckabgleichs bestätigt worden sei. Das ist das, was ich zusätzlich zu dem hinzufügen kann, was vielleicht schon presseöffentlich bekannt war.

Frage: Ich habe eine Frage zur Elektromobilität. Heute sollte es ja ein Gespräch bei Herrn Altmaier mit den Staatssekretären geben. Gibt es das überhaupt? Wann findet es statt? Wann ist mit Ergebnissen zu rechnen?

StS Seibert: Bezog sich diese Frage auf mich?

Zusatz: Ja.

StS Seibert: Wir haben das auch schon in der vergangenen Woche intensiv dargelegt. Wir beraten gegenwärtig intern in der Bundesregierung, wie wir die Elektromobilität über die schon ergriffenen Maßnahmen hinaus fördern. Dazu liegen unterschiedliche Ideen auf dem Tisch. Zu dem Verlauf dieser internen Gespräche kann ich Ihnen nichts berichten. Ich werde auch keine einzelnen Termine der Gespräche auf Arbeitsebene bestätigen. Aber wir prüfen mehrere mögliche Instrumente, um die Elektromobilität über das hinaus, was bereits geleistet wird, zu fördern.

Vorsitzender Leifert: Jetzt treffen doch noch kleckerweise die einen oder anderen Reise- oder Beziehungsaktivitäten zum Iran ein. Auch das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat noch eine Nachlieferung. Bitte.

Lenz: Vielen Dank, entschuldigen Sie. - Noch einen Nachtrag zum Iran: Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hat sich im Rahmen der Internationalen Grünen Woche mit seinem iranischen Amtskollegen getroffen und eine Absichtserklärung zur umfassenden Zusammenarbeit unterschrieben. Er persönlich wird in den kommenden Monaten - dies ist zumindest geplant - in den Iran reisen. - Das noch kurz zu Ihrer Frage von vorhin.

Frage: Ich habe eine Frage an das Finanzministerium. Soweit ich weiß, kommen morgen die Finanzminister des Weimarer Dreiecks nach Berlin. Könnten Sie bitte kurz erläutern, worum es gehen wird? - Danke.

von Tiesenhausen-Cave: Sie haben recht: Morgen findet im Finanzministerium das Treffen der Finanzminister Deutschlands, Polens und Frankreichs statt. Das ist das Weimarer-Dreieck-Format. Es geht um aktuelle europapolitische Themen. Jedes Land hat noch Themen, die ihm sozusagen unter den Nägeln brennen. Ich kann deswegen nicht für die anderen Partner sprechen, was sie dort auf den Tisch legen werden. Von deutscher Seite wird es unter anderem um die Flüchtlingspolitik gehen.

Zusatzfrage: Die Ratingagentur Standard & Poor's hat die Kreditwürdigkeit Polens herabgestuft. Wird das morgen thematisiert, und wie bewertet das Finanzministerium diese Herabstufung? - Danke.

von Tiesenhausen-Cave: Ratings kommentieren und bewerten wir grundsätzlich nicht. Meines Erachtens ist das morgen auch kein Tagesordnungspunkt.

Plate: Ich möchte noch etwas zu Laissez-Passer sagen. Die Frage war, wenn ich es richtig verstanden habe, ob das Prinzip, mit Laissez-Passer-Papieren zu arbeiten, außer mit den Westbalkanstaaten auch noch mit anderen Staaten praktiziert wird. Im Moment wird das nur mit Westbalkanstaaten praktiziert. Das gibt es seit 1994. Es ist in der Regel als eine Option in EU-Rückübernahmeabkommen vorgesehen. Allerdings bedarf es dazu jeweils noch der Mitarbeit des jeweils anderen Staates. Auf EU-Ebene laufen dazu weitere Verhandlungen. Auch hat die Bundesregierung zahlreiche weitere Staaten, insbesondere aus dem afrikanischen Raum, aufgefordert, künftig auch Laissez-Passer-Papiere zu akzeptieren.

Montag, 18. Januar 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 18. Januar 2016
http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/01/2016-01-18-regpk.html
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Januar 2016

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