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PRESSEKONFERENZ/1146: Kanzlerin Merkel, Ministerpräsident Haseloff und Bürgermeister Sieling, 28.1.16 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz in Berlin - Donnerstag, 28. Januar 2016
Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel, Ministerpräsident Haseloff und Bürgermeister Sieling


StS Seibert: Guten Abend, meine Damen und Herren! Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben sich über verschiedene Aspekte der Flüchtlings- und Asylpolitik ausgetauscht. Darüber berichten sie Ihnen jetzt mit Bürgermeister Sieling aus Bremen und Ministerpräsident Haseloff aus Sachsen-Anhalt.

BK'in Merkel: Meine Damen und Herren! Wir hatten eine sehr intensive und, wie ich finde, konstruktive Beratung. Zu Beginn möchte ich noch etwas zu der Einigung der die Koalition tragenden Parteien sagen, also CDU, CSU und SPD, zum Thema Asylpaket II. Mit Inkrafttreten des Asylpakets II wird für subsidiär Schutzberechtigte der Familiennachzug für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt. Nach Ablauf dieser Zeit tritt dann die ab 1. August 2015 geltende Rechtslage wieder ein. Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir innerhalb von künftig zu vereinbarenden Kontingenten der Türkei, des Libanons oder Jordaniens vorrangig den Familiennachzug fördern oder berücksichtigen wollen. Wir haben auch noch einmal deutlich gemacht, dass wir in einem nächsten Gesetzgebungsverfahren auch bürokratische Hemmnisse und Verfahrensvereinfachungen für auszubildende Flüchtlinge und ausbildende Betriebe verbessern wollen. Damit ist der Weg frei, dass das Asylpaket II sehr schnell in die Gesetzgebung kommen kann.

Ich will noch einmal daran erinnern, dass wir zusätzlich zu den Punkten, auf die wir uns heute geeinigt haben, den Abbau medizinischer Abschiebehindernisse, die schnelle Bearbeitung in besonderen Aufnahmeeinrichtungen, vor allem die sehr wichtige Frage des vollen Leistungsbezuges erst nach Erhalt eines Ankunftsnachweises und den Abzug von 10 Euro vom Regelsatz für die Integrationskosten, also die Integrationskurse, haben.

Wir haben uns des Weiteren darauf geeinigt, die Länder Marokko, Algerien und Tunesien als sichere Herkunftsstaaten einzustufen. Auch hierzu wird sehr schnell ein Gesetzentwurf in das Kabinett eingebracht. Das haben wir heute auch mit den Ländern noch einmal gesagt.

Heute haben wir eine umfangreiche Tagesordnung gehabt, die sich natürlich mit der internationalen Situation befasst hat - darüber hat die Bundesregierung berichtet - und mit den Fortschritten beim BAMF. Hier sind wirklich deutliche Fortschritte zu verzeichnen.

Dann haben wir über die Wohnungsbauförderung gesprochen. Die Bundesregierung wird sehr schnell einen Gesetzentwurf zur steuerlichen Förderung der Wohnungsbauförderung vorschlagen. Die Details müssen mit den Ländern noch abschließend geklärt werden. Aber die Vorarbeiten sind weit gediehen, und der Wille, hier sehr schnell voranzukommen, ist von großer Bedeutung.

Wir haben dann sehr ausführlich über das Thema der Integration gesprochen und dies als die große folgende Aufgabe bezeichnet und gekennzeichnet. Wir haben eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingerichtet, die bis Ende Februar erste Eckpunkte und bis Ende März ein Konzept zur Integration erarbeiten wird. Hier gab es eine breite Übereinstimmung, aber auch eine sehr vertiefte Diskussion, dass gelungene Integration, dass dieses Projekt der Integration vom Arbeitsmarkt bis hin zu den Werten, die unser Land und den Zusammenhalt unseres Landes ausmachen, das vorherrschende Projekt in den nächsten Jahren werden wird und dass dies auch eine große Anstrengung ist, die wir in dem Geist, in dem wir es die ganze Zeit getan haben, als eine gemeinsame nationale Kraftanstrengung verstehen wollen. In diesem Geist wird das Thema bearbeitet werden.

Wir haben dann noch über die Notwendigkeit von Rückführungen gesprochen. In den bestehenden Arbeitsgruppen wird konzentriert darüber gesprochen, wie man Rückführungen besser und schneller durchführen kann. Der Bund wird hierbei Hilfestellungen geben und vor allen Dingen auch die Kontakte zu den Herkunftsländern herstellen. Wir haben zum Beispiel mit Marokko intensive Kontakte gehabt. Die marokkanische Regierung hat sich dazu heute auch schon geäußert. So werden wir Land für Land außenpolitisch und entwicklungspolitisch schauen, wie wir auf diesem Feld vorankommen. Denn wir wollen, dass die mit Bleibeperspektive integriert werden. Aber wir wollen auch sagen: Wir brauchen die Rückführung derer, die keine Bleibeperspektive haben. - Von den Bundesländern ist noch einmal darauf hingewiesen worden, dass, je schneller die Verfahren gehen, umso besser auch eine Rückführung möglich ist.

Gerade das, was wir auf dem westlichen Balkan erreicht haben, dass die Zahlen derer, die kommen, erheblich zurückgegangen sind und die Schnelligkeit der Verfahren erheblich zugenommen hat, das ermöglicht eine gerechte Behandlung, hat jemand eine Bleibeperspektive oder nicht.

BGM Sieling: Der erste und wichtige Punkt war in der Tat, dass wir uns wie auch in den vergangenen gemeinsamen Beratungen sehr intensiv darüber ausgetauscht haben, wie die von der Bundeskanzlerin zuletzt angesprochenen Verfahren beschleunigt werden können. Es ist, denke ich, eine breite Sorge der Länder und natürlich immer ein Begehren, dass insbesondere die Verstärkungen beim BAMF schnell wirksam werden. In der Tat werden wir erst vor dem Hintergrund in die Lage versetzt, zu entscheiden, wer bleibt und wer gehen muss, mit den entsprechenden Konsequenzen.

Eine breite Unterstützung - das will ich hier ausdrücklich sagen - findet auch die Politik, dass die Bundesregierung versucht, durch internationale Vereinbarungen die europäischen Außengrenzen zu sichern, und dass wir auch über Abkommen mit anderen Ländern versuchen, gerade die Fluchtursachen anzugehen. Ich habe heute von keinem Bundesland eine andere Reaktion gehört, als dass das der richtige Weg ist.

Der entscheidende Punkt ist aus meiner Sicht, dass wir, denke ich, heute erstmalig den Schritt getan haben, mit dem wir - so will ich es einmal sagen - vor die Lage und vor die Situation kommen und versuchen - ich bin sehr sicher, dass dies gelingen wird -, die Entwicklung zu gestalten. Das betrifft das ganze Thema der Integration und der Integrationsanforderungen.

Wir sehen in den Ländern unter Einbeziehung der Kommunen - Gemeinde, Städte, Länder -, dass dort jetzt eine Vielzahl von Aufgaben kommt. Insbesondere der Wohnungsbau muss organisiert werden - mit entsprechend hohen Kosten. Sprachkurse müssen mit Unterstützung des BAMF und anderer vorangebracht werden. Jetzt kommen wir aber auch in die Situation, dass die Kinder in die Schulen drängen, in den nächsten Schul- und Kindergartenjahren die Anmeldungen kommen und Kapazitäten aufgebaut werden müssen. Das werden Länder und Kommunen nicht ohne Hilfe des Bundes schaffen. Ich bin sehr froh - es war ein Anliegen aller Länder -, dass wir in den Dialog darüber mit der Bundesregierung eintreten. Von daher ist der erste Punkt, den wir heute untereinander vereinbart haben, ein Meilenstein, nämlich der Einstieg und dann die Bildung einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit - die Bundeskanzlerin hat es angesprochen - sehr kurzfristiger Ergebnisorientierung.

Der zweite Punkt, den wir da vereinbart haben, ist natürlich, dass die Arbeit, die schon geleistet wird - die Koordinierungsarbeit zur Organisation der Rückführungen, möglichst der freiwilligen Rückführungen -, jetzt auch weiter von den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten gestützt wird. Damit war das, glaube ich, heute eine Beratung, die uns in der Beherrschbarkeit und Beherrschung der Situation und auch der Gestaltung der Zukunft noch einmal einen großen Schritt vorangebracht hat.

MP Haseloff: Ich denke, es ist allen inzwischen auch klargeworden, dass heute ein kritischer Punkt angesteuert wurde. Wenn der nicht vernünftig genommen worden wäre, dann hätten wir alle ein Problem der Glaubwürdigkeit gehabt. Dass wir also heute das Asylpaket II, das wir vor schon fast drei Monaten vereinbart haben, jetzt über die Klippe geschoben haben und sozusagen in die Aktivierung geben, ist, denke ich einmal, eigentlich auch der gemeinsame Erfolg der gemeinsamen Bemühungen; denn die Bürgerinnen und Bürger hätten es uns nicht abgenommen, dass wir bei einem so wichtigen Thema über alle Ebenen hinweg nicht zu Lösungen kommen. Ich bin dankbar dafür, dass wir das heute geschafft haben und auf dieser Basis dann auch weitere Maßnahmen diskutieren konnten, die gerade schon von der Frau Bundeskanzlerin und vom Kollegen Sieling benannt wurden.

Ich möchte aber noch auf zwei, drei Dinge hinweisen, erstens darauf, dass uns allen klar war - das haben mehrere Kollegen auch zum Ausdruck gebracht - , dass die Zahl der Flüchtlinge dringend heruntergefahren werden muss, damit wir mit den Kapazitäten, die wir noch in der Bundesrepublik, in den Ländern und Kommunen haben, auch klarkommen, was eine entsprechend würdige und auch sozial verträgliche Unterbringung der Flüchtlinge anbelangt. Da besteht nach wie vor der Druck, Lösungen zu bringen. Da hoffen wir, dass die Bundeskanzlerin auch die europäische Lösung herbeibringen und herbeiführen wird beziehungsweise, wenn das nicht gelingt, dass dann auch andere Wege besprochen werden müssen; denn die Kapazitäten - das wurde ganz klar und auch eindeutig gesagt - sind begrenzt beziehungsweise erschöpft.

Das Zweite ist: Ja, wir brauchen einen Wohnungsbau, gerade in den Ballungsräumen beziehungsweise in den Gebieten, in denen die Unterbringung schon nicht mehr gelingt, weil man aufgrund der Beschleunigung der Verfahren, aus den Sammelunterkünften in die dezentrale Unterbringung zu kommen, in die normalen Wohngebiete hineingehen muss. Dazu muss ein Investitionsprogramm gestartet werden. Es ist nach wie vor noch strittig, über welche konkreten Instrumente das läuft; die steuerliche Variante ist eine vorgeschlagene Variante. Sie ist aber nicht einstimmig bestätigt worden; das muss ich fairerweise an dieser Stelle doch schon sagen. Wir werden aber etwas auf den Weg bringen. Die Instrumente werden noch zu besprechen sein, damit das, was Bund und Länder auch wollen - nämlich dort Wohnraum zur Verfügung zu stellen, wo er wirklich benötigt wird -, zielgerichtet funktioniert und entsprechend realisiert wird.

Abschließend: Die Integrationsdiskussion war wichtig und notwendig. Sie findet ja derzeit nur in symbolischen Projekten im Sinne dessen statt, dass es geht. Bisher waren unsere Kapazitäten aber deutlich damit gebunden, und sie sind es immer noch, die Notunterbringung und die Erstunterbringung klarzumachen. Jetzt müssen wir im Jahre 2016 den Modus in Richtung Integration wechseln, und deswegen brauchen wir eine Reduzierung des Zuflusses, damit wir uns um die kümmern können, die da sind, damit wir keine Parallelgesellschaften bekommen. Ansonsten werden wir mittel- und langfristig Probleme bekommen, und dessen sind wir uns aber alle bewusst. Das werden wir zu vermeiden versuchen. Deswegen war der heutige Tag mit der Aktivierung des entsprechenden Paktes so wichtig, und damit können wir auch in der politischen Auseinandersetzung klarmachen, dass wir in Deutschland handlungsfähig sind und nicht vor diesen großen Herausforderungen kapitulieren.

Frage: Ich habe zwei Fragen, eine an die Bundeskanzlerin: Sie haben die sicheren Herkunftsländer erwähnt. Ist denn heute in der MPK-Sitzung auch geklärt worden, dass die Ausweitung des Kreises der sicheren Herkunftsländer durch den Bundesrat gehen wird? Haben Sie entsprechende Zusicherungen erhalten?

Sind mit der Einigung über das Asylpaket II dann auch die Differenzen innerhalb der großen Koalition ausgeräumt, was den Kurs in der Flüchtlingskrise angeht?

Vielleicht an die beiden Ministerpräsidenten: Haben Sie denn heute konkrete Finanzzusagen des Bundes für diese zusätzlichen Aufgaben erhalten, die Sie erwähnt haben?

BK'in Merkel: Es gibt, glaube ich, eine gute Chance, dass auch das Gesetz über die drei neuen sicheren Herkunftsstaaten den Bundesrat passieren kann. Aber naturgemäß müssen die Bundesländer ja erst einmal schauen, wie dieser Gesetzentwurf ausgearbeitet wird. Hierbei geht es insbesondere um die Begründung. Hier gibt es sehr enge Vorgaben, die auch durch Rechtsprechung vorgegeben sind, und die Bundesländer haben zugesagt, sich das genau anzuschauen und sich dann ihre Meinung zu bilden.

Aber ich glaube, es hat sich durch die Erklärung der Staaten des westlichen Balkans zu sicheren Herkunftsstaaten jetzt auch schon ergeben, welche Vorteile für die Schnelligkeit der Bearbeitung der Anträge es gibt. Jetzt wird das jeder auf Vertretbarkeit untersuchen, und da wir hier heute keine Gesetzentwürfe diskutiert haben, verstehe ich das, aber ich sehe auch ganz gute Chancen.

Zweitens ging es heute nicht um neue Finanzverteilung - mit Ausnahme der Frage der steuerlichen Förderung, die Bund und Länder ja dann in gewisser Weise gleichermaßen betrifft -, sondern es ging im Wesentlichen um die Frage, wie man die Arbeit jetzt überhaupt strukturiert, wie man sie voranbringt. Deshalb, glaube ich, war es sehr wichtig, dass wir heute das Asylpaket II vorangebracht haben, damit das, was wir ja wirklich schon vor Monaten miteinander im Grundsatz ausgemacht hatten, jetzt auch den Gesetzgebungsprozess durchlaufen kann.

BGM Sieling: Ich will gerne auch kurz zu dem ersten Punkt sagen, dass das Thema dieser Länder als sichere Herkunftsstaaten in der Tat sehr in Ruhe betrachtet wird und natürlich auch geprüft wird, wie die Bundesregierung den Vorschlag begründet. Es gibt, und das ist auch diskutiert worden, natürlich einen Zusammenhang zwischen der Frage der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten und der Möglichkeit der Rückführung. Dazu sind ja auch bilaterale Abkommen in Vorbereitung. Ich glaube, dass die Frage, wie es gelingt, ein Gesamtpaket auf den Weg zu bringen, dort auch für die politischen Entscheidungen wichtig ist. Aber wir als Ministerpräsidenten sind natürlich in Koalitionen eingebunden und müssen deshalb auch im Rahmen des Bundesrats sehr sorgfältig die vorliegenden Gesetzesvorschläge prüfen.

Zum zweiten Thema: Wir haben in der Tat nicht über konkrete Summen gesprochen, weil es jetzt darum geht, die Linien und die Pfade deutlich zu machen. Wir wollen ja darüber nicht erreichen - das will ich hier gerne ausdrücklich sagen -, dass der Bund die Kosten zu 100 Prozent übernimmt, sondern dass wir zu einer fairen Aufteilung zwischen der kommunalen Ebene, den Ländern und dem Bund kommen. Der Blick in die Länder und das, was berichtet wird, deuten darauf hin, dass die Unterstützung, die wir schon im September vereinbart haben, im Schnitt hinreicht, um 15 bis 20 Prozent der Kosten zu decken - die nicht nur im Bereich der Sozialhilfe oder der an das Asylbewerberleistungsgesetz geknüpften personengebunden Hilfen liegen, sondern natürlich auch mit Investitionen, mit Personalaufbau, der notwendig ist, und vielen anderen Elementen mehr zu tun haben.

Über Zahlen ist nicht gesprochen worden, aber es wird dann ja eine Aufgabe der Arbeitsgruppe sein, das Ganze zu unterlegen und darüber ins Gespräch zu kommen, wie das umgesetzt werden kann.

MP Haseloff: Es ist aber klar, dass die Aufnahme- und Integrationsbereitschaft der Kommunen in Zukunft nur dann gewährleistet werden kann, wenn wir zu dieser Finanzfrage eine ganz klare Aussage machen, und zwar auch im Rahmen der Zusagen - die wir zum Beispiel in unserem Bundesland gemacht haben -, dass wir die Kommunen nicht alleine lassen, sondern die Kosten übernehmen. Das heißt, das ist auf jeden Fall Bestandteil des Landeshaushalts - und wie die Landeshaushalte vor dem Hintergrund der Schuldenbremse und all der Dinge, die verfassungsgemäß inzwischen festgelegt sind, aussehen, das wissen wir. Insofern müssen wir zu diesem Thema noch sehr intensive Verhandlungen führen, bis hin auch zur Problematik der Einordnung der SGB-II-Empfänger nach beschleunigten Verfahren in die Krankenkassensysteme usw. usf. Hier wird also eine finanzielle Aufwendung zu kalkulieren sein, was in den Ländern gerade in Absprache mit den kommunalen Spitzenverbänden erfolgt, und derzeit müssen wir davon ausgehen, dass die Pauschalen, die vor einigen Monaten auch auf Grundlage der Preisentwicklung und der Integrationsabschätzung festgelegt wurden, jetzt nicht ausreichen werden. Das kann man auf jeden Fall schon in den Raum stellen.

Es wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe bleiben; alle müssen ihren Beitrag dazu leisten. Bei uns im Osten zum Beispiel werden es die Kommunen bei 53 Prozent der Steuereinnahmen gegenüber den West-Kommunen nicht können; das heißt, da sind die Länder in der Pflicht. Damit wissen Sie, wie bei uns in den nächsten Monaten und Jahren die Haushaltsdiskussionen zu führen sind.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, noch einmal anschließend an die Frage des Kollegen Rinke zum Zustand der Koalition: Sehen Sie denn durch die heutige Einigung die Koalition insgesamt wieder gestärkt? Sie machte ja in den letzten Tagen und Wochen keinen sehr einigen Eindruck.

Haben Sie mit Herrn Seehofer auch noch einmal über den Brief gesprochen, der Sie von ihm erreicht hat? Meinen Sie, Sie können ihn noch von der Idee abbringen, eine Klage gegen die Politik der Bundesregierung einzureichen?

BK'in Merkel: Briefe werden beantwortet und nicht öffentlich diskutiert. Selbstverständlich beschäftigen wir uns mit den Fragen.

Ich glaube, dass der heutige Tag insofern ein guter Tag war, als wir das Asylpaket II auf den Weg gebracht haben. Wenn Sie sich aber einmal Gesetzgebungsverfahren ansehen und wenn Sie sich die Tagesordnung der morgigen Bundesratssitzung ansehen, dann sehen Sie, dass dort wieder viele Gesetze verabschiedet werden, die völlig einvernehmlich sind; wir brauchten heute also keine zweistündige Bundesratsvorbesprechung. Daran können Sie sehen, dass die Koalition, aber auch alle staatlichen Ebenen sehr handlungsfähig sind und angesichts vieler Probleme, vor denen wir stehen, auch handeln. Wir haben als Koalition bereits jetzt, wenige Wochen nach den verheerenden Vorfällen in Köln, in Reaktion darauf die Verschärfung der Möglichkeiten der Ausweisung von Asylbewerbern beziehungsweise des Verlusts des Status als Asylbewerber, wenn Verurteilungen - auch auf Bewährung - vorliegen, vereinbart. Das war ein ganz wichtiger Schritt, mit dem einfach auch die Lehren daraus gezogen werden, sodass bestimmte kriminelle Dinge - auch sexuelle Übergriffe oder Angriffe auf Polizisten - geahndet werden und dann eben auch zum Verlust des Status als Asylbewerber führen.

Also: Ich finde, dass wir sehr viel auf den Weg bringen, und ich fühle mich durch den heutigen Tag noch einmal bestärkt darin.

Frage: Frau Bundeskanzlerin, die Kontingente, über die sehr viel geredet wurde und die noch in sehr weiter Ferne scheinen, wurden jetzt schon zum Detail in diesem Gesetz. Haben Sie in der Koalition auch darüber gesprochen, welchen Zeitplan es da geben soll, wann man also spätestens Kontingente haben will, und ob es vielleicht auch nationale Kontingente gibt, wenn es zu europäischen nicht kommt?

BK'in Merkel: Es gibt zumindest schon einmal eine europäische Vereinbarung, dass von den 160 zu verteilenden Asylbewerbern 20 reserviert sind für Umsiedelungen aus Nachbarländern Syriens. Das heißt, 140 sollen innerhalb der EU verteilt werden und 20 über den UNHCR, so wie wir das ja schon des Öfteren gemacht haben. Schon da ist also ein Ansatzpunkt gegeben.

Wie wir jetzt mit der Türkei weiter vorangehen, wird ja im Augenblick mit Hochdruck verhandelt. Dazu kann ich noch keine genauen Aussagen machen.

StS Seibert: Vielen Dank und gute Nacht!

BK'in Merkel: Danke schön!

Donnerstag, 28. Januar 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 28. Januar 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/01/2016-01-29-bkin-mp-der-laender.html;jsessionid=485E6951CAD310B98F2BC3F88EE7AF40.s2t1
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Januar 2016

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