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PRESSEKONFERENZ/1182: Regierungspressekonferenz vom 16. März 2016 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 16. März 2016
Regierungspressekonferenz vom 16. März 2016

Themen: Glückwunsch der Bundeskanzlerin an den gewählten Präsidenten von Myanmar, Kabinettssitzung (Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung, Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung, Entwicklung der Flüchtlingslage - Maßnahmen von und für Unternehmen und Betriebe), Umwandlung von Land in besetztem palästinensischem Gebiet in israelisches Staatsland durch die israelische Militärverwaltung, Aufstellung der Haushaltseckwerte 2017, Flüchtlings- und Asylpolitik, Gespräche über Visaerleichterung für türkische Staatsbürger, Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei, Europäischer Rat in Brüssel, Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange, angekündigte Reduzierung des russischen militärischen Kontingents in Syrien, deutsche Rüstungsexporte, geplante Börsengänge der Unternehmen Arriva und Schenker

Sprecher: StS Seibert, Chebli (AA), von Tiesenhausen-Cave (BMF), Plate (BMI), Nannt, (BMVg), Alemany (BMWi), Susteck (BMVI)


Vorsitzender Mayntz eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Dem Bericht aus dem Kabinett möchte ich gern einen Punkt vorschalten, und zwar den Glückwunsch der Bundeskanzlerin an den gewählten Präsidenten von Myanmar, genauer gesagt der Republik der Union Myanmar, Herrn Htin Kyaw. Sie hat ihm telegrafiert und in diesem Glückwunschschreiben von dem eindrucksvollen Weg des politischen Wandels und der Öffnung gesprochen, den Myanmar in den vergangenen Jahren eingeschlagen hat. Die Wahl des neuen Präsidenten markiere, so die Bundeskanzlerin, einen weiteren Schritt im Übergang zu Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie. Sie wünscht ihm Kraft für die politischen und wirtschaftlichen Reformen in dem Land, für die nationale Aussöhnung sowie für die Integration aller im Lande lebenden Volksgruppen und bietet bei all dem weiterhin die Partnerschaft Deutschlands an.

Jetzt zu den Punkten des Kabinetts, zunächst zum Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung: Bei sexueller Nötigung und Vergewaltigung gibt es in Deutschland nicht nur eine relativ geringe Anzeigequote, sondern auch eine geringe Verurteilungsquote. Ganz offenbar gibt es also Strafbarkeitslücken im Zusammenhang mit diesen beiden Verbrechen. Diese Lücken sollen mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung des Schutzes der sexuellen Selbstbestimmung geschlossen werden. Das betrifft zum Beispiel Fälle, in denen das Opfer mit dem Täter in einem Klima der Gewalt lebt und in denen das Opfer die sexuelle Handlung erkennbar nicht möchte, sich aber wegen früherer Gewalttaten des Täters nicht traut, sich zu wehren. Es geht auch um Fälle, in denen der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt.

Da diese Verletzungen der sexuellen Selbstbestimmung strafwürdig sind, soll sich in Zukunft strafbar machen, wer die auf einem körperlichen oder psychischen Zustand beziehungsweise aufgrund der überraschenden Tatbegehung bestehende Widerstandsunfähigkeit des Opfers sowie dessen Angst vor einem empfindlichen Übel, falls es Widerstand leistet, ausnutzt, um sexuelle Handlungen an ihm zu begehen. Mit den vorgesehenen Straftatbeständen des sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung besonderer Umstände sollen insbesondere Frauen, aber auch Männer besser als bisher vor sexuellen Übergriffen geschützt werden. Gleichzeitig wird die Bundesrepublik Deutschland damit dem Europaratsübereinkommen aus dem Jahre 2011 zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt noch besser gerecht werden.

Der nächste Punkt im Kabinett ist von großer Bedeutung für Künstler und Kreative sowie für die Kreativwirtschaft in Deutschland. Es geht um den Entwurf eines Gesetzes, mit dem die Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und der ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung verbessert werden soll. Dieser Anspruch auf angemessene Vergütung wurde gesetzlich im Jahre 2002 verankert. Trotzdem gelingt es vor allem freiberuflich tätigen Kreativen oft nicht, ihren gesetzlichen Anspruch durchzusetzen. Zudem lassen sie sich teilweise auf Vertragsbedingungen ein, mit denen sie gegen eine unangemessen niedrige Einmalzahlungen alle Rechte an ihrem Werk beziehungsweise an ihren Leistungen aus der Hand geben. Dieses Reformvorhaben soll deshalb die Position der Urheber und der Kreativen stärken ohne gleichzeitig die berechtigten Interessen von Verlagen oder anderen Unternehmen der Kreativwirtschaft zu gefährden.

Zentral sind folgende Regelungen: Der Urheber, der dem Verwerter ein Exklusivrecht gegen Pauschalvergütung eingeräumt hat, bekommt das Recht, sein Werk nach Ablauf von zehn Jahren auch anderweitig zu vermarkten. Der erste Vertragspartner ist aber zur weiteren Verwertung befugt. Die Kreativen erhalten ein ausdrücklich geregeltes gesetzliches Recht, Auskunft darüber zu verlangen, in welchem Umfang ihre Leistungen genutzt wurden und welche Erträge und Vorteile aus der Nutzung dieser Leistungen gezogen worden sind. Der Grundsatz der angemessenen Vergütung auch für die mehrfache Nutzung eines Werks oder einer künstlerischen Darbietung wird gestärkt. Von diesen Regelungen kann nur über Tarifverträge oder über Vergütungsregelungen, die von Verbänden auf gleicher Augenhöhe fair ausgehandelt worden sind, abgewichen werden.

Die Reform sieht außerdem die Möglichkeit einer Verbandsklage vor. Urheberverbände können Unternehmen also auf Unterlassung in Anspruch nehmen, wenn diese sich nicht an ausgehandelte Absprachen, zum Beispiel an ausgehandelte Honorare, halten. - Soweit zum Gesetzentwurf zur verbesserten Durchsetzung des Anspruchs der Urheber und ausübenden Künstler auf angemessene Vergütung.

Wie Sie wissen, gibt es den regelmäßigen wöchentlichen Tagesordnungspunkt Entwicklung der Flüchtlingslage. Heute hat dazu der Bundeswirtschaftsminister dem Kabinett über Maßnahmen des Bundes zur Unterstützung von Unternehmen und Betrieben bei der Integration von Flüchtlingen in Ausbildung und in Arbeit vorgetragen sowie über die Initiativen und das Engagement der Wirtschaft insgesamt auf diesem Gebiet.

Es ist klar, dass Unternehmen und Betrieben bei der Integration von Menschen hierzulande eine enorm wichtige Rolle zukommt. Die Wirtschaft steht der Aufnahme von Flüchtlingen in Ausbildung und Arbeitsplätze positiv gegenüber. Ganz besonders wichtig ist dabei der Mittelstand. Vergessen wir nicht, dass der Mittelstand mehr als 60 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt. Er bildet 80 Prozent der Auszubildenden aus. Deswegen ist es eine wirklich gute Nachricht, dass laut einer aktuellen Befragung 85 Prozent der Mittelständler in Deutschland bereit sind, Flüchtlinge einzustellen. Sie können damit wirklich Brückenbauer in Arbeit sein.

Die Aktivitäten von Unternehmen, Gewerkschaften und Wirtschaftsverbänden in Deutschland im Zusammenhang mit Flüchtlingen sind sehr vielfältig. Sie reichen von zusätzlichen Plätzen für Einstiegsqualifizierungen, Praktika, Ausbildung, flankierenden zusätzlichen Maßnahmen zum Spracherwerb bis zu eigenen und schon ganz umfassenden Ausbildungskonzepten bei einigen Unternehmen. Außerdem gibt es ein hohes und wirklich nicht genug zu lobendes gesellschaftliches Engagement vieler Unternehmen. Sie stellen zum Beispiel ihre Mitarbeiter für ehrenamtliche Tätigkeiten frei. Sie überlassen Räumlichkeiten und Liegenschaften. Sie spenden Geld und Sachleistungen oder übernehmen Patenleistungen.

Die Bundesregierung hat, um Asylbewerbern und Geduldeten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, den rechtlichen Rahmen mehrfach angepasst. Anerkannte Flüchtlinge und Asylberechtigte verfügen jetzt schon über einen uneingeschränkten Arbeitsmarktzugang.

Das alles war Teil des Berichts des Bundeswirtschaftsministers zu dem Thema, was die Unternehmen und Betriebe für Integration in Arbeit tun. - So viel dazu.

Chebli: Sie haben gestern vielleicht gesehen, dass die israelische Militärverwaltung für die besetzten palästinensischen Gebiete bestätigt hat, 234 ha Land südlich von Jericho im Westjordanland in Staatsland umgewandelt zu haben. Die Bundesregierung bedauert diesen Beschluss und hofft, dass er revidiert wird. Es ist zu befürchten, dass mit diesem Schritt die Voraussetzung für die Ausweitung von Siedlungen gelegt wird. Diese Entscheidung sendet aus unserer Sicht ganz klar ein falsches Signal zur falschen Zeit. Gerade in der zwischen Israel und Palästina aktuell angespannten Lage im Nahen Osten sind die Parteien im Nahostkonflikt aufgefordert, Schritte zur Deeskalation zu unternehmen und Wege für eine dringend gebotene Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen zu finden.

Alle Menschen in Israel und Palästina haben ein Recht, in Frieden und Sicherheit zu leben. Aus unserer Sicht kann nur eine klare politische Perspektive für eine nachhaltige Zweistaatenlösung dies dauerhaft sicherstellen.

Frage: Frau Chebli, warum fordern Sie nicht, diesen Beschluss zurückzunehmen? Warum wünscht man sich das nur?

Chebli: Sie wissen ja nicht, was wir tun. Wenn wir mit unseren israelischen Partnern sprechen, dann sagen wir ganz klar, dass wir ein solches Vorgehen für nicht richtig halten und uns wünschen - und auch fordern -, dass ein solcher Beschluss revidiert wird; das tun wir.

Zusatzfrage: Ist der Beschluss ein Völkerrechtsbruch?

Chebli: Unsere Haltung zum Thema Siedlung ist klar: Wenn wir sagen, dass wir befürchten, dass mit diesem Schritt die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, damit eine Ausweitung von Siedlungen zu provozieren, dann ist unsere Haltung eigentlich klar. Der Schritt selbst ist kein Völkerrechtsbruch. Aber Siedlungen stehen ganz klar nicht im Einklang mit dem Völkerrecht.

Frage: Herr Seibert, am Rande des Kabinetts muss es offensichtlich auch ein Treffen der Bundeskanzlerin mit dem Vizekanzler und dem Finanzminister zu dem Thema Aufstellung der Haushaltseckwerte 2017 gegeben haben. Können Sie etwas zu den Inhalten dieses Gesprächs sagen? Bleibt es bei dem Zeitplan, dass die Eckwerte kommende Woche verabschiedet werden sollen?

StS Seibert: Es ist vollkommen normale Regierungsarbeit, dass sich die Bundeskanzlerin mit einzelnen oder mehreren Ministern ihres Kabinetts zu verschiedenen Themen trifft. Diese Treffen sind dann immer vertraulich. Deswegen werde ich daraus auch nicht berichten.

Zusatzfrage: Dann die Frage an das Finanzministerium: Steht denn der Zeitplan, dass die Eckwerte in der nächsten Woche verabschiedet werden sollen, oder nehmen Sie sich mehr Zeit?

von Tiesenhausen-Cave: Es ist weiterhin die Absicht, die Eckwerte für den Haushalt 2017 am 23. März zu verabschieden.

Frage: Herr Plate, in einer Kleinen Anfrage der Linksfraktion haben Sie geantwortet, dass Ende 2015 1,2 Millionen Menschen als Flüchtlinge in Deutschland waren. Ende 2014 waren es 627. Das heißt, die Zahl ist letztes Jahr um 600 gestiegen. Ist das die offizielle Flüchtlingszahl für 2015? Könnten Sie das einmal erläutern?

Plate: Nein, das ist im Prinzip eine Milchmädchenrechnung. Sie müssen vielleicht noch einmal in die Beantwortung der Anfrage schauen. Das ist da ein Vergleich von bestimmten AZR-Zahlen, also vom Ausländerzentralregister. Das Ausländerzentralregister zeichnet sich dadurch aus, dass man immer Bestandszahlen hat, den Bestand zu einem bestimmten Zeitpunkt. Es würde jetzt aber zu weit führen, das Ganze im Einzelnen zu erklären. Aber das heißt nicht unbedingt, dass die Flüchtlinge alle tatsächlich noch hier sind. Viele können beispielsweise schon ausgereist sein, finden sich aber datenmäßig noch im AZR.

Eine ganz abschließende Zahl darüber, wie viele Flüchtlinge im letzten Jahr nach Deutschland gekommen sind, gibt es im Moment noch nicht. Ich will jetzt nicht alle damit langweilen, noch einmal ganz genau zu erklären, warum EASY-Zahlen kein eindeutiges und aktuelles Bild vermitteln können. Es gibt auch Kleine Anfragen, auf die schon geantwortet worden ist, in welcher Größenordnung man ungefähr Abstriche machen muss. Der Minister selbst hat schon Anfang Januar gesagt, er gehe davon aus, dass die Zahl am Ende deutlich unter einer Million liege. Aber die Rechnung, die Sie da anstellen und die irgendjemand aus der Linksfraktion angestellt und öffentlich verkündet hat, trifft nicht zu. So kann man das nicht rechnen.

Zusatzfrage: Könnte also die Zahl sogar noch kleiner sein?

Plate: Ich will darüber nicht spekulieren. Aber ehrlich gesagt: Das halte ich für sehr unwahrscheinlich.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert. Nachdem die CSU gestern noch einmal die roten Linien mit Blick auf die Visafreiheit für die Türkei aufgezeigt hat: Mit welcher Verhandlungslinie geht jetzt eigentlich die Bundeskanzlerin in die Gespräche nach Brüssel?

StS Seibert: Ich möchte mich über das, was ich in den letzten Tagen bei den letzten Regierungspressekonferenzen zu diesem Thema gesagt habe, hinaus mit Aussagen über den kommenden Europäischen Rat zurückhalten, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen sind das natürlich noch Tage intensiver Gespräche. So war gestern beispielsweise der Präsident des Europäischen Rates, Donald Tusk, in Ankara und hat genau solche Gespräche geführt. Zum anderen hält die Bundeskanzlerin in weniger als einer Stunde vor dem Deutschen Bundestag eine Regierungserklärung zum kommenden Europäischen Rat. Ich halte es für angemessen, dass zuerst sie vor dem Parlament die aktuelle Haltung darlegt, mit der die Bundesregierung in den Rat geht, und nicht ich hier in der Bundespressekonferenz das vorwegnehme. Wir bieten, wie Sie wissen, nach der Regierungserklärung hier im Saal auch noch ein Briefing mit Herrn Corsepius an.

Frage: Herr Seibert, in der Türkei gibt es Unklarheiten über die Visafrage beziehungsweise über die Definition. Geht es hierbei um eine Visafreiheit, oder geht es um eine Visaerleichterung? Könnten Sie dazu etwas sagen?

StS Seibert: Die EU steht mit der Türkei schon seit 2013 in einem sogenannten Visadialog. Am Ende dieses Visadialogs soll die Visafreiheit stehen. Die Visaliberalisierung bis hin zur Visafreiheit wurde Ende November im Rahmen des EU-Türkei-Aktionsplans für den Herbst dieses Jahres, also 2016, vorgesehen. Nun geht es um die Frage, ob etwas schon Beschlossenes noch früher in Kraft treten kann, allerdings ohne jeden qualitativen Abstrich von dem, was die Türkei umsetzen muss, damit das geschehen kann. Ansonsten verweise ich noch einmal auf die Regierungserklärung der Kanzlerin in 56 Minuten.

Frage: Ich habe eine Frage an das Außenministerium. Frau Chebli, Staatsminister Roth hat neulich gesagt, dass die Bundesregierung, das Außenministerium die Öffnung der Kapitel 23 und 24 bezüglich der Beitrittsverhandlungen der Türkei mit der EU möchte. Aus Nikosia hören wir, dass die zyprische Regierung überhaupt nicht dazu bereit ist, irgendwelche Kapitel noch einmal zu öffnen. Der zyprische Außenminister kommt morgen nach Berlin. Sehen Sie da Spielraum für einen gemeinsamen Nenner?

Chebli: Diese Thematik ist nichts Neues. Wir wissen um die zyprische Haltung. Es hat Gespräche gegeben. Sie haben in der Presse gelesen, wie die Gespräche gelaufen sind. Der Minister trifft in der Tat seinen Außenministerkollegen. Sie werden sicherlich auch über dieses Thema sprechen. Wir arbeiten weiterhin an einer Klärung dieser Fragen, auch gemeinsam mit Zypern. Mehr kann ich Ihnen zu diesem Themenkomplex nicht sagen. Das alles ist ein Gesamtkomplex, der im Rahmen des nächsten Treffens mit der Türkei auf der Tagesordnung steht.

Zusatzfrage: Können Sie noch etwas über den anstehenden Besuch des zyprischen Außenministers in Berlin sagen?

Chebli: Er wird kommen, und er wird den Minister treffen; das ist richtig. Aber darüber hinaus kann ich Ihnen an dieser Stelle nichts sagen. Lassen Sie uns die Gespräche erst abwarten.

Frage: Herr Plate, können Sie uns kurz sagen, wie viele Forderungen oder Voraussetzungen aus dem Voraussetzungskatalog für die Visafreiheit die Türkei schon erfüllt hat, wie viele sie noch erfüllen muss und bis wann sie Zeit hat?

Plate: Diese Frage kann ich nicht ganz pauschal beantworten, weil die Kommission diejenige ist, die die Fortschrittsberichte über die Erfüllung der Kriterien schreibt. Der jüngste Fortschrittsbericht ist vom 4. März. Ich habe ihn hier in der Regierungspressekonferenz schon einmal hochgehalten; ich glaube, das vorletzte Mal. Darin kann man das Ganze im Einzelnen auf 46 Seiten nachlesen.

Grundsätzlich gibt es 72 Kriterien. Aber es ist nicht so einfach, wie Sie sich das vorstellen, beispielsweise "40 sind erfüllt und 32 nicht" oder so ähnlich. Es gibt welche, die voll erfüllt sind. Es gibt ganz wenige, die noch gar nicht erfüllt sind. Der große Teil ist teilerfüllt. Deswegen ist es schwierig, wie man sich das gerne wünschen würde, im Sinne eines Prozentbalkens anzugeben, wie weit die Strecke noch ist.

Dass es noch ein erheblicher Weg ist, den die Türkei gehen muss, ist der Türkei selbst bewusst. Der zuständige Minister hat presseöffentlich angekündigt - ich glaube, in der vergangenen Woche -, dass er zuversichtlich ist, das, was zu tun ist, bis zum 1. Mai zu schaffen. Von uns aus gibt es aber in dem Sinne natürlich keine Deadline, wenn Sie so wollen, weil Sie gefragt haben, wie viel Zeit noch ist. Das hängt davon ab, wann man die Visafreiheit gerne haben möchte. Je früher man sie haben möchte, desto früher wird man die Kriterien erfüllen müssen.

Ich hoffe, dass ich Ihnen damit vielleicht schon ein bisschen weitergeholfen habe.

Zusatzfrage: Sie sagten gerade, dass es einige wenige Punkte gibt, die noch gar nicht erfüllt worden sind. Können Sie uns die nennen?

Plate: Nein, die habe ich jetzt, ehrlich gesagt, nicht parat, außer einen Punkt, der mir in Erinnerung ist, nämlich dass in den Reisepässen umgesetzt werden muss, auf einem Chip ein Foto und einen Fingerabdruck zu speichern. Das muss in der Türkei eingeführt werden. Das ist jetzt der einzige Punkt, der mir gerade aus dem Kopf in Erinnerung ist.

Das alles steht in dem Bericht der Kommission, auf den ich schon verwiesen habe. Er ist auch frei im Internet zugänglich.

Zusatzfrage: Könnten Sie die Punkte, die aus Ihrer Sicht noch gar nicht erfüllt worden sind, vielleicht nachreichen?

Plate: Nein. Noch einmal: Der Prozess ist so angelegt, dass die EU-Kommission das Monitoring über die Fortschritte in diesem Prozess überwacht. Die Bundesregierung wird sich dann eine Meinung dazu bilden, wenn die EU-Kommission entsprechende Fortschrittsberichte vorlegt. Es gibt keinen Anlass, an dem letzten Fortschrittsbericht zu zweifeln und andere Positionen zu vertreten, als es die EU-Kommission aufgeschrieben hat.

Frage: Herr Seibert, ich habe noch eine Frage zum Prozedere zum EU-Gipfel hin. Nach der Regierungserklärung der Kanzlerin um 13 Uhr und vor dem Briefing morgen gibt es heute Abend noch den Unionsgipfel im Kanzleramt.

StS Seibert: Das Briefing ist heute, wenn ich das sagen darf.

Zusatzfrage: Entschuldigung. - Ist es vorstellbar, dass sich die Position, die die Kanzlerin jetzt gleich vorträgt, nach dem Unionsgipfel heute Abend im Kanzleramt noch einmal ändern wird, oder ist das, was sie heute vorträgt, auch die Position, mit der sie am Donnerstag in den Gipfel geht?

StS Seibert: Die Kanzlerin hält heute eine Regierungserklärung vor dem Bundestag, in der sie die Haltung die Bundesregierung gegenüber dem kommenden Europäischen Rat und der Begegnung mit der Türkei erklärt.

Zusatz: Aber das Gespräch heute Abend im Kanzleramt soll doch genau dem Zweck dienen, einen Streit, den es innerhalb der Bundesregierung und insbesondere innerhalb der Union zu bestimmten Positionen gibt, zu klären. Es ist ja das erklärte Ziel von Herrn Seehofer, da noch einmal Dinge zu ändern. Das heißt, dann muss man sich ja heute Abend gar nicht mehr treffen.

StS Seibert: Zu der Regierungserklärung und ihrem Zweck kann ich mich nur wiederholen. Zu Treffen innerhalb der Parteifamilie habe ich hier einfach nicht die Zuständigkeit.

Frage: Herr Nannt, hat das Kriegsschiff "Bonn" bisher Flüchtlinge aus der Ägäis retten müssen?

Nannt: Nein.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium. Der Vorstand der Deutschen Börse hat gestern bekannt gegeben, dass er einer Fusion mit der London Stock Exchange zustimmt. Wie ist die Haltung der Regierung dazu?

Alemany: Da müssten Sie wohl eher die Kollegin aus dem BMF fragen, wenn es um Börsen geht.

von Tiesenhausen-Cave: Ich kann mich nur wiederholen, dass es sich hierbei um unternehmenspolitische Entscheidungen handelt, die in erster Linie einer Bewertung durch die zuständigen Aufsichtsbehörden bedürfen. In Deutschland sind das für die Börsenaufsicht das hessische Wirtschaftsministerium - die Aufsicht liegt immer in dem zuständigen Bundesland - und auch die BaFin. Die kartellrechtliche Bewertung findet auch noch auf europäischer Ebene statt.

Frage: Ist es denn aus öffentlichem Interesse positiv zu sehen, dass dieser Zusammenschluss mit zwei Hauptsitzen, nämlich einem in London und einem in Frankfurt, stattfinden soll? Sehen Sie das positiv oder neutral?

von Tiesenhausen-Cave: Ich habe jetzt das gesagt, was man zur Bewertung sagen muss. Ich habe jetzt dem hier nichts hinzuzufügen.

StS Seibert: Ich könnte eines noch hinzufügen, wobei alles richtig ist, was die beiden Kollegen gerade gesagt haben. Das ist eine geschäftspolitische Entscheidung beider Unternehmen. Es werden in erster Linie, wenn dann einmal die vollständigen Vertragsunterlagen vorliegen, die Aufsichtsbehörden gefragt sein, das zu bewerten. Für die Deutsche Börse ist die Gestaltung des europäischen Börsenmarkts von Bedeutung. Wenn ihre Bemühungen zu einer Stärkung des Finanzplatzes Frankfurt führen würden, dann wäre dies der Bundesregierung willkommen.

Frage: Frau Chebli, wie bewertet die Bundesregierung den angekündigten russischen Truppenabzug aus Syrien? Ist das ein gutes Zeichen, dass der Bürgerkrieg zu Ende geht?

Chebli: Dazu - ich weiß nicht, ob Sie das mitbekommen haben - hat Außenminister Steinmeier gestern schon einiges gesagt. Er hat gesagt, dass das ein Signal an Assad ist und dass jetzt der Zeitpunkt ist, in Genf seriös zu verhandeln. Er kann sich nun nicht mehr allein auf die militärische Unterstützung Russlands verlassen.

Wir hoffen auf jeden Fall, dass Damaskus, dass das Assad-Regime jetzt die Chance ergreift, den Einstieg in einen friedlichen politischen Übergangsprozess zu suchen, der die Staatlichkeit Syriens und die Chancen auf ein friedliches Zusammenleben in Syrien zwischen allen Gruppen verschiedener Ethnien bewahrt.

In Genf, und das wissen Sie wahrscheinlich, sitzen ja seit Montag Regime und Opposition zusammen, wobei sie noch nicht in einem Raum zusammensitzen und noch nicht gemeinsam verhandeln, sondern de Mistura gegenwärtig noch separat mit beiden verhandelt. Dabei geht es genau um diese Frage, nämlich einen politischen Prozess zur Lösung des Bürgerkriegs in Syrien zu erzielen.

Was man aber schon sagen kann: Seit drei Wochen gibt es einen Waffenstillstand in Syrien, der weitgehend hält. Auch in der humanitären Versorgung ist es zu Fortschritten gekommen. In München hat man sich ja darauf geeinigt, dass sieben belagerte Städte mit humanitärer Hilfe versorgt werden - das ist gelungen -, aber es gibt ja mehrere Städte, die belagert sind und zu denen es keinen Zugang gibt. Auch hier erhoffen wir uns Fortschritte.

Wir hoffen, dass die Signale, die wir aus Moskau bekommen und die mit dem Teilabzug gegeben sind, vielleicht das Momentum dessen stärken, dass wir in Genf vorankommen, dass der politische Prozess vorankommt, dass man in der Frage der Lösung für Syrien vorankommt, dass die Menschen mehr Hoffnung darauf haben, im Land zu bleiben und das Land nicht zu verlassen, und dass wir damit Hoffnung auf eine irgendwann eintretende Befriedung Syriens haben.

Gleichzeitig, damit ich nicht zu optimistisch und zu euphorisch klinge, wissen wir, dass es in diesem Dossier keine Garantie gibt. Es gab in den vergangenen Monaten - inzwischen sind es ja fünf Jahre des Bürgerkriegs; gestern war der fünfte Jahrestag des Beginns des Bürgerkriegs - immer wieder blutige Rückschläge. Auch in den Verhandlungen gab es "ups and downs", Fortschritte und Rückschritte, und auch jetzt können wir keine Garantie dafür abgeben, dass es nur vorangehen wird. Es kann also durchaus sein, dass wir Rückschläge erleben werden. Aber das bedeutet für uns gleichzeitig, alles daranzusetzen, gemeinsam mit den Akteuren, die involviert sind - Russland, die Amerikaner, die regionalen Kräfte, die regionalen Akteure -, an einer politischen Lösung für Syrien zu arbeiten.

Zusatz: Nur ganz kurz zum Verständnis: Ich habe das jetzt so verstanden, dass Sie den Abzug begrüßen.

Chebli: Wir sehen das als ein Signal dafür an - vor allem in Richtung Assad -, dass er nicht allein auf die militärische Karte setzen kann. Wir sehen darin auch auf jeden Fall das Potenzial für positive Fortschritte im politischen Prozess; ja, ganz klar.

Frage: Frau Chebli, genau dazu: Erwarten Sie denn jetzt eine Änderung der russischen Position in den Syrien-Verhandlungen oder Syrien-Gesprächen? Ganz konkret gefragt: Welche Punkte der russischen Verhandlungsstrategien begrüßen Sie und finden Sie konstruktiv, und mit welchen sind Sie kategorisch nicht einverstanden?

Chebli: Wir haben in München eine Vereinbarung getroffen. Daraus resultierte zum Beispiel die Waffenruhe. Ein Ergebnis der Vereinbarungen ist also die Waffenruhe, die, wie ich gesagt habe, weitgehend hält. Letztendlich sagen unsere Leute, die in Genf sitzen, dass es hier Absprachen gibt, enge Vereinbarungen zwischen den USA und auch Russland, zum Beispiel, was die Überwachung der Waffenruhe angeht. Wir können das nur begrüßen.

Ich habe jetzt, ehrlich gesagt, Ihre Frage danach, was wir konkret konstruktiv finden und was wir konkret nicht konstruktiv finden, nicht verstanden. Ich finde, was man auf jeden Fall sagen kann, ist: Es sitzen in Genf die Parteien zusammen. Sie sitzen zusammen, um einen politischen Prozess in Gang zu bringen, um politische Lösungen für Syrien zu erzielen. Russland spielt eine zentrale Rolle. Russland ist einer der Hauptakteure. Russland ist vor allem deshalb einer der Hauptakteure, weil es Einfluss auf das Assad-Regime hat. Wenn wir in Genf im politischen Prozess vorankommen wollen, dann brauchen wir die konstruktive Rolle Russlands. Das, was Russland gerade angekündigt hat, dieser Teilabzug, hat, wie ich gesagt habe, das Potenzial, sich positiv auf die Verhandlungen auszuwirken. Das können wir begrüßen. Gleichzeitig sagen wir, dass das keine Garantie dafür ist, dass es in Syrien jetzt nur noch aufwärtsgeht. Das ist im Prinzip das, was wir ja auch hier mehrfach zum Thema Russland gesagt haben. Das ist eine neue Konstellation. Mit dem Teilrückzug gibt es eine neue Ausgangsbedingung - das ist schon klar -, die sich für uns erst einmal positiv auf den Prozess auswirken könnte.

StS Seibert: Wenn ich das in voller Zustimmung zu dem, was Frau Chebli gesagt hat, auch noch einmal kurz zusammenfassen darf: Nach fünf Jahren grausamsten Bürgerkriegs und nach den jüngsten russischen militärischen Interventionen gibt es doch nur eine einzige Chance zur Beendigung dieses syrischen Bürgerkriegs. Das ist der Waffenstillstand und danach die Verhandlungslösung zur politischen Transition, also so, wie es zwei Uno-Resolutionen - 2254 und 2268 - festgelegt haben. Dazu muss sich das syrische Regime bekennen, aber auch der Iran und die anderen Konfliktparteien. Wir hoffen, dass die russische Ankündigung, das militärische Kontingent zu reduzieren - denn das ist es ja; das ist ja kein Vollabzug, sondern eine Reduzierung -, wirklich ein wichtiger Schritt in genau diese Richtung ist.

Zusatzfrage: Erwartet die Bundesregierung denn, dass Russland jetzt zum Beispiel seine negative Haltung gegenüber einer Sicherheitszone in Syrien ändern wird?

Chebli: Unsere Haltung ist klar: Eine politische Lösung für Syrien werden wir nur hinbekommen, wenn es eine Verständigung unter den wichtigsten Akteuren gibt. Dazu gehört Russland, dazu gehören die USA, der Iran und Saudi-Arabien, und dazu gehört, wie Herr Seibert schon ausgeführt hat, auch die Türkei. Damit ist eigentlich klar, dass wir, wenn wir vorankommen wollen - ich kann das nur wiederholen -, genauso auf eine konstruktive Rolle Russlands angewiesen sind wie wir auf eine konstruktive Rolle der regionalen Akteure angewiesen sind, um in dem Prozess voranzukommen. Wir brauchen eine Verständigung zwischen allen, die Einfluss haben - sei es das Assad-Regime oder die Opposition -, um im politischen Prozess voranzukommen.

Ich meine, und auch das hat Herr Seibert angedeutet: Die schwierigsten Fragen stehen ja noch bevor - die Bildung einer Übergangsregierung, die Verfassungsreform, Neuwahlen, und all das innerhalb von 18 Monaten. Ich meine, wenn man sich sozusagen vergegenwärtigt, was es allein bedeutet, nach fünf Jahren des Bürgerkriegs dann am Ende zu Neuwahlen zu kommen, dann weiß man, wie lang der Prozess dorthin noch sein kann und wie wichtig es ist, dass hier alle an einem Strang ziehen.

Das Ganze hängt also an einem seidenen Faden, und es kann immer wieder Rückschläge gegeben. Wir hoffen, dass Russland weiterhin konstruktiv zu einer Lösung beitragen wird.

Frage: Frau Chebli, Herr Seibert, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat ja gestern Abend - ich glaube, es war in den "Tagesthemen" - wortwörtlich davor gewarnt, dass der Westen Putin bei diesem Propagandatrick nicht auf den Leim gehen sollte. Meine Frage wäre: Sehen Sie das auch so? Sehen Sie das auch als einen Propagandatrick Putins an, der jetzt dort im Grunde seine militärischen Ziele erreicht hat und entsprechend auch nicht etwas verliert, wenn er dort abzieht, sondern im Grunde genommen sehr positiv dasteht? Ich meine, solche Manöver haben wir in der Ukraine Krise ja zuhauf gesehen. Da wurden ja auch immer wieder Truppen abgezogen, und dann wurde wieder aufmarschiert. Ist das dieses Mal anders?

StS Seibert: Jede Ankündigung muss sich in der Praxis bewahrheiten. In diesem Fall könnte ein tatsächlicher Beitrag zur militärischen Deeskalation geleistet werden, und das würde sich dann auch positiv auf den politischen Prozess auswirken.

Frage: Ich wollte noch einmal zu der westlichen Intervention kommen, Herr Nannt. Der russische Verteidigungsminister hat am Montag erklärt, dass die Russen seit September 9000 Bombardierungsflüge durchgeführt und 2000 feindliche Kämpfer getötet hätten. Sie können uns ja jetzt hier nicht sagen, was für Zahlen die Anti-ISIS-Koalition vorzuweisen hat. Mich würde einmal interessieren, warum nicht. Warum interessiert die Bundesregierung nicht, was mit den Aufklärungsergebnissen ihrer Arbeit im Ani-ISIS-Krieg geschieht?

Nannt: Es geht darum, dass wir keine eigenen Erkenntnisse dazu haben, und - - -

Zuruf : Ja, aber warum?

Nannt: So, wie es hier üblich ist, können wir nur über die Dinge sprechen, die wir auch selbst machen. Wir sprechen nicht über irgendwelche anderen Erkenntnisse oder andere Quellen, sondern sprechen über unsere Quellen. Ich bin hier Sprecher des Verteidigungsministeriums und kann nur über unsere Dinge sprechen, also auch über den Bereich der Aufklärung - darüber, wie viele Flüge wir gemacht haben und was wir dort leisten -, kann aber eben nicht für andere sprechen. Das ist hier einfach ganz normaler Usus und auch Grundsatz in der Bundespressekonferenz.

Zusatzfrage : Ja, aber Sie gehören ja zur Koalition. Warum interessiert Sie nicht, was mit der Aufklärungsarbeit passiert? Da werden ja Luftangriffe geflogen.

Nannt: Noch einmal: Verdrehen Sie mir jetzt nicht die Worte! Ich habe Ihnen gesagt, warum ich das nicht sagen kann. Es geht darum, dass wir keine eigenen Erkenntnisse dazu haben.

Zusatzfrage: Die Frage war, warum Sie die Erkenntnisse nicht haben wollen. Die sind sehr leicht zu bekommen.

Nannt: Ich habe dazu alles gesagt, was ich Ihnen sagen kann.

Frage: Herr Seibert, Sie sagten jetzt, dass sich diese Ankündigung erst einmal in der Praxis beweisen müsse. Falls die sich jetzt in der Praxis beweisen sollte, wäre es dann auch möglich, dass die Bundesregierung überlegt, die Sanktionen abzuschwächen oder nicht mehr zu verlängern, oder sind diese beiden Komplexe vollkommen voneinander getrennt?

StS Seibert: Diese beiden Komplexe sind vollkommen voneinander getrennt. Sanktionen sind gegen Russland, gegen russische Personen und gegen russische Unternehmen im Zusammenhang mit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim und im Zusammenhang mit dem Agieren Russlands in der Ostukraine erhoben worden. Das hat nichts mit der Situation in Syrien zu tun.

Frage: Ich habe eine Frage an das Wirtschaftsministerium zu den deutschen Waffenexporten nach Saudi-Arabien. Es gab ja einen Medienbericht, wonach Deutschland Waffen an Saudi-Arabien und an die Vereinigten Arabischen Emirate verkauft hat. Können Sie diesen Bericht bestätigen?

Alemany: Wir haben auch entsprechende mediale Berichte zur Kenntnis genommen. Die scheinen sich vermutlich auf Entscheidungen des Bundessicherheitsrats zu beziehen. Wie Sie wissen, haben wir die Öffentlichkeit und die Transparenz - - - Wir haben die Geheimhaltung der BSR-Entscheidungen nur gegenüber dem Parlament aufgehoben, nicht gegenüber der Öffentlichkeit.

Zusatzfrage: Frau Chebli, wie steht Ihr Ministerium zu diesen Waffenverkäufen an zwei Kriegsparteien, die ja im Jemen auch Krieg führen, also an Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate?

Chebli: Ich möchte nicht wiederholen, was wir hier jetzt mehrfach zu diesem Thema gesagt haben; sehen Sie es mir bitte nach. Wir haben hier so oft über das Thema der Waffenexporte an Saudi-Arabien und an andere Länder gesprochen. Wir haben gesagt, dass Entscheidungen im Einzelfall getroffen werden; vor allem die Kollegen im Wirtschaftsministerium haben das gesagt. Ich habe das nicht zu ergänzen.

Zusatzfrage: Frau Chebli, Sie haben immer gesagt, dass eine der Fluchtursachen genau die Kriege in der Region seien. Jetzt kommen aber deutsche Waffen in die Region. Braucht diese Region mehr deutsche Waffen?

Chebli: Ich möchte dem, was ich gesagt habe, nichts hinzufügen.

Frage: Frau Alemany, Ihr Minister hat in dem Schreiben an den Wirtschaftsausschuss im Bundestag unter anderem ausgeführt, dass 23 zivile Hubschrauber mit militärischen Einbauten von Airbus nach Saudi-Arabien transportiert oder exportiert werden. Warum sind Hubschrauber mit militärischen Einbauten Defensivwaffen? Warum werden Hubschrauber mit militärischen Einbauten nicht für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden können?

Alemany: Wie gesagt: Alle Inhalte, also alle Genehmigungen und alle Ablehnungen innerhalb des Bundessicherheitsrats, sowie alle Länder, die dort behandelt werden, unterliegen der Geheimhaltung. Insofern kann Ihnen eigentlich gar kein Schreiben vorliegen, und wenn, dann dürfte ich mich darauf nicht beziehen.

Zusatzfrage: Aber Sie dementieren ja jetzt nicht, dass diese Waffen exportiert werden, richtig?

Alemany: Ich sage zu BSR-Inhalten gar nichts, weil die vertraulich sind und ich Ihnen das gar nicht erzählen dürfte.

Zusatzfrage: Aber trotzdem liegt dieses Schreiben dem Wirtschaftsausschuss ja vor. Unter anderem heißt es auch, dass Heckler & Koch 1210 Maschinengewehre und Pistolen in den Oman exportieren darf. Warum sind Maschinenpistolen Defensivwaffen? Warum können mit Maschinenpistolen keine Menschenrechte verletzt werden?

Alemany: Sie können mich gerne noch dreimal fragen, und ich kann Ihnen gerne noch dreimal die Antwort geben, dass ich über alle Dinge, die den BSR betreffen, hier nicht sprechen kann, wie Sie wissen.

Ich kann Ihnen aber noch einmal die grundsätzliche Haltung der Bundesregierung nennen, was Rüstungsexporte, Rüstungsexportgenehmigungen und unser ganzes Kontrollsystem angeht.

Zusatz: Nein, ist okay.

Frage: Frau von Tiesenhausen, das "Handelsblatt" meldet heute, dass der Bund auf die erwarteten Börsenerlöse aus dem Börsengang von Arriva und Schenker verzichtet. Können Sie sagen, wie groß der Gewinnausfall für den Bund eigentlich ist? Wie wird dieser kompensiert?

von Tiesenhausen-Cave: Ich würde bezüglich des Themas Deutsche Bahn an das beteiligungsführende Ressort verweisen, nämlich das BMVI.

Susteck: Was die Zukunft von Arriva betrifft: Dazu wird es eine gesonderte Aufsichtsratssitzung geben. Ein Termin dafür steht noch nicht fest. Das ist der Sachstand, den ich Ihnen dazu nennen kann.

Zusatzfrage: Heißt das, Sie können die "Handelsblatt"-Geschichte nicht bestätigen, oder dementieren Sie sie?

Susteck: Mir ist der Bericht nicht bekannt. Gegebenenfalls werde ich Ihnen das gerne nachreichen.

Mittwoch, 16. März 2016

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 16. März 2016
https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Mitschrift/Pressekonferenzen/2016/03/2016-03-16-regpk.html
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. März 2016

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